Preisgekrönter Platz mit hoher Akzeptanz und Aufenthaltsqualität
Stadtraum zurückgewonnen - der Hirtsrain in Fulda
von: Dipl.-Ing. Univ. Matthias KimmelEin ungeordneter Parkplatz und darin eine Ansammlung lieblos zusammengewürfelter Spielgeräte zwischen wuchernden Strauchgehölzen - diesen Anblick bot der Platz "Am Hirtsrain" noch vor wenigen Jahren. Aufenthaltsqualität war nicht vorhanden. Nach Jahren der Vernachlässigung konnte der Quartiersplatz im Rahmen des Programms "Stadtumbau in Hessen" grundlegend neu gestaltet werden. Das Büro Mann Landschaftsarchitektur aus Fulda wurde im Rahmen eines Interessenbekundungsverfahrens mit der Planung der Verkehrs- und Freianlagen beauftragt. Mit dem Umbau ist ein belebter Stadtraum entstanden. Der Hirtsrain befindet sich am Rande der Fuldaer Innenstadt als Teil eines relativ geschlossenen gründerzeitlichen Wohnviertels. Er liegt an der Schnittstelle zwischen den schlichten Häuserzeilen der Kapuzinerstraße und der Villenbebauung der Brauhausstraße. Die von einer geschlossenen Bebauung umgebene Platzfläche war ursprünglich für den Bau einer Kirche vorgesehen, der allerdings nie realisiert wurde.
Neuordnung des Verkehrs
Durch eine Neuordnung des fließenden und ruhenden Verkehrs konnte der vorhandene Raum effizienter genutzt werden, wodurch der Anteil der Freianlagen vergrößert werden konnte. Die Kapuzinerstraße wurde geradlinig über den Platz verlängert, so dass nördlich eine große zusammenhängende Platzfläche entstand, während südlich davon die Anwohnerparkplätze gebündelt werden konnten. Die unterschiedlichen Nutzungsansprüche konnten entflochten werden, um Konflikte zu vermeiden.
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Entwurfsgedanke
Nach der Neugestaltung wird der Platz durch das Spannungsfeld von äußerem Rahmen und innerem Platz geprägt. Den äußeren Rahmen bilden vorhandene Kastanien, die durch Neupflanzungen ergänzt wurden. Daran schließt sich eine 3,5 Meter breite Promenade an, die den inneren Platz umrundet.
Der innere Platz wiederum ist durch drei unterschiedliche Teilbereiche gekennzeichnet: Die große Rasenfläche, ein lichter Hain und eine Sandspielfläche. Durch diese Zonierung ist es möglich, unterschiedlichen Nutzungsansprüchen auf vergleichsweise kleinem Raum verträglich gerecht zu werden. Ausdrückliches Ziel ist es, ein Angebot für alle Bevölkerungs- und Altersgruppen zu schaffen. Der Platz soll sowohl für Familien mit kleinen Kindern attraktiv sein als auch für die Bewohner eines nahe gelegenen Seniorenheims. An der Nordseite befindet sich eine leicht vertiefte Rasenfläche, eingefasst von Muschelkalkstufen. Die Fläche ist Bühne eines bunten Treibens, ist Liege- und Spielwiese zugleich.
An der südlichen Platzseite liegt als Pendant zur Rasenfläche eine große Sandfläche mit Spielgeräten. Individuell angefertigte Spielgeräte aus grob gesägten Eichenholzbalken heben sich wohltuend vom üblichen Spielplatz-Einerlei ab. Durch passend angefertigte Holzdecks werden große Granit-Findlinge und ein bereits vorhandener Ahorn-Baum Teil einer großen Spielfläche. Zwischen Spielplatz und Rasenfläche erstreckt sich ein kleiner Hain mit mehrstämmigen Kirsch- und Feldahornbäumen. Der Hain bildet einen Puffer zwischen der Rasenfläche und der Spiellandschaft und wird zugleich selbst zu einem einladenden Aufenthaltsort. Eine kleine Herde von Wackelschafen erinnert an die ursprüngliche Nutzung des Hirtsrain als Weidefläche. Die schwarzen Köpfe der Spieltiere zitieren die typische Schafsrasse der nahe gelegenen Rhön.
Muschelkalk gibt dem Platz eine unverwechselbare Erscheinung
Für Parkplatz und Straßenräume wurden einfache und übliche Materialien, wie Asphalt und Betonpflaster verwendet. Dagegen wurde die eigentliche Platzfläche in hochwertigem Muschelkalk ausgestaltet, um der besonderen Bedeutung des Ortes gerecht zu werden. Der Muschelkalk findet sich in unterschiedlichen Formaten und Oberflächen: als Pflasterfläche, als Blockstufe für Einfassungen und Treppenstufen sowie als freistehende Mauer wieder.
Für die Beläge wurde ein Muschelkalkpflaster mit gesägter Oberfläche verwendet, um eine gute Begehbarkeit zu gewährleisten. Die Verlegung des Pflasters erfolgte im römischen Verband, es wurden also Pflastersteine mit unterschiedlichen Formaten in einem unregelmäßigen Muster zusammengefügt. Die Belagseinfassungen und Treppen als Muschelkalk-Blockstufen haben eine grob geschliffene Oberfläche. Die 26 Meter lange Mauerscheibe an der Nordseite des Platzes wurde dagegen aus fein geschliffenem Muschelkalk erstellt, so dass das Farbspiel des Natursteins kräftig hervortritt. Die Mauer schirmt den Platzraum von der stark befahrenen Von-Schildeck-Straße ab und ist gleichzeitig ein markantes Zeichen für den neuen Quartiersplatz. Ihre Höhe wurde so gewählt, dass sich geschützte Sitzbereiche an der Südseite der Mauer ergeben, aber die Ausblicke in die Umgebung - zum Beispiel zum Kloster auf dem Frauenberg - nicht verstellt wurden.
Intensive Bürgerbeteiligung
Dass der Hirtsrain ein beliebter Treffpunkt für das angrenzende Quartier wurde, ist kein Zufall. Die Wünsche und Bedürfnisse der Anwohner spielten von Anfang an eine entscheidende Rolle im Planungsprozess. Bereits während der Vorentwurfsplanung wurden Anwohner und Interessierte zu einer ersten Bürgerbeteiligung eingeladen. Bei einer Begehung vor Ort wurden Anregungen zur weiteren Gestaltung gesammelt. Der "rote Rahmen" - ein hölzerner Bilderrahmen - wurde an verschiedenen Standorten platziert, um den Blick auf Defizite zu lenken, und Möglichkeiten und Chancen einer Neugestaltung zu erörtern. Die Ergebnisse wurden in einem Entwurf gebündelt, der dann bei einer zweiten Veranstaltung mit den Bürgern diskutiert wurde. Auch während der Bauzeit wurde durch eine öffentliche Baustellenbegehung ein enger Kontakt zu den Anliegern gesucht. Die Fertigstellung war dann noch einmal Anlass, mit allen Anwohnern im Rahmen eines Stadtumbau-Festes im Mai 2011 zu feiern, und den Platz seinen Nutzern feierlich zu übergeben.
Neben einer hohen Akzeptanz bei den Bürgern, wurde die Neugestaltung auch in der Fachwelt gewürdigt. Das Projekt wurde durch das Hessische Ministerium der Finanzen und die Architekten- und Stadtplanerkammer Hessen mit dem Architekturpreis "Auszeichnung vorbildlicher Bauten im Land Hessen 2014" ausgezeichnet. Weiterhin erhielt es den "DGGL Garten-Oskar 2014" der deutschen Gesellschaft für Gartenkunst und Landschaftskultur Landesverband Hessen e. V.
- Bauherr: Magistrat der Stadt FuldaGrünflächen-, Umwelt- und Friedhofsamt
- Landschaftsarchitekt: Mann Landschaftsarchitektur Fulda
- Fläche: 4100 m²
- Planungszeitraum: 2008-2010
- Realisierung: 2010-2011