Natur und Umwelt in Planung und Programmatik der IGA Berlin 2017

Zwischen Naturschutz- und Erlebnisraum

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IGA Berlin 2017 Internationale Gartenausstellungen
"Berlins beste Aussichten" eröffnen sich von den Dächern der umgebenden Großwohnsiedlungen auf das IGA-Gelände. Foto: IGA Berlin 2017 GmbH

Im Jahr 2017 richtet Berlin die Internationale Gartenausstellung im Bezirk Marzahn-Hellersdorf aus, die als eine wichtige Programmsäule das Naturerlebnis in der Stadt mit Naturschutz, Ökologie und Nachhaltigkeit zeitgemäß verbinden soll. Inmitten einer der größten Plattenbausiedlungen Europas und einer der größten Naturerholungsräume Berlins zeigt das IGA-Gelände einen kontrastreichen Landschaftsraum, der sich von den erweiterten Gärten der Welt, dem Kienberg, über Teile des Wuhletals bis zum "Auftakt Hellersdorf" erstreckt.

Die landschaftsarchitektonische Gestaltung des IGA-Geländes geht auf den Entwurf der Arbeitsgemeinschaft geskes.hack Landschaftsarchitekten, VIC Brücken und Ingenieurbau und Kolb Ripke Architekten zurück, die 2013 siegreich aus einem internationalen Wettbewerb hervorgegangen sind. Ihr Konzept vereint die Gärten der Welt mit den umgebenden Landschaftsräumen zu einem Ensemble mit wechselseitigen Bezugspunkten und setzt markante gestalterische Akzente (zum Gestaltungsentwurf vgl. Ausgabe S+G 10/2013, S. 33ff).

Mit der individuellen Gestaltung und Programmatik der einzelnen Teilbereiche wirft die IGA Berlin 2017 einen Blick auf das städtische Leben von morgen, das "Garten schauen" und "Natur erleben", "urbanes Gärtnern" und sich "Draussen bewegen" beinhaltet und den Einklang von Stadt und Natur, Freizeit- und Erholungsraum neu ausloten möchte.

Naturnah und nachhaltig

Doch wie ökologisch können Gartenausstellungen sein und was ist bei der nachhaltigen Planung und beim Bau zu beachten? Diesen Fragestellungen räumt die IGA Berlin 2017 besondere Bedeutung ein. Bereits im Vorfeld des internationalen landschaftsplanerischen Wettbewerbs hat die IGA detaillierte Fachgutachten beauftragt, die über den Zeitraum eines Jahres den Bestand von Flora und Fauna vor Ort erfasst haben. Auf der Grundlage der Kartierungen und im Dialog mit den Berliner Naturschutzverbänden sowie den Anwohnerinnen und Anwohnern hat die IGA wesentliche Änderungshinweise für die geplanten Bauwerke aufgenommen, um diese noch naturverträglicher in den Landschaftsraum des Kienbergs und des Wuhletals einzubetten.

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Im Sinn einer naturnahen und ökologischen IGA, die auf die Anreicherung der Biodiversität ausgerichtet ist und die Belange des Schutzes von Fauna und Flora stärken will, wird beispielsweise anstelle der geplanten Erweiterung des Wuhleteiches an seinem nördlichen Ufer ein Flachwasserbiotop entstehen, in dem die vorhandenen Schilfpflanzen mit heimischen Arten erweitert werden könnten. Auch der Wuhlesteg wurde aufgrund der Ergebnisse der Biotopkartierung nach Süden verschoben, um schützenswerte Vegetation zu erhalten. Darüber hinaus soll eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe, der Vertreter der Naturschutzverbände und Wissenschaftler der TU Berlin und der TU Dresden angehören, bis zum Spätsommer ein Konzept für die ökologische Waldentwicklung vorbereiten, mit der die Artenvielfalt des Kienbergs erhöht werden kann. Für die Baumaßnahmen auf dem IGA-Gelände erfolgt eine ökologische Planungsbegleitung, die neben der Entwicklung eines Baustellenlogistikkonzeptes, auch die fachliche Beratung und Bauüberwachung unter umwelt- und naturschutzfachlichen Aspekten durch ein externes Planungsbüro vorsieht. Bei der wechselnden Bepflanzung der Ausstellungsflächen spielt die Umweltverträglichkeit eine Rolle: Rund zehn Millionen Kubikmeter Torf werden Jahr für Jahr in Deutschland verbaut, ein Viertel davon verwenden Hobbygärtner. Die IGA Berlin 2017 geht mit gutem Beispiel beim torffreien Gärtnern voran. Erste Ansätze dazu gab es bereits. So hat die BUGA in Koblenz anstelle von Torf ein vulkanisches Substrat eingesetzt, die igs in Hamburg legte ihre Wechselflorflächen ausschließlich mit torffreiem Substrat an.

Umweltbildung und Naturerlebnis

Im Bereich der Bildungsangebote wird das Thema Natur und Umwelt zur IGA ebenso eine zentrale Rolle spielen. So wird am südlichen Hangfuß des Kienbergs ein internationaler IGA-Campus entstehen. "Natur erleben", "urbanes Gärtnern" und Umweltbildung stehen hier im Fokus von drei miteinander vernetzten Programmen, die aus dem Internationalen Work-Camp, dem Global School Garden und dem IGA-Klassenzimmer bestehen. Im Internationalen Work-Camp werden Jugendliche aus aller Welt gemeinsam mit jungen Berlinerinnen und Berlinern Projekte entwickeln. Bereits im Vorfeld der IGA soll hier gemeinsam gearbeitet und gegärtnert und Teile des IGA-Campus aufgebaut werden. Der Global School Garden ist Aktionsgarten, grünes Labor und Denkfabrik, in dem die Zukunft des urbanen Gärtnerns erforscht und Natur erfahrbar gemacht werden soll. Das IGA-Klassenzimmer, zu dem während der IGA rund 2000 Schulklassen erwartet werden, ist eng an das Work-Camp angebunden und bietet Aktionen rund um gartenspezifische Themen, Umweltbildung sowie Kochen und gesunde Ernährung an. Naturnahe partizipative Projekte aus dem internationalen kuratierten Kunstverfahren der IGA werden hier ihre Verortung finden. Die Arbeitsgemeinschaft Grüne Liga Berlin e. V. und UF Konzeption+ Management entwickeln das Konzept des IGA-Campus, dessen Gestaltung und räumliche Konzeption im Rahmen des diesjährigen Peter-Joseph-Lenné-Preises 2014 ausgelobt wurde. Die Besucherinnen und Besuchern der IGA Berlin 2017 werden zudem einen "Arche Park" im Wuhletal erleben können, in dem alte gefährdete Nutztierarten grasen und die Wechselwirkung zwischen Weidehaltung, Landschaftspflege und Pflanzenentwicklung anschaulich vorgestellt wird.

In die Zukunft gedacht

Nach der IGA wird die Grün Berlin GmbH die ehemaligen Ausstellungsflächen für den Bezirk weiter bewirtschaften. Während die Gärten der Welt nach Ende der IGA weiterhin ein eintrittspflichtiges touristisches Ausflugsziel bleiben, sind die Landschaftsräume Kienberg und Wuhletal dann kostenfrei zugänglich.

Dafür wurde bereits im April 2014 eine Nutzungsvereinbarung zwischen dem Bezirk Marzahn-Hellersdorf und der Grün Berlin GmbH getroffen. Vor diesem Hintergrund erarbeitet die Gesellschaft bereits zum jetzigen Zeitpunkt einen langfristigen Pflege- und Entwicklungsplan, um den Kienberg und das Wuhletal ökologisch weiterzuentwickeln. Zudem soll der Gesamtraum durch wechselnde in- und extensive Gestaltungen qualifiziert und der Bereich der Umweltbildung nachhaltig verankert werden. Weiterhin werden dauerhafte Fitness- und Sportangebote für alle Altersgruppen geschaffen. Auch der Betrieb der Seilbahn wurde bis zum Jahr 2020 mit einer Verlängerungsoption vertraglich mit der Leitner AG vereinbart, um eine barrierefreie und attraktive Anbindung der Gärten der Welt an die U-Bahn zu sichern.

Beteiligung am Planungsprozess

Eine wichtige Rolle auf dem Weg zur IGA Berlin 2017 spielt der aktive Bürgerdialog, der mit Informationsveranstaltungen zu den geplanten Baumaßnahmen bereits ab 2013 begonnen wurde, um Bedenken der Bevölkerung aufzunehmen und eine breite Akzeptanz der IGA zu erzielen. Das Wettbewerbsergebnis wurde beispielsweise nicht nur in einer öffentlichen Ausstellung präsentiert, sondern auch im Rahmen von Veranstaltungen vor Ort in Marzahn-Hellersdorf diskutiert. Mit den IGA-Dialogen, Treffen mit Initiativen und Bürgersprechstunden setzt sich dieser Prozess auch über 2014 hinaus fort. Bis zur Eröffnung der IGA informieren ab 2015 mobile IGA-Schaustellen zwei Jahre lang über den weiteren Baufortschritt.


IGA Berlin 2017 als Kick-off

Nachhaltige Landschaftsplanung in Berlin-Marzahn, ein Gespräch

Bei dem über 100 Hektar großen IGA-Gelände gibt es vielfältige Erfordernisse des Naturschutzes zu berücksichtigen. Was sind die besonderen Herausforderungen bei der Planung und Realisierung der IGA Berlin 2017?

Christoph Schmidt: Das große Potenzial des IGA-Geländes ist die Dreigliedrigkeit des Landschaftsraumes, der den Kienberg, die bestehenden Gärten der Welt und das Wuhletal vereint. Im Sinne einer langfristig angelegten Entwicklung der Biotope und der Erhöhung der Artenvielfalt wäre es daher der falsche Ansatz, die intensiv gestalteten Ausstellungsbereiche über die gesamte Fläche zu legen. Das Ziel der IGA ist es, unzuträgliche Eingriffe zu vermeiden.

Manfred Schubert: Es ist besonders wichtig, die Naturräume, die sich über Jahrzehnte entwickelt haben, zu erhalten und sinnvoll in das Konzept der IGA zu integrieren aber auch weiterzuentwickeln, da nicht alles im Bestand unbedingt naturschutzwürdig ist. Der Kienberg ist hierfür ein gutes Beispiel, wo es aus unserer Sicht notwendig ist, bestimmte Teilbereiche wieder freizulegen, um ein ausgewogenes Mosaik aus bewachsenen Flächen und Freiflächen zu erzielen. Im Gegensatz zu den intensiv gestalteten Ausstellungsflächen in den Gärten der Welt sollten im Landschaftsraum des Wuhletals, in dem unsere Mitgliedsverbände seit den 1990er Jahren die ersten Renaturierungsschritte begleitet haben, möglichst nur geringe bauliche Eingriffe vorgenommen werden, um den wertvollen Naturraum zu erhalten.

Die IGA ist sehr frühzeitig mit Naturschutzverbänden in einen Dialog getreten. Ist diese Vorgehensweise mittlerweile ein Standard bei der Realisierung großer Planungsvorhaben oder sehen Sie hier allgemein noch Nachholbedarf?

Manfred Schubert: Ein zweites vergleichbares Planungsverfahren wie die IGA gibt es in Berlin derzeit nicht. Die übliche Vorgehensweise ist, dass wir zu dem fertig ausgearbeiteten Planungsstand innerhalb einer bestimmten Frist Stellung nehmen können. Es ist eine Besonderheit des IGA-Planungsprozesses, dass wir so frühzeitig Gelegenheit haben, Anregungen und Kritik einzubringen aber auch Vorschläge zu machen.

Christoph Schmidt: IGAs und BUGAs sind für jede Metropole oder Region eine große Herausforderung. Daher müssen wir auch prozessbezogen vorbildlich sein und nicht nur auf der Ebene des guten Designs oder bei den Besucherzahlen. Es war uns ein großes Anliegen, dies auch in der Kooperation mit den Naturschutzverbänden darzustellen.

Welche Impulse kamen von Seiten der Naturschutzverbände?

Christoph Schmidt: Aus der von uns beauftragten sehr dezidierten Bestandskartierung hatten wir bereits zahlreiche Hinweise. Die Verbände brachten beispielsweise Vorschläge zur Lage des Steges oder zum Ansinnen ein, den Wuhleteich zu vergrößern, auf die wir mit einer modifizierten Planung reagiert haben. Auch die Lage des IGA-Campus haben wir neu durchdacht.

Wird sich auch die Berliner Landesarbeitsgemeinschaft Naturschutz e. V. mit einer Präsentation an der IGA Berlin 2017 beteiligen?

Manfred Schubert: Ich könnte mir vorstellen, den IGA-Planungsprozesses als ein Best-Practice-Beispiel im Rahmen von Vortragsveranstaltungen oder Führungen zu präsentieren.

Wie wird die langfristige Pflege und zukünftige naturnahe Entwicklung der neuen Parklandschaft über die IGA Berlin 2017 hinaus gesichert?

Christoph Schmidt: Das Nachnutzungskonzept, das wir in den nächsten drei Jahren erarbeiten werden, muss die hoch aufgeladenen Programmatiken der IGA in die Zukunft überführen. Mit einem Pflege- und Managementkonzept für den Park am Kienberg sollen die öffentlich entstandenen Werte bewahrt und Entwicklungsansätze für die Zukunft verfolgt werden. Darüber hinaus wollen wir die Bürgerbeteiligung konzeptimmanent fortsetzen, um die Identifikation mit diesem neuen Volkspark zu steigern. Um das fortlaufende Monitoring der Naturräume zu gewährleisten, benötigen wir auch zukünftig die Unterstützung der Naturschutzverbände.

Die IGA vereint die naturnahe Aufwertung der Landschaftsräume mit einer nachhaltigen Qualifizierung des Stadtteils. Ist die IGA Berlin 2017 ein Zukunftsmodell für ähnliche Vorhaben?

Manfred Schubert: Ich denke, dass Gesamtprojekt wird das Herausragende sein. Es gibt Leuchtturmprojekte wie den Wolkenhain, den Aussichtspunkt auf dem Kienberg oder die Themengärten in den Gärten der Welt. Auch die Seilbahn wird ein Highlight sein. Für mich ist die "IGA dezentral" besonders wichtig, bei der innerstädtische Parkanlagen und grüne Kleinode im Rahmen der IGA präsentiert werden und die Stadt großräumlicher betrachtet und miteinbezogen wird.

Christoph Schmidt: Es gibt übergeordnete Konzepte wie die "Strategie Stadtlandschaft", in die sich die IGA passgenau eingliedert. Vor dem Hintergrund des Bevölkerungswachstums müssen viele europäische Metropolen neu über ihre Ränder nachdenken, für die möglicherweise ein Entwicklungsdruck entsteht. Daher ist es ein Ziel der IGA darzustellen, dass Wohnen an der Peripherie qualitätsvoll und interessant sein kann. Die IGA ist der Kick-Off aber die Zukunft dieses Landschaftsraumes beginnt eigentlich erst nach 2017.

Fragen: Kerstin Gust

Autorin

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