Weitersatz nach Methode Koch
Rechtswidriges Einkürzen von Bäumen auf Nachbargrundstück
von: Ass. jur. Armin Braun
Die Klägerin ist Eigentümerin eines großen Hausgrundstücks mit einem im Jahre 1956 gepflanzten alten Baumbestand. In einem Telefonat mit dem beklagten Nachbarn erklärte sie sich am 24.05.2020 damit einverstanden, dass der Beklagte die auf sein Grundstück herüberragenden Äste verschiedener Gehölze zurückschneidet. Am 25.05.2020 – in einem Zeitraum, in dem grundsätzlich keine Schnittarbeiten durchgeführt werden dürfen – führte der Beklagte in Abwesenheit der Klägerin gravierende Schnittarbeiten an einer Birke, einem Kirschbaum und einem Holunderstrauch durch.
Das LG Frankfurt a. M. hat der auf Schadenersatz in Höhe von knapp 35.000 Euro gerichteten Klage wegen des Radikalschnitts an der Birke und dem Kirschbaum nach Beweisaufnahme durch Sachverständigengutachten durch Urteil vom 23.05.2023 – 2-07 O 264/20 – nur teilweise in Höhe von rund 4000 Euro stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Auf die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin hat das OLG Frankfurt durch Urteil vom 06.02.2024 – 9 U 35/23 – das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LG Frankfurt a. M. zurückverwiesen.
Das OLG Frankfurt legt nach Hinweis auf eine entscheidungserhebliche mehrfache Verletzung des Anspruchs der Klägerin auf rechtliches Gehör durch das Landgericht die Grundsätze des Wertersatzes bei der Beschädigung oder Zerstörung von Bäumen auf Grundlage der höchstrichterlichen Rechtsprechung dar. Es ist nicht auf den beschädigten Baum als solchen abzustellen, sondern auf die mit dessen Beschädigung erfolgte Beeinträchtigung der Grundstücksfunktion.
Der Grundstücksbewuchs ist gemäß § 94 BGB wesentlicher Grundstücksbestandteil. Folglich ist in der Regel keine Naturalrestitution – wie sonst allgemein im Schadenersatzrecht üblich – zu leisten, weil eine Ersatzbeschaffung in Form der Verpflanzung eines ausgewachsenen Baumes mit in der Regel unverhältnismäßig hohen Kosten verbunden ist. Der Schadenersatzanspruch ist vielmehr in der Regel auf eine Teilwiederherstellung durch Anpflanzung eines Jungbaums gerichtet und darüber hinaus für die verbleibende Werteinbuße des Grundstücks auf einen Ausgleich gemäß § 251 Abs. 2 BGB. Diese Werteinbuße ist nach § 287 ZPO durch den Tatrichter zu schätzen, wobei regelmäßig auf die Bewertungsmethode Koch zurückzugreifen ist.
Hierbei wird der Wertverlust durch die für die Herstellung des geschädigten Gehölzes bis zu seiner Funktionserfüllung erforderlichen Anschaffungs-, Pflanzungs- und Pflegekosten sowie das Anwachsrisiko bestimmt. Erforderlichenfalls wird der errechnete Wert um eine Alterswertminderung, Vorschäden und sonstige wertbeeinflussende Umstände gekürzt.
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Nach Auffassung des OLG hat das Landgericht bei Anwendung der vorgenannten Rechtsgrundsätze das rechtliche Gehör der Klägerin mehrfach verletzt. Das Landgericht habe die Bewertung des Sachverständigen im Ausgangsgutachten unkritisch übernommen, ohne sich hinreichend mit rechtzeitig erhobenen Einwänden der Klägerin auseinanderzusetzen.
Der Sachverständige habe sich nicht ausreichend differenziert mit den Funktionen der streitgegenständlichen Bäume auseinandergesetzt und diese nicht angemessen berücksichtigt. Dies führe zu Fehlern bei der Ermittlung des Wertersatzes nach der Methode Koch. Insoweit bestehe weiterer Aufklärungsbedarf. Auch habe das Landgericht trotz entsprechender klägerischer Einwände unkritisch die Ausführungen des Sachverständigen in dessen Ergänzungsgutachten übernommen, üblicherweise erhielten Galabaubetriebe einen Nachlass von 50 Prozent auf die Listenpreise, den sie mit einem Aufschlag i.H.v. 25–30 Prozent an die Kunden weitergäben.
Außerdem habe das Landgericht es verabsäumt, unter Würdigung der Einzelfallumstände die sachverständige Schadensberechnung abschließend auf ihre Angemessenheit hin zu überprüfen. Die vorgenannten Gehörsverstöße seien entscheidungserheblich, weil eine gebotene ergänzende sachverständige Begutachtung möglicherweise zu einer anderen, für die Klägerin günstigeren Schadenberechnung geführt hätte. Auch die Motive des Beklagten, rechtswidrig einen Zustand herzustellen, der auf legalem Wege niemals erreichbar gewesen wäre, dürften nicht unberücksichtigt bleiben.
Die Entscheidung des OLG Frankfurt verdient Zustimmung und belegt eindrucksvoll, dass bei der Berechnung des Wertersatzes nach der in der Rechtsprechung des BGH anerkannten Methode Koch die Tücke häufig im Detail liegt. Die Gerichte sind gehalten, allen kritischen Einwänden der Prozessbeteiligten gegen die sachverständige Berechnung der Schadenhöhe gründlich nachzugehen, auch wenn dies im Einzelfall mit einem ganz erheblichen Aufwand verbunden ist. Erfolgt dies nicht, besteht die Gefahr, dass ein solcher Prozess sich durch Aufhebung der Entscheidung und Zurückverweisung an das Erstgericht mit ungewissem Ausgang vermeidbar in die Länge zieht.
Ass. jur. Armin Braun, GVV Kommunalversicherung