Arbeitsrecht

Eingruppierung nach TVöD für Baumpflegearbeiten mit Sichtkontrollen

Gegenstand einer aktuellen Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) ist die Eingruppierung eines Gärtners und FLL-zertifizierten Baumkontrolleurs nach TVöD, der auch Sichtkontrollen im Kronenbereich durchführt.
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Der Kläger im vorliegenden Fall nahm von der Arbeitsbühne aus Baumschnitte vor und führte Sichtkontrollen durch. Foto: zwiboe / Pixelio.de

Im Kern geht es darum, ob der Kläger gemäß dem einschlägigen Eingruppierungsverzeichnis eine besonders qualifizierte oder besonders vielseitige Tätigkeit im Sinne der Entgeltgruppe 7 TVöD durchführt oder nicht. Dafür ist entscheidungserheblich, ob er Baumkontrollen oder alternativ selbstständig und verantwortlich Maßnahmen zur Baumerhaltung durchführt.

In dem Rechtsstreit wendet sich der Kläger gegen die Ablehnung seines Antrags auf Höhergruppierung von Entgeltgruppe 6 nach Entgeltgruppe 7 TVöD zum 01.01.2017. Er wird im Rahmen eines Baumpflegeteams abwechselnd am Boden und auf einer Hubarbeitsbühne eingesetzt. Am Boden bestehen seine Aufgaben in der Baustellensicherung und Verarbeitung abgetrennter Äste. Von der Hubarbeitsbühne aus nimmt er Baumschnitte vor und beseitigt Totholzäste. Während er im Arbeitskorb an den Bäumen hochgefahren wird, führt er eine Sichtkontrolle, insbesondere im Kronenbereich, durch. Dabei entdeckte Schäden werden entweder von ihm bearbeitet oder als Aufgabe vom Vorarbeiter erfasst. Der Kläger entscheidet in der Regel selbst, ob er den Schaden sofort bearbeitet, hält aber bei Zweifeln Rücksprache mit dem Vorarbeiter. Über das "wie" der Maßnahmen entscheidet er frei. Sein Höhergruppierungsantrag vom 06.12.2017 ist von der beklagten Stadt abgelehnt worden. Das Arbeitsgericht Essen hat die Klage durch Urteil vom 10.06.2021 – 1 Ca 3151/20 – abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das LAG Düsseldorf durch Urteil vom 15.07.2022 – 7 Sa 661/21 –, der Klage stattgegeben. Auf die Revision der beklagten Stadt hat das BAG durch Urteil vom 16.08.2023 – 4 AZR 283/22 –, juris die Klage rechtskräftig abgewiesen.

Das BAG stellt zunächst fest, dass sich die Eingruppierung des Klägers nach § 11a S. 2 TVöD-NRW in Verbindung mit (i.V.m.) dem Eingruppierungsverzeichnis bestimmt, da er einen Antrag nach § 11a S. 3 TVöD-NRW i.V.m. § 29b Absatz 1 S. 1 TVÜ-VKA gestellt hat. Nach den letztgenannten Vorschriften gelten für die vom TVöD/VKA in den TVöD-NRW übergeleiteten Beschäftigten ab dem 01.01.2017 für Eingruppierungen § 11a TVöD-NRW i.V.m. dem Eingruppierungsverzeichnis. Nach den Tätigkeitsmerkmalen des TVöD-NRW ergibt sich für den Kläger bei Vorliegen der Voraussetzungen mit Entgeltgruppe 7 TVöD/VKA eine höhere Eingruppierung. Nach Auffassung des BAG sind alle vom Kläger auszuübenden Tätigkeiten zu einer einheitlich zu bewertenden Gesamttätigkeit zusammenzufassen. Hiervon geht auch das LAG aus, hat aber nach Auffassung des BAG wesentliche Umstände nicht berücksichtigt, indem es lediglich auf die Tätigkeiten abstellt, die der Kläger unter Nutzung des Arbeitskorbs ausübt, ohne die von ihm am Boden zu erbringenden Arbeiten zu berücksichtigen.

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Nach Auffassung des BAG hatte die Vorinstanz die vom Kläger am Boden zu erbringenden Arbeiten nicht ausreichend berücksichtigt. (Symbolbild) Foto: Petra Bork / Pixelio.de

Nach BAG erfüllt die vom Kläger auszuübende Tätigkeit nicht die tariflichen Anforderungen der Entgeltgruppe 7 Abschnitt a Nr. 28 Eingruppierungsverzeichnis, weil er keine "Baumkontrollen" durchführt. Da der Tarifvertrag den Begriff "Baumkontrollen" nicht definiert, orientiert das BAG sich bei der Auslegung an dem allgemeinen Sprachgebrauch der beteiligten Fachkreise. Es stellt folgerichtig auf Regelkontrollen und Zusatzkontrollen vom Boden aus im Sinne der FLL-Baumkontrollrichtlinien ab. Danach sind andere als die vorgenannten systematischen Kontrollen zur Erfüllung der Verkehrssicherungspflicht nicht vom Fachbegriff "Baumkontrolle" erfasst. Diese Voraussetzungen erfüllen die von dem Kläger durchgeführten Kontrollen von Bäumen insbesondere im Kronenbereich nicht, weil es sich nicht um systematische Kontrollen zur Erfüllung der Verkehrssicherungspflicht handelt, die in regelmäßigen Abständen oder nach einem Schadensereignis durchgeführt werden, sondern lediglich anlässlich der Ausführung von Pflegearbeiten.

Soweit der Kläger Maßnahmen zur Baumunterhaltung durchführt, erfolgen diese nach Auffassung des BAG nicht selbstständig und verantwortlich. Zwar führt er Maßnahmen zur Baumunterhaltung durch. Das Merkmal "selbstständig" erfordert aber, dass der Beschäftigte die in den jeweiligen Tätigkeitsmerkmalen genannten Arbeiten ohne besondere Anweisung ausführt. Eine gewisse Eigenständigkeit genügt dazu nicht. Erforderlich ist, dass Maßnahmen zur Baumunterhaltung grundsätzlich ohne fachliche Anweisung ausgeübt werden. Dem steht nach Auffassung des BAG entgegen, dass der Kläger bei Zweifeln Rücksprache mit dem Vorgesetzten hält und sich in solchen Fallgestaltungen Anweisungen erteilen lässt.

Die Entscheidung des BAG ist aufgrund der bestehenden tarifvertraglichen Regelungen nachvollziehbar sowie eingehend und sorgfältig begründet. In Zeiten des demographischen Wandels, der mit zunehmendem Fachkräftemangel einhergeht, stellt sich aber die Frage, ob der öffentliche Dienst aufgrund dieser bestehenden tarifvertraglichen Regelungen für Fachpersonal im Bereich der Baumpflege noch hinreichend konkurrenzfähig ist. Gefragt sind hier die Tarifvertragsparteien.

Ass. jur. Armin Braun, GVV Kommunalversicherung

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