Potenziale einer sozialverträglichen Entwicklung
Grüne Stadt für alle?
von: Dr. Annegret Haase, Prof. Dr. Dagmar HaaseBegrünungsstrategien als wichtiger Faktor für die Lebensqualität, die physische und psychische Gesundheit und das Wohlbefinden von Stadtbewohnerinnen und Stadtbewohnern haben in den letzten Jahren enorm an Bedeutung gewonnen (Haase 2018; Haase et al. 2017). Beispiele hierfür reichen von neu angelegten Parks auf Brachflächen, urbanen Gemeinschaftsgärten, grünen Zwischennutzungen und vertikaler Straßenbegrünung wie grünen Fassaden oder grünen Dächern. Diese "grüne Infrastruktur" (Pauleit et al. 2018) bietet jede Menge an Ökosystemdienstleistungen, welche gut sind für Menschen wie Schatten und Abkühlung bei großer Hitze, ästhetisches Vergnügen, einen Platz für Erholung und Freizeitaktivitäten, Orte der Begegnung, Kommunikation und Interaktion und gleichzeitig auch Orte der Stille und des Rückzugs, an welche sich die Stadtbewohnerinnen vom Alltagsstress erholen können (Adli 2017; Bosch & Ode Sang 2017).
Im Kontext des aktuellen "Städtebooms", also des dynamischen Wachstums der meisten Großstädte in Deutschland (Rink et al. 2015), rückt Stadtgrün gleichzeitig immer mehr in die Aufmerksamkeit marktorientierter Neubau- und Aufwertungslogiken. Dies ist ein globales Phänomen, welches sich in fast allen Teilen der Welt beobachten lässt. Es reicht von der europäischen Stadtlandschaft über die nord- und südamerikanische bis hin zu Chinas oder Südkoreas "Eco-Cities" oder den neuen Retortenstädten im arabischen Raum, welche mit "resilient city" für Wohlhabende, fast schon aggressiv beworben werden (Haase 2018). In Letztgenannten werden Zielkonflikte zwischen einer ökologisch nachhaltigen und sozialverträglichen und gerechten Stadtentwicklung sehr deutlich, denn Geringverdiener-Haushalte können sich solche grüne beziehungsweise ökologische Umgebung generell nicht leisten.
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In europäischen und nordamerikanischen Großstädten tragen exklusive Begrünungen beider Revitalisierung in attraktiven Lagen und teurer, grüner Neubau dazu bei, dass sich Wohnquartiere entmischen (Banzhaf & McCormick 2007, Wolch et al. 2014). Und so können Grünflächen als Orte der Erholung und Steigerung des Wohlbefindens sowie Orte, die zur Erhaltung der physischen und psychischen Gesundheit des Menschen beitragen sollen, ungewollt oder auch durchaus geplant (Haase et al. 2017) zu residentieller Segregation und direkter und indirekter Verdrängung einkommensschwacher Haushalte beitragen.
Welches Wissen gibt es heute zur Frage einer sozialverträglichen Entwicklung von Stadtgrün und Stadtbegrünung, welche Erkenntnisse und Annahmen steuern die aktuelle Debatte? Wo sind "blinde Flecke"? Und wie gut "kommunizieren" verschiedene Debatten aus der soziologischen, planerischen, stadtökologischen Perspektive miteinander? Im Folgenden soll der Stand des Wissens kurz zusammengefasst und anhand konkreter Beispiele kurz illustriert werden.
Stand des Wissens und Beispiele
Zunächst ist festzuhalten, dass die Debatte zur Stadtbegrünung oder "grünen Stadt" heute viel interdisziplinärer geführt wird als noch vor einigen Jahren. Sozialwissenschaftliche und stadtökologische Perspektiven nehmen einander zunehmend wahr, und Vorstellungen darüber, dass Grün per se gut für alle oder gerecht ist, weichen differenzierten, abwägenden und kritischen Sichtweisen (Haase et al. 2018, Haase et al. 2017). Folgende wenige Punkte erscheinen besonders wichtig für Überlegungen zu einer grünen und gleichzeitig sozialverträglichen Stadt:
1. In wachsenden Städten gibt es einen starken Flächendruck. Freiräume, zunächst unwichtig wie grün sie sind, sind im Fokus von Immobilienmarktinteressen und öffentlichem Bedarf zum Bau von Infrastruktur. Gerade in innenstadtnahen Quartieren - Berlin, Prenzlauer Berg, Friedrichshain, Kreuzberg, Hamburg mit Schanzenviertel oder St. Pauli oder die Leipziger Ortsteile Südvorstadt, Plagwitz oder Lindenau - hat das Maß an Verdichtung in den letzten Jahren sehr zugenommen (Geppert & Gornig 2010). Hier stellt sich die Frage nach einer Balance zwischen benötigtem Wohnraum und Infrastruktur auf der einen und Frei- und Grünräumen auf der anderen Seite. Was ist wichtiger: Neuer Wohnungsbau oder der kleine Park an der Ecke? Wie bringt man Verdichtung und Grünbedarf der Bewohner am besten in Einklang?
Die Debatte zur sogenannten "doppelten Innenentwicklung" (Böhm et al.2016) nimmt diese und andere Fragen auf und diskutiert Optionen der urbanen Raumentwicklung. Doppelt steht dabei für kompakt und grün. Was sind hier Möglichkeiten? Flächen für Stadtgrün vergrößern durch grüne Wände, Dächer und Balkone, so dass der Pro-Kopf-Wert mit Grün trotz Verdichtung gleich bleibt? Den Zugang zu verbleibenden Innenhöfen und zu Gründächern in einer Weise verbessern, so dass es trotz Neubau weiterhin einen Zugang zu Grün im Nahbereich gibt? Die Ausstattung und Biodiversität vorhandener Grünräume deutlich erhöhen, so dass der Erholungs- und Erlebniswert pro Fläche größer wird? Oder die Bewohnerinnen und Bewohner so beteiligen, dass zu treffende Entscheidungen maximal transparent sind und ihre Interessen weitestgehend berücksichtigt werden?
Konflikte entstehen vor allem dann, wenn der Flächendruck groß ist, also in Städten, die wachsen. Das Leitbild der "doppelten Innenentwicklung" lenkt Wachstum vornehmlich in zentrale Bereiche, und hier geraten Freiräume (mehr oder weniger grün) unter Druck - aktuell lässt sich das etwa in Leipzigs innenstadtnahen Gründerzeitquartieren wie Südvorstadt (Foto 3) und Lindenau-Plagwitz gut beobachten (Haase et al. 2018), aber auch in Berlin, hier nicht zuletzt am Beispiel des mittlerweile sehr bekannten Gleisdreiecks (Foto 4).
2. Der Blick auf die Effekte von Begrünung unter Marktbedingungen ist wie oben erwähnt kritischer geworden. Und so greifen neue Debatten wie etwa die zur "Eco-Gentrification" (Dooling 2009) oder zu "grünen Ungleichheiten" (http://www.bcnuej.org/event/green-inequalities-an-inquiry-into-urban-environmental-gentrification/, 11.06.2019) diese Themen explizit auf und hinterfragen insbesondere die sozialräumlichen Konsequenzen einer "grünen Aufwertung" und dokumentieren Prozesse von Segregation und Verdrängung zu Ungunsten einkommensschwächerer Haushalte. Es wird gefragt, wie man Stadt gestalten kann, die einerseits "grün genug" ist für eine hohe Lebensqualität, aber andererseits nicht automatisch zu Segregation und Verdrängung führt (Curran & Hamilton 2012). Hinter dem scheinbaren "sozial-ökologischen Paradoxon" (Holm 2011) sind vor allem Immobilien- und Wohnungsmarktprozesse und -entscheidungen für die dokumentierten sozialen Effekte einer Begrünung oder eines grünen Bauens verantwortlich. In anderen Worten: Im Kern geht es nicht um soziale und ökologische Fragen, sondern um Wohnungs- und Immobilienmarktentscheidungen sowie Verteilungsungerechtigkeiten unter Marktbedingungen in der Stadt. Die Gefahr besteht also keineswegs im Begrünen selbst, sondern in seiner Einordnung als feste Größe in Markt- oder renditeorientierte Wertzuschreibungen.
Und oftmals bleiben auch Folgen einer "grünen" Aufwertung unbeachtet, und es wird nicht über den Zusammenhang mit generellen marktgesteuerten Prozessen nachgedacht. Im Extremfall haben wir daher immer mehr und anspruchsvolle und qualitativ hochwertige Begrünung in unseren Städten (siehe Foto 3 zum Gleisdreieck-Park) und gleichzeitig weniger Zugang zu diesem Grün für einkommensschwache und andere benachteiligte Gruppen. Während die oberen Einkommensgruppen zu den Profiteuren von neuen grünen oder blauen Qualitäten ehemals wenig attraktiver Wohnlagen und revitalisierter Brachen gehören, zum Beispiel durch stark durchgrünte und in Flussnähe gelegene neue Wohnprojekte, müssen Ärmere eine Verdrängung aus diesen Wohnstandorten aufgrund steigender Mieten befürchten (Haase et al. 2017).
Eines der prominentesten Beispiele für die Verdrängung nach grüner Aufwertung ist die High Line in New York, ein begrüntes Hochbett einer ehemaligen Eisenbahnlinie in Manhattan (Foto 1). Hier zeigt sich, wie ein ursprünglich bottom-up entwickeltes Projekt durch den Markt erobert wurde und Verdrängungsprozesse durch das neue, attraktive Grün beschleunigt (Wolch et al. 2014, Haase et al. 2017).
Ähnliche Prozesse lassen sich, wenn vielleicht auch erst in Anfängen, in vielen europäischen Städten mit umkämpften Wohnungsmärkten beobachten, auch in Deutschland, wie oben beschrieben. Für die am schnellsten wachsende Stadt in Deutschland im Vergleich zu ihrer Einwohnerzahl, Leipzig, ist der Parkbogen-Ost und der darin integrierte Lene-Voigt-Park ein gutes Beispiel, wie die grüne Aufwertung einer Bahnbrache ein ganzes Viertel "hipp" gemacht hat. Die Mieten sind von 4,50 Euro pro Quadratmeter im Jahr 2000 auf 7 Euro im Jahr 2018 gestiegen. Sie zeigen, dass die Parkgestaltung der Nachbarschaft Reudnitz, wo der Lene-Voigt-Park liegt, bodenpreis- und mietbezogene Konsequenzen hatte (Ali 2017, Konzack 2017). Positiv sind eine ganze Reihe lokaler Cafés und Restaurants, welche im Zug der grünen Aufwertung eröffneten und heute das Quartier beleben.
3. Die Bedarfe an Stadtgrün verändern sich heute auch durch die zunehmende Heterogenität unserer Stadtbevölkerung im Zuge globalisierter Migration und vielfältiger Zuwanderung. Es entstehen in vielen Städten sogenannte "Ankunftsquartiere" (Hans et al. 2019), welche eine besonders hohe Heterogenität ihrer Wohnbevölkerung aufweisen und eine hohe Fluktuation. In solchen, oftmals sehr dicht besiedelten Quartieren ist bei gleichzeitig hohem Bedarf nach Freiraum oftmals unterdurchschnittlich viel Grünraum von hoher Qualität zu finden. Und viele Bewohnerinnen und Bewohner mit internationaler Biographie, aber auch mit multipler Benachteiligung sind in Beteiligungsverfahren oft nur wenig oder gar nicht präsent (Kloek et al. 2013). Wissen über ihre Bedarfe gibt es demzufolge nur wenig, ein Verstehen von Vorstellungen aus der Perspektive unterschiedlicher Lebenswelten ist oft wenig ausgeprägt. Die Forschung weiß mittlerweile aber, dass die Wahrnehmungen und Bedarfe an Stadtgrün sehr unterschiedlich sein können (Elands et al. 2018, Vierikko et al. 2017). Diese gilt es in Zukunft im Detail zu erforschen, insbesondere für die StadtbewohnerInnen, welche aus Erfahrung ihre Meinung in öffentlichen Prozessen weniger einbringen. Nicht zuletzt entstehen bei der Nutzung von Stadtgrün in heterogenen Umgebungen auch immer wieder Konflikte (z. B. Schwarz 2008) - diese gilt es zu beleuchten und nach Möglichkeiten für eine Aushandlung widersprüchlicher Bedarfe zu suchen. Aktuelle Forschungsprojekte wie KoopLab (www.kooplab.de) zum Beispiel untersuchen die Möglichkeiten und Bedingungen einer sozialverträglichen Entwicklung grüner Freiräume in sozial und kulturell heterogenen Quartieren in verschiedenen deutschen Großstädten.
4. Grün oder Begrünung sind nicht "per se" gerecht oder sozial fair. Mehr Grün führt nicht automatisch zu Vorteilen und einem Gewinn an Lebensqualität für alle. Diese Annahmen sind noch immer verbreitet. Jedoch hat auch die Debatte zu "grünen Ungleichheiten" im Zuge des Vormarsches von Gentrification in den letzten Jahren zu einer erhöhten Sensibilität für Gerechtigkeitsfragen im Zusammenhang mit Stadtgrün geführt. Hierbei geht es nicht mehr nur um bloße Verteilungs- oder Zugangsgerechtigkeit, sondern auch darum, wer über Begrünung entscheidet und wessen Stimme in dahingehenden Entscheidungs- und Planungsprozessen eine Rolle spielt (Verfahrensgerechtigkeit in Anlehnung an Walker 2012 und Low 2013). Auch geht es um Aneignungsfragen, wo Prozesse sozialer Macht mitzudenken sind: Wer eignet sich eine Fläche an? Werden dadurch andere potenzielle Nutzungsgruppen diskriminiert oder gar ausgeschlossen? Wie geht man mit grünen Zwischennutzungen um, die partizipativ entwickelt wurden und wo der Eigentümer das Recht behält, sie nach einer vereinbarten Zeit zu beenden, etwa, wenn die Fläche neu bebaut werden soll? Studien zeigen, dass auch "grüne Projekte" und kooperative Ansätze soziale Machtverhältnisse reproduzieren und, wenn auch unbeabsichtigt, zu mehr Ungerechtigkeit beitragen können (Roy 2015). Gerade urbane Gemeinschaftsgärten tragen oftmals zu einer Imageverbesserung der Quartiere bei, in denen sie sich ansiedeln, und mitunter befördern sie somit Aufwertung und Verdrängung (Steinberg 2015). Und kooperative Ansätze setzen oftmals Wissen und Expertise sowie verbale Übung und Durchsetzungsvermögen in Gruppensituationen voraus, sodass bei solchen Prozessen teilhabeferne oder teilhabeungeübte Gruppen strukturell erneut benachteiligt sind. Eine Erkenntnis, unter welchen Bedingungen solche Ansätze tatsächlich zu mehr Inklusivität und Gerechtigkeit beitragen, steht also noch aus (Haase und Schmidt 2019).
Damit seien einige Themen benannt, welche die Debatten um Stadtgrün im Kontext einer sozialverträglichen Entwicklung heute bewegen. Im Folgenden sollen sie mit konkreten Beispielen illustriert werden.
Welche Schlussfolgerungenlassen sich ziehen?
Anhand der im Artikel aufgeführten Beispiele und deren Interpretation wird deutlich: Begrünung ist per se weder sozial gerecht noch ungerecht; sie führt nicht automatisch zu sozial verträglicher oder unverträglicher Entwicklung. Eine stärkere Kontextbetrachtung und ein Fokus auf mögliche Zielkonflikte einer sozial-ökologischen Entwicklung mit marktbedingten Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten der Verteilung sind demnach unabdingbar für unsere wachsenden Städte heute. Sie gehören in den Fokus der Debatte über eine nachhaltige Stadtzukunft. Wie aber stellt man sicher, dass Begrünung in der Stadt vor allem einer sozialverträglichen Entwicklung zugutekommt? Dazu haben wir sechs Thesen entwickelt, die hier zur Diskussion gestellt werden:
- Städtische Begrünungsstrategien müssen immer im lokalen Kontext gedacht und diskutiert werden. Insbesondere Zusammenhänge zu wohnungsmarktbezogenen und sozialräumlichen Differenzierungsprozessen und existierenden Strukturen sozialräumlicher Ungleichheit sind zu beachten. Dasselbe gilt für lokale Machtverhältnisse und Hierarchien der städtischen Planung und Entscheidungsfindung.
- Grün ist nicht per se gerecht oder sozialverträglich. Insbesondre unter Marktbedingungen wird Grün immer öfter zum Begleiter renditeorientierter Aufwertung. In einigen Fällen werden neu geschaffene grüne Qualitäten sogar zu Begleitern einer weiteren sozialen Entmischung, wenn sich nur zahlungskräftige Haushalte Wohnangebote in der Nähe zu Parks oder Wasserflächen leisten können oder einkommensschwächere Haushalte verdrängt werden. Vor diesem Hintergrund betrachtet gehören Zielkonflikte zwischen einer ökologischen Aufwertung und der Sozialverträglichkeit ins Zentrum der Debatte um nachhaltige Stadtentwicklung.
- Planungsprozesse für neues Grün müssen verschiedene Bedarfe und Vorstellungen bezüglich der Gestaltung und Nutzung berücksichtigen und stets die sozialen Auswirkungen einer gesteigerten Wertschöpfung durch mehr Grün im Blick behalten. Eine inklusive Planung bedeutet die Anerkennung und weitestgehend die Berücksichtigung verschiedener, im Extremfall sogar widersprüchlicher Bedarfe an Grün im Stadt- und Wohnbereich sowie Aushandlungsprozesse zwischen verschiedenen Interessen.
- Städtisches Grün muss so geplant und gestaltet werden, dass es von möglichst vielen Bewohnern unserer immer diverseren Stadtgesellschaften genutzt werden kann. Es geht hierbei nicht allein um den Zugang zu Grün, sondern auch um die Schaffung geeigneter Räume für verschiedene Nutzungen, Nutzungsgruppen und Bedarfe, die frei sind von Diskriminierung und ausschließender Aneignung. Es gilt, diverse Bedarfe zunächst zu erfassen und zu verstehen, aber auch Hürden und Hemmnisse für inklusives Planen zu erkennen und abzubauen.
- Die Unterhaltung urbaner Grünflächen sollte, ebenso wie ihre Planung und Gestaltung, so inklusiv wie möglich sein, um das gemeinschaftliche Verantwortungsverständnis aller Bewohnerinnen und Nutzerinnen zu stärken und dabei auch Vorstellungen und Bedarfe von Menschen aus unterschiedlichen Lebenswelten einzuschließen. Insbesondere das Erreichen teilhabeferner Gruppen sowie die Berücksichtigung ihrer Bedarfe stellen hierbei eine bleibende Herausforderung dar.
- Zukünftige Begrünungsstrategien öffentlicher Räume sollten sich vor allem auf die unterversorgten Stadtbereiche konzentrieren, die eine Unterausstattung an hochwertigen Grünflächen aufweisen. Begrünungsstrategien müssen gleichzeitig existierende Wohnungsmarktbedingungen, Kostenentwicklungen und Dichterelationen im Blick haben, um sowohl den Erfordernissen verschiedener Einkommensgruppen und Wohnungsmarktakteure als auch dem Verhältnis von bebauter und freier Fläche im Quartier gerecht zu werden. Nur so kann die grüne Stadt von heute und morgen auch nachhaltig verdichtet und sozialverträglich sein.
Zusammenfassung
Der Beitrag befasst sich mit sozialräumlichen und wohnungsmarktrelevanten Auswirkungen von städtischen Begrünungsstrategien. Diese sind mit der aktuellen Diskussion um Stadtwachstum, wachsenden Flächendruck, Nachverdichtung und steigende Wohnkosten im Zuge der Aufwertung in mehrerlei Hinsicht in den Blick geraten. Zum einen stehen städtische Grünflächen zunehmend unter dem Druck von Neubebauung. Zum anderen wird qualitativ hochwertige Begrünung immer öfter zum integralen Bestandteil einer marktorientierten Aufwertung, welche zu Wohnsegregation und Verdrängung von Niedrigeinkommenshaushalten in den Städten führt. Vor diesem Hintergrund diskutiert der Beitrag anhand von Beispielen aufkommende Zielkonflikte zwischen einer grünen, klimagerechten einerseits und einer sozialverträglichen Aufwertung von Stadtquartieren andererseits einschließlich deren Ursachen und Konsequenzen. Insbesondere nimmt er in den Blick, was passiert, wenn Begrünung zum bewussten Bestandteil marktorientierter Stadtentwicklung wird, und wer unter diesen Bedingungen von der Wertsteigerung durch Grün profitiert und wer nicht. Der Beitrag reflektiert, was sich wohnungsmarkt- und planungsseitig ändern müsste, um eine grüne und sozialverträgliche Stadtentwicklung besser in Einklang miteinander zu bringen.
Danksagung
Dagmar Haase dankt der Förderung und dem HU-Team des biodiversa EU-Projektes: This research was carried out as part of the project ENABLE, funded through the 2015-2016 BiodivERsA COFUND call for research proposals, with the national funders The Swedish Research Council for Environment, Agricultural Sciences, and Spatial Planning, Swedish Environmental Protection Agency, German aeronautics and space research centre, National Science Centre (Poland), The Research Council of Norway and the Spanish Ministry of Economy and Competitiveness.
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