Editorial
Liebe Leserin, lieber Leser
Der öffentliche Freiraum ist ein umkämpfter Raum - dies zeigen die überproportional hohe Nutzung von Gärten und Parks in der Pandemie oder Protestaktionen wie die kürzlich vor dem Reichstag aufgestellten 13.000 Stühle, die an das Schicksal der Flüchtlinge im abgebrannten Flüchtlingscamp in Moria erinnern sollten. In besonderer Weise konnte man den Kampf um den öffentlichen Raum im Mai und Juni erleben: Der Tod von George Floyd hat in den USA für einen Schub der Black Lives Matter-Bewegung gesorgt, deren Auswirkungen bis nach Europa spürbar waren: Denkmäler wurden vom Sockel gestürzt und landeten im Wasser und mit ihnen die Vorstellung, dass sich die im Rassismus kristallisierte Ungleichheit noch tolerieren lässt.
In Krisen werden Regeln in Frage gestellt, die in Stein gemeißelt schienen: Flugreisen ebenso wie Rathäuser ohne Homeoffice. Kommunen und ihre Planerinnen und Planer müssen sich fragen, wie sie auf diese Situation reagieren wollen. Wie sind pandemie- und klimaresiliente Innenstädte realisierbar? Wie kommen Grünflächenämter wieder an mehr Personal, um den hohen Nutzungsdruck im Grün zu bewältigen? Wie ist Sicherheit im öffentlichen Raum zu erreichen, ohne demokratische Rechte einzuschränken? Wie kann Gemeinschaft auch in Form von Festen, Konzerten und Partys im Freiraum erlebbar bleiben, ohne einander zu gefährden? Phantasie, Gestaltungswissen und -willen, aber auch mehr Geld sind gefragt. Die Politik muss vom Krisen- in den Diskussionsmodus zurückschalten, und Bevölkerung und Fachleute angemessen einbeziehen.
Mit besten Grüßen
Ihre Mechthild Klett