Fachgerechter Rückschnitt geeigneter Bäume zu Baumtorsos als Alternative zur Fällung und wichtiger Beitrag zur biologischen Vielfalt.

Biodiversitätsprojekt Baumtorso

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Abb. 1: Alte Linde mit Höhlen- und Spaltenräumen im Hofgarten der Würzburger Residenz. Foto: Jonas Renk

Stämme von alten Bäumen mit Strukturen wie Spechtlöchern, ausgemorschten Höhlungen, abstehenden Rindenstücken, tiefen Spalten oder Fraßgängen stellen Lebensräume für viele verschiedene und teils seltene Arten dar. Solche Bäume sind daher von besonderer Bedeutung für die biologische Vielfalt.

Vor diesem Hintergrund ist es einerseits grundsätzlich wichtig, diese Bäume bestmöglich zu erhalten. Andererseits weisen gerade solche Bäume mit geschädigten Stämmen in der Regel einen ungünstigen Vitalitätszustand oder eine verringerte Stand- oder Bruchsicherheit auf, wodurch unter Umständen auch eine mögliche Gefahr entstehen kann. Dadurch steht dem Erhalt solcher Bäume in der Praxis vielfach die Verkehrssicherungspflicht gegenüber. Der fachgerechte Rückschnitt zum Baumtorso kann hier in bestimmten Fällen als Kompromiss dienen und dann eine pragmatische Alternative zur Fällung darstellen.

Lebensraum Baumtorso

Bäume sind bekanntlich neben ihrer zentralen Rolle als "Dienstleister" von Ökosystemleistungen zugleich Hotspots der Biodiversität. Sie sind vielfältiger Lebensraum und elementare Lebensgrundlage für viele verschiedene Tiere, Pflanzen, Pilze, Flechten und Moose. In besonderer Weise gilt dies für alte und strukturreiche Bäume. Auch geschädigte Stämme und stehendes Totholz spielen dabei eine wichtige Rolle. In faunistischer Hinsicht dienen Höhlungen und Spaltenräume in Stämmen zum Beispiel vielen Wirbeltieren als Lebensstätte: etwa für höhlenbrütende Vögel (z. B. Schwarz- und Mittelspecht, Raufuß-, Sperlings- und Waldkauz, Hohltaube, Kleiber, Gartenbaumläufer, Blau- und Kohlmeise, Rotkehlchen), Fledermäuse (z. B. Zwerg-, Bechstein-, Bartfledermaus, Großer Abendsegler, Braunes Langohr), Baummarder, Eichhörnchen, Bilche (z. B. Haselmaus und Siebenschläfer) und Spitzmäuse. Wichtig sind solche Stämme in der Tierwelt aber insbesondere auch für viele Insekten wie zahlreiche Käfer, Wildbienen, Solitärwespen und Hornissen. Durch Baumtorsos können geschädigte, absterbende und gerade dadurch zunehmend strukturreiche Stämme in ihrer Lebensraumfunktion für einige Zeit weitgehend erhalten werden und sich in ihrem Lebensraumpotenzial sogar fortentwickeln. (vgl. Abb. 7)

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Abb. 2: Spechtloch mit Höhle in einem Stamm. Foto: Jonas Renk
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Abb. 3: Viele Höhlenlöcher im oben abgestorbenen Hauptstamm eines alten Apfelbaums auf einer extensiv gepflegten Streuobstwiese an der Tauber bei Königshofen. Foto: Jonas Renk
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Abb. 4: Fraßgänge, Höhlungen und abstehende Rindenstücke bei einem ca. 3 Meter hohen, mittels Stahlseilen gesicherten Baumtorso einer alten Kirsche auf dem Gelände des Thüngersheimer Versuchsbetriebs des Instituts für Erwerbs- und Freizeitgartenbau der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau (LWG). Foto: Jonas Renk

Fachgerechter Rückschnitt zum Baumtorso als Biodiversitäts-Maßnahme

Beim fachgerechten Rückschnitt eines geeigneten Baumes zum Baumtorso verbleiben nur der Stamm oder Stämmlinge oder ein Teil hiervon in stehender Form mit einigen Metern Höhe. Kronenteile werden allenfalls in geringem Umfang belassen (vgl. auch Klug 2018). Vom Stamm abstehende Äste werden vollständig oder größtenteils abgeschnitten. Diese spezielle Form des Rückschnitts geht insofern in ihrem Umfang über einen Kronensicherungsschnitt (bei dem die Krone ja zumindest in extrem eingekürzter Form erhalten wird) hinaus und sollte auch nicht mit einer Kappung gleichgesetzt werden, da es sich bei Letzterer nun einmal um eine nicht fachgerechte Maßnahme handelt (vgl. zur Definition des Kronensicherungsschnitts und der Kappung ZTV-Baumpflege 2017). Die Stämme oder Stämmlinge von Torsos sollten in artenschutzfachlicher Hinsicht - abgesehen von beispielsweise Obstbäumen - grundsätzlich zumindest eine Höhe von etwa 5 Meter aufweisen, damit sich Lebensraumpotenzial für Fledermäuse und Vögel bilden kann. Sofern diese Höhe im konkreten Fall nicht möglich ist und bei Obstbäumen wie Kirsche oder Apfel sollte ein Torso zumindest eine Höhe von etwa 3 Meter aufweisen. Verbleibende Äste können entfernt werden, um die Einflugmöglichkeiten insbesondere für Fledermäuse zu verbessern. Die noch teilweise gängige Praxis, Bäume auf einer Höhe von rund 10 Meter als Baumtorsos zurückzuschneiden und dann mit der Zeit sukzessive nach unten weiter einzukürzen, um die Verkehrssicherheit weiterhin gewährleisten zu können, erscheint im Regelfall nicht zielführend, da dann neu entstandenes Lebensraumpotenzial wieder entfernt wird (vgl. auch Detter 2020).

Geeignete Bäume ermitteln

Bäume, die zu Baumtorsos zurückgeschnitten werden, sollten allerdings grundsätzlich einige Voraussetzung erfüllen: Abgesehen von Obstbäumen wie zum Beispiel Kirschen sollte es sich grundsätzlich um Bäume mit größeren Stämmen order Stämmlingen (z. B. mit mindestens einem Stammdurchmesser von 20 cm) handeln, die schwere und irreversible Schädigungen aufweisen beziehungsweise die sich in einem sehr ungünstigen Vitalitätszustand befinden, bei denen schonende Pflegemaßnahmen längerfristig nicht erfolgversprechend und deren vollständiger Erhalt mit der Verkehrssicherungspflicht unvereinbar erscheint oder die aus anderen Gründen ansonsten jedenfalls gefällt werden würden. Die Stämme der Bäume sollten außerdem geeignete Strukturen (s. o.) aufweisen oder zumindest ein hohes Potenzial für die Entstehung solcher Strukturen besitzen. Zudem sollten sich die Bäume an Standorten befinden, an denen einerseits der Erhalt der Baumtorsos mit Aspekten der Verkehrssicherheit vereinbar und an denen eine langfristige Besiedlung der Lebensstätten sowohl möglich, als auch zielführend erscheint. Ein hoher Baumtorso unmittelbar an einer hoch frequentierten Straße, einem regelmäßig genutzten Stellplatz, einem öffentlichen Gehweg oder Aufenthaltsbereich oder etwa im Spielbereich eines Kindergartens oder eines Spielplatzes erscheint grundsätzlich eher schwierig umsetzbar. Ebenso dürfte ein Baumtorso mit sich entwickelnden Lebensstätten für streng geschützte Arten beispielsweise inmitten eines festgesetzten Baufeldes langfristig eher problematisch sein. Der Rückschnitt von Bäumen zu Baumtorsos sollte insofern prinzipiell auf einer Prüfung nicht nur des Baumes selbst, sondern auch dessen Standorts und der örtlichen (gegebenenfalls auch bau- und planungsrechtlichen) Rahmenbedingungen basieren.

Kombination mit liegendem Totholz

Je nach Zustand und baumartspezifischer Dichte und Widerstandfähigkeit des Holzes, Standort, Feuchtigkeit, Bodenkontakt und Bodenverhältnissen sowie Artenspektrum und Umfang der beteiligten Destruenten (Zersetzer) wird Totholz unterschiedlich schnell zersetzt. Totholz mit Bodenkontakt und abgestorbene Wurzeln im Boden werden dabei bekanntlich meist wesentlich schneller zersetzt. Die beim Rückschnitt zum Baumtorso anfallenden restlichen Baumteile wie insbesondere der Kronenabbruch können zumindest teilweise am Boden als liegendes Totholz neben dem Baumtorso oder an anderer Stelle auf dem Boden belassen werden (vgl. dazu Abb. 6). Auch dadurch wird in erheblichem Umfang zur Biodiversität beigetragen, da das Totholz dann dem Naturhaushalt zur Verfügung steht und auch für Arten Lebensraum und Nahrungsgrundlage darstellt, für die stehendes Totholz weniger geeignet ist wie beispielsweise viele Käfer, Amphibien und Reptilien.

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Abb. 5: Baumtorsos in einem Gebüsch am Rand des Würzburger Hauptfriedhofs. Foto: Jonas Renk
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Abb. 6: Mit Efeu bewachsener Baumtorso mit daneben als liegendes Totholz gelagerten Resten rückgeschnittener Stammteile und Starkäste sowie Info-Tafel auf dem Außengelände der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) in Freising. Foto: Jonas Renk

Optimierung der Lebensraumfunktionen

Wenn Strukturen wie alte, quer durch den Stamm verlaufende Fraßgänge fehlen, kann an besonnten Stellen auf der Südseite von Hartholz-Baumtorsos (z. B. Eiche, Buche, Ahorn, Walnuss) das Habitatpotenzial insbesondere für Wildbienen und Solitärwespen erheblich gesteigert werden, wenn kleine Löcher mit verschiedenen Durchmessern von 2 bis 8 Millimeter (z. B. Durchmesser mit Bohrstärken von 2, 4, 6, 8 mm) quer in das Holz gebohrt werden, die dann von Wildbienen und Solitärwespen als Niströhren verwendet werden können. Dabei sollte jedoch darauf geachtet werden, die Bohrlöcher innen und am äußeren Ende beispielsweise mit Schmirgelpapier oder Feile so zu glätten, dass die empfindlichen Flügel der Tiere nicht beschädigt werden. Wenn hingegen bei einem Baumtorso und in dessen Umfeld Strukturen für Vögel oder Fledermäuse fehlen und absehbar ist, dass deren Entstehung beim Baumtorso nicht erfolgen wird oder es bis dahin noch lange Zeit dauern würde, kann zur Förderung von Höhlenbrütern und Fledermäusen beigetragen werden, indem geeignete Kästen unterschiedlicher Bauweise und mit unterschiedlichen Öffnungen beziehungsweise Lochweiten fachgerecht angebracht und regelmäßig gewartet werden, wobei hier einige Aspekte berücksichtigt werden sollten (vgl. hierzu auch den entsprechenden Beitrag in der Ausgabe 01/2020). In manchen Fällen (etwa bei einem deutlichen Mangel an stehendem Totholz) kann an geeigneten Stellen auch überlegt werden, die Rinde eines Baumtorsos komplett oder bis auf ein kleines Stück der Rinde mit der Motorsäge zu ringeln. Das Absterben und die Bildung von stehendem Totholz kann dadurch erheblich beschleunigt werden. Das Ringeln bis auf einen kleinen Rest wird in der Landschaftspflege teilweise bei invasiven Neophyten angewandt, um die vegetative Vermehrung entsprechender Bäume zu verringern.

Spezielle Baumkontrolle

Wie Bäume mit ihrem gesamten Habitus grundsätzlich möglichst lange erhalten werden sollten, so sollten auch Baumtorsos prinzipiell möglichst lange belassen werden. Zunächst werden bekanntlich meist abgestorbene Wurzeln und das im und am Boden befindliche Totholz zersetzt. Früher oder später zerfällt und bricht aber auch das stehende Totholz an und in einem Baumtorso, fällt zu Boden und wird schließlich zersetzt. Während seines Zerfalls verliert der Baumtorso dementsprechend auch an Stabilität. Gerade in der Nähe von Straßen und Wegen und in frei zugänglichen Bereichen im öffentlichen Raum ist es insbesondere bei größeren Baumtorsos wichtig, diese hinsichtlich ihrer Stand- und Bruchsicherheit regelmäßig zu untersuchen und bei Bedarf zum Beispiel Maßnahmen zur Stabilisierung vorzunehmen. Eine fundierte Baumkontrolle unterscheidet sich bei Baumtorsos von der sonst üblichen Baumkontrolle. Leider ist diese spezielle Form der Baumkontrolle bisher jedoch nicht explizit in den FLL-Baumkontrollrichtlinien geregelt. Der Baumsachverständige Andreas Detter (2020) empfiehlt für Baumtorsos jährliche Kontrollen, bei denen zum einen insbesondere der Zustand und Zersetzungsgrad der Wurzelanläufe untersucht werden sollte, da diese wegen des Bodenkontakts schneller als der Stamm zersetzt werden. Zum anderen sollte der Zustand des meist von innen schneller zersetzenden Stammes mittels Klopfprobe überprüft werden (ebd.). Wichtige Kriterien für die Kontrollerfordernis sind nach Detter die Standzeit sowie die Höhe und das Verhältnis zwischen Höhe und Stammdurchmesser des Baumtorsos (ebd.). Je länger ein Baumtorso steht und zunehmend zersetzt wird, je höher er ist und je größer das Verhältnis Höhe/Stammdurchmesser ist und je wichtiger Sicherheitsaspekte im Hinblick auf den konkreten Standort erscheinen, desto größer erscheint insofern die Erfordernis einer regelmäßigen und eingehenden Kontrolle. Eine Standzeit von vier bis fünf Jahren und eine Höhe von bis zu 5 Meter erscheinen nach Detters Einschätzung in der Regel eher unkritisch (ebd.). Damit Baumtorsos systematisch kontrolliert werden, kann es insbesondere im öffentlichen Raum sinnvoll sein, sie gegebenenfalls in Baumkatastern fortzuführen.

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Abb. 7: Lebensraum Baumtorso – Beispiele wichtiger Strukturen für Tiere: Spechtlöcher mit Höhlungen für Vögel, Fledermäuse, Bilche u. a. (A), große nach unten abstehende Rindenstücke und tiefe Spalten im Stamm als Lebensraum für Fledermäuse und Insekten (B und C), alte Fraßgänge und Löcher als Niströhren für Wildbienen und Solitärwespen (D), Übergang zum Boden mit absterbender Wurzel als vielfältiger Lebensraum etwa für Käfer und deren Larven (E). Handzeichnung: Jonas Renk
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Abb. 8: Beispiele für bisher übliche Maßnahmen zur Sicherung von instabilen Baumtorsos: Stützkonstruktion aus Rundhölzern (l.), mit Erdankern befestigte Stahlseile (r.). Handzeichnung: Jonas Renk

Spezielle Baumsicherung

Zur Sicherung von instabilen Torsos werden bislang üblicherweise zum Beispiel Stützkonstruktionen aus Rundhölzern oder Fichtenstämmen oder etwa mit Erdankern befestigte Stahlseile verwendet (vgl. Abb. 8).

Im Augsburger Siebentischwald werden hingegen derzeit im Rahmen eines Pilotprojekts testweise Carbonstäbe aus ausgedienten Rotorblättern von Windkraftanlagen zur Stabilisierung eines Baumtorsos eingesetzt. Der dortige Torso einer abgestorbenen Buche ist circa 7,5 Meter hoch und wiegt rund 3 Tonnen. Eine Abstützung wurde erforderlich, da die Stand- und Bruchsicherheit ansonsten nicht mehr hätte ausreichend gewährleistet werden können. Die Carbonstäbe stützen den Baumtorso als Exoskelett mittels Gurtbändern und Befestigung im Boden mittels speziellen Punktfundamenten (vgl. Abb.9). Die in Augsburg umgesetzte filigrane Stützkonstruktion ist sehr unauffällig. Es wird davon ausgegangen, dass sich mit der Zeit an den Carbonstäben eine ähnliche Bewitterungsschicht mit Moosen und Flechten entwickelt wie am Baum selbst, ohne dem Material zu schaden. Carbon zeichnet sich als Hochleistungswerkstoff dadurch aus, dass es sehr stabil, langlebig und robust gegenüber Korrosion und Umwelteinflüssen und gleichzeitig sehr leicht ist. Carbonstäbe fallen regelmäßig und in hoher Zahl beim Rückbau von Rotorblättern von Windkraftanlagen an. In den Rotorblättern der Windräder, aber beispielsweise auch in den Tragflächen von Flugzeugen, haben sich Carbonstäbe bereits seit Längerem durch extreme Belastbarkeit und hohe Ermüdungsfestigkeit bewährt. Sie sind hochelastisch und zur Aufnahme dynamischer Bewegungen in der Lage. Durch diese Eigenschaften erscheinen sie als Stützkonstruktion in Form von Exoskeletten an Baumtorsos bestens geeignet. Der neue, nachhaltige und praxisorientierte Lösungsansatz zur Weiterverwendung von Carbonstäben zur Baumsicherung geht auf die interdisziplinäre Zusammenarbeit verschiedener Akteure aus Wissenschaft und Technik, Baumkunde und die Kooperation der Stadt Augsburg zurück. Franz Weißgerber, Geschäftsführer der iii-Carbon Weißgerber GmbH aus Reimlingen und Dr. Michael Heine von der Universität Augsburg beschäftigen sich schon seit Langem mit der Weiterverwendung von Carbon-Materialien, deren Nutzungsdauer in der ursprünglich vorgesehenen Anwendung erreicht ist. Die Grundidee für die Nutzung als Exoskelett an Baumtorsos wurde zusammen mit Andreas Detter, Baumsachverständiger bei Brudi und Partner TreeConsult in Gauting entwickelt. Der Augsburger Baumtorso wurde von dem Referat für Nachhaltigkeit, Umwelt, Klima und Gesundheit der Stadt Augsburg ausgewählt und für das Testprojekt zur Verfügung gestellt. Im Rahmen des Projekts erstellte Detter mit Hilfe der Spezialsoftware Arbostat eine Abschätzung der Spitzenlasten. Auf dieser Grundlage erfolgte die konstruktive Auslegung der Stützen durch Prof. Dr.-Ing. Tobias Dickhut (Universität der Bundeswehr München). Der innovative Lösungsansatz könnte richtungsweisend für die Praxis zur Sicherung von Baumtorsos sein, um durch deren Erhalt zur Biodiversität beizutragen und dabei gleichzeitig der Verkehrssicherungspflicht Rechnung zu tragen. Neben Baumtorsos könnte sich die Carbonstab-Konstruktion auch für große alte Bäume eignen, bei denen auf Grund mangelnder Stand- und Bruchsicherheit eine Baumsicherung notwendig ist, die aber prinzipiell samt ihres Habituses weitgehend erhalten werden können und deren Erhalt aus ökologischen Gründen (z. B. Höhlenbäume), auf Grund ihrer Ökosystemleistungen (z. B. in Innenstädten) oder auf Grund ihrer kulturhistorischen Bedeutung (z. B. Naturdenkmale und Baummonumente) von hoher Bedeutung ist. Da der Ansatz der Baumsicherung mittels Carbonstäben und das Testprojekt in Augsburg durchaus erfolgversprechend erscheinen, sind bereits weitere entsprechende Projekte in anderen Städten geplant. Zudem ist bereits ein modulares System aus Steckverbindungen entwickelt worden, durch das die Carbonstäbe für geeignete Bäume und Baumtorsos noch einfacher transportiert und vor Ort montiert werden können. (vgl. Borowski 2020 sowie Heine 2020)

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Abb. 9: Versuch einer schematischen Schnittansicht des innovativen Carbon-Exoskeletts am Baumtorso im Augsburger Siebentischwald bestehend aus den filigran wirkenden Carbonstäben (A) als Baumstützen, die nahe am Stamm des Baumtorsos stehen. Die Carbonstäbe sind jeweils mittels Gurtebändern (B) mit dem Baumtorso verbunden. Über die Gurte werden die auf den Baumtorso einwirkenden Belastungen wie etwa Wind auf die Carbonstäbe übertragen. Diese sind in 2 Meter tiefen Bohrlöchern (C) mit Punktfundamenten aus einem natürlichen Mineralbeton-Schottergemisch (D) im Boden befestigt. Handzeichnung: Jonas Renk

Info-Tafeln

Da Baumtorsos häufig nicht unbedingt als ästhetisch wahrgenommen werden und deren ökologischer Hintergrund für viele Menschen nicht gleich ersichtlich ist, kann es gerade im öffentlichen Raum im Sinne der Akzeptanzförderung und Umweltbildung sein, auf die Bedeutung dieser Maßnahmen für die Biodiversität und den Lebensraum Baumtorso hinzuweisen, etwa mittels Info-Tafeln an ausgewählten Baumtorsos (vgl. z. B. Abb. 6). Auch vor dem Augsburger Baumtorso mit dem innovativen Carbon-Exoskelett wurde vor diesem Hintergrund eine entsprechende Info-Tafel errichtet.

Ausblick

Bislang sind Baumtorsos und der fachgerechte Rückschnitt geeigneter Bäume zu Baumtorsos noch nicht expliziter Bestandteil der ZTV-Baumpflege. Auch die Baumkontrolle speziell bei Baumtorsos ist bisher nicht in den FLL-Baumkontrollrichtlinien geregelt. Damit in der Praxis häufiger und zielführender geeignete geschädigte Bäume für den Rückschnitt zum Baumtorso ausgewählt werden und dieser spezielle Schnitt, die spezielle Baumkontrolle sowie bei Bedarf die geeignete Baumsicherung fachgerecht durchgeführt werden, erscheint es wünschenswert, dass diese Thematik möglichst bald Einzug in die ZTV-Baumpflege und die FLL-Baumkontrollrichtlinien hält. Dadurch könnten Hemmnisse wie Bedenken bei der Gewährleistung der Verkehrssicherheit abgebaut und die Maßnahmen effektiver umgesetzt werden.

Literatur

Borowski, M. (2020): Sicherheit für Baumstubben. In: TASPO Baumzeitung, Ausgabe 05/2020, 30-32.

Detter, A. (2020): In: Experteninterview mit Borowski, M.: Schwierige Baumkontrolle. In: Taspo Baumzeitung. Ausgabe 05/2020.

Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau e. V. (FLL) (2017): ZTV-Baumpflege. Zusätzliche Technische Vertragsbedingungen und Richtlinien für Baumpflege. Ausgabe 2017. Bonn.

Heine, M. (2020): Rotorblätter für standsichere Bäume. In: AFZ- Der Wald, Ausgabe 20/2020, 26-27.

Klug, P. (2018): ZTV-Baumpflege 2017 - Ergänzungen - Korrekturen, Teil 1. Gammelshausen.

M.Sc. (TUM) Jonas Renk
Autor

Umweltplaner und Ingenieurökologe, freiberuflicher Fachautor und Berater für Naturschutz und Biodiversität

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