Von kleinen Beton-Elefanten und großen Stahlrohr-Pilzen
Spielplatzgeräte-Geschichten
von: Dipl.-Ing. Darijana HahnDie Entdeckung erfolgte zufällig. Zuerst war da am Veranstaltungszentrum "Grüner Jäger" in Hamburg-St. Pauli zu Corona-Zeiten im Frühjahr 2021 ein großes Wandbild, was meine Aufmerksamkeit erregte. Ich trat näher und nach einer Weile sah ich ES: das wunderschöne Klinkerpferdchen auf dem kleinen, eher unscheinbaren Spielplatz am Grünen Jäger. "Wie entzückend", ging es mir durch den Kopf, und dann dachte ich nicht weiter drüber nach.
Doch dann, zwei Jahre später, war ich dabei, im Rahmen des Hamburger Architektursommer 2023 ein Memory-Spiel zusammenzustellen: "Suche nach dem idealen Spiel-Platz" – mit 25 Motiven mit spielenden Kindern – ob auf dem Bürgersteig oder auf dem angelegten Spielplatz – heute und gestern. Und bei der Durchsicht von historischen Aufnahmen Hamburger Spielplätze hatte ich einen Aha-, eben einen Memory-Effekt: Dieses Pferdchen da, das hab` ich doch schon mal gesehen! Auf einem Bild aus den 50er Jahren ist das Pferdchen zu sehen, wie es auf dem Spielplatz Lorichstraße in Hamburg-Barmbek mit großer Freude bespielt wird.
SUG-Stellenmarkt


Ob das Pferdchen von Barmbek nach St. Pauli umgezogen ist? Ob es davon mehrere gab und gibt? Wer es wohl wann erschaffen hat?
Nach Recherchen an den entsprechenden Stellen – Management des öffentlichen Raumes Hamburg-Nord und Hamburg-Mitte – ist klar, dass es mindestens drei dieser Pferdchen gibt. Zwei im Grünzug Lorichstraße in Hamburg-Barmbek und eben das eine in St. Pauli. Und dank eines Suchtreffers in der Spielplatzliteratur kann auch der Urheber identifiziert werden: In dem 1931 in der "Gartenkunst" publizierten – glücklicherweise online verfügbaren – Artikel "Soziale Grünpolitik in Hamburg-Barmbek"¹ ist das Pferdchen abgebildet, das laut Bildunterschrift der "Bildhauer" Cornelius Schwarz erschaffen hat. Schwarz war seines Zeichens ein in Weihenstephan ausgebildeter Gartentechniker bei der Behörde für Technik und Arbeit, Garten und Friedhofswesen in Hamburg, dem in einem Zeugnis "starke künstlerische Fähigkeit" attestiert wurde².
Eine Beurteilung, die das aus Klinkern gemauerte, abstrahierte Pferdchen, das für manche vielleicht auch ein Löwe sein kann, sehr gut und nachhaltig unter Beweis stellt. Wann es genau gebaut wurde, lässt sich nur grob einordnen: zwischen der Anstellung von Schwarz in Hamburg 1925 und der Veröffentlichung des Aufsatzes "Soziale Grünpolitik in Barmbek" von Kurt Schönbohm aus dem Jahre 1931.
Neben der nachweislich ersten Abbildung von dem Klinkerpferdchen in dem oben genannten Aufsatz ist ein Spielgerät abgebildet, das über Jahrzehnte Kinderspielplätze prägte und damals – 1931 – ganz neuartig war: ein variabler Kletterkubus aus farbigem Stahlrohr – von Schönbohm mit großer Begeisterung beschrieben: "Aber das beliebteste aller Geräte ist ein ganz neuartiges Klettergerüst. Es ist aus Rohren von etwa 27 Millimetern Durchmesser so zusammengeschweißt, dass freie Felder von etwa 70 x 70 Zentimetern entstehen. Es ist eine Freude, den verschiedensten Kletter- und Turnübungen zuzuschauen, die die Kinder an diesem Gerät machen."



Dieser Kletterkubus, der von der Spielgerätefirma Turnmeyer als "Eiserner Phillip" angeboten wurde, kann ohne weiteres als Symbol für Spielplatzgeräte in vieler Hinsicht stehen. Da ist sein Material, das Stahlrohr. Spätestens seit den 1950er Jahren wurden aus diesem Material alle erdenklichen Formen entwickelt: Von einfachen Reckstangen über Kletterhäuser und Kletterpilzen zu Fahrzeugen aller Art wie Flugzeuge oder Raketen (s. Stadt+Grün 7/2022, S. 33–35).
Diese Stahlrohrgeräte kamen trotz ihrer Vielfalt im Zuge der ab den 1970er Jahren geführten Spielplatzkritik stark unter Verruf. Sie wären kalt und hätten keinen Spielwert und würden die Kinder in vorgefertigte Muster pressen (s. Stadt+Grün 5/2012, S. 7–12).
Die 1967 gegründete Firma Richter Spielgeräte unterstrich beispielsweise den Wert ihrer neuartigen Spieltürme aus Holz, indem sie sich ganz bewusst von Stahlrohgeräten abgrenzte: "Wir bauen Türme und Burgen, weil wir wissen, dass Kinder gerne klettern, dass sie es lieben, zu einem Ziel zu steigen, dass sie das erreichte Ziel, "das Oben", genießen wollen und dass es ihnen Spaß macht, sich an einem Seil herunterzulassen oder etwas an einem Seil nach oben zu ziehen. Dafür könnten wir natürlich ebenso ein Gerüst von Stangen entwerfen. Aber warum sollten wir das, wenn wir wissen, dass Räume und Baukörper, die dem Kind gehören, von ihm sehr geliebt werden."³
Da ist die immer wieder diskutierte Frage, was eigentlich nun der für Kinder beste Spielplatz wäre? Pure Natur, die verkehrsarme Straße oder doch ein Platz, auf dem sich Geräte befinden, die Kindern Möglichkeiten bieten, die sie sonst nicht unbedingt hätten?



Nicht bestens beleumundet und schwierig, den immer wieder aktualisierten TÜV-Anforderungen zu genügen, wurden die allermeisten dieser Stahlrohrgeräte abgebaut und sind meist spurlos verschwunden. Mit einigen wenigen Ausnahmen: In Dresden wurde 2017 auf Wunsch von Jugendlichen eine Stahlrohrrakete aus den 70er Jahren ertüchtigt (s. Stadt und Raum 5/2021), im Hammer Park in Hamburg wird ein Stahlrohrkletterkubus bespielt, und in Lindau erfreut ein Stahlrohrelefant seit den 50er Jahren die Bevölkerung. "Der Elefant ist nicht wegzudenken aus dem Stadtbild", sagt Sven Schöne von den Garten- und Tiefbaubetrieben Lindau. Schöne erzählt, dass der Elefant – immer wieder auf Wunsch der Lindauer Bürger*innen – "in ständiger Pflege" sei. So wurde er 2015 abgebaut, an die Norm 1176 angepasst – wodurch u. a. seine Stoßzähne gestutzt wurden – neu lackiert und im Rahmen der Landesgartenschau 2021 in die jetzige Neuanlage integriert – in Gesellschaft eines neu erschaffenen Elefanten.
Der Stahlrohrelefant ist mittlerweile auch Gegenstand lokalhistorischen Interesses. Das Archiv Lindau steht in engem Austausch mit dem Stadtarchiv der fränkischen Stadt Weißenburg, wo ein typgleicher Elefant stand. Und es werden gerade weitere, noch nicht erschlossene Unterlagen gesichtet.
So, wie der Lindauer Stahlrohrelefant nicht der einzige seiner Art ist – und vielleicht auch noch woanders Geschwister hat? – so gibt es auch von dem Beton-Elefanten im Leipziger Palmengarten mehrere seiner Sorte.
Den von dem Künstlerkollektiv Johannes Peschel, Vinzenz Wanitschke und Egmar Ponndorf entworfenen Beton-Elefanten gibt es noch im Leipziger Rosental und in einem Hof am Dresdner Altmarkt. Wie der Landschaftsarchitekt Peter Fibich auf "spielplatztreff"4 schreibt, sind diese bei der Bevölkerung sehr beliebten Elefanten "von erstaunlicher Robustheit". Und sie hätten einen, was man sehr gut nachvollziehen kann, "großen individuellen Erinnerungswert", weswegen sie "zunehmend unter Denkmalschutz" gestellt würden.
Es ist Peter Fibich nur zuzustimmen, wenn er schreibt: "Es hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass auch diese kleinen Objekte eine dauerhafte Erhaltung verdienen. In der Tat sind sie Relikte der Alltagskultur der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts und vermögen viel über die ästhetischen und pädagogischen Auffassungen dieser Zeit zu berichten. Und sie erzählen Geschichten, da sich persönliche Erinnerungen mit ihnen verknüpfen."5
Von diesen persönlichen Erinnerungen gibt es garantiert unzählige, die an den so genannten Bullerbergen in Planten & Blomen hängen. Seit 1973 prägen die markanten, bunten Hügel-Höhlen von dem Kölner Bildhauer Wido Buller den Spielplatz in dem zentralen, überbezirklich angesteuerten Park.



Ähnlich verhält es sich mit der Spielplastik von Jochen Kramer am Schillerteich in Wolfsburg. Die im Rahmen von "Kunst im Stadtbild" von dem Wolfsburger Bildhauer Jochen Kramer (1935–1988) 1974 konzipierte und 1982 realisierte Spielplastik musste bereits damals nach den aktuellen Sicherheitsbestimmungen angepasst werden – zum Beispiel mehr Sand als Fallschutz. Nachdem die markante Skulptur im Laufe der Jahre bauliche Alterserscheinungen aufwies – der Beton war mürbe geworden, der Rost hatte den Stahl angefressen –, da gab es den Wunsch bei den Wolfsburger Bürger*innen, dass diese Skulptur erhalten werden möge. Seit 2010 kann die zugleich historische wie zeitlose Skulptur bespielt werden – und wurde nicht zuletzt von der "Bauwelt" gewürdigt.6
Welche Geschichte sich hinter der markanten Rutschbahn von Erich Glauer (1903–1995) auf dem Killesberg in Stuttgart befindet, das ließ sich bis Redaktionsschluss leider nicht herausfinden. Zu vermuten ist, dass der Stuttgarter Bildhauer die 1961 gefertigte Rutsche für die Gartenschau auf dem Killesberg 1961 angefertigt haben dürfte. Wahrscheinlich hat die Rutschbahn erst in späteren Jahren einen Metallzaun bekommen.
Was einerseits ortsspezifisch und nicht wirklich geplant scheint – zumindest gab es zu Fragen nach den Hintergründen dieser historischen Spielgeräte mit Ausnahme von Lindau und Leipzig kaum Reaktionen – lässt doch aber Tendenzen erkennen. Da ist zunächst die profane Tatsache der Haltbarkeit. Wie Ute Eckardt vom GALK-Arbeitskreis "Spielen in der Stadt" auf Anfrage nach den historischen Spielgeräten mitteilt: "In der Regel sind Spielgeräte nach 10–15 Jahren abgeschrieben und werden ersetzt. Das trifft insbesondere auf die Holzgeräte zu, die an keinem Standort 50 Jahre stehen werden." Dann ist es im Falle der Bullerberge in Hamburg, der Spielskulptur in Wolfsburg und des Beton-Elefanten in Leipzig und Dresden auffällig, dass die von bildenden Künstler*innen entworfenen Spielplatzobjekte einen nachhaltigen, zeitlosen und vor allem den Ort unterstreichenden, einzigartigen Charme haben – bei alt und bei jung. Und da ist die wachsende Begeisterung für das, was einst so omnipräsent war und nun nur noch an der einen oder anderen Stelle überlebt hat: die bunten Stahlrohrgeräte, die viele Erwachsene nachhaltig an die eigene Kindheit erinnern, und denen die eine oder andere Aufmerksamkeit gewidmet wird. Sei es eben, wie in Lindau, dass dafür gesorgt wird, dass das Gerät erhalten bleibt, sei es wie im Falle der Kletterrakete im sächsischen Zeithain, dass sie nachgebaut wird (s. Stadt+Grün, 7/2022, S. 33–35)voder sei es im Falle von dem Kultur- und Medienpädagoge René Langner aus Halle an der Saale, dass die Geräte, die er "Metallkunstwerke" nennt, zeichnerisch in ihrer Gesamtheit als "Gerüste der Republik" gewürdigt werden. Ob diese Begeisterung an die heutigen Kinder weitergegeben wird, das bleibt spannend.
Ebenso spannend ist, wo in der Republik es mit Sicherheit viele weitere historische Spielplatzobjekte gibt, die hier aus mangelnder Kenntnis nicht berücksichtigt wurden. Vielleicht kann ja dieser kleine textliche "Rundgang" zu einer weiteren Wertschätzung dieser Kostbarkeiten beitragen.
Literatur
Brinkmann, Ulrich: Kunst zum Klettern, runderneuert. In: Bauwelt 17–18.2013: https://tinyurl.com/ytmmjgq3 Abruf: 02.04.2024
Fibich, Peter: Ostmoderne Spielskulpturen – robuste Spielobjekte aus vergangener Zeit: https://tinyurl.com/ytq6sefj Abruf 04.02.2024
Hahn-Lotzing Darijana: Spuren im Sand – oder: Der Kinderspielplatz als Indikator der Gesellschaft. Aachen 2011.
Hahn Darijana: Von der Spielplatz- zur Spielraumplanung? In: Stadt und Grün 5/2012, S. 7–13.
Hahn, Darijana: Zeitgeschichte auf dem Kinderspielplatz. In: Stadt und Grün, 5/2021, S. 13–17.
Hahn Darijana: Wenn ich groß bin, flieg ich zu den Sternen. In: Stadt und Grün 7/2022, S. 33–35.
Schönbohm, Kurt: Soziale Grünpolitik in Hamburg-Barmbek. In: Gartenkunst (1931), Heft 9, S. 143–147.
Reiner Kammerl: Der Elefant im Schießgraben. Rückblick auf die Entstehung unseres ältesten Kinderspielplatzes. In: villa nostra - Weißenburger Blätter 1/2024, S. 5-23.
Zündorf, Uwe: Ene mene mu – und wo spielst Du? Kinderspielplätze in der BRD. Düsseldorf 1973.
Anmerkungen
1 Kurt Schönbohm: Soziale Grünpolitik in Hamburg-Barmbek. In: Gartenkunst (1931), Heft 9, S. 143–147; abrufbar auf der Seite der Deutschen Gartenbaubibliothek e. V.: www.gartenbaubibliothek.de
2 Siehe die Akte über Cornelius Schwarz im Staatsarchiv Hamburg: 321-8_239.
3 Anzeige der Firma Hilde Richter in "Garten und Landschaft" 1973.
4 Peter Fibich: Ostmoderne Spielskulpturen – robuste Spielobjekte aus vergangener Zeit. https://tinyurl.com/ytq6sefj Abruf 04.02.2024
5 Siehe oben
6 Brinkmann, Ulrich: Kunst zum Klettern, runderneuert. In: Bauwelt 17–18.2013 https://tinyurl.com/ytmmjgq3; Abruf: 02.04.2024