Verkehrssicherungspflicht

Welcher Zeitrahmen reicht für die Totholzbeseitigung?

Baumkontrolle
Die letzte Baumkontrolle vor dem Schadeneintritt sei am 09.10.2017 erfolgt. Dabei sei Totholz vorgefunden worden und eine Totholzbeseitigung und Kronenpflege mit der Dringlichkeitsstufe "mittel" empfohlen worden. Die Totholzbeseitigung sei nach dem Schadenfall am 16.01.2018 erfolgt. Foto: snuesch, pixelio.de

Dem rechtskräftigen klageabweisenden Urteil des OLG Düsseldorf vom 15.07.2020 - I-18 U 405/19 - (KSA-Mitteilungen 3/2021, III mit Anmerkung Liebeton) lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Der Kläger parkte am 30.12.2017 kurz vor Mitternacht sein Fahrzeug auf der Zufahrt vor der Garage seines Anwesens. Auf dem städtischen Grundstück vor dem Haus steht eine Platane, von der nach Angaben des Klägers ein Totholzast auf sein geparktes Fahrzeug herabgefallen und dieses beschädigt haben soll. Der Ast sei am 31.12.2017 gegen neun Uhr zwischen Auto und Garage vorgefunden worden. In der Vergangenheit wurden bereits mehrere vergleichbare Schadenfälle, bei denen Äste Autos des Klägers beschädigten, reguliert.

Nach Angaben der beklagten Stadt war die Platane ebenso wie eine weitere benachbarte Platane zum Schadenszeitpunkt vital und gesund. Die letzte Baumkontrolle vor dem Schadeneintritt sei am 09.10.2017 erfolgt. Dabei sei Totholz vorgefunden worden und eine Totholzbeseitigung und Kronenpflege mit der Dringlichkeitsstufe "mittel" empfohlen worden. Die Totholzbeseitigung sei nach dem Schadenfall am 16.01.2018 erfolgt. Mit der Klage macht der Kläger gegen die beklagte Kommune Schadenersatz in Höhe von über 4000 Euro geltend.

Das LG Duisburg hat die Klage durch Urteil vom 06.08.2019 - 8 O 150/18 - abgewiesen. Zur Begründung hat das Landgericht maßgeblich darauf abgestellt, der Kläger sei für ein schadenursächlich gewordenes pflichtwidriges Verhalten der Stadt beweisfällig geblieben. Die Stadt habe ausweislich des gerichtlichen Sachverständigengutachtens für die Totholzbeseitigung einen angemessenen, aber auch ausreichenden Zeitraum von drei Monaten nach der Totholzfeststellung zur Verfügung gehabt. Dieser sei erst am 09.01.2018 abgelaufen, also neun Tage nach dem Schadenseintritt am 31.12.2017.

Das OLG Düsseldorf hat die gegen die erstinstanzliche Entscheidung gerichtete Berufung durch Urteil vom 15.07.2020 - I-18 U 405/19 - als unbegründet zurückgewiesen. Das Berufungsgericht stellt nach umfangreichen Ausführungen zu Inhalt und Umfang der Verkehrssicherungspflicht hinsichtlich des Zeitraums für die Beseitigung einer erkannten Gefahr darauf ab, dass dieser sich nach der Dringlichkeit der Maßnahme richtet. Nach dem Erkennen der Gefahr sei eine Prognose geboten, innerhalb welchen Zeitraums zur Sicherung des Verkehrs baumpflegerische Maßnahmen zu veranlassen sind. Dabei seien sowohl die von dem Zustand des Baumes ausgehenden Gefahren für Personen und Sachen maßgeblich zu berücksichtigen als auch die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts innerhalb eines bestimmten Zeitraums. Insoweit folgt das OLG Düsseldorf dem Urteil des OLG Hamm vom 03.07.2015 - 11 U 113/14 -.

Abweichend von der Einschätzung des Landgerichts hält das OLG im konkreten Fall allerdings für zweifelhaft, ob ein Zeitrahmen von drei Monaten für die Totholzbeseitigung ausreicht. Diese Einschätzung des Landgerichts beruhe nicht auf belastbaren Feststellungen des Sachverständigen, der nicht hinreichend auf den konkreten Fall abgestellt habe. Allerdings kann nach Auffassung des OLG offenbleiben, ob die zum Schadenszeitpunkt noch nicht erfolgte Totholzbeseitigung pflichtwidrig war, weil nicht festgestellt werden könne, dass überhaupt Totholz von dem Baum den Schaden verursacht habe. Einen unmittelbaren Beweis dafür könne der Kläger mangels Zeugen nicht führen. Ebenso wenig stehe ihm ein Anscheinsbeweis zur Seite, weil es hierfür an hinreichenden Feststellungen des Sachverständigen fehle.

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Abweichend von der Einschätzung des Landgerichts hält das OLG im konkreten Fall allerdings für zweifelhaft, ob ein Zeitrahmen von drei Monaten für die Totholzbeseitigung ausreicht. Diese Einschätzung des Landgerichts beruhe nicht auf belastbaren Feststellungen des Sachverständigen, der nicht hinreichend auf den konkreten Fall abgestellt habe. Foto: zeralein, adobe stock

Die Entscheidung des OLG Düsseldorf überzeugt in der Begründung nicht uneingeschränkt. Ohne Kenntnis des gerichtlichen Sachverständigengutachtens ist für einen nicht am Prozess Beteiligten nicht nachvollziehbar, ob die Interpretation des LG Duisburg zutreffend ist oder die abweichende des OLG Düsseldorf. Richtig ist aber, dass das Zeitfenster für notwendige Maßnahmen, die aus der Baumkontrolle resultieren, immer einzelfallbezogen zu erfolgen hat.

Ebenso zutreffend ist aber auch, dass verschiedene vergleichbare Sachverhalte von dem Baumkontrolleur, der ein Zeitfenster für die Maßnahmen festlegen muss, in unterschiedliche Zeitraster eingeordnet werden müssen, also beispielsweise Maßnahme "sofort", "innerhalb eines Monats", "innerhalb von drei Monaten", "innerhalb von sechs Monaten", bis zur nächsten Baumkontrolle durchzuführen. Alles andere liefe einer sinnvoll zu praktizierenden Baumkontrolle mit Festlegung von Maßnahmen und deren Zeiträumen zuwider.

Allerdings sollten die vorgesehenen Zeiträume hinreichend konkret benannt werden, statt wie vorliegend unbestimmte Zeiträume wie Priorität "mittel" zu verwenden. Dies führt im Streitfall lediglich zu vermeidbaren Problemen.

Neben der vom OLG Düsseldorf zitierten Entscheidung des OLG Hamm zum Zeitrahmen für Totholzbeseitigung aus dem Jahre 2015 sei ergänzend noch hingewiesen auf das Urteil des OLG Hamm vom 30.10.2020 - 11 U 34/20 - (Anmerkung Braun in SuG 04/2021, 59) zum Zeitrahmen für die Fällung eines Baumes sowie den Beschluss des OLG Braunschweig vom 01.02.2019 - 11 U 19/18 - (Anmerkung Braun in SuG 07/2019, 53) zum Zeitrahmen für eine notwendige Kroneneinkürzung.

Ass. jur. Armin Braun, GVV Kommunalversicherung

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