Gespräch: Gartendenkmalpfleger Dr. Martin Baumann über den egapark

"Einheitlicher Guss und Duktus erzeugen sonderbare Fröhlichkeit"

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Bauhaus Bundesgartenschauen
In den 1960er Jahren zeigte die IGA die neuesten Trends in Sachen Gartenbau und lockte hunderttausende Menschen an. Foto: egapark Erfurt
Bauhaus Bundesgartenschauen
Die Empfangshalle des egaparks wurde jüngst saniert. Foto: Jens Haentzschel

Gartendenkmalpfleger Dr. Martin Baumann vom Thüringischen Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie im Gespräch über Bauhaus und Moderne im ega-Park Erfurt, der 2021 wieder BUGA-Ausstellungsgelände wird und als Ausstellungspark in der DDR über eine hohe Akzeptanz verfügte.

Herr Dr. Baumann, 2019 wird das Bauhaus als Architektur- und Designepoche gefeiert. Sie gilt als Aufbruch in die Moderne. Sichtbare Elemente dieser Zeit finden sich auch in Parklandschaften in West- und Ostdeutschland wie der grugapark in Essen, Planten und Blomen in Hamburg oder den Schlossparkanlagen in Stuttgart. In Erfurt steht mit dem heutigen egapark aber ein einzigartiges Zeitdenkmal.

Anders als bei den anderen großen Garten- und Parkanlagen, die in Deutschland den 1960er-Jahren angelegt wurden, wurde das ega-Gelände nur wenig überformt oder neu gestaltet. So hat sich hier eine Parkanlage aus den 1960er-Jahren mitsamt dem Mobiliar und den Bauten bis heute erhalten. Der egapark ist so besonders für die Epoche der 1960er und -70erJahre, dass er als bundesweit einziger Park Teil der Grand Tour der Moderne ist. Dahinter verbergen sich 100 herausragende Orte des Bauhauses beziehungsweise der Moderne mit wegweisender Architektur, die unser Verständnis von Leben, Arbeiten, Lernen und Wohnen nachhaltig geprägt hat.

Wo liegt für Sie der Reiz dieser Anlage?

Die Parkanlage ist keine der üblichen Landschafts- oder Stadtparkanlagen. Sie war zu ihrer Zeit als Ausstellungsgelände konzipiert, und nach den Prinzipien der 1960er-Jahre angelegt worden. Bis heute ist vieles von damals erhalten. Das Gelände wurde durchgängig achsial gestaltet, mit breiten Wegen und Plätzen sowie sehr harmonisch wirkenden Ausstellungsmöbeln. Die besondere gestalterische Qualität ist die Einheitlichkeit und Zusammengehörigkeit der Anlage. Es gibt ein Zitat der Gartenarchitektin Gerda Gollwitzer aus München von 1961. Sie hatte die iga damals besucht und geschrieben. "Jeder, der diese Anlage besucht, ist begeistert von dieser Gestaltung aus einem Guss. Es befällt einen eine merkwürdige fröhliche Stimmung." Mir geht es noch heute so. Der Park ist durchgestaltet, die Qualität ist hoch, alles ist einheitlich und es berührt einen als Gartenbesucher. Sie finden in Deutschland nirgendwo eine Anlage, in der diese Epoche noch so komplett und kompakt vorhanden ist.

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Was für eine Aufgabe hatte damals die IGA? Sie war ganz sicher nicht wie heute "Der Garten Thüringens"?

1873 fing alles an. Mit der Entfestigung der Cyriaksburg übernahm ein Verschönerungsverein die Aufgabe, Bänke aufzustellen und Wege anzulegen. 1930 gab es dann die ersten parkartigen Gestaltungen um die Burg herum. Anfang der 1950er-Jahre hatte der Stadtrat beschlossen, einen richtigen Park anzulegen. "Kulturpark" nannte es sich damals, weil auch Bildungsinhalte angeboten wurden. 1950 gab es auch die erste regionale Gartenschau unter Beteiligung von über 100 Ausstellern. Das Motto hieß: Erfurt blüht. Hier wurden bereits die ersten symmetrischen Geländestrukturen für die Schau angelegt.

Und mit dem Erfolg ging es weiter?

Mit dem Erfolg der regionalen Gartenschau mit über 550.000 Besuchern gab es die Idee, regelmäßig Gartenschauen in Erfurt auszurichten. Mit der "1. Samenexportschau und Gartenbauausstellung der DDR" fand im Sommer 1955 dann eine erste staatlich unterstützte Präsentation statt.

Mit welchen Inhalten wurden diese gewaltigen Schauen in der DDR gefüllt?

Die frühen Gartenschauen, es gab ja auch vor 1950 welche, setzten inhaltlich auf Fortbildung im Gartenbau und gestalterisch eher auf Kleinteiligkeit. Das Private stand im Vordergrund. Mit dem Entschluss des Zentralkomitee der SED 1958 die Gründung der Internationalen Gartenbauausstellung der DDR in Erfurt zu etablieren, nahm das Thema "Gartenschau" Tempo auf und vor allem Größe. Dann schlug die große Stunde des Landschaftsarchitekten Reinhold Lingner . . .

. . . der als Planer maßgeblich für das verantwortlich war, was heute als Architektur der Moderne im egapark gewürdigt wird?

Lingner ist aus meiner Sicht der renommierteste Landschaftsarchitekt, den die DDR jemals hatte. Er suchte nach einer völlig neuen Form der Gartengestaltung. Er wollte eine sozialistische Form der Gartenarchitektur finden. Darunter hat Lingner vor allem eine gewisse Größe verstanden, also große Plätze für Versammlungen, geräumige Wegeachsen, absolute Zurückhaltung bei den Attraktionen. Lingner verzichtete auch völlig auf Kleinteiligkeit, die etwa dem Planer Walter Funke in den 1950er-Jahren so wichtig war.

In den 1950er-Jahren gab es auch im Westen erste Bundesgartenschauen. Sah man das in der DDR als Antrieb für die eigenen Präsentationen?

Gartenschauen waren gerade nach dem Krieg von hoher Bedeutung für die Bevölkerung. Es gab Trümmerberge, es gab einen Ernährungsmangel, viele Notlagen für die Menschen, und es gab nach all den Zerstörungen ganz besonders das Bedürfnis nach Blumen und blühenden Feldern. Die Gartenschauen in West wie Ost waren vor allem ein Symbol für den Wiederaufbau und sie hatten die Absicht, das Volk zu belehren. So sollte, angesichts des Nahrungsmangels gezeigt werden, wie man den Gartenbau noch besser und effektiver betreiben kann, es gab Lehrveranstaltungen und Blumen en? masse? für die Seele. Erfurt wurde zur Gartenschaustadt, weil die Stadt bewiesen hatte, wie erfolgreich so eine Schau sein kann. Und auch weil es hier viele Samenzüchtereien gab. Der Gartenbau ist in Erfurt fest verankert gewesen und prägte die Region. Daraufhin hat Lingner die Aufgabe erhalten, eine weit vergrößerte Fläche neu zu gestalten und als Architekt hat er angefangen, seine neuen Ideen umzusetzen.

Galt das nur für die Architektur oder auch für die Beetgestaltung?

Man kann beides nicht voneinander trennen. In Erfurt ging es anders als im Westen nicht um eine Hausgartenschau und um Freizeit und Spielplätze, sondern um die Leistungsfähigkeit des Sozialismus. Das war eindeutig der Titel, der über allem stand. Dafür hat man große Flächen geschaffen und zum anderen gärtnerische Highlights. Das waren die Sichtachsen aber auch das Miteinbeziehen des Umfelds von Erfurt mit den Blumenfeldern der Saatgutanbauer. Weitere Highlights waren ein Staudenbeet entlang der Wasserachse, später dann ab 1971 der Foerster-Garten als Schau- und Sichtungsanlage.

Was macht die 1960er-Jahre bezogen auf so eine Großveranstaltung gärtnerisch aus?

Große bunte Flächen. Postkarten aus der Zeit geben da einen ganz guten Eindruck. Blühende großflächige Tulpenfelder, einfarbig mit schreienden Rot- oder Gelbtönen oder das größte Blumenbeet Europas von Alice Lingner mit 6000 Quadratmeter Fläche, das war alles eine Leistungsschau des Erfurter Gartenbaus. Es sollte blühen und damit auf sich aufmerksam machen. Dabei ging es Alice Lingner jedoch nicht um die einzelne Pflanzensorte, sondern darum mit Farben zu arbeiten. Die Beete wurden in den Plänen zur IGA mit Worten wie "hellgelb, dunkelgelb oder leuchtend Gelb" oder "hellblau und dunkelblau" beschrieben. Dazu wurden dann flächenmäßig wirkende Sorten ausgesucht, die dieses Spiel der Farben unterstützte.

Heute schauen wir mit Stolz zurück. Wie wirkte die Gestaltung des Geländes damals?

Wenn man die zeitgenössischen Schriften liest wie die "Deutsche Gartenarchitektur" oder das Magazin "Deutsche Architektur", da wurde ganz viel über die IGA berichtet. Es wurden auch Reaktionen der Besucher abgedruckt. Die Gäste aber auch viele Fachbesucher waren durch die Bank weg begeistert von dem einheitlichen Guss und Duktus, den man bis dato noch nicht gesehen hat. Die gartenarchitektonische Bedeutung ist einmalig. Der egapark ist das bedeutendste Gartenkunstwerk der DDR. Es ist nichts Vergleichbares vorzeigbar.

Gab es auch für die Architektur ein Farbkonzept?

Es gab für alles ausgereifte Farbkonzepte, entwickelt von Prof. Bernd Heller aus Weimar. Es wurde penibel festgelegt, welche Bauten welche Farbe bekommen. Das waren alles Pastellfarbtöne. Die Hallen sind trotz ihrer Riesigkeit und Wuchtigkeit ausdrücklich ganz zurückhaltend gestaltet. Alles sollte den Pflanzen untergeordnet sein. Noch heute wirken die Hallen wie große Gewächshäuser. Auch das gesamte Mobiliar auf dem Gelände war farblich durchdacht und durchgestaltet.

Was hat heute noch den Charme und Charakter der 1960er-Jahre?

Wenn man sich die Pläne von 1961 nimmt, dann sieht man, dass die Grundstruktur der Anlage komplett erhalten ist. Was heute der egapark ist, dass entspricht im Wesentlichen dem Plan von 1961. Zum Beispiel die Wegeführung, die Breite der Wege, wichtige gärtnerische Elemente wie die Blumenwiese, der Begoniengarten, der Südeingang, auch wenn er sanierungsbedürftig ist, das erinnert an die Zeit der 1960er-Jahre.

Wege, Achsen, Wiesen, das sind große Planungen. Wie sieht es mit dem heutigen Mobiliar aus?

Die Stühle und Bänke stammen mitsamt der Farbgestaltung aus der Zeit, die Blumenschalen am Festplatz ebenso. Die Pergolen sind 1:1-Nachbauten beziehungsweise wurden saniert. Es gab damals auch für den Waschbeton eine kleine Revolution mit Versuchsflächen für neue Betonverfahren. Alle Mauern und Beeteinfassungen im Skulpturengarten, im Karl-Foerster-Garten oder auf dem Festplatz stammen noch aus dieser Zeit. Der Park ist eine Zeitreise, die noch heute viel Charme von Damals versprüht. Die Wasserelemente wie Becken oder Wasserspiele gab es damals ebenso wie die Ausstellungspavillons.

Spätestens bei den Bepflanzungen verlässt man die Zeit der 1960er-Jahre.

Die Bepflanzung ist komplett neu. Das große Blumenbeet wird jährlich neu konzipiert und erinnert an Damals. Als Denkmalpfleger schützen wir den kontinuierlichen Wandel der Zeit, aber man muss akzeptieren, dass sich die Standortverhältnisse, zum Beispiel die Wachstumsbedingungen für die Pflanzungen verändert haben und dass viele Stauden- und Rosensorten, die es 1961 gab, gar nicht mehr im Handel erhältlich sind. Manche Rosensorten der damaligen Zeit sind zu Recht aus dem Handel verschwunden, auch Staudenbepflanzungen halten nicht ewig. Zudem ist es legitim, dem Besucher was Neues zu bieten. In einem speziellen Rahmen von Denkmalpflege sind daher Änderungen möglich.

Überraschend historisch und das sieht man nicht auf den ersten Blick sind auch die Wasserspiele.

Wasser ist seit der Renaissance ein zentrales Element in der Gartenkunst. Auch zur IGA hat man Wert drauf gelegt im Gartenbereich mit Wasser verschiedene Höhepunkt zu schaffen. Es zieht sich durch den ganzen Park, also von der großen Blumenwiese, über den Begoniengarten bis zum Südeingang mit Wasserbecken. Auch im Eingangsbereich wurde mit Wasser inszeniert. Schon auf Lingners Entwürfen ist Wasser eine regelrechte architektonische Dominante. Mit der durchdachten Beleuchtung entstanden richtige Lichtsäulen.

Das Damals wird heute gefeiert, aber es gab auch Zeiten, da war das Damals Nichts wert?

Es gab sehr differente Entwicklungen. 1961 war die IGA außerordentlich erfolgreich mit 3,5 Millionen Besuchern. Aus diesem Grund sollte es dort eine Dauerausstellung geben. 1964 kam der wichtige Südeingang dazu, der nun für die BUGA 2021 wieder aktiviert werden soll. 1971 gab es dann die Erweiterung des großen Rosengartens. Das Gelände wurde immer größer. Dann kam 1989 der brutale Bruch. Bis dahin hatte man die Anlage gehegt und gepflegt. Dann kamen nach der Wende die vielen Anfragen nach Bauland. Das Parkgelände wurde massiv verkleinert.

Was für Verluste waren das?

Auf dem damaligen Gelände des Rosengartens und des Gemüseanbaus wurde die Messe Erfurt gebaut. Dann kam der Mitteldeutsche Rundfunk, der auf der Suche nach einem Grundstück für das Landesfunkhaus in Thüringen war. Ein Prestigegewinn für die Stadt bis heute, aber vorgesehen war der Bau des Funkhauses dort, wo einst die Zentralgaststätte war und demnächst das Danakil-Wüstenhaus hinkommt, also mitten in den Park. Das war extrem schwierig, denn damit wäre die Anlage komplett zerschlagen worden. Man hat den Wert der Parkanlage damals nicht erkannt. Es gab Proteste, Reaktionen der Bevölkerung, Tausende haben sich damit identifiziert, es gab Demos zum Erhalt der ega. Dann kam 1993 die Unterschutzstellung als Kulturdenkmal. Das war ein großes Glück für den Park, denn damit wurde ein Riegel vorgeschoben, die ega zu zerschlagen.

Mit welchem Gefühl für die Zukunft des Parks schauen Sie in die nächsten Jahre?

Die Lingnersche Tradition wurde bis zur Wende weitestgehend tradiert. Dann kam ein massiver Einschnitt für das Gelände. Seit die jetzigen Verantwortlichen in ihren Positionen sitzen, passiert sehr viel. Es ist hervorragend, wie die Zusammenarbeit funktioniert. Man muss den Kollegen attestieren, dass sie ein hohes Verständnis für das Kulturdenkmal haben. Gerade in den letzten fünf bis zehn Jahren ist mehr für die ega getan worden als in den Jahrzehnten davor.

Was für eine Rolle spielt die 2021 stattfindende Bundesgartenschau, 60 Jahre nach der immens erfolgreichen IGA?

Die Tatsache, dass die BUGA nach Erfurt kommt und im Wesentlichen auf der ega stattfinden wird - das ist aus denkmalpflegerischer Sicht definitiv die Rettung für das Gelände. Ich möchte nicht sagen, dass ich wunschlos glücklich bin, aber alle Mängel, die auf der Mängelliste stehen, wurden angepackt.

Wenn es um Wünsche geht, was steht noch auf Ihrer Wunschliste?

Die Öffnung zum Süden hin mit dem Südeingang. Das ist aktuell zurückgestellt, aber es sollen Fördermittel beantragt werden. Damit würde auch ein funktionaler Bezug zum Gelände wieder hergestellt. Mit dem Haupteingang wurde er damals verlagert, aber im Bewusstsein vieler Erfurter ist eben auch der Südeingang wichtig, der dann auch den egapark mit dem historischen dendrologischen Garten verbindet. Dieser Garten ist genauso hochwertig wie der egapark, auch wenn er deutlich kleiner ist. Er wurde 1958 angelegt mit Terrassenanlagen und Pergolen und hat eine großartige gartenarchitektonische Qualität.

Herr Dr. Baumann, vielen Dank für dieses Gespräch!

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