2. Sächsische Schulbaukonferenz zu aktuellem Schulbau
Die Phase 0 in der Planung – Was, wie und für wen planen wir?
von: Sigrid Böttcher-SteebDer Schulbau ist ein brandaktuelles Thema, das zeigte erneut die Beteiligung von 140 Architekten, Landschaftsarchitekten und Fachplanerinnen, Verwaltungsleute und Schulträger, Schulleiterinnen und pädagogische Mitarbeiter an der zweiten Schulbaukonferenz Sachsen der Architektenkammer Sachsen. Die erste Schulbaufachtagung fand im November 2016 in Dresden statt.
Von innovativen Projekten in Berlin und Kopenhagen berichteten Landschaftsarchitektinnen und Architekten in einem neuartigen Vortragsformat "Pecha Kucha": 20 Bildfolien begrenzt auf fünf Minuten Vortrag gaben einen knackigen Input für Gespräche und Diskussionen am Vorabend der Tagung und stimmten ein auf das prall gefüllte Themenspektrum des nächsten Tages.
So wie jeder Schulbau ganz am Anfang vor der Frage steht "Was planen wir - wo - für wen - wie - mit wem" begann die Tagung ebenfalls mit den grundlegenden Fragestellungen: Barbara Pampe von der Montag Stiftung konnte von Pilotprojekten berichten, welche in moderierten Schulentwicklungsprozessen, der sogenannten "Phase 0" zukunftsfähige Raumkonzepte für die Schule von morgen für den jeweiligen Standort entwickelt haben. Zukunftsweisende Ansätze, die aber Zeit, guten Willen und vor allem zusätzliche Förderung und professionelle Begleitung brauchen.
Nach wie vor mahnt die Montag Stiftung in Richtung der Schulträger, Bau- und Kultusministerien, es brauche dringend eine Modernisierung der Rahmenvorgaben und Bauvorschriften für den Schulbau, die nur in Überresten und veraltet vorhanden sind. Aber auch lobenswerte Ansätze wie die Dresdner Schulbauleitlinie können nicht alles standardisiert regeln, dies ist eine wichtige Erkenntnis aus den Pilotprojekten: Jede Schule, jeder Schulstandort mit seiner Einordnung in bauliches Umfeld, Grundstücksgröße, Einzugsgebiet, Schulkonzept und Schülerstruktur ist individuell - und braucht ein individuelles Aushandeln der besten räumlichen Lösung. "Jede Schule tickt anders".
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Ein an der Phase 0 beteiligter Architekt resümiert: "Ich kann nur extrem befürworten, sich Zeit für diese Phase 0 zu nehmen. Damit erhält das Architekturbüro sehr gut dokumentierte Überlegungen. Es macht sich bemerkbar, welcher Qualitätsgewinn darin steckt, eine klare Roadmap als Aufgabenstellung zu haben, dies gibt den Architekten und allen Beteiligten Sicherheit, wofür planen wir und wo soll es hingehen. Als Planer ist man sonst allein mit zahlreichen Vorschlägen und Ideen und dem Risiko, dass am Ende einiges nicht stimmig ist".
Wenn das Ergebnis nicht passt, erhält der schicke Neubau einen faden Beigeschmack: Dies erlebten die Teilnehmer am Vorabend der Tagung bei der Führung durch die neue Kurt-Masur-Grundschule in Leipzig, deren Auslastung noch in der Planungsphase von vier auf sieben Züge aufgestockt wurde. Die Leiterinnen von Schule und Hort gaben ein sehr kritisches Feedback und bemängelten zu wenig pädagogische Nutzbarkeit und unzureichende Beachtung des kindlichen Maßstabs in den gebauten Räumen. Mit Blick auf die Freianlagen bleiben zum Beispiel großflächige Dachterrassen wegen fehlenden Sonnenschutzes ungenutzt, obwohl die Schule ein Mehr an Freifläche aufgrund zu knapper Geländegröße gut gebrauchen könnte. Die gesparte Zeit in Phase 0 hat an diesem Beispiel nichts gewonnen.
Zufriedenheit und Nachhaltigkeit sind dagegen das Ergebnis einer guten Phase 0, wie auch Frau Voigt von der Stadt Leipzig am Beispiel der preisgekrönten "Paul-Robeson-Grundschule" bestätigt. Sie würde sich diesen ausführlichen Prozess am Anfang eines jeden Schulneubaus wünschen. Aber angesichts der steigenden Schülerzahlen und fehlender Schulkapazitäten könne sich Leipzig den ausführlichen Vorabprozess kaum leisten und schraubt gerade an einer verkürzten Phase 0 "light". Der Druck ist groß. 30.000 zusätzliche Schülerinnen und Schüler hat die Stadt Leipzig voraussichtlich bis 2030 unterzubringen, 70 neue Schulen müssen gebaut oder bestehende Gebäude reanimiert und umgerüstet werden.
Dass dies in der verdichteten Stadtlage besondere Herausforderungen für die Freiraumgestaltung mit sich bringt, verdeutlichten der Architekt Jan Fitzner und der Landschaftsarchitekt Rüdiger Clausen. An den vorgestellten Beispielen aus Leipzig ist besonders, dass Architekt und Landschaftsarchitekt von Anfang an gemeinsam nach der besten Lösung für Innen- und Außenräume suchen, das Beste aus den schwierigen Standorten herauszuholen. Manchmal hilft sogar nur die Schichtung in der dritten Dimension, um wenigstens die Mindestquadratmeter (4 m² pro Kind) erfüllen zu können: Aufgeständerte Gebäudeteile schaffen überdachte Freiflächen, Hangstufen, multifunktionale (Sport-) Flächen und Geländemodellierung generieren zusätzliche nutzbare Flächen im Außengelände. Beengte Schulstandorte drängen außerdem nach einer Öffnung zum Stadtraum.
Innovative Schulbaukonzepte und gute Praxis - eine Reihe von Vorträgen im dichtgepackten Tagungsprogramm veranschaulichten die Vielfalt aktueller Schulbauten: eine BNB-zertifizierte Modellschule am Lehmberg in Dresden mit offenen Regenwassersickerrinnen als Teil des Schulgeländes, ein Chemnitzer Schulmodell mit besonderer Phase 0 für den Umbau einer Plattenbauschule, der ungewöhnliche Anbau für ein Evangelisches Schulzentrum Muldental in Großbarau entwickelt durch gemeinschaftlichen Planungsprozess, Gleißende Fassade und hochtechnisierter Passivhausstandard einer BDA-preisgekrönten Oberschule in Hohenstein-Ernsttal, ein neues Förderzentrum für Körperbehinderte in Chemnitz mit noch ausbaufähigen Außenanlagen, Konzepte für die Ausweitung des Lernortes Schule zum Bildungsband im Stadtteil.
Neben positiven Beispielen ließen aber immer wieder kritische Töne kein selbstgefälliges Zurücklehnen aufkommen. "In keinem anderen Planungsvorhaben ist es so wichtig, Freiraum und Gebäude eng vernetzt von Anfang an zu betrachten. Ihre Konzepte sind eng aufeinander abzustimmen. Leider werden Landschaftsarchitekten meist zu spät beauftragt", beklagt zum Beispiel der Landschaftsarchitekt Lutz Beier in der abschließenden Podiumsrunde und bedauerte, dass dadurch bestmögliche Lösungen für manchen Schulstandort versäumt würden.
Es wird mehr Weitblick für die ländlichen Räume gefordert, in denen die Schulstandorte entscheidende Funktion für das Gemeinwesen übernehmen können. Architekt Andreas Leipold plädierte für ein geschickteres Ausnutzen der Gestaltungsspielräume trotz Regelungswut: "Jede Vorschrift, jede Empfehlung, jede Leitlinie lässt Raum - bitte nutzen Sie diese!"
Es gibt noch viel zu tun, packen wir es an, oder um mit den Schlussworten von Frau Pampe zu enden: "Liebe Auftraggeber: Bitte beziehen Sie rechtzeitig die Schule, die Nutzer in die Phase 0 mit ein! Liebe Planer: Bitte setzen Sie sich intensiv mit der Schule, den Nutzern auseinander! Und wenn der Auftraggeber das nicht wünscht, machen Sie sich stark dafür!"
Literatur
Thema Schulbaukonferenz - Programm der Tagung der Architektenkammer Sachsen:
Thema "Pädagogische Architektur" der Montag Stiftung Jugend und Gesellschaft Bonn
schulen-planen-und-bauen.de/pilotprojekte/
www.lernraeume-aktuell.de/startseite.html
Die Dresdner Schulbauleitlinie ist unter www.dresden.de/schulbauleitlinie verfügbar.