Begriff der öffentlichen Straße

Übernahme der Verkehrssicherungspflicht für privates Waldgrundstück

Dem klageabweisenden Berufungsurteil des OLG Hamm vom 30.06.2023 – 1 U 51/22 –, juris lag folgender Sachverhalt zugrunde: Am 01.09.2018 wurde der Kläger, der als Radfahrer einen Rad-/Wanderweg befuhr, durch die herabstürzende Baumkrone einer auf einem Privatweg stehenden Stieleiche erheblich verletzt. Die beklagte Kommune hatte für diesen die Verkehrssicherungspflicht übernommen. Zum Unfallzeitpunkt war der Weg mit dem Verkehrszeichen 240 StVO (gemeinsamer Geh- und Radweg) beschildert.
Verkehrssicherungspflicht Verkehrssicherheit
Das OLG Hamm verneint mit eingehender Begründung einen Amtshaftungsanspruch des Klägers aus § 839 BGB mangels öffentlich-rechtlicher Verkehrssicherungspflicht für den nicht an einer öffentlichen Straße stehenden Baum. Foto: Angela S., pixelio.de

Mit der Klage begehrt der Kläger Schadenersatz in Höhe von über 42.000 Euro, ein Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 20.000 Euro sowie die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm sämtliche aus dem Unfall resultierenden materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen.

Das LG Bielefeld hat die Klage durch Urteil vom 14.02.2022 – 6 O 30/21 –, juris abgewiesen. Die gegen das erstinstanzliche Urteil gerichtete Berufung hat das OLG Hamm durch Urteil vom 30.06.2023 – 1 U 51/22 – als unbegründet zurückgewiesen.

Das OLG Hamm verneint mit eingehender Begründung einen Amtshaftungsanspruch des Klägers aus § 839 BGB mangels öffentlich-rechtlicher Verkehrssicherungspflicht für den nicht an einer öffentlichen Straße stehenden Baum. Für eine förmliche Widmung als öffentliche Straße fehlt es an der gemäß § 6 Abs. 1 und 2 StraßenWG NRW erforderlichen Widmung durch eine seitens der Straßenbaubehörde mit Rechtsmittelbelehrung öffentlich bekanntzumachenden Allgemeinverfügung. Ebenso wenig stellt das OLG eine konkludente Widmung fest. Zum Zeitpunkt der Aufstellung des einschlägigen Bebauungsplanes durch die Beklagte im Jahre 1975 galt noch das am 01.01.1962 in Kraft getretene Landesstraßengesetz vom 28.11.1961. Bereits dieses schloss grundsätzlich eine konkludente Widmung von Straßen, Wegen und Plätzen zu öffentlichen Straßen aus. Ebenso wenig stellt das OLG eine damals noch mögliche stillschweigende Widmung des Weges zur öffentlichen Straße fest. Allein eine Nutzung des Weges als Wanderweg vor dem Ratsbeschluss vom 21.02.1975 reicht hierfür nicht aus. Schließlich scheidet nach Auffassung des OLG eine Öffentlichkeit des streitgegenständlichen Wegeabschnitts auch nach den Grundsätzen der sogenannten unvordenklichen Verjährung aus. Dies setzt eine stillschweigende Duldung des Privateigentümers voraus, dass ein Weg von der Allgemeinheit in der Überzeugung der Rechtmäßigkeit seit Menschengedenken oder zumindest seit langer Zeit als öffentlicher Weg benutzt worden ist. Dafür muss die Existenz des Weges bereits seit 1882 feststehen, was hier nicht nachgewiesen ist. Schließlich scheidet nach Auffassung des OLG eine Haftung der Beklagten aus § 839 BGB auch deshalb aus, weil es sich bei der unfallursächlich gewordenen Stieleiche nicht um einen Straßenbaum handelt, sondern um einen Waldbaum.

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Verkehrssicherungspflicht Verkehrssicherheit
Das OLG Hamm verneint ebenso Ansprüche aus § 823 Abs. 1 BGB mangels Verletzung einer privatrechtlichen Verkehrssicherungspflicht. Solche Ansprüche scheitern daran, dass der Rad-/Wanderweg an der Unfallstelle durch ein Waldgrundstück führt. Michael Bührke, pixelio.de

Sodann verneint das OLG Hamm Ansprüche aus § 823 Abs. 1 BGB mangels Verletzung einer privatrechtlichen Verkehrssicherungspflicht. Solche Ansprüche scheitern daran, dass der Rad-/Wanderweg an der Unfallstelle durch ein Waldgrundstück führt und die von der Beklagten übernommene Verkehrssicherungspflicht nach der Grundsatzentscheidung des BGH vom 02.10.2012 – VI ZR 311/11 – die Haftung für waldtypische Gefahren ausschließt. Etwas anderes ergibt sich für das OLG auch nicht daraus, dass die Beklagte nicht selbst Waldeigentümerin ist, sondern die Verkehrssicherungspflicht für den Waldweg von dem privaten Grundstückseigentümer übernommen hat. Dies rechtfertigt keine gesteigerten Anforderungen an die Verkehrssicherungspflicht. Diese ist allein in dem Umfang auf die Beklagte übergegangen, wie sie bis dahin in der Person des Waldbesitzers begründet gewesen ist. Schließlich ergeben sich erhöhte Anforderungen auch nicht aus der Ausweisung des Waldweges als überregionalen Rad-/Wanderweg, der zur Förderung des Tourismus im Internet als Teil eines großen Radwegenetzes beworben wird. Auch die Aufstellung des Verkehrszeichens 240 StVO begründet keine Haftung der Beklagten. Eine solche Beschilderung ist nicht geeignet, einen Waldweg zu einer dem öffentlichen Verkehr gewidmeten Straße zu machen. Ob die Beklagte sich auch auf die gesetzliche Haftungsbeschränkung auf atypische Waldgefahren berufen könnte, wenn ihr die Vorschädigung des schadenursächlich gewordenen Baumes vor dem Unfall positiv bekannt gewesen wäre, lässt das Gericht offen, weil es an dem erforderlichen Nachweis fehlt.

Das Urteil des OLG Hamm überzeugt uneingeschränkt. Von besonderem Interesse für die öffentliche Hand sind die eingehenden Ausführungen zu den Voraussetzungen eines öffentlichen Weges. Begrüßenswert ist die Auffassung des Gerichtes, dass allein die Ausweisung von Wanderwegen oder Radwegen zu touristischen Zwecken und Werbung hierfür nicht zu einer Verkehrssicherungspflicht für typische Gefahren auf einem Waldweg führt ebenso wenig wie eine straßenverkehrsrechtliche Beschilderung. Zu Recht hebt das OLG schließlich hervor, dass die Übernahme der Verkehrssicherungspflicht vom Grundstückseigentümer nur in dem Umfang erfolgt, wie auch diesen Verkehrssicherungspflichten treffen.

Ass. jur. Armin Braun, GVV Kommunalversicherung

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