Barocker Terrassengarten instand gesetzt

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Gartendenkmalpflege
Instandgesetzte Westmauer mit erneuerter Sandsteinbekrönung auf den Sandsteinpfeilern. Foto: Wolfgang Wette

Das öffentliche Interesse an historischen Gartenanlagen nimmt seit Jahren zu. Eine stetig wachsende Interessentenschar sucht gezielt Anlagen aus kulturellen und ästhetischen Gründen auf oder nutzt sie zur Erholung und zur Kontemplation. Einige Gärten leiden bereits an Übernutzung, nicht zuletzt durch geschickte Vermarktung. Historische Gärten bieten schließlich seit jeher ideale Räume und Kulissen für vielfältige Veranstaltungen.

Wer in den Schlossgarten nach Stockhausen im östlichen Vogelsberg kommt, spürt von alldem nichts. Hier liegt eine verträumte historische Gartenanlage inmitten einer intakten Mittelgebirgslandschaft. Die Michael-Stiftung aus Darmstadt erwarb 1986 das Schloss in Stockhausen mit seinem historischen Schlosspark, um es der Gemeinschaft Altenschlirf als Arbeits- und Lebensort für Menschen mit und ohne Hilfebedarf bereitzustellen. Heute leben an diesem Standort rund 50 Bewohner, rund 70 Menschen haben hier ihren Arbeitsplatz in der Garten- und Parkpflege, im Gemüseanbau und Verarbeitung, in einer Brennholz- und einer Wollwerkstatt gefunden oder gestalten hier ihren Ruhestand.

So hat der Ort trotz seiner historischen Bedeutung keinen musealen Charakter, sondern bereichert und belebt Stockhausen mit 220 tätigen Menschen und vielfältigen Angeboten. Aber natürlich ist auch die historische Relevanz des Anwesens von Bedeutung: Mauern, Treppen- und Brunnenanlagen sind noch in wesentlichen Teilen bauzeitlich erhalten und bilden den baulichen Rahmen für den terrassierten Garten, der für Hessen eine Besonderheit darstellt.

Vor rund neun Jahren wurde deutlich, dass große Bereiche der Terrassenmauern vom Verfall bedroht waren und erheblichen Sanierungsbedarf aufwiesen. Um die dort beheimateten Menschen sowie ihren Arbeits- und Lebensort zu schützen und den besonderen Wert dieses für Hessen herausragenden Areals zu erhalten, entschloss sich die Michael-Stiftung zu einer umfassenden und nachhaltigen Sanierung, die im Frühjahr 2015 abgeschlossen wurde.

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Gartendenkmalpflege
Blick auf den sog. herrschaftlichen Garten 2015, im Mittelgrund reparierter Mauerabschnitt. Foto: Christine Krienke
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Instandgesetzte Konchenmauer 2015. Foto: Wolfgang Wette

Zur Geschichte der Gesamtanlage und des Gartendenkmals

Die Ursprünge der Gebäude und der Parkanlage gehen auf die erstmalige Errichtung eines Sitzes von Riedesel im 16. Jahrhundert zurück. Adolf-Hermann Riedesel soll dort an ähnlicher Stelle des heutigen Barockschlosses die sog. Hermannsburg errichtet haben. Die milde, klimatisch bevorzugte Lage in der Talfurche des Altmühlbaches hat für die Anlage innerhalb des sonst eher rauen Vogelsbergmassivs den Ausschlag gegeben.

Der Bau des heutigen Schlosses wurde 1770 von Baumeister Georg Koch begonnen und 1801-1807 vollendet. Das schlichte Schlossgebäude zeigt schiefergedeckte Mansarddächer und zwei zur Parkseite orientierte Seitenflügel. Architektonisch hervorgehoben ist der Mittelrisalit mit Tordurchfahrt. Das Schloss ist ein schlichter barocker Bau mit zwei zum Park gerichteten Querflügeln. Bauherr war Erbmarschall Adolf Hermann Riedesel zu Eisenbach.

Die heutige Ausprägung der baulichen Elemente im Schlosspark geht bis ins 18. Jahrhundert zurück. Ein Lageplan von 1792 (Archiv v. Riedesel) gilt als wichtigstes Zeugnis für den Schlossgarten. Die Grundstrukturen der Terrassengärten sind bereits vor Fertigstellung des barocken Schlosses gelegt worden. Der Schlosspark gliedert sich in drei Hauptebenen mit Stützmauern und Treppenanlagen, die den Park in Nutz- und Repräsentationsbereiche unterteilen. Bemerkenswert sind eine Konchenmauer, die den ehemaligen Baumgarten nördlich begrenzt, zudem ein Brunnenbecken sowie mehrere Putten und Vasen des Rokoko. Eindrucksvoll sind die Konchenmauern im oberen Teil des Gartens. Die halbrunden Nischen boten vermutlich wärmeliebenden Gehölzen Schutz vor Spätfrösten und stellen ein wichtiges Gestaltungsmerkmal dar.

Im Lageplan von 1792 sieht man im rückwärtigen Parkteil bereits erste landschaftliche Elemente; etwa 25 Jahre zuvor begann man mit der Anlage erster Landschaftsgärten in Deutschland. Auf einem Teil der Terrassen fand im 19. Jahrhundert eine landschaftliche Überformung statt. Heute sind noch einige Solitärbäume erhalten. In dieser Zeit wurde auch eine weitere nördliche Umfassungsmauer aus Quadermauerwerk gebaut. Der Park wurde im Sinne der Landschaftsverschönerung nach Westen erweitert und enthält auf der Conrads Höhe ein bemerkenswertes klassizistisches Mausoleum. Am bewaldeten Hang oberhalb des Prinzenbachs sind bis heute kleinteilige Wege im Gelände nachvollziehbar.

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Erhaltener Ostflügel der Neuen Orangerie, im Hintergrund Terrassengärten und Schloss 2015. Foto: Christine Krienke
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Im Vordergrund das instandgesetzte Bassin aus dem 18. Jahrhundert, im Mittel-und Hintergrund instandgesetzteund neu aufgesetzte Sandsteinmauern. Foto: Christine Krienke
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Neue Orangerie, erbaut 1810, aufgenommen Anfang 20. Jahrhundert. Genaues Datum und Bildautor nicht bekannt
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Instandgesetztes Geländer aus dem 19. Jahrhundert, Zierkugeln und Rosetten erneuert. Foto: Wolfgang Wette

Erhaltungs- und Entwicklungskonzept im Einklang mit Denkmalschutz und Bevölkerung¹

Die Michael-Stiftung als Eigentümerin ist eine Förderstiftung für soziale gemeinnützige Projekte und hat den Anspruch, dass der Park als öffentlicher Raum verstanden wird, der von den Bewohnern gepflegt und zusammen mit den Dorfbewohnern belebt wird. Bis 2015 wurden einschließlich der Gestaltung des Wirtschaftshofes mehr als zwei Millionen Euro investiert. Staatliche Fördergelder und die Stiftung Denkmalschutz haben dazu beigetragen, dass die vorgeschlagenen Maßnahmen realisiert werden konnten.

Auf der Grundlage eines mit der Gemeinschaft Altenschlirf und dem Hessischen Landesamt für Denkmalschutz abgestimmten Gesamtkonzeptes wird ab 2008 die Anlage instandgesetzt und entwickelt. Hauptaugenmerk gilt der Konservierung und Instandsetzung des gebauten Bestandes. So wurden Mauerabschnitte im Bereich der ehemaligen Orangerie nicht wiederaufgebaut. Berücksichtigt wurde ferner, dass die Lebensgemeinschaft durch zunehmendes Alter der Bewohner in Zukunft von den Wohngebäuden aus nutzbare Freianlagen erhält. Dies gilt vor allem für die Zugänglichkeit und Nutzbarkeit des Schlossinnenhofes und des mittleren Parterres sowie für die Verbesserung der Freiraumsituation im Gutshof, der zum Gesamtensemble gehört.

Die durch unerwartete Mauereinbrüche notwendig gewordenen Gutachten haben 2011 einen erheblichen Sanierungsbedarf an den Umfassungs- und Stützmauern aufgezeigt, um die terrassierte Gartenanlage langfristig erhalten zu können. Es zeigte sich, dass 2006 instandgesetzte Mauerabschnitte einen zu geringen Querschnitt aufwiesen. Der Schiefstand des westlichen Abschnitts der Konchenmauer wurde mit Ankern stabilisiert. Bei den barocken Treppenaufgängen wurden zunächst nur die Fugen erneuert, auch mit dem Risiko, dass in absehbarer Zeit Ausbesserungsarbeiten erforderlich werden. Von einer Grundsanierung mit Abführen von Sickerwasser wurde Abstand genommen, um die Originalsubstanz nicht zu schädigen.

Einhergehend mit den statisch erforderlichen Ertüchtigungen der Mauern konnten im Sinne des Gesamtkonzeptes auch nutzungsbedingte und denkmalpflegerisch motivierte Maßnahmen umgesetzt werden. So erfolgten die Restaurierung der historischen Tor- und Zaunanlagen, Wegebaumaßnahmen sowie die Entschlammung des Schlossteiches. Konstruktiv instandgesetzt wurde das sogenannte Borkenhäuschen, ein mit Rinde beschlagener Gartenpavillon, der sich inmitten des landschaftlich gestalteten Gartenbereiches befindet. Hierbei wurde nach Abnehmen der Borke befallenes Konstruktionsholz partiell erneuert und neu gewonnene Borke von gefällten Eichen wieder angebracht.

Wesentlich für das heutige Erscheinungsbild des Schlossparks ist die sukzessive Umsetzung des gartendenkmalpflegerischen Gestaltungskonzeptes. Unkontrollierte Pflanzungen und Gehölzaufwuchs wurden mit vereinten Kräften der Parkpflegeeinheit der Gemeinschaft Altenschlirf entfernt, partielle Neupflanzungen auf Grundlage des Konzeptes vorgenommen. Für die langfristige Sicherung dieses einzigartigen Gartendenkmals erstellten wir 2015 einen Pflegeplan, der neben der genauen Angabe der Pflegearbeiten eine Komplettierung der Wege auf dem mittleren Parterre vorsieht. Im Haushaltsplan der Stiftung werden Rücklagen gebildet, um Schäden an nicht instandgesetzten Mauerabschnitten reparieren zu können und zusätzliche Maßnahmen zu finanzieren. Hierzu gehören die Erneuerung der Wegebeleuchtung und der Ersatz von Betonsteinpflaster durch wassergebundene Decken. Damit wird langfristig gesichert sein, dass der Garten seine Denkmaleigenschaften behalten wird.

Obgleich die Erhaltung des Schlossparks nicht das primäre Stiftungsziel der Michael-Stiftung ist, haben sich die Beteiligten in vorbildlicher Weise engagiert und der Herausforderung gestellt, mit erheblichen Aufwendungen den denkmalgerechten Erhalt der bemerkenswerten Gartenanlage zu gewährleisten. Dieses Engagement wurde 2015 mit dem Hessischen Denkmalschutzpreis gewürdigt.

Literatur

Anmerkung

¹ Das denkmalpflegerische Konzept von 2009. Entwurf: Wette/Küneke unter stadtundgruen.de /media/PDF/Konzept_2009_Wette.pdf

Dipl.-Ing. Wolfgang Wette
Autor

Landschaftsarchitekt und Landschaftsplaner, Inhaber von Wette+Küneke Landschaftsarchitekten

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