Hannovers blühende Straßenränder

Bunte Blüten werben für die Vielfalt

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Blumen Grünflächenkonzepte
Große Wirkung mit wenig Fläche. Foto: Landeshauptstadt Hannover,Fachbereich Umwelt und Stadtgrün, Sachgebiet Grünflächenpflege, Pflegemanagement

Gärten und Blumen haben eine lange Tradition in der Landeshauptstadt Hannover. Nicht nur die Herrenhäuser Gärten sind ganzjährig Anziehungspunkt für eine steigende Besucherzahl, auch eine Reihe weiterer Parkanlagen, zum Beispiel Stadtpark und Maschpark, haben gute, auch gartenhistorische hohe Qualitäten.

Bei repräsentativen Umfragen zur Lebensqualität in der Stadt steht bei Hannovers Einwohnerinnen und Einwohnern die Grün- und Freiraumqualität an erster Stelle. Aktionsprogramme und Maßnahmenpakete des Hannoverschen Biodiversitätsprogramms "Mehr Natur in der Stadt" tragen zum Erhalt und zur Entwicklung dieser Lebensqualität bei. Hannover hat den bundesweit geförderten Wettbewerb der Deutschen Umwelthilfe (DUH) gewonnen und trägt den Titel "Bundeshauptstadt der Biodiversität 2011".

In diesem Beitrag soll es um die Erfahrungen und Ergebnisse der Anstrengungen zu mehr Vielfalt im "Verkehrsgrün" und einer naturnäheren Grünflächenpflege gehen.

Im Bereich Grünflächen des Fachbereichs Umwelt- und Stadtgrün werden Ziele und Maßnahmen für das Pflegemanagement geplant und umgesetzt. Fachleute in acht Werkhöfen betreuen die städtischen Grünflächen und das Verkehrsgrün, bringen eigene Vorschläge ein und sorgen für die Dauerhaftigkeit der Ergebnisse durch umsichtige Beobachtung und Pflege. Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen eines Ausbildungswerkhofs kümmern sich um die Weitergabe des gärtnerischen Wissens und Könnens an die nächsten Generationen und unterstützen bei der Umsetzung von Vorhaben im eng terminierten Pflegegeschäft. Im Regiebereich der Pflege werden Pflanzungen, die im Rahmen eines Geophytenprogramms entstanden sind, vervollständigt, Staudenbeete als Schmuck kleiner Plätze im Straßenraum oder Sommerblumenbeete als Farbtupfer in repräsentativen Parkanlagen angelegt.

Der Beginn bunter Blühflächen an Hannovers Straßen wird heute etwa auf das Jahr 2005 datiert. Wohlwollend begleitet und gefördert brachte ein leitender Gärtner eines städtischen Werkhofes in seinem Pflegebereich Saatgut bunter Blumenmischungen auf großen Baumscheiben in stark versiegelten Siedlungsgebieten aus. Fachleute eines anderen Werkhofs experimentierten mit der Gewinnung von Saatgut heimischer Pflanzen auf Grünflächen, wieder andere Mitarbeiter brachten erste Wildblumenaussaaten an Straßen aus. Begleitet von begeisterter Resonanz aus der Bevölkerung erkannte man schnell vorhandenes Flächenpotenzial für weitere Experimente. Es folgte die Umwandlung schmaler Abstandsgrünstreifen an Straßen- und Stadtbahntrassen in bunte Blütensäume, die sonst aufwändig im fließenden Verkehr zu pflegen waren. Die öffentliche Resonanz auf die farbenreichen Blühflächen an vormals oft tristen Straßenrändern war und ist umwerfend.

Im Jahr 2011 brachte die Politik eigens ein Programm "Blühende Straßenränder" auf den Weg. Die Maßnahmen an Verkehrstrassen wurden entsprechend intensiviert. Die Flächenanzahl wird jährlich erweitert, inzwischen sind ausgesäte Blühflächen fester Bestandteil des jährlichen Pflegemanagements.

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Restflächen und Zwickel

Bei Straßenrändern in der Grünflächenpflege geht es um schmale Säume an den verschiedenen Straßentypen, um Fahrbahnteiler und Seitenstreifen. Manchmal auch um größere Grünflächen im Straßenseitenraum etwa an Nebenanlagen wie Regenrückhaltebecken. Mit Blütenpflanzen bestückt wurden ehemals als Lager-, Baueinrichtungs-, oder Veranstaltungsfläche zwischengenutzte Grünflächen. Auch Flächen die erst später ihrer Nutzung zugefu?hrt und zeitweise nicht genutzt werden, sowie Baumscheiben von Pflanzgruben in die Bäume erst später im Jahr oder im Folgejahr gepflanzt werden erhalten einen Blütenflor. Die Böden oft aufgeschüttet oder enthalten unbekannte Substratanteile. Insgesamt erreichen die aus vielen Teilflächen zusammengesetzten Blühflächen eine Fläche von 32.000 Quadratmetern.

Blüten und Mischungen

Die Auswahl geeigneter Blühmischungen richtet sich vor allem nach der Lage und dem Standort der ausgewählten Saatflächen: Schmuckpflanzungen mit repräsentativen Pflanzenarten und -sorten sind für Standorte mit extremen innerstädtischen Lebensbedingungen wie Insellagen, Hitze, hohen Fremdeinträgen und starkem anthropogenem Einfluss geeignet. Sie haben besonders auffällige Blühfarben, große Blüten, eine lange Blühdauer und einen niedrigen Wuchs. Je nach Standortverhältnissen werden Mischungen mit fremdländischen Arten oder aber ein-, und zweijährigen heimischen Arten ausgebracht.

Gebietsheimische, kräuterbetonte Saatgutmischungen finden ihr Einsatzgebiet an breiteren Straßenrändern oder -säumen und an den Übergängen zu den Landschaftsräumen. Die Pflanzenarten sind zumeist mehrjährig und die Blüten in der Regel nicht so auffällig. Auch höherwüchsige Arten sind enthalten. Viele heimische Insekten sind auf ganz bestimmte dieser Pflanzen spezialisiert. Aus Gründen des Biotop- und Artenschutzes wird zertifiziertes Saatgut mit Garantie der Herkunfts- und Produktionsräume verwendet wie VWW-Regiosaaten. Da dieses Saatgut auch für einzelne Pflanzenarten erhältlich ist, mischt man in Hannover vermehrt selbst, abgestimmt auf den jeweiligen Standorttyp.

Für schnelle Blüherfolge fügt man Arten wie Kornblume und Mohn als "Starter" den Mischungen bei. Sie benötigen eine durch Bearbeitung "offen" gehaltene Situation und werden in Dauerbegrünungen schnell von anderen Arten abgelöst. Gräser stellen sich zumeist von allein ein, so dass der Anteil in den Mischungen stark reduziert oder ganz weggelassen werden sollte.

Als eine weitere Form der Blühflächenbegrünung wird an ausgewählten Standorten auch das von Fachleuten des Werkhofs geerntete Mähgut artenreicher "Spenderflächen" aufgebracht. Es stammt von Wiesen, die sich "ungestört" von Intensivnutzungen und häufigem Schnitt entwickeln durften. Dabei wachsen Wildarten der im Boden vorhandenen und eingetragenen Samen heran. Gemäht wird dann, wenn der größte Teil der Samen reif ist. Partielles Mähen erhält die Artenvielfalt dieser "Spenderflächen". Für die Anlage von Blühsäumen und -wiesen im Straßenraum wird das Übertragen reifen Mähgutes heimischer Wiesenvegetation verwendet, wenn beide Flächen in Nachbarschaft liegen, eine ausreichende Größe haben und gut zu erreichen sind.

Die Blütezeit der angesäten Flächen am Straßenrand beginnt in Hannover ab Mai und reicht manchmal bis in den Dezember hinein, wobei ein Blühschwerpunkt im Juli/August bis September liegt, einer ansonsten oft nektararmen Zeit.

Das Bett wird bereitet

Sind die Flächen für die Anlage von Blühflächen und -säumen ausgewählt, gestalten sich die weiteren Arbeiten relativ einfach. Eine zunehmende Erfahrung der

Mitarbeiter verhilft jedoch zu größerem Blütenerfolg. Mit der Umkehrfräse wird der Boden in der Regel einmalig bearbeitet. Obere Schichten, wie zum Beispiel Rasensoden, werden nach unten befördert, das Saatbett ist bereitet. Bei unwegsamen oder schlecht zu erreichenden Flächen und bei bestimmten Pflanzenarten kommen kleinere Gerätetypen zum Einsatz. Direkt nach dem Fräsen wird das Saatgut ausgebracht und der Boden angewalzt, wenn es sich um Wildblumensaatgut handelt. Schmuckmischungen werden eingeharkt. In den vergangenen Jahren wurden die besten Erfolge mit der Ausbringung von Saatgut der wärmeliebenden Schmuckpflanzen im April und der heimischen Mischungen im März erzielt. Eine Ausbringung im Herbst ist zwar möglich, in Hannover aber meist nicht realisierbar, da im Herbst andere Arbeitsschwerpunkte gegeben sind und Laubarbeiten im Straßenbegleitgrün die bearbeiteten Flächen stören würden. Nach dem Auflaufen der Saat wird nach etwa acht bis zwölf Wochen in der Regel eine Schröpfmahd durchgeführt. Bei Verwendung der Schmuckartenmischungen ist dies nicht erforderlich. Unerwünscht dominante Pflanzenarten wie die Gartenmelde (Atriplex hortensis) werden auf diese Weise erfolgreich eingedämmt. Die weitere Mahd der Wiesen und Säume erfolgt je nach Witterung, Standort und Samenreife meist einmal im Jahr. Der Aufwuchs niedrigwüchsiger einjähriger Blühmischungen wird in der Regel nicht gemäht.

Mahd der schönen Blümelein

Die Schnitthöhe bei der Mahd der Wildblumensäume und -flächen sollte zehn Zentimeter nicht unterschreiten. Der bodennahe Bereich wird so geschont und vorhandene Pflanzen können stabiler in den Winter gehen, Kleintiere haben bessere Überlebenschancen. In manchen Jahren kommt es zu einer zweiten Blüte. Das Abräumen des Schnittgutes fördert Licht und Luft im Bodenbereich und damit das noch nicht gekeimtes Saatgut. Bei aus Pflegegründen erforderlicher häufigerer Mahd kann das Mähgut auch einmal liegen bleiben. Sollten sich Probleme bei der Abfuhr von Schnittgut kräuterreicher Wiesen und Säume ergeben, könnten neue Absatzwege geprüft werden. Vielleicht kommt sogar eine Vergabe der Heumahd an Kleintierhalter mit "Mähschein" in Frage. Förderlich für die Tier- und Pflanzenwelt ist auch eine zeitlich versetzte Mahd oder das Mähen von Randflächen in mehrjährigen Abständen. Bisher wurde in Hannover für die im Straßenraum gelegenen Flächen kein detailliertes Mahdregime ausgearbeitet. Es wird aber manche "Restfläche" zur Förderung der Fauna über den Winter hinweg stehen gelassen. Trockene Stängel sind eine wichtige Überwinterungsressource für Kleintiere.

Zu beachten ist außerdem, dass an Verkehrsflächen erforderliche Sichtbereiche zur Wahrung der Verkehrssicherheit frei gehalten werden mu?ssen. Auch ein ordnungsgemäßer, ungehinderter Wasserabfluss ist zu gewährleisten. Falls erforderlich ist eine Rückumwandlung der bunten Blühflächen zu kurzrasigen Funktionsflächen unproblematisch.

Blütenwanderung

Nicht wenige der "heimischen Blütenpflanzen" kommen ehemals aus anderen europäischen Ländern oder von anderen Kontinenten. Sie haben sich in Deutschland gut eingebürgert und bereichern jetzt die heimische Blütenkulisse. Bunte Blumenmischungen können jedoch auch Pflanzen enthalten deren Ausbreitungsverhalten in Deutschland noch weitgehend unbekannt ist. Denn aus "Markenschutzgründen" ist die jeweilige Artenzusammensetzung nicht immer bekannt. Das Verhalten nicht heimischer Arten ist deshalb in der Daueranwendung zu beobachten. Erfahrungen mit den im Hausgarten so wunderschön blühenden Neophyten wie dem Indischen Springkraut (Impatiens glandulifera) und dem Riesenbärenklau (Heracleum nantegazzianum) haben gezeigt, dass Pflanzen in der Lage sind, nicht nur die heimische Begleitflora an Flussufern nahezu vollständig zu verdrängen. Diese Arten können die biologische Vielfalt gefährden und müssen inzwischen aufwändig von empfindlichen Standorten beseitigt werden. Die Einforderung vollständiger Artenlisten und das Zusammenstellen von Blütenmischungen mit einschätzbaren "Verhaltensprofilen" der Pflanzen können hier Abhilfe schaffen.

Bilder am Straßenrand

Fährt man aus den fruchtbaren, intensiv genutzten aber weitgehend von Wildpflanzen befreiten Agrargebieten der Hildesheimer Börde südlich von Hannover in die Stadt, trifft man auf ein wogendes Blumenmeer. Der genießende Mensch unterscheidet keine Pflanzentypen. Der Blick aus dem Auto ist flüchtig. Wahrgenommen werden das bunte Gesamtbild und die jahreszeitlich wechselnden Farbaspekte der Blüten zwischen den Grautönen der Gebäude und Verkehrstrassen.

Viele lobende Zuschriften wie: "welch unerwartete Farbenpracht neben tristen Straßenböschungen", "Blumen drücken Fröhlichkeit aus (…) haben das Herz erfreut", "wegen der Farbkleckse rechts und links der Straße (nehme ich) gerne den Schnellweg, dann ist sogar der Stau nicht mehr so schlimm" zeugen davon, dass die Gefühle der Menschen angesprochen werden. Die letzte Aussage erinnert an die positive Wirkung von Fahrgastfernsehen im öffentlichen Nahverkehr. Vielleicht können künftig sogar Blühflächen im Straßenbild durch ihre beruhigende oder stressmindernde Wirkung dabei helfen, Unfälle zu reduzieren. Schon bauen Schulen in ihrer Umgebung angelegte Blühflächen heimischer Pflanzen in den Unterricht ein. Tageszeitungen und Stadtteilzeitungen berichteten mehrfach.

Viele Nachfragen zur Nachahmung der Blühflächen und -säume im heimischen Garten oder auf sonstigen Restflächen wurden schon beantwortet. Mit der örtlichen Straßenmeisterei konnten im Rahmen einer Kooperation Innenflächen von Kreisverkehren in Blühflächen umgewandelt werden. Auch innerstädtisch gibt es Bewegung zu den bunten Farbtupfern hin, andere Flächeneigentümer halten schon nach Zwickeln und Restflächen Ausschau, die mit bunten Blüten der Werbung für die Vielfalt dienen können. Diese Kontakte sind wertvoll, lassen sich doch auf diese Weise auch Inhalte transportieren. In breiten Verkehrsgrünsäumen sieht man auch schon mal Blumen pflückende Menschen. Weitere Blütenbesucher wie Hummeln, Schmetterlinge, (Wild-)Bienen und Vögel werden oft erst beim näheren Hinsehen und Verweilen als spektakulär identifiziert.

Zukunftsfähige Schönheit mit knappen Pflegehaushalten"Alles im grünen Bereich"

Neben dem Ziel, die Vielfalt der städtischen Flora und Fauna zu erhöhen, ist ein weiterer Grund für die Initialisierung des Programms "Blühende Straßenränder" die Kosten bei der Grünflächenpflege zu minimieren.

Das erste Ziel ist mit relativ wenig Aufwand und anerkannten Ergebnissen erreicht worden. Außerdem haben sich weitere in Wert zu setzende Faktoren ergeben wie die Bereicherung des Stadtbildes an Verkehrstrassen, die Förderung des Austausches mit der Bevölkerung und die positiv besetzte Bürgernähe, die auch den Fachleuten der Werkhöfe gut tun kann.

Auf den Blühflächen werden Mähgänge eingespart. Bei Säumen mit einjährigen Arten entfallen sie in der Regel ganz. Jahreszeitlich bedingte Arbeitsspitzen werden abgeschwächt. Zeitlich einzuplanen sind aber die Auswertung der Erfahrungen mit den Blühsäumen, Experimente mit neuen Artenzusammensetzungen, genaues Beobachten und Nachjustieren. Die Gewinne blühender Straßenränder sind jedoch eindeutig "im grünen Bereich".

Flächennutzungen wie auch die oben beschriebenen sind insbesondere in Großstädten einem steten Wandel unterworfen. Über ihre Dauerhaftigkeit entscheiden die Ansprüche einer Stadtgesellschaft. Um bestehenden und zukünftigen Nutzungsansprüchen an öffentliche Grünflächen gerecht zu werden bedarf es daher immer wieder sorgfältiger Abstimmungs- und Abwägungsprozesse. Die Etablierung blüten- und artenreicher "Restflächen" im Pflegemanagement deckt hier ein hohes Maß an Multifunktionalität ab. Der "Mut zur Farbe" hat sich für Hannover gelohnt: Die wiederkehrenden bunten Blütenbilder machen ohne Worte professionelle Werbung in "eigener Sache".

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