Stadtmöblierung für Ruhepausen und Geselligkeit
Bänke, Stühle, Steine und Statuen zum Sitzen
von: Prof. Dr. Hanns-Werner HeisterEs gibt Bänke mit Schikanen gegen Liegende durch eine mittige Aufteilung, die auf beiden Seiten zu kurz für einen Menschenkörper sind – so vor allem bei der Deutschen Bahn, aber auch anderswo –, und solche ohne dieses Mittel zur Bekämpfung der Obdachlosen statt der Bekämpfung der Obdachlosigkeit. Generell zeigt sich eine Diversität zwischen Durcheinander und durchdachter Variation. Und immer häufiger setzt sich die Entwicklung von der unberührbaren zur bekletterbaren und besitzbaren Skulptur durch, die sich als künstlerische Skulptur vor allem in Parks findet.
"Ist denn kein Stuhl da/für meine Hulda"
Anmerkungen
Die Doppelzeile aus dem Refrain eines einst sehr bekannten Schlagers beschreibt ausgiebig die Sitz- und Sichtprobleme einer Partnerin, um deren Platzierung sich ihr Partner sehr bemüht. In der Schluss-Strophe kommt ein zusätzliches Problem zur Sprache, fast der langen Rede kurzer Sinn:
"Einen Fehler aber hat sie doch / Sie ist nämlich bloß drei Käse hoch / Wenn wir beide zur Parade gehn / Da kriegt meistenteils sie nichts zu sehn / Sie verkrümelt sich mangs Publikum / Darum ruf ich, daß es schallt ringsum / Ist denn kein Stuhl da, Stuhl da / Für meine Hulda, Hulda? / Seht euch mal alle um / Es wär doch gar zu dumm / Wenn hier kein Stuhl da / Für meine Hulda."¹
Ein klassischer Trost für die stuhllose Dame verfängt da nicht ganz:
"Raum ist in der kleinsten Hütte / Für ein glücklich liebend Paar."
So die beiden Schlussverse von Schillers "Der Jüngling am Bache", geschrieben 1803 und veröffentlicht im Taschenbuch für Damen auf das Jahr 1805, herausgegeben von Huber, Lafontaine, Pfeffel und anderen, bei Cotta in Tübingen.
Es beginnt mit einem vielzitierten Beitrag zu unserm Thema, allerdings zum Sitzen außerhalb der Stadt:
"An der Quelle saß der Knabe". Schubert hat das Gedicht nicht weniger als dreimal vertont, 1812, 1815 und 1819. Andere Komponisten taten es ihm nach.²
SUG-Stellenmarkt
Platz ist knapp, "Lebensraum" sogar ein geopolitisch, militärisch und ökonomisch umkämpftes Terrain. Raum als Grund und Boden ist ein nicht vermehrbares Gut – ein Skandal für die "Marktwirtschaft". Die Sitzgelegenheiten sind stets bedroht davon, dass die Menschen in der Stadt, wenn sie nicht arbeiten, in ihrer Freizeit nur flanieren oder gar herumsitzen wollen, aber eigentlich shoppen, die Geschäfte rasch durchlaufen und darin viel kaufen sollen, um die Umschlagsgeschwindigkeit des Warenkapitals zu beschleunigen.
Die Privatisierung des öffentlichen Raums reduziert die Chancen auf frei zugängliche Bänke. Denn Cafés, Restaurants, sogar Imbissbuden, beschlagnahmen oft große Flächen der Bürgersteige. Sie vermehren ihren Grund und Boden auf Kosten des Gemeinguts und stellen dann Sitzgelegenheiten nur für diejenigen auf, die dafür durch Kauf von Speisen und Getränken bezahlen. (Abb.: 3)
Offener für die allgemeine Nutzung sind Sitzplätze auf dem Neuen Marktplatz in der Touristenstadt Waren an der Müritz in Mecklenburg-Vorpommern, dem größten ausschließlich deutschen Binnensee. Die schöne Einrahmung mit Blumenkegeln tröstet etwas über den Gratis-Blick auf den Lastwagen neben der Brunnenskulptur hinweg. Es ist halt grade Marktwirtschaft. Der Platz auf der Bank ist knapp kalkuliert und rechnet nicht mit der Verbreiterung der Bevölkerung. Die helfende Hand der Ehefrau kompensiert die Unbequemlichkeit der Lehnenlosigkeit. (Abb.: 4)
Umgekehrt bringt man die Sitzplätze gegebenenfalls eben selber mit. Eine stehende Dame, bei einer Gesellschaft gefragt, ob sie nichts zum Sitzen habe, antwortete "Doch, aber keinen Stuhl". Das ist also ein ähnliches Problem wie bei der eingangs erwähnten Hulda. Notfalls hilft es, eigene private Klappstühle und -tische für die Möblierung des öffentlichen Raums aufzustellen. (Abb.: 5)
"Narrenhände beschmieren Tisch und Wände" und Bänke
Und das "nicht nur zur Winterszeit". Aber in der entsteht aus dem Durch- und Ineinander von beschmierten und beschneiten Bänken, immergrünen Pflanzen und grünbetonten "Tags" eine merkwürdige, wie als Ganzes komponierte Farbigkeit in karger Zeit. Das fahle Beige des Sands und das Weiß von Schnee und "Tags" sorgt dabei botanisch für eine gewisse Einheit in der Mannigfaltigkeit. (Abb.: 6)
Die Internationalität der Graffiti zeigt ein Bild aus Wellington in Neuseeland. Es ergibt sich eine mehrfach gestaffelte Kulisse aus Bänken, Hecke, Kletterpflanze, Baum "in echt" und gemalt sowie stilechten "Tags". (Abb.: 7)
Von der unberührbaren zur bekletterbaren und besitzbaren Skulptur
Es "gibt Bänke, die mit Blumenkübeln kombiniert sind, andere, die die Silhouetten von fiktiv drauf sitzenden Personen als Ornament zeigen, wieder andere, die derart skulptural ausgeformt sind, dass man gar nicht mehr weiß, worauf man sich eigentlich setzen soll. Dem Erfindungsreichtum, aber auch dem urbanen Kitsch scheinen keine Grenzen gesetzt."³
Auf Spielplätzen gehören mobile, aber nicht automobile, sondern von den Kindern mit eigener Kraft in Bewegung zu setzende Wipptiere seit langem zur Standardausstattung. Ein neuerer, sich ausbreitender Trend sind stationäre, statuenhaft-unbewegliche Tiere, teils wirkliche, teils märchenhafte. Ungewöhnlich dagegen sind solche Tiere (noch) außerhalb der besonderen Orte für Kinder, auch wenn sie als Sitzplätze vor allem auf diese zielen. Die folgenden Figuren, Pferd und Schildkröte, sind sicher gut gemeint, aber noch nicht so recht gut gemacht. Es sitzt niemand drauf, da sie nicht besonders bequem sind, von schön zu schweigen. Aber sich beim Shoppen langweilende Kinder können etwas damit anfangen. (Abb.: 8)
Wie Skulpturen nicht nur zum Ansehen da sein müssen, so ist die Bank nicht allein zum Sitzen da. Im Deutschen ist der Plural von Bank ohne Umlaut "die Banken", etwas weniger gut geeignet, um sich darauf niederzulassen. Bei der Spielbank gewinnt verlässlich nur die Bank, während Banken wie etwa Kreditbanken stets in der Gefahr der "banca rotta", der zerbrochenen Bank sind. Die hier als Spiel-Bank statt Sitz-Bank genutzten Stadtmöbel sind dagegen außerordentlich solide und nicht von Zusammenbrüchen bedroht. (Abb.: 9)
Pracht, privat und öffentlich
Zum Sitzen ist notfalls auf dem Boden Platz, auch wenn sich das außerhalb von Liegewiese oder Strand in der Öffentlichkeit nicht so recht schickt. Überdies ist das Bodensitzen unbequemer als das auf Bänken. Gut dagegen die multifunktionalen Treppen.4 Sie sind in der Stadt allgegenwärtig, allerdings überwiegen die von Privathäusern. Der auf den nicht-privaten Bürgersteig ausgreifende, ausladende private hanseatische Pracht-Hauseingang lüde fast dazu ein, die Sitzmöglichkeit auszunützen, wäre der Protz nicht zu abschreckend. (Abb.: 10)
Als gälte es, die echt deutsche Aufforderung "Sitz grade!" zwangsweise durchzusetzen, bietet eine Bank in Buenos Aires eine im Hinblick auf Komfort karge Ausruhmöglichkeit. Dafür bietet sie schöne Keramikkacheln des spanisch-portugiesischen Typs Azulejos. Diese sind ein Erbe der islamisch-maurischen Tradition auf der iberischen Halbinsel, hier in eine spanische Kolonie in Südamerika exportiert. (Abb.: 11)
¹ Text in https://www.volksliederarchiv.de/ist-es-sonntag-welche-grosse-freud-stuhl-da-fuer-hulda/.
Seinem Text von 1895 unterlegte Wilhelm Wolff (1851–1912), Komödien- und Coupletdichter und Komponist, die Mazurka russe La Czarline von Louis Ganne. Der Sänger Willy Wenzke machte den Gassenhauer populär. Karl Kraus zitierte ihn in seinem ersten Vortrag nach dem Beginn des 1. Weltkriegs In dieser großen Zeit (Die Fackel, Jg. 16, Nr. 404, wiederveröffentlicht in Aufsätze 1914–1925) im Teil Dialog der Geschlechter.
Ein Quodlibet als "Willy Wenzke, genannt der süße Willy, der Liebling der Damenwelt" und samt dem Schlager als Repräsentanten der kulturellen Werte von Habsburgermonarchie und Wilhelminischem Reich.
Informationen nach Lukas Richter: Mutter der Mann mit dem Koks ist da. Berliner Gassenhauer, 2. Auflage Leipzig 1977; www.projekt-gutenberg.org/kraus/grosszei/chap011.html, de.wikipedia.org/wiki/Wilhelm_Wolff_(Komponist), 12.6.2020, Abruf 23.11.2023; www.volksliederarchiv.de/ist-es-sonntag-welche-grosse-freud-stuhl-da-fuer-hulda/.
² Ausf. https://www.lieder.net/lieder/get_text.html?T .
³ Vittorio Magnago Lampugnani: Bedeutsame Belanglosigkeiten. Kleine Dinge im Stadtraum, Berlin 2019, S. 80.
4 S. z. B. Hanns-Werner Heister: Stadt Grün Spiel Kunst. Pflanzen als Schönes und Nützliches im öffentlichen Raum, Berlin und Hannover 2023, S. 99–107.