„Rekonstruktion” nach Zwischennutzung des Otto-Hahn-Platzes in Frankfurt am Main

100 Jahre Rosengärtchen

von:
Rosen Sanierung von Gärten
Das neue Rosengärtchen, bei der Wiedereinweihungsfeier am 16. Juni 2013. Fotos, soweit nichts anderes angegeben, Thomas Herrgen

Im Frankfurter Stadtteil Sachsenhausen sind große Grünanlagen eher rar. Innerhalb der dichten Wohnblockbebauung zwischen Mainufer und Bahnlinie liegt außer dem Museumspark am Weltkulturen-Museum und der Grünfläche "Am alten Friedhof" - überwiegend ein Spielplatz - eigentlich nur eine, die sich besonderer Beliebtheit erfreut, das so genannte Rosengärtchen. Eingebunden zwischen Kennedyallee und Holbeinstraße wurde das etwa 0,5 Hektar große Gelände schon immer äußerst vielseitig genutzt: Kinder spielten an verschiedenen Geräten und im Sand, Jugendliche "hingen ab" oder chillten, wie man heute sagen würde, Rentner saßen auf Bänken zusammen und kamen ins Plaudern, sie diente als Fläche für den Hundeauslauf und nicht zuletzt hatten die Schüler des unmittelbar benachbarten Carl-Schurz-Gymnasiums hier einen Teil ihrer Sportstunden. Der ovale Weg eignete sich unter anderem bestens als Laufbahn. Als die Schule saniert werden musste, diente der Otto-Hahn-Platz als temporärer Standort für eine Container-Schule; damit war das Rosengärtchen in der Fläche praktisch zerstört.

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Geschichte

Das Rosengärtchen geht in seiner heutigen Form auf die Gestaltung von 1914 durch Max Bromme zurück. Der ehemalige Holbeinplatz, heute Otto-Hahn-Platz war zuvor, 1897 Teil der großen Rosen-, Blumen- und Pflanzenausstellung in Frankfurt am Main, die unter anderem im Palmengarten und entlang der heutigen Kennedyallee stattfand. Sie kam auf Initiative von Peter Strassheim, dem Mitbegründer des Internationalen Rosistenvereins und der Deutschen Rosenfreunde zustande. Nach der Ausstellung war der Wunsch vorhanden, eine üppigere Ausstattung und Bepflanzung dauerhaft zu belassen. Dennoch blieben, auch nach der Umgestaltung von 1914, Rosen- und Strauchpflanzungen nur entlang des Rundweges bestehen. Ein gestaltetes Oval mit drei Eingängen, gepflegten Rabatten und gestreuten Sandwegen bildete den Kern der Anlage. Charakteristisch waren die rund 25 Großbäume, davon 18 japanische Schnurbäume, die heute ausgewachsen sind und große Höhen erreicht haben. Nach dem Ersten Weltkrieg und auch in der Weimarer Republik wurde die Anlage überformt. Während des Zweiten Weltkrieges entstand sogar ein Feuerlöschteich. Der Name Rosengärtchen bürgerte sich erst wieder ein, als in den 1950-Jahren ein nicht historisches, leicht modelliertes Oval im Zentrum mit Polyantha-Rosen angelegt worden war. Später kamen auch noch Rosenflächen an den stumpfen Enden des großen Ovals hinzu. Mehr als 50 Jahre hatte dieser, ursprünglich im Typus des Jugendstils angelegte, kleine Park Bestand. Er überdauerte auch Unwetter und veränderte Stilrichtungen.

Ausweichquartier Containerschule

Anfang 2008 wurde bekannt, im Park nähme vorübergehend das Ausweichquartier für das benachbarte Gymnasium seinen Platz, in Form von provisorischen Containern. Viele Bürger, Anwohner und Liebhaber der Anlage fragten sich, ob dies in der Form notwendig sei und einige von ihnen beschlossen, etwas zu unternehmen, darunter ein Zahnarzt, ein Landschaftsarchitekt und Wolf-Christian Frey, der zum Kopf der Bürgerinitiative "Rettet das Rosengärtchen" wurde. Von Seiten der Stadt hatte die Suche nach einem Ersatzstandort für die Carl-Schurz-Schule schon ab 2007 begonnen. Als es auf den Standort Otto-Hahn-Platz/Rosengärtchen hinaus lief, wurde 2008 zunächst ein Gartenhistorisches Gutachten bei Landschaftsarchitekt Michael Palm aus Weinheim beauftragt. Es folgte die Planung zur Wiederherstellung ab 2010. Inzwischen begann bereits die Sanierung und Erweiterung der Carl-Schurz-Schule. Der Ersatzschulstandort auf dem Otto-Hahn-Platz existierte ab 2009 bis 2012. Als begleitende Baumschutzmaßnahmen wurden ein Baumgutachten durch das Ingenieurbüro Zorn erstellt, die Bewässerung veranlasst sowie regelmäßige Kontrollen des alten Baumbestandes (Monitoring) im gesamten Zeitraum zwischen 2009 und 2012 durchgeführt. Im Einzelnen waren dies vor Beginn der Baumaßnahmen: Aufzeichnung des Verlaufs der Bodenfeuchte im Wurzelraum während der Vegetationsperiode 2008, Sanierungsschnitt an den Baumkronen und Totholzbeseitigung als vorbereitende Maßnahmen. Während der Baumaßnahme wurden die Erdarbeiten im Kronentraufbereich der den Platz rahmenden Bäume durch einen Baumgutachter begleitet und die Bodenfeuchte im Wurzelraum fortlaufend kontrolliert. Zusätzlich erfolgte der Einbau eines Bewässerungssystems im Wurzelbereich zur automatischen Bewässerung, um trotz der reduzierten Versickerungsfläche die Bodenfeuchte zu halten beziehungsweise um diese zu erhöhen - analog anderer Projekte im Stadtgebiet wie in der Friedrich-Ebert-Anlage oder beim U-Bahn-Bau.

Öffentlichkeitsarbeit

Die Bürgerinitiative "Rettet das Rosengärtchen" schaltete sich aktiv in die Planung ein. Statt grundsätzliche Verhinderung, die nicht mehr erreichbar war, sollte nun die Erhaltung das Ziel sein, um den Grundbestand der historischen Anlage zu schützen und nach Möglichkeit auszubauen. Die Initiative organisierte Info-Abende, gewann die Carl-Schurz-Schule als Partner, betrieb Pressearbeit, verteilte Flyer im Viertel, um Unterstützung zu mobilisieren und warb um Spenden. Im September 2008 half eine Benefiz-Veranstaltung im Park, Anliegern und etwa 300 interessierten Sachsenhäusern den Wert der Anlage vor Augen zu führen. Jazzmusik, Finger-Food, Führungen und eine selbst erarbeitete Ausstellung zur Frankfurter Gartenkultur mit Grafiken und Fotodokumenten stießen auf Sympathie und Zuspruch. Und besonders eine aufgestellte, weiße Holzbank nach historischem Vorbild regte die Phantasie an und veranschaulichte, was hier eines Tages wieder entstehen könnte. Reißenden Absatz fanden die im Rahmen einer Benefiz-Aktion im März 2009 in Zusammenarbeit mit dem Grünflächenamt ausgegrabenen alten Rosenstöcke, die nun in etlichen Gärten des Viertels weiter blühen.

Dann aber war es soweit. Bagger und LKW rückten an, um 183 Container aufzustellen. Es entstand eine Interimsschule mit Pausenplatz, Kiosk, Fahrradständern und Alarmanlagen. Die Bürgerinitiative überwachte fortan auch die Arbeiten, wie Fundamentierungen, bei Schonung der empfindlichen Baumwurzelbereiche, die Bewegungen des Baukrans, der die Kronen, das Wurzel- und Astwerk nicht verletzen sollte, oder dass die Bodenverdichtung so minimal wie möglich gehalten wurde. Nahezu jeden Arbeitsschritt hat die Initiative durch Bilder und Videos dokumentiert. Als schwere Ladekräne anrückten, verhinderten die Aktivisten den Fortgang, bis Stahlplatten zur Druckverteilung verlegt wurden, um die Wurzeln der Schnurbäume zu entlasten. Wöchentliche Lagebesprechungen mit Vertretern des Hochbauamts, des Grünflächen- und Schulamts, des Bauunternehmens und anderen lieferten Hinweise und machten die Initiative zum Partner. So entwickelte sich aus der anfänglichen Konfrontation gegenseitiger Respekt und eine sinnvolle Kooperation.

Sanierung

Die Wiederherstellung erfolgte nach historischem Vorbild und den Empfehlungen des gartenhistorischen Gutachtens, in Abstimmung mit dem Denkmalschutz. Die Gestaltung umfasst kombinierte Stauden- und Rosenpflanzungen auf der Innenseite des Rundweges, nunmehr geschützt durch ein Rabattengeländer aus Stahl. Pflegeleichte Staudenrabatten liegen auf der Außenseite des Rundweges. Auf die umlaufenden Hecken, wie im historischen Plan, wurde verzichtet, da zu stark in den Wurzelbereich der alten Bäume hätte eingegriffen werden müssen. Die umliegende Gehölzpflanzung wurde ausgelichtet und flächendeckend mit Efeu bepflanzt, darin eingestreut einige Staudencluster. Für den Frühjahrsaspekt kamen noch frisch gesteckte Blumenzwiebeln hinzu.

Das neue Rosengärtchen

Einiges wurde erreicht. Die 18 Japanischen Schnurbäume sind mittlerweile katastermäßig erfasst, die gesamte Anlage wurde unter Ensembleschutz gestellt, um zukünftige Entstellungen zu verhindern. Die Stadt Frankfurt hatte den "hochwertigen Rückbau" der Anlage in Anlehnung an ein sorgfältig erstelltes, historisches Garten-Gutachten mit abgestimmten Gestaltungselementen zugesichert. Das ursprüngliche Wegeoval wurde um eine mit Rasen eingesäte Mitte wiederhergestellt. Beidseitige Rabatten rahmen das Wegeband. Zwölf von Bürgern über Sponsoring finanzierte, weiße Holzbänke wurden aufgestellt und pflanzlich gerahmt. Der Eisenzaun und die schmiedeeisernen Tore, die das Bild vervollständigen sollten, sind bisher nicht realisiert.

Nutzung

Das Rosengärtchen ist in erster Linie eine Grünanlage zur Auflockerung der Stadt, für die Erholung der Quartiersanwohner und für den kurzen Weg in eine "grüne Pause". Zwei Plätze bieten die Möglichkeit des Rückzugs und könnten Rahmen für kulturelle Vorhaben oder Kunststandorte sein. Auf den früher hier vorhandenen Spielplatz wurde auf Grund der Lage an der Kennedy-Allee (Verkehrslärm) mit Zustimmung der Kinderbeauftragten verzichtet. In den Nischen außerhalb des Ovals sollen künftig auch Kunst-Events stattfinden. Die Carl-Schurz-Schule wird den ovalen Weg weiterhin als Laufbahn nutzen und die vielen neuen, historisch nachgebildeten Sitzbänke in Weiß laden die Anrainer und Bürger zum Setzen oder Lesen ein. Die Rasenfläche in der Mitte darf nach Stabilisierung betreten und zum Liegen genutzt werden. Auch kleine Feste und Veranstaltungen unter Bäumen könnten hier stattfinden. Alle Roseninteressierte, die Bürgerinitiative und die DGGL Hessen, die das Projekt materiell und vor allem ideell unterstützt hat, wollen den wiederhergestellten, grünen Platz weiterentwickeln.

Einweihung und Kritik

Im Juni 2013 wurde die wiederhergestellte Anlage im Rahmen eines Bürgerfestes eingeweiht. Pläne und Bilder, auch historische auf Staffeleien informierten die Besucher über die Geschichte, den temporären Schulstandort und die Umbauarbeiten. Am Rednerpult würdigten unter anderem die Dezernentin für Umwelt und Gesundheit Rosemarie Heilig, Grünflächenamtsleiter Stephan Heldmann und die Erste Vorsitzende der DGGL-Hessen, Petra Hirsch das aus ihrer Sicht gelungene Ergebnis.

Schauspieler Michael Quast rezitierte das zum Anlass passende Gedicht "Friehlingslied" des Frankfurter Mundartdichters Friedrich Stoltze und verwies schon im Vorfeld auf die relevante Zeile darin: "Mit Rose schmickt die Heck' sich aus", was zu allgemeiner Erheiterung des in großer Zahl erschienenen Publikums beitrug. Auch für Essen und Trinken war reichlich gesorgt und eine Tanzgruppe vervollständigte das Sonntag-Nachmittagsprogramm. Doch vor und nach der Veranstaltung waren auch nachdenkliche und kritische Töne zu hören. Manch einer vermisste, nach den Umgestaltungen des 20. Jahrhunderts und der Quasi-Vernichtung des Platzes einen neuen, modernen Ansatz. Andere wünschten sich einen ovalen Brunnen im Zentrum zur Belebung, statt eines Schmuckbeetes. Weitere kritisierten, dass zur verkehrsreichen Kennedy-Allee hin kein Lärmschutz, zum Beispiel eine Mauer gebaut oder eine breite Hecke gepflanzt wurde, die die extremen Schallemissionen zumindest ein wenig minderten. Auch die nicht wieder aufgestellten Spielgeräte waren Grund für Kritik, selbst wenn es in der Umgegend ausreichend viele, auch aufgewertete Kinderspielplätze gibt.

2014 wird das von Max Bromme 1914 gestaltete Rosengärtchen 100 Jahre alt. Ob die zeitgemäße Rekonstruktion gelungen ist, kann dann beurteilt werden, wenn die Rosen im kommenden Frühjahr/Sommer in üppiger Blüte stehen und auch der Rasen tatsächlich wieder genutzt werden kann.

Projektdaten, Größen und Kosten

  • Größen: Pflanzfläche ca. 2200 m², Rasenfläche ca. 1350 m², Belagsfläche ca. 1250 m², gesamt ca. 4800 m²
  • Kosten: Kosten der Wiederherstellung (jeweils einschl. Honoraranteil): 250.000 Euro Finanzierung durch das Stadtschulamt, 70.000 Euro für die höherwertige pflanzliche Ausgestaltung sowie das Rabattengeländer durch eigene Mittel des Grünflächenamtes
  • Kosten für Baumkontrolle und -pflege: 34.000 Euro für die Baumkontrolle, 7000 Euro für die Baumpflege und Schnittmaßnahmen, 15.000 Euro für die Bewässerung, ca. 56.000 Euro insgesamt für Baumschutz- und Pflegemaßnahmen

Sponsoring der weißen Bänke in Höhe von 15.000 Euro, zusätzlich insgesamt 26 Eiben-Solitärs in Höhe von rund 5000 Euro (die Anordnung soll das ehemalige Heckenoval betonen) Bestrebungen noch weitere Ausstattungselemente (wie etwa Rankobelisken im Bereich der Rosen/Stauden-Rabatten) zu fördern

Gesamtkosten inklusive Nutzung als Schulstandort, Baumschutzmaßnahmen und Wiederherstellung der Anlage: ca. 600.000 Euro

Ausführung Garten- und Landschaftsbauarbeiten: Lehr & Reichhardt GmbH & Co. KG., Rostocker Straße 4, D-63073 Offenbach


Quellen

Grünflächenamt Stadt Frankfurt am Main (Pressemitteilung Juni 2013)

Landschaftsarchitekt Michael Palm (Pläne)

DGGL-Hessen "Gartenkultur 2012" (Jahresheft) "Kampf um das Rosengärtchen"

Links

www.frankfurt.de [Suchwort "Otto-Hahn-Platz" oder "Rosengärtchen"]

www.gruenflaechenamt.stadt-frankfurt.de

www.ottohahnplatz.de (Seite der Bürgerinitiative)

www.dggl.org/landesverbaende/hessen

Dipl.-Ing.(FH) Thomas Herrgen
Autor

Landschaftsarchitekt

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