Grüne, graue und blaue Infrastruktur als Logistikprozess
Papierkörbe - Anzahl, Kosten und Abläufe
von: Axel RaueDer Stadtbetrieb Iserlohn Hemer (SIH) firmiert als interkommunale Anstalt des öffentlichen Rechts für die Trägerkommunen Iserlohn und Hemer am Rande des Sauerlands und ist für die kommunale Daseinsvorsorge in der grünen, blauen und grauen Infrastruktur aktiv. Ein häufig mehr als Randthema beachtetes Themenfeld, nämlich die Aufstellung, die Unterhaltung und die Arbeitsbedingungen bei der Leerung von Papierkörben, hat zu einer Vielzahl von Fragestellungen geführt:
- Wie viele Papierkörbe existieren in den Trägerkommunen?
- Gibt es eine transparente Ableitung zu den existierenden Standorten?
- Welcher Aufwand wird im Rahmen der Bewirtschaftung erzeugt?
- Wie ist die Wirkung der Standorte und der Bewirtschaftung im Kontext der Stadtgesellschaft? Nutzung.
- Kann ein Beitrag für eine saubere und sichere Stadt abgeleitet werden?
- Welche Arbeitsbedingungen erzeugt das System für die Mitarbeitenden?
- Papierkörbe - heute überhaupt noch zeitgemäß im Kontext der Klimakrise?
Und schließlich: Mit welchem Prozess wird die Leerung der Standorte gesteuert und existieren Parallelen zu anderen Prozessen im Management des öffentlichen Raums, die jeweils einzeln betrachtet, reine Logistikprozesse darstellen?
Für die Stadt Hemer wurden im Kontext des Produktes "Pflege in Bildern" (FLL Bildqualität Freianlagen -BK FREI und FLL Objektartenkatalog OK-FREI) alle Grünflächen auf Basis einer Luftbildauswertung in das Geoinformationssystem eingefügt. Beauftragt war die d.b.g. Datenbankgesellschaft mbH. Es liegen nunmehr alle Flächenangaben vor. Zu den Standards im öffentlichen Raum soll es in der nachfolgenden Verwaltungsratssitzung, dem politischen Beschlussgremium der AöR, eine separate Beschlussvorlage mit den Pflegestandards im IST und im SOLL als Planidee geben sowie die monetären und finanziellen Auswirkungen dargestellt werden.
Die Anzahl, der Zustand und die jeweilige Örtlichkeit der Ausstattungsgegenstände wie zum Beispiel der Papierkörbe in einer Kommune sind selten bekannt. Im Laufe der Zeit wurden häufig auf Zuruf Papierkörbe oder auch Hundekotbeutelstationen aufgestellt. Bei Neuplanungen von einem Park, einer Fußgängerzone oder anderen städtebaulichen Entwicklungen haben die jeweiligen Planer häufig individuelle Papierkörbe und Ausstattungselemente geplant und verwirklicht.
Im Ergebnis findet man im öffentlichen Raum häufig Papierkörbe aus vielen Jahrzehnten dieser Republik und in ganz unterschiedlichen jeweiligen Erhaltungszuständen. Ein Gesamtüberblick ist eigentlich nie gegeben.
Für die Stadt Hemer ist im Anschluss die Idee entwickelt worden, diese nicht unerheblichen Kostenpositionen Aufstellen, Unterhalten und Leeren von Papierkörben genauer zu betrachten. Jeder Papierkorb in Hemer ist in der Folge von der d.b.g vor Ort mit einem Foto und einer GPS Position aufgenommen worden und im GIS eingepflegt. Im Gesamtergebnis existieren in Hemer über 800 Papierkörbe, von denen der SIH jedoch nur ca. 400 Stck. (Stadtgebiet 270 Stck./Spielplätze 130 Stck.) unterhält.
Der Nutzungsdruck auf die kommunale grüne, blaue und graue Infrastruktur ist in den vergangenen Jahren, speziell aber auch in der Corona Zeit, deutlich gestiegen. Verbunden mit diesem erhöhten Nutzungsdruck ist auch ein deutlich erhöhtes Abfallaufkommen zu verzeichnen. Das erhöhte Abfallaufkommen führt zu mehr Beschwerden, zu einem intensivierten Leerungszyklus und zu höheren Kosten.
Digitalisierung. Wirtschaftlichkeit. Stadtsauberkeit. Gesunderhaltende Arbeitsbedingungen
Gesamtüberblick Papierkorbstandorte Hemer
Wesentlich für den SIH, dieses Thema genauer zu betrachten und zu überdenken ist aber der Umstand der Leerung vor Ort. Da es viele verschiedene Produkte an Papierkörben gibt und diese durch Vandalismus häufig teilweise zerstört sind und instandgesetzt werden müssen, werden die Papierkörbe in einer separaten Tour manuell geleert. Jeder einzelne Papierkorb wird händisch aus der Aufhängung gehoben. Dieser Arbeitsprozess dient nicht der Gesunderhaltung der Kollegen. Ein hoher Anteil an krankheitsbedingten Arbeitsausfällen ist bedingt durch Schmerzen am Rücken. Beim Leeren eines Papierkorbes müssen sich die Kollegen erst bücken und den Metallbehälter entriegeln, dann aus der gebückten Haltung hochziehen und dann schulterhoch auf die Pritsche heben und dort wiederum aus dem Rücken heraus ausleeren. Der Altersdurchschnitt im SIH liegt um die 50 Jahre.
Die Anpassung und Optimierung der Arbeitseinsätze der Mitarbeiter spielt bei der Überlegung zur Effizienzsteigerung eine wesentliche Rolle. Daher wurde im Rahmen eines Pilotpansatzes "Routenoptimierung" bei 270 Abfallbehältern damit begonnen zu prüfen, welche dieser Abfallbehälter stark frequentiert werden und somit häufiger geleert werden müssen. Die sogenannte Füllstandsmessung erfolgt innerhalb der regulären Touren zur Leerung der Papierkörbe und wurde durch die Mitarbeiter des SIH durchgeführt. Damit verknüpft ergeben sich auch Antworten auf die Frage, ob stadteinheitlich eine einheitliche Größe an Papierkorbvolumen vorgehalten werden sollte, oder ob differenziert betrachtete Standorte auch zu differenzierten Volumina bis hin zum Rückbau von Papierkorbstandorten führen können.
SUG-Stellenmarkt
Beispiel: Papierkörbe im Friedenspark IST
In der Praxis zeigen die Auswertungen der manuellen Füllstandermittlung, dass 28 Prozent der Abfallbehälter trotz, zum Teil arbeitstäglicher Leerung, regelmäßig einen Füllstand über 75 Prozent aufweisen. Auffällig ist in diesem Zusammenhang, dass im Prüfzeitraum wenige Abfallbehälter einen Füllstand unter 25 Prozent aufwiesen. Dies spiegelt den deutlich erhöhten Nutzungsdruck und das erhöhte Abfallaufkommen wieder. Somit ist ein arbeitstägliches Anfahren vieler Abfallbehälter zum jetzigen Zeitpunkt notwendig. Für die Entleerung der Abfallbehälter in Hemer sind beim SIH aktuell zwei Mitarbeiter zuständig. Die wöchentliche Arbeitszeit der Mitarbeiter beträgt 39 Stunden. Neben der normalen Tätigkeit, nämlich der Entleerung der Abfallbehälter werden auch weitere Tätigkeiten ausgeübt.
Nach den Auswertungen der Aufwendungen und Abrechnungen mit den Trägerkommunen erzeugt die Bewirtschaftung und die Wartung sowie eine etwaige Ersatzaufstellung aktuell ein Kostengerüst von ca. 550 Euro pro Papierkorb und Jahr.
Um die Gesamtsituation (Wirtschaftlichkeit, körperliche Belastung, Effizienzsteigerung) zu optimieren, erschienen eine Betrachtung der Leerungsintervalle und die Anpassung der absoluten Anzahl der Abfallbehälter zielführend.
Kostenstruktur hilft, einige der grundlegenden Fragen zu beantworten
Die aktuell verwendeten Abfallbehälter stellen die Belegschaft regelmäßig vor verschiedene Herausforderungen. Diese Form der Abfallbehälter gilt als vergleichsweise vandalismussicher. Dies birgt jedoch den Nachteil, dass die Entnahme des Behälters vergleichsweise kompliziert ist und mit jedem Vandalismusschaden = Verbiegen der Behälter und/oder den Aufnahmepunkten schwieriger wird. Zudem ist das hohe Gewicht des gefüllten Behälters verbunden mit der Höhe einer Fahrzeugpritsche, selbst für junge Mitarbeiter, eine körperliche Herausforderung. Mit einem geringen Füllvolumen von 45 Litern sind einer künftigen Verwendung unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten auch enge Grenzen gesetzt.
In Abwägung der bisherigen Ergebnisse ist im SIH der Ansatz erwachsen, sich vom Kauf von Papierkörben im üblichen Markt zu verabschieden. Das Ergebnis ist ein Prototyp aus Edelstahl, welches leicht zu reinigen ist, ebenso aufwandsarm von Aufklebern unter Anwendung eines Warmwasserhochdruckstrahls zu befreien ist, nicht rostet und die Oberflächen nicht anlaufen, wie zum Beispiel bei verzinktem Stahl. Das Volumen des Papierkorbs beträgt zukünftig 120 Liter. Damit ist die Füllmenge insgesamt größer als bei den bisherigen Standardpapierkörben und muss weniger häufig geleert werden. Zudem ist von Beginn an ein Füllstandsensor verbaut. Auch muss kein separater Aschenbecher für Zigaretten angebracht werden. Es sind hierfür Öffnungen vorgesehen, an denen die Zigaretten ausgedrückt werden können und anschließend in den Behälter fallen.
In den Abfallbehältern aus Edelstahl befindet sich eine klassische Abfalltonne, die manuell aus dem Behälter über eine Tür entnommen und maschinell via Abfallsammelfahrzeug entleert werden kann. Somit reduziert sich die körperliche Belastung der Mitarbeiter auf das Öffnen der Behältertür und die "rollende" Entnahme der Abfalltonne. Schweres Heben und Tragen gehören der Vergangenheit an. Das größere Volumen des Abfallbehälters ermöglicht sowohl eine Reduzierung der Leerungszyklen an weiterhin bestehenden Standorten als auch die generelle Reduzierung der Anzahl der Abfallbehälter in den jeweiligen Stadtgebieten, was zu einer Effizienzsteigerung führt.
Der Edelstahlbehälter wurde so gestaltet, dass auch aktuell gern genutzte To-Go-Verpackungen wie zum Beispiel Pizzakartons oder Getränkebecher problemlos entsorgt werden können. Durch die beiden vergleichsweise kleinen Abfalleinwurfsöffnungen wird verhindert, dass privater Haushaltsmüll (Sackware) in der Abfalltonne landet. Ein Abstellen von Abfällen auf dem Abfallbehälter wird durch die schräge Einwurfsebene weitestgehend verhindert.
Um die Praktikabilität für Menschen mit Behinderung zu testen, wurden Bürgerinnen und Bürger mit Handicaps eingeladen, um den Behälter in Alltagssituationen zu testen. Nachdem der Abfallbehälter von einer Rollstuhlfahrerin und einem Bürger mit Sehbehinderung getestet wurden, wurde klar, dass es noch Verbesserungsbedarf bei den Einwurfmöglichkeiten und der Einwurfshöhe und bei der Kennzeichnung für sehbehinderte Menschen gibt.
Für die Produktion eines Abfallbehälters inkl. Abfalltonne werden aktuell Kosten in Höhe von ca. 600 Euro veranschlagt. Vergleichsmodelle finden sich am Markt zu deutlich höheren Preisen.
Das Pilotprojekt zur manuellen Füllstandermittlung hat deutlich werden lassen, dass eine Routenoptimierung und somit eine Kostenersparnis nur durch die regelmäßige Ermittlung der Füllstände möglich ist.
Die Abfallbehälter werden deshalb mit einer Laser-Füllstand-Sensorik von SSI-Schäfer ausgestattet, die eine optimale, automatisierte Routenplanung anhand der aktuellen Füllstände ermöglicht.
Die per Funkübertragung (NB-Iot) übermittelten Füllstandsmessungen werden künftig tagtäglich aufbereitet, ausgewertet und in einer Geo-Datenkarte präsentiert. Neben der Behälterverwaltung und dem Behältermonitoring wird aus den generierten Daten eine automatisierte dynamische Tourenplanung erfolgen. Nur Behälter, die etwa zu 75 Prozent als gefüllt gemeldet werden, werden dann noch angefahren. Leerfahrten können somit weitestgehend vermieden werden. Dies hat nicht nur ökonomische, sondern auch ökologische Vorteile. "Logistik on Demand" wird die jeweils ermittelte Route tagesaktuell in das Fahrzeug als Arbeitsauftrag leiten. Neben den Füllstandsensoren kommen auch RFID-Transponder an den Abfalltonnen zum Einsatz. Bei jeder Entleerung werden diese mit einem Handgerät erfasst und somit lässt sich auch die Häufigkeit der Entleerungen über den Jahresverlauf darstellen.
Nach dem Pilotprojekt mit zunächst 20 Papierkörben inklusive Sensorik sollte es ein Ziel sein, alle Papierkörbe derart auszustatten. Eine vergleichsweise geringe Kostensteigerung, die große Effekte auf die Arbeitsplanung und Arbeitsdurchführung der Stadtreinigung in Iserlohn und Hemer haben wird.
Es werden folgende Effekte erwartet:
- Erkenntnisgewinn über den Nutzungsgrad des einzelnen Standorts
- Evaluierung der Standorte und Reduzierung oder Ausweitung des Serviceangebots in Hinblick auf die Anzahl und das vorzuhaltende Volumen im Kontext des Leerungszyklusses
- Kontrolle der Leistungserbringung
- Mechanisierung der körperlich anstrengenden Arbeitsprozesse und Reduzierung der Ausfallzeiten
- Nutzung der Software für weitere Prozesse der Logistik
Wie aus dem Ablauf deutlich geworden ist, sollten die Abläufe von der Seite der Logistik her neu betrachtet werden und dementsprechende Rückschlüsse gezogen werden. Viele Tätigkeiten erscheinen in einem neuen Licht und können nach demselben Prinzip neu justiert werden. Die Leerung der Papierkörbe gleicht einem Prozess in der Logistik: Von Punkt a nach b, um dort etwas zu erledigen und dann weiter nach c. Dieses Schema findet man so auch in der Wartung und Kontrolle der Spielplätze, bei der Unterhaltung von Sportplätzen, bei der Kontrolle von Wegen und Straßen, bei der Planung der Winterdienstrouten sowie der Touren der Kehrmaschinen oder etwa bei der Einteilung der Großflächenmäher.
Im Rückschluss muss die Softwarelösung derart adaptiert werden, dass viele weitere Dienstleitungen aus Sicht der Logistikprozesse und mit personeller Entwicklung in Richtung eines Speditionskaufmanns möglich werden. Unzweifelhaft ist der Dialog mit dem Personalrat über die Nutzung der GPS bezogenen Daten erforderlich.
Aus dem Ansatz der Optimierung der Prozesse bei der Leerung von Papierkörben - einem Randthema im Arbeitsalltag- und den eingangs aufgeworfenen Fragestellungen konnten Lösungen generiert werden, die nunmehr einen gesamtbetrieblichen Ansatz in der Logistik bewirkt haben und sich in Umsetzung befinden.
Es erscheint durchaus zielführend, Fragen zu stellen, die Kollegen einzubinden, die Digitalisierungsmöglichkeiten zu nutzen und eine Verbesserung für die städtische Infrastruktur zu bewirken.
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