Über die bdla-Entwerfer:innentage zum Thema Kooperationen
Was braucht's zum Projekterfolg?
von: Dipl.-Ing. Kristina SchönwälderDas von bdla-Vizepräsident Timo Herrmann und Franz Reschke moderierte und erstellte Tagungsprogramm brachte durch elf eingeladene Projektteams nahe, wie facettenreich und unabdingbar die Werkzeuge einer guten Kooperation für den Projekterfolg sind. Die vorgestellten Projekte zeigten dabei ganz unterschiedliche Schwerpunkte, welche durchaus Vorbildcharakter aufweisen.
Zum Auftakt der Veranstaltung hielt Wagon Landscaping, Paris, einen äußerst poetischen Vortrag. Aus der Versailler Schule stammend, haben François Vadepied und Mathieu Gontier es sich zum Leitsatz gemacht, in ihren Projekten mit der Natur zu kommunizieren. Voraussetzung hierfür sind das Wissen und die Beobachtung des Verhaltens von Natur, Mensch und Tier, um dann gezielt in den Dialog 'ohne Sprache' treten zu können. Ein Beispiel war das Projekt "living city" in Aubervilliers: Ein Autostellplatz aus Asphalt wurde aufgebrochen. Die Bruchstücke wurden dann so drapiert, dass sich Blumenansaat und Spontanvegetation sukzessive ihren Weg dazwischen suchen können. Das Planer-Team kommt als Gärtner:innen agierend ins Spiel und entscheidet, was raumkompositorisch gedeihen darf und was nicht. Die Projekte von Wagon Landscaping sind – wie jeder Garten – abhängig vom Unterhalt und einem lebenslangen In-Beziehung-Stehen damit. Interessant ist, dass die Berufsbezeichnung "Paysagiste" in Frankreich eher Landschaftskünstler:in als Landschaftsarchitekt:in bedeutet.
Kulturkatastrophe statt Umweltkatastrophe
Prof. Günther Vogt zitierte seinen ehemaligen Lehrmeister Lucius Burckhardt damit, dass genau diese Art der Gartenkunst im deutschsprachigen Raum leider verloren ginge. Vogt versteht die Landschaftsarchitektur heute aufgrund ihrer Komplexität nicht als Gartenkunst, sondern vielmehr als Koordinationsverantwortung zwischen allen Zuständigen. Zynisch meinte Vogt, wir hätten in der Landschaftsarchitektur derzeit keine Umweltkatastrophe, sondern eine Kulturkatastrophe! Jeder Planer solle die gelernten Professionen des Gegenübers ernst nehmen und sich nicht selbst als diese verstehen. Er zeigte eine Reihe gelungener Projekte, die in Kooperation mit Künstlern wie Julius von Bismarck, Dan Graham, Julien Charrière und Roman Signer entstanden sind. Sein stellvertretendes Vorbild einer guten Zusammenarbeit war die Olafur Eliasson-Ausstellung "Life" der Fondation Beyeler, Riehen (Schweiz), die 2021 unter Corona stattfand. Um die Landschaft besser in das Gebäude des Architekten Renzo Piano fließen zu lassen, wurden Wände und Böden, direkt hinter den Aufhängungen von Picassos Bildern, mit farbigem Wasser geflutet. In der Kunstszene traue man sich einfach mehr, so Vogt. Koordination sei leichter möglich als im Ingenieursbauwesen. VOGT Case Studio unterstützte das Studio Olafur Eliasson bei der Konzeption und Realisierung dieses Gesamtkunstwerks mit seiner Expertise bei der Pflanzenauswahl. Das Ergebnis ist eine Serie von zarten und doch dramatischen Begegnungen zwischen verschiedenen Texturen und Grüntönen, zwischen verschiedenen Genen und biologischen Systemen.
SUG-Stellenmarkt
Der Arbeit der Planenden einmal ohne Kompromisse vertrauen
Der Brückenbauingenieur Jürg Conzett stellte als weiterer Schweizer Gast entlang eines bebilderten Erzählstranges auf sehr fesselnde Art und Weise dar, wie Koordination im höchsten Maße funktionieren konnte – nach einer Naturkatastrophe. In den Bergeller Alpen des Kantons Graubünden kam es im Jahr 2017 zu einem der größten Bergstürze. Murgänge durch das Val Bondasca erreichten im Tal die Ortschaft Bondo im Bergell und führten dort mit einem Geröllfluss zu Zerstörungen des Dorfes. Innerhalb weniger Tage lobte die aus der Künstlerfamilie stammende Bürgermeisterin Giacometti einen Wettbewerb zum Schutz vor zukünftigen Muren aus, der auch die zerstörte Brücke wieder ersetzen sollte. Die Conzett Bronzini Partner AG, Chur, konnte den Wettbewerb mit Martina Voser (mavo Landschaften), und Rita Müller (Müller Illien), Zürich, in Zusammenarbeit mit weiteren Fachplaner:innen gewinnen und in Höchstgeschwindigkeit umsetzen. Über den als Gärten genutzten und mit Steinen aus den Muren verkleideten Stützmauerplateaus entstand eine Betonbrücke, die sich nach dem Form-Follows-Function-Prinzip quasi selbst entworfen hatte, aber ästhetischer nicht hätte sein können: Die bogenförmige Führung der Brücke vollzieht die geschwungene Rundung einer auslaufenden Lawine nach und minimiert damit sogar die Angriffsmöglichkeiten bei außergewöhnlichen Naturereignissen wie Steinflusslawinen oder Hochwasser. Ein gutes Beispiel dafür, was entstehen kann, wenn gute Fachplanende ohne Kompromisse bauen dürfen!
Mit "Es war einmal eine Zeit(ge)schicht' . . ." erzählt die Landschaftsarchitektin Carola Antón (Antón Landschaft, vormals antón & ghiggi, Zürich) als eine der nur vier Frauen unter den 18 Tagungsvortragenden vom 'Pfingstweidpark' in Zürich. Neben dem Verständnis für Topographie und Geschichte, das auch alle anderen ihrer Projekte stets aufweisen, liegt hier die Besonderheit in der Arbeitsweise: Work-in-progress. Die amorphen Mauern aus Formbeton, die den Hang des Parks abfangen und eine ehemalige Moorinsel nachzeichnen, konnten nur deshalb so natürlich erscheinen, weil die Landschaftsarchitektin und ihre damalige Kollegin Dominique Ghiggi vor Ort ständig kunst- und bauleiterisch tätig waren. Damit sparte man sich aufwendige Ausführungspläne, reagierte auf die Wetterabhängigkeit des Betons und stellte die Qualität im Bau sicher.
Paradigmenwechsel im Straßenbau für gesunde Bäume
Das Wiener Duo Daniel Zimmermann (3:0 Landschaftsarchitekten) und Landschaftsarchitekt Stefan Schmidt kooperierten mit Erfolg bei der Entwicklung von natürlichen Baumrigolsystemen nach dem Schwammstadtprinzip. Bereits mehrere Städte in Österreich und Bayern überzeugten sie mit ihren besonders wissensbasierten und didaktischen Fähigkeiten zur Umsetzung besserer Bedingungen für Baumwurzeln. Dabei stützten Sie sich auf das vorhandene Know-How der 'Stockholm Solution' und passten dieses auf den jeweiligen Standort an. Im Rahmen des Vereins "Land schafft Wasser" entwickelten sie ein Baum-Lysimeter, um die Gesundheit von Bäumen in Abhängigkeit von der Wurzelentwicklung zu erproben und zu dokumentieren. Die Anlage wurde außerdem von der Höheren Bundeslehr- und Forschungsanstalt für Gartenbau (HBLFA) Schönbrunn und dem Bundesamt für Wasserwirtschaft errichtet und betreut. "Es braucht einen Paradigmenwechsel im Straßenbau, Tragschichten müssen luft- und wasserführender gebaut werden", so Zimmermann. Selbst die FLL-Richtlinienempfehlung (an deren Erstellung das Duo selbst beteiligt war) einer Baumgrube mit zwölf Kubikmetern Größe reiche nicht aus, wenn der Straßenbaum adäquat altern solle. In der neuen Seestadt Wien Aspern wurde ein solches System mit der "Sonnenallee" im Straßenraum beispielhaft umgesetzt. Die Stadt Graz nähert sich dem Vorhaben durch das Projekt MuFuWu (Multifunktionaler Wurzelraum) und dokumentiert hierfür das Baumwachstum. Mehr Informationen unter www.schwammstadt.at.
Ein Projekt ist erfolgreich, wenn es geliebt wird
Wie 'Stadt von unten' auf eine Weise betrieben werden kann, dass Politik und Anwohnende tatsächlich von einer Vision überzeugt werden, zeigt das Projekt "Bunker St. Pauli – Partizipation trifft Entwurfspraxis". Mit seinen über 40 Metern Höhe ist der ehemalige Flakbunker IV aus dem Zweiten Weltkrieg ein prägnanter Teil des Stadtbilds Hamburgs. Der denkmalgeschützte Bau ist heute nicht nur eines der wichtigsten Mahnmäler Hamburgs, sondern auch ein Anlaufpunkt für Kreative, Nachtschwärmer und Medien.
Die Idee des Projekts "Hilldegarden", einem partizipativen Dachgarten, kam dem Designer Tobias Boeing an seinem Küchentisch mit Blick auf den grauen Bunker. Die Grundidee hatte allerdings schon Friedensreich Hundertwasser in den 1990er Jahren. Gut vernetzt fand Boeing einige Nachbarn aus dem Quartier, die mit ihm und dem Betreiber EHP GmbH die Idee zur Begrünung des Bunkers bis zur Umsetzung voranbringen wollten. 2015 entstand der Verein Hilldegarden e. V. Der Landschaftsarchitekt Felix Holzapfel-Herziger (L+ Landschaftsarchitektur), Hamburg, erfuhr über die Zeitung von dem Projekt und gab spontan sein Interesse an einer Mitwirkung bekannt. Das Büro L+ entwarf dann in Vorleistung den Garten für den Flakbunker unter den Nutzungsvorstellungen der anwohnenden Bürgerinnen und Bürger: Eine terrassenförmige grüne Krone mit riesigen Bäumen, erschlossen von einem Bergpfad-artigen Kragen, wird dem monumentalen Bunker aufgesetzt und lässt sein Grau ergrünen. Es entstand eine Visualisierung, die wie ein achtes Weltwunder wirkte, rasch durch die Presse ging und immer mehr Aufmerksamkeit in der Stadtpolitik und bei den Bürger:innen fand. Gleichzeitig betrieb Tobias Boeing mit seinem wachsenden Team nonstop ein gelungenes Quartiersmanagement. Bis zu 26 Infoveranstaltungen fanden statt, um die Akzeptanz und Mitwirkung der Anwohnenden zu gewinnen. Mit Hilfe von Partizipationsgeldern der Stadt Hamburg wurde ein Infocontainer für die Bürger:innen aufgestellt und AGs zur Mitarbeit an Prozess, Außenflächen, innenliegenden Flächen, Energie & Kreisläufen und Erinnerungsort gegründet. Dabei wurden stets Fachplaner:innen einbezogen. Um die komplexen Ideen für alle übersichtlich, transparent und demokratisch zu halten, gab es einen digitalen Co-Working-Space, Abstimmungen fanden über die Webseite statt. Es galt, jede Meinung anzuhören und mitzunehmen. "Ein Projekt ist erfolgreich, wenn es geliebt wird!" so Boeing. Da die Dynamik von unten schließlich so überzeugend stark war, wurden die Hilldegarden-Flächen nach einer Machbarkeitsstudie im städtebaulichen Vertrag der Stadt Hamburg verankert. Die konkretisierte Planung befindet sich jetzt in der Realisierungsphase.
Vorbildliche Bürgerbeteiligung betreiben auch die aus dem kooperativen Werkstattverfahren zum "Haus der Statistik" am Alexanderplatz Berlin bekannten Tele Internet Café in Symbiose mit Treibhaus Landschaftsarchitektur, Hamburg. Andreas Krauth, Architekt und Urbanist sowie Gerko Schröder, Landschaftsarchitekt, sprachen in ihrem Vortrag über ihre "kollaborativen Partnerschaften und komplexe Affären" im Laufe ihrer erfolgreichen Zusammenarbeit. Sie beginnen nicht mit einem fertigen Bild des Ortes im Kopf, sondern vielmehr mit einem Nutzungsgedanken – wie Orte aktiviert oder reaktiviert werden können. Das richtige Gefühl dafür entwickeln sie durch Vorortanalysen und Einbindung von Beteiligten zur Projektentwicklung nach dem Motto 'all sides in'. Dabei ist es wichtig, viele Entwicklungsszenarien zu denken und der Planung Raum für eigene Entwicklungsdynamiken zu lassen. Weitere Projekte des Teams sind neben dem Komplex am "Haus der Statistik" der "Neumarx" in Wien oder das "Kreativquartier München".
Die Stadtgesellschaft braucht neue Formen der Aushandlung
Wie man mit kreativen Synergien und dynamischer Kooperation über "Räume in Transformation" kommuniziert, wissen Jürgen Höfler von Urban Catalysts und die Grafikerin Sophie Jahnke aus Berlin. Das Team arbeitet seit Jahren erfolgreich zusammen, wenn es darum geht, Überzeugungsarbeit durch einfache Grafik leisten zu müssen.
Sophie Jahnke ist unter den Landschaftsarchitekten bereits bekannt durch die hervorragenden Visualisierungen der Publikation "Animal Aided Design" von Thomas Hauck. Wenn dieses Grafikkönnen mit dem Spirit der Ikone für prozesshaften Urbanismus "Urban Catalyst" zusammentrifft, wird es besonders spannend. Die Produkte, welche sie gemeinsam entwickeln, reichen vom Reallabor bis zu einer gemeinsamen Charta.
Höfler und Jahnke stellen drei Thesen in den Raum, die sie aus ihrer gemeinsamen Kooperation mitgenommen haben:
These #1: Räume in Transformation sind dynamisch und verlangen eine Verzahnung von Planung, Dialog und Kommunikation.
These #2: Die Diversifizierung der Stadtgesellschaft trifft heute auf starre Verwandlungsstrukturen und verlangt andere Formen der Aushandlung.
These #3: Die Übersetzung komplexer Inhalte in eine verständliche Sprache ist zentral für eine menschenzentrierte Planung.
Integral braucht digital
Die Aufgabe, dichter und klimaangepasster zu Bauen führt für Planende zu immer mehr Herausforderungen. Das Building Information Modelling – kurz BIM – soll in Zukunft das Kooperationstool für Fachplanende werden, in dem 3D-basiert alle Gewerke datentechnisch und zeichnerisch zusammengebracht werden. Gleichzeitig werden mit Hilfe von GPS-Systemen Messdaten immer genauer; jedoch scheint es schwierig, diese auf die Schnelle lesen oder vergleichen zu können. An der Schnittstelle zwischen GIS und BIM-System muss also noch gearbeitet werden. "Integral braucht digital": Hier setzen Marc-Christian Hodapp von der Urbanistic GmbH, München, und Sebastian Hermann, Stadtplaner bei ASTOC Architects and Planers, Köln, mit ListECO an und entwickeln die Software "urbanistic.de". "Um nachhaltiger bauen und planen zu können, brauchen wir Kooperationskonstellationen, welche Entscheidungsgrundlagen so aufsetzen, dass sie mit der Öffentlichkeit neu und zukunftsgerichtet verhandelt werden können. Die Software versteht sich als Planungshilfe und entbindet die Verantwortlichen nicht, gut zu entwerfen," so Hodapp.
Langjährige Kooperationsbeziehungen sind wie eine Familie
Tancredi Capatti, Inhaber von capattistaubauch urbane landschaften, Berlin, und Prof. Martina Bauer, BarkowLeibinger Gesellschaft von Architekten, Berlin, zeigten auf unterhaltsame Weise eine Vielzahl gelungener Projekte, die sie als gemeinsam geborene und aufgezogene Kinder bezeichnen. Sie sprachen von all ihren gemeinsamen Ups & Downs in der Praxis. Ihr absolutes Wunschkind ist das Projekt "Two Walls", welches 2020 die Eingangssituation der Barkow-Leibinger-Ausstellung "Revolution of Choice" im Haus am Waldsee bildete: Zwei gespaltene Betonblöcke stellten das Tor vor dem Eingang dar und bargen in ihrem harten Kern das Weiche und allerlei Entdeckungen. Ganz wie die 'Eltern' selbst.
Zum Abschluss der Veranstaltung sprach Prof. Annegret Stöcker von Querfeldeins, Dresden. Das Geheimnis ihres Büroerfolgs liege im interdisziplinären Aufbau des Büros aus Landschaft, Architektur und Urbanität und dem Indiz immer paritätisch, divers und gelassen zu bleiben.
Kürzlich konnte das Team für den Waageplatz in Göttingen den 1. Preis erringen. Hier entsteht im Sinne der "Sozialen Stadt" kein klassischer Stadtplatz, sondern ein Hybrid mit Orten für Aufenthalt & Spiel, Mobilität & Leitung, sowie eine Grünfläche mit hoher ökologischer und klimapositiver Wertigkeit, ganz nach dem Schwerpunkt des Büros. Nicht umsonst wurde Annegret Stöcker schon sehr jung als Professorin für Landschaftsarchitektur an die Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen berufen.
Bei dem Spektrum der vorgetragenen Kooperationsarbeiten wird deutlich, dass die Aufgabe der Planer:innen zum großen Teil in der Kooperationsarbeit liegt. Was Entwerfer:innen neben den Projektanregungen zum Thema "Kooperationen" als Botschaft mitnehmen konnten:
- Kooperationen müssen wachsen
- Mut zu progressiven Schritten durch Kooperationen
- Immer auf dem neuesten Stand der Diskurse, Technik und Forschung bleiben, um bestmögliche Kooperationen knüpfen zu können
- Didaktische Werkzeuge helfen zur besseren Überzeugung der Kooperationspartner
- Kooperationen gilt es zu pflegen