Landschaftsästhetische Veränderungsimpulse – für mehr Grünbänder

Zur Schnittstelle zwischen Bebauung und Landschaft

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Bebauungsplan Landschaft
Abb. 1: Typisches Bild einer landschaftsästhetisch mangelhaften Schnittstelle Siedlung-Landschaft. Foto: Christoph Sandt

Malerische Städte und Dörfer, umringt von blühenden Obstbaumgürteln, von kleinbäuerlichen Weiden, auf denen Pferd, Kuh und manch anderes Vieh grasen und hier ein wohl gutes Leben haben. Ein Leben neben üppigen Gemüsefeldern, rot, blau und weiß durchwobenen Ackerschlägen, wilden Brennholzhecken und verstreuten Bauholzbäumen. Diese und manch andere Landschaftserscheinung prägten über viele Jahrhunderte das Bild mitteleuropäischer Siedlungsbilder.

Der Autor dieser Zeilen wird nun gewiss nicht alleine mit einer gewissen Melancholie auf dieses Bild längst vergangener Zeit zurückschauen. Ein Bild, das die meisten von uns nur von flüchtigen Blicken auf vergilbten Fotografien aus Büchern zur Lokalgeschichte kennen und dessen sinnliche und seelische Kraft nur noch schwach erahnen können.

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Bebauungsplan Landschaft
Abb. 2: Historisches Gehöft mit üppiger Eingrünung bei Osnabrück. Foto: Christoph Sandt

Längst sind die Wellen von Verkoppelung, Flurbereinigung und Industrialisierung über unsere mitteleuropäischen Länder gerollt und haben vielerorts verstummte und in ihren Identitäten mehr oder minder verblasste Landschaften hinterlassen.

Die folgenden Gedanken stellen sich nicht gegen das grundsätzliche Phänomen von der Zeit Änderungen hervorzubringen. Auch behandeln sie nicht ethische Dimensionen und Erscheinungen des "Menschmotors" im gesamtlandschaftlichen Umformungsprozess.

Auf Basis von (gänzlich unsystematischen) Eigenbeobachtungen, von Spaziergängen, Bahn- und Autofahrten behandeln sie die gegenwärtige Erscheinung unserer Siedlungsränder und damit einen als Schnittstelle überdurchschnittlich raumwirksamen Ausschnitt von Kulturlandschaft.

Klar ist, dass die gegenwärtigen Bilder unserer Siedlungsränder mit dem oben skizzierten Landschaftsbild nur sehr wenig gemeinsam haben: Während sich diese früher in der Regel strukturell "weich- fließend" (sowie überproportional artenreich) darstellten, sind sie heute vielerorts "hart- starr" und kommen in ihrer Unfähigkeit, zwischen Bebauung und Landschaft zu vermitteln einem landschaftsästhetisch bedürftigen Menschen einer schallenden Ohrfeige gleich.

Die dieses Phänomen dominierende Ursache dürfte nicht zuletzt der anthropozentrische Wunsch der Kommunen sein, die Flächenkosten für ihre für eine Bebauung ausgewiesenen Flächen möglichst gering zu halten. Ein im Wettstreit mit benachbarten Städten und Gemeinden grundsätzlich legitimes Bedürfnis, das dadurch bedient wird, den Anteil begrünter Ausgleichs- und damit häufig öffentlicher Flächen an der Gesamtfläche möglichst klein zu halten.

Die unkritisch-eindimensionale Befriedigung dieses Bedürfnisses lässt jedoch außer Acht, dass der Mensch ein soziales Wesen ist, dass er - auch als soziokulturelles Schmiermittel - bezüglich den Wirkungen seines Tuns ebenso Verantwortung für seine Mitmenschen (und die Umwelt) besitzt.

Rechtsetzend findet sich diese Mitverantwortung für das Gemeinwohl zunächst in Artikel 14 Absatz 2 des Grundgesetzes als "Sozialpflichtigkeit des Eigentums" - landläufig unter der Formel "Eigentum verpflichtet" bekannt.

Ebenso finden sich Regeln zur Sozial- (und Umwelt-) Verträglichkeit von Bauen in § 1 Absatz 5 des Baugesetzbuches. Dort heißt es unter anderem: "Die Bauleitpläne sollen eine (. . . ) dem Wohl der Allgemeinheit dienende sozialgerechte Bodennutzung gewährleisten. (. . . ) Sie sollen dazu beitragen (. . . ) das Orts- und Landschaftsbild baukulturell zu erhalten und zu entwickeln."

Deutlich werden hierin durch unsere gesetzgebenden Organe gesellschaftlich definierte, erhebliche Werte und Ansprüche zur Sozialbindung von Eigentum und zur qualitativen Fortentwicklung des Orts- und Landschaftsbildes.

Angezeigt durch das tatsächliche Bild der meisten unserer Siedlungsränder dürfte unstrittig sein, dass diese gesellschaftlich abgebildeten Vorgaben hinsichtlich dem hier behandelten Thema jedoch regelmäßig nur unangemessen berücksichtigt werden.

Verständlich wäre nicht zuletzt, dass sich die meisten Kommunen im genannten Wettstreit mit Nachbargemeinden einer solchermaßen problemerzeugenden Realitätsbetrachtung entziehen (wollen)¹.

Bebauungsplan Landschaft
Abb. 3: Bild einer landschaftsästhetisch gelungenen Schnittstelle Gewerbe-Landschaft. Foto: Christoph Sandt

An dieser Stelle wären nun vor allem unsere Städteplaner - weniger die leider häufig (nur) als "Gestalter von Restflächen" einbezogenen Grünplaner - gefordert, diesen potenziellen blinden Fleck an die Kommunen zu kommunizieren. Hierfür wäre nicht zuletzt von den Planern Überzeugungsarbeit zu investieren, deren Einsatz wiederum die gesamte Bandbreite beruflichen Ethikverständnisses zwischen den Polen Idealismus und Opportunismus deutlich werden lassen dürfte.

Nun wird die eine oder andere Städteplanerin und der eine oder andere Städteplaner entgegnen, dass die randliche Begrünung von Bauflächen insofern problematisch ist, als dass die städtebaulichen Ergebnisse von Siedlungstätigkeit als Regelfall (mehr oder minder dynamischen) Wachstumsprozessen unterliegen. Hierauf sei entgegnet, dass diesen Wachstumsprozessen mit demografischen und wirtschaftlichen Prognosen sowie der darauf aufbauenden "Mittelfristplanung Flächennutzungsplan" wirksam begegnet werden kann. Auch könnten die so mitunter langfristig in den Siedlungsflächen entstehenden Grünbänder - quasi als "Prozessabfall" - für eine Durchgrünung der jeweiligen Quartiere sorgen.

Daneben stellt der Autor im Ursachenraum des hier behandelten Themas nicht in Frage, dass eine heutige Landschaft im Vergleich zum "Früher" andere sie formende "Wahrheiten" besitzt. Insofern wäre ein Wunsch, das anfangs skizzierte Landschaftsbild (ausgenommen solchermaßen bewusst gestalteter Situationen) herbeizuführen, ein im unangemessensten Fall "Disneyland-gleicher Anachronismus".

Doch wie könnte eine zeitgemäße landschaftliche Interpretation der Gestalt von Bebauungsrändern aussehen? Abgesehen davon, dass es hierfür vermutlich verschiedenste strukturell-funktionale Gestaltungsmöglichkeiten gäbe, stellt der Autor im Folgenden mit einem Grünband aus Bäumen (s)eine einfache Lösung vor. Hinsichtlich seiner landschaftsästhetischen Relevanz ist zu beachten, dass der Einsatz von landschaftsbildwirksamen Grünbändern bei Gewerbe- und Industriegebieten sowie ähnlich landschaftsbildproblematischen Baugebieten/-körpern wohl unstrittig ist oder besser: sein sollte².

Bebauungsplan Landschaft
Abb. 4: Ländliche Siedlungsstelle mit gelungener, reifer Eingrünung bei Wiesbaden. Foto: Christoph Sandt

Bei Wohnbauplanungsprojekten liegt eine solche Relevanz annähernd immer vor, wenn die Baukörper mit ihren (in der Regel schmalen) Vorgärten/Eingangsbereichen³, mitunter auch mit ihren Wangenseiten, an die offene Landschaft grenzen. Sollten diese Wohnbaukörper mit Wohngärten oder breiterem Abstandsgrün an die offene Landschaft angrenzen, ist mitunter auch mit einer privaten "(Baum-)Pflanzbindung" ein (zwar nicht "guter", aber doch wenigstens) ausreichender Eingrünungseffekt zu erreichen. Dies allerdings nur, wenn die private Umsetzung solcher Verpflichtungen zur Pflanzung und Entwicklung von landschaftlich raumwirksamen Bäumen (und Sträuchern) tatsächlich auch vollzogen, das heißt von den Kommunen kontrolliert und notfalls strafandrohend verfolgt werden würde. Hier sieht es in der Realität und im Augenblick wenigstens hier und da ein bisschen ernüchternder aus.

Konkret sollte das hier vorgestellte Grünband eine Breite zwischen etwa 5 und 20 Meter haben: etwa 5 bis 10 Meter bei Wohnbebauungen, etwa 10 bis 20 Meter bei solchen für Gewerbe- und Industrieflächen. Mit diesen Breiten sollte einer wenigstens im Siedlungskontext zunehmenden Flächenknappheit Rechnung getragen sein, was eine solche Lösung zu einer zeitgemäßen Interpretation eines Siedlungsweichbildes machen könnte. Obwohl ein solches Band in landschaftlichen Maßstäben eher schmal wäre, ließen sich hiermit die sich aus Baukörpern verschiedenster Dimension ergebenden Anforderungen bezüglich der gewünschten landschaftlichen Einbindung meist gut befriedigen.

Weiterhin wird vorgeschlagen, in diesem Band ausschließlich Bäume der potenziellen natürlichen Vegetation und/oder solche, die wie Obstbäume als Kulturgut (regional) verankert sind, zu pflanzen. Gewinne dieser Pflanzenauswahl wären zum Beispiel die damit eingeleitete Pflege und Schärfung naturräumlicher Authentizität und damit letztlich ortsbezogener Identität der beplanten Siedlungskontexte: ein nicht zuletzt unter Berücksichtigung einer rasend fortschreitenden Globalisierung vielleicht erfreulicher Beitrag örtlicher Identitätspflege. Und ein Gegenbild zum "globalem Allerlei".

Auch für Bürgerinnen und Bürger wäre dies sicht- und berichtbar, zum Beispiel durch die Beobachtung "Wir wohnen da, wo die vielen Birken wachsen."

Dabei sollten die Baukörper des Siedlungsrandes/der Siedlungssilhouette nicht versteckt, sondern landschaftlich eingebunden werden. So sollten mittel- bis langfristig etwa 25 bis 40 Prozent der Baustrukturen vom Blick aus der Landschaft auf die Siedlungslage sichtbar bleiben.

Bebauungsplan Landschaft
Abb. 5: Nicht zuletzt in größeren Neubau-Siedlungsquartieren besteht das Bedürfnis nach räumlich und ökologisch hochwertigen "Feierabend(-erlebnis)wegen". Foto: Christoph Sandt

Unter Berücksichtigung der jeweils angrenzenden Bebauung ließe sich dieses Baum(reihen)motiv zum Beispiel durch eingestreute Einzelsträucher, (freiwachsende) Heckenpartien oder Hochstaudenfluren weiter ausmalen. Zusammen mit den genannten Bäumen könnten diese gestalterischen Anreicherungen dann Lebensraumrequisit für zahlreiche strukturangepasste Tierarten wie Hermelin, Braunbrustigel, Gartenspitzmaus, Erdkröte, Zauneidechse, Girlitz oder Stieglitz sein.

Für die freibleibenden Abschnitte der Grüngürtel, das heißt am Boden, wären weiterhin "bunte Blumenwiesen" möglich. Diese könnten dann Lebensstätte der aktuell bestandsbedrohten Insekten wie Schachbrett, Tagpfauenauge, Kleiner Fuchs, Großes Ochsenauge, Hauhechel-Bläuling oder Maikäfer sein.

Auch könnte man mit einem geringen Aufwand Teile (vielleicht ~ 10-15 %) der genannten Gras-Krautfluren alljährlich im Frühling von der kommunalen Grünpflege auffräsen/(zer-)stören lassen. Damit ließe sich - mit den sich dort ansiedelnden/angesäten Ruderalarten -eine Lebens- und Nahrungsstätte auch für spezialisierte Insekten, wie die Natternkopf-Mauerbiene (Osmia adunca) am Natternkopf (Echium vulgare) schaffen.

Ursprünglich bei der Betrachtung des Landschaftsbildes gestartet, wäre eine Umsetzung des hier vorgetragenen Appells unter Berücksichtigung der räumlichen Verbreitung von Bauflächen somit auch eines: ein nicht unerheblicher Beitrag zur Förderung wenigstens ubiquitärer Arten und damit letztlich auch der unter starkem Druck stehenden ökologischen Vielfalt unserer Natur.

Ebenso gibt es wohl einen breiten gesellschaftlichen Konsens, dass der globale Klimawandel auch vor Ort konkretes Handeln erfordert. Insofern wären die hier zur Diskussion gestellten Grüngürtel zugleich ein kleiner und doch örtlich erkennbarer Beitrag, einem drängenden, weltweiten Problem zu begegnen.

Im Ausklang sei im Fall von Wohnsiedlungen noch ein weiterer, nicht zu vergessender Gewinn der vorgestellten Gestaltung und Neuinterpretation der Schnittstelle zwischen Bebauung und Landschaft genannt: Die Steigerung der naturbürtigen Erlebnis- und damit Lebensqualität für die ortsansässige Bevölkerung und des kommunal erstrebten Bevölkerungszuwachses: Effekte, die nicht zuletzt manch wachen (Ober-)Bürgermeister sehr interessieren dürften . . .

Anmerkungen

¹ Klar ist auch. dass es zur Unterhaltung der hier im Folgenden empfohlenen und auf öffentlicher Fläche befindlichen Grüngürtel mitunter einer Erhöhung der kommunalen Grundsteuer bedarf (was wenigstens bei so manchem (Ober-)Bürgermeister und Kämmerer die Augenbrauen in die Höhe schnellen lassen dürfte. . . ).

² . . . und nicht selten tragisch am kleingärtnerischen "Kurzhalten" (bzw. der Kontrolle durch die Naturschutzbehörden), der natürlich höher wachsenden Gehölze scheitert.

³ . . . an die sich dann in aller Regel eine Zufahrtsstraße anschließt.

Dipl.- Ing. Christof D. Sandt
Autor

Landschaftsarchitekt AKNDS, Mediator BMEV

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