26. Deutsche Baumpflegetage
Experten diskutieren Gesetz zur Verwendung gebietseigener Gehölze
Zur 26. Ausgabe der Deutschen Baumpflegetage in Augsburg zog es im April wieder Baumpfleger aus Deutschland und der Welt. Rund 1550 Teilnehmer aus mehr als 20 Nationen zählten die Veranstalter, 100 Fachbesucher mehr als im Vorjahr. "In diesem Jahr sind wir internationaler denn je", hob Organisator Prof. Dr. Dirk Dujesiefken hervor. Unter anderem kamen Fachleute aus Israel, dem Irak, Neuseeland, Russland, Pakistan und den USA nach Bayern. Auf dem Programm standen mehr als 40 Fachvorträge. Auch zeigten auf der begleitenden Messe mehr als 130 Hersteller ihr Produkte für Baumpflege.
Lücken beim Saatgut gebietseigener Gehölze
Für Diskussionen sorgte am Eröffnungstag das Gesetz zur Verwendung gebietseigener Gehölze. Ab März 2020 dürfen in der freien Natur außerhalb der Städte nur noch gebietseigene Baumarten gepflanzt werden. Dr. Rudolf Specht vom Bundesumweltministerium (BMU) erläuterte in seinem Vortrag den aktuellen Stand des geplanten Zertifizierungssystems für die Produktion gebietseigener Gehölze. "Wenn das System 2020 praxistauglich funktionieren soll, müssen enorm viele Rädchen ineinandergreifen", sagte Specht und verwies auf die beteiligten Akteure wie Bund, Länder, Kommunen und Produzenten, die in Einklang zu bringen seien.
Dass es genau an dieser Stelle aus Sicht der Baumschulen hakt, erklärte Christoph Dirksen, der den Bund deutscher Baumschulen (BdB) vertrat. "Zwei Jahre vor Ablauf der Übergangsfrist gibt es nach wie vor ungelöste Probleme bei der Pflanzenverfügbarkeit, der Zertifizierung, den Beerntungsgebieten, Verwendungsorten und Ausschreibungen", sagte Dirksen. Er verdeutlichte die schwierigen Produktionsbedingungen und rechnete vor: Wenn Baumschulen für sechs Herkunftsgebiete, in die Deutschland unterteilt sei, 25 Gehölze produzieren sollen, summiere sich das auf 150 Baumsorten. "In vielen Regionen gibt es aber sehr große Lücken in den Saatgutbeständen", so Dirksen. Er plädierte dafür, neue Pflanzenbestände in der freien Natur zu sichten.
Kritik an dem Gesetz kam auch aus dem Publikum. Gefragt wurde, ob die Vorgaben angesichts des Klimawandels überhaupt noch sinnvoll seien. Specht verteidigte das Gesetz als "Kompromiss". Es gehe um den Erhalt der genetischen Vielfalt, die auch international ein großes Thema sei. "Das Gesetz kann dieses Ziel nicht erreichen, aber es leistet einen wichtigen Beitrag", sagte der BMU-Vertreter. Baumschulexperte Dirksen äußerte hingegen Zweifel. Denn: Produzenten wählten für ihr Saatgut Bäume nach forstlichen Wuchskriterien aus. "Es werden Alpha-Bestände geschaffen", gab er zu bedenken.
Kommunale Baumpfleger profitieren von Amtshaftung
Baumkrankheiten, Totäste und Haftungsansprüche in der kommunalen Baumkontrolle waren weitere Schwerpunkte der Tagung. Unter anderem referierte Prof. Dr. Dujesiefken über die Frage: Gibt es einen optimalen Schnittzeitpunkt für Bäume? Er erläuterte anhand einer Testreihe, dass in der winterlichen Ruhephase die Wundheilung der Bäume am schlechtesten erfolgt. Dujesiefken verwies zugleich auf die Komplexität des Themas: Schnittmaßnahmen verfolgten unterschiedliche Ziele, hinzu kämen rechtliche Vorgaben wie das Bundesnaturschutzgesetz. Sein Fazit: "Allgemein gültige Vorgaben sind nicht möglich."
Wenn herabfallende Äste Sach- oder Personenschäden verursachen, stellt sich jedoch schnell die Frage der Haftung. Werner Liebeton, Justiziar beim Schadensausgleich westdeutscher Städte (ksa) und dem Haftpflichtschadensausgleich der Deutschen Großstädte (hadg), nahm in einer Fragestunde kommunalen Baumpfleger die Sorge, sich dafür privat versichern zu müssen. Das sei nicht nötig. "Kommunale Baumkontrolleure gelten als Beamte im haftungsrechtlichen Sinne und profitieren von der gesetzlichen Ausstattung der Amtshaftung", sagte Liebeton.
Baumpflegerinnen in Finnland selbstverständlich
Mit dem Thema Frauen in der Baumpflege setzten sich erstmals zwei Beiträge des Kletterforums auseinander, das dieses Jahr 20-jähriges Jubiläum feierte. Eine interessante Perspektive auf das Thema lieferte die finnische Baumpflegerin Marika Pylkkänen, die berichtete, dass in Finnland Frauen selbstverständlich in dem Beruf arbeiteten. In Mittel- und Südeuropa "liegt der prozentuale Anteil der Frauen in den Kletterkursen nach wie vor deutlich unter dem der Männer", erläuterte hingegen Anja Erni. Der Schweizer Baumpflegerin gelang es, in ihrem als Rollenspiel angelegten Vortrag zu zeigen, auf welche Vorurteile Frauen in der Baumpflege treffen und welche Bedeutung soziale Normen dabei haben. Häufig stelle man ihr die Frage, ob der Beruf nicht zu hart für Frauen sei. Ihre Antwort: "Manche Menschen eigenen sich für den Beruf, andere nicht. Das ist unabhängig von dem Geschlecht."
Alle Fachvorträge sind in einem Tagesband erschienen, der über die Webseite der Deutschen Baumpflegetage bestellt werden kann. Im kommenden Jahr verschiebt sich der Termin der Fachtagung aufgrund von Feiertagen in den Mai: Vom 7. bis 9. Mai 2019 treffen sich dann wieder Baumpfleger aus Deutschland und der Welt zur 27. Ausgabe der Fachtagung in Augsburg.
Gloria Ballhause