Rinde, Wurzeln und die Auswirkungen des Klimawandels, Teil II

Fagus sylvatica ist Baum des Jahres 2022

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1 Der schwergeschädigte Baum erhielt am 13.1.22 einen Weißanstrich mit Arbo-Flex Stammschutzfarbe (DA, Herrengarten, 19.4.2022). Fotos:Renate Scheer

Nicht nur die Baumkrone, auch Rinde und Wurzeln der Fagus sylvatica sind gute Indikatoren, um den Baumzustand einzuschätzen. Dort machen sich verdichteter Boden oder Veränderungen an der chemischen Zusammensetzung des Bodens schnell bemerkbar.

Rinde

Werden die Sprossen mehrjähriger Pflanzen dicker, nimmt auch ihr Umfang zu. Die Epidermis der Holzgewächse kann dabei normalerweise nicht mithalten, sie reißt auf und wird in Fetzen abgestoßen. Zuvor aber wird im darunterliegenden Rindenparenchym ein neues, sekundäres Abschlussgewebe angelegt. Dieses als Korkkambium bezeichnete Bildungsgewebe erzeugt nach außen hin Korklagen unterschiedlicher Dicke. Bei manchen Gehölzen bleibt dieses Korkkambium lange, mitunter sogar lebenslang aktiv, bildet aber nur sehr wenig Kork. Dieser erscheint oft matt und löst sich nicht vom Stamm ab. So entsteht die sogenannte Glattrinde, wie sie sich bei Rotbuchen findet. Trotz der anhaltenden Tätigkeit des Korkkambiums wird diese Rinde nicht dick; selbst bei einem Buchenstamm von mehr als einem Meter Durchmesser beträgt die Dicke der Rinde kaum ein Zentimeter (Wollenweber, 2022). Solche glatten dünnen Rinden sind charakteristisch für Schattenbäume wie die Buche. Sie vermag von allen einheimischen Baumarten am meisten Schatten zu ertragen. Wird die empfindliche Rinde der Sonne ausgesetzt, zum Beispiel nach Holzschlag oder starker Bestandesdurchforstung, erhöht sich der Stress für die Bäume erheblich. (s. Kap. Absterbeerscheinungen).

Wurzeln

Junge Buchen besitzen eine vorwüchsige Polwurzel, die im ersten Jahr eine Länge bis zu 32 Zentimeter erreicht. Bei älteren Jungpflanzen zweigt sich diese Wurzel auf, und es bilden sich kräftige Seitenwurzeln, die ihr Tiefenwachstum bald beenden und sich seitwärts umbiegen. Mit dem Ende der Vorwüchsigkeit der Polwurzel, die selbst noch viele Jahre existieren kann, beginnen sich die oberen Seitenwurzeln kräftig zu entwickeln. Die üppige Verzweigung der Hauptseitenwurzeln und der dichte Faserwurzelbesatz der dünneren Wurzeln an der Unterseite der Wurzelanläufe bewirken eine äußerst dichte Bewurzelung in Stammnähe. Die reiche Verzweigung und ihr häufiges gegenseitiges Überkreuzen führen zu zahlreichen Wurzelverwachsungen.

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2 Herbststimmung (Kreis Bergstraße, Nähe Bensheim, 18.11.2020). Foto: Renate Scheer
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3 Buchenlaub in Herbstfärbung, (Odenwald, Melibocus, 29.10.2021). Foto:Renate Scheer
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4 Liebesbekundungen (DA, Prinz-Emil-Garten, 14.4.2022). Foto: Renate Scheer
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5 Schaut man sich die Stämme genauer an, entdeckt man häufig Querstreifen und Winkel. Sie kennzeichnen die Stellen, an denen früher einmal Äste saßen. Die Rinde im Astwinkel wird zusammengeschoben und bildet eine Winkelnarbe, die "Chinesenbart" genannt wird. (DA, Viktoriastr., 28.3.2022). Foto: Renate Scheer

Der außerordentlich hohe Feinwurzelbesatz der Buche ist, nach Untersuchungen von Kutschera (2002), am dichtesten in der Moderhumusschicht. Hier ist die Mineralisierung der organischen Substanz und damit die Freisetzung von Nährstoffen sehr hoch, was die Bildung von Feinwurzeln begünstigt; sie sind mit dem Moder eng verflochten. Die Durchwurzelungstiefe der Buche liegt je nach Bodenart durchschnittlich zwischen 1,2 und 1,4 Meter, auf tiefgründig gleichmäßig temperierten Böden erreicht sie Tiefen von mehr als 2 Meter. Auf wechselfeuchten, luftarmen Standorten dringen die Wurzeln nur 0,50-0,70 Meter ein, mitunter beschränkt sich die Hauptwurzelmasse auf die obersten 0,30 m, so zum Beispiel auf staunassem Lößlehm der Fränkischen Platte. Auf solchen Standorten sind die Bäume besonders windwurfgefährdet.

Für den Teil der Wurzeln, der sich im Kronenbereich befindet, ist der Begriff Herzwurzelsystem, wie das Wurzelwerk der Buche häufig beschrieben wird, treffend. Wird aber die gesamte Seitenausdehnung der flachstreichenden Wurzeln in das Bild mit einbezogen, passt diese Bezeichnung nicht (Kutschera, Lichtenegger, 2002).

Ektomykorrhiza

Die Buche ist obligatorisch auf Ektomykorrhiza angewiesen, das heißt sie könnte ohne den Pilzpartner auf Dauer nicht bestehen. Bei dieser Art Mykorrhiza umhüllt ein dichtes Pilzgeflecht die jüngsten Wurzelteile so vollständig, dass die eigentliche Wurzeloberfläche nicht mehr in Kontakt mit dem Boden steht und Nährsalze und Wasser nur auf dem Weg über das Pilzgeflecht in das Innere der Wurzeln gelangen. Mykorrhizapilze müssen kontinuierlich neu gebildet werden. Dies vollzieht sich in der Streckungszone der Feinwurzeln, das heißt, die beständige Neubildung von Feinwurzeln ist die Voraussetzung für die Aufrechterhaltung der Mykothrophie. Bäume der Mykrotrophiestufe vier - neben Fagus zum Beispiel Abies, Larix, Picea, Quercus - besiedeln Böden mit einer gewissen Humusanreicherung und einer meist guten Belüftung der oberen Bodenschichten, in denen sich häufig 80 Prozent und mehr der Feinwurzeln befinden. In den Mykorrhizen herrscht ein reger Stoffwechsel, dementsprechend liegt die Atmungsintensität zwei- bis viermal so hoch wie bei unverpilzten Feinwurzeln. Sauerstoffmangel im Wurzelbereich, hervorgerufen etwa durch Bodenverdichtung oder auch Vernässung, wirkt sich negativ auf die Pilze aus. Die gegenüber Sauerstoffmangel besonders empfindliche obligat mykotrophe Buche benötigt eine ständig mit Sauerstoff gut versorgte obere Bodenschicht von mindestens 30 Zentimeter, anderenfalls kann sie diese Standorte nicht einnehmen.

Untersuchungen zeigen, dass auf Waldschadensflächen der Feinwurzelanteil und Ektomykorrhizabesatz geringer ist. Dieses wird offensichtlich hervorgerufen durch

  • Luftverunreinigungen (SO2, NOx, Ozon), die die Photosynthese und damit die Bildung und Regeneration von Feinwurzeln und Mykorrhizen beeinträchtigen. Begünstigende Faktoren sind höheres Baumalter sowie Sauerstoffmangel im Wurzelsubstrat.
  • Eintrag von Stickstoff, der weit über den Bedarf des Waldes hinausgeht. Stickstoff fördert einseitig das Sprosswachstum, das Wurzelwachstum kann nicht mithalten und die Ektomykorhizza wird sogar geschädigt.

Ein Rückgang des Mykorrhizabesatzes hat Folgen:

  • geringere Verzweigung des Wurzelsystems
  • verminderte Aufnahmefähigkeit für Nährstoffe und Wasser, Trockenperioden werden schlechter ertragen. Stickstoffüberschuss verbunden mit Kaliummangel kann die Frosthärte herabsetzen
  • die geringere Leistungsfähigkeit des Wurzelsystems führt zu vorzeitiger Vergreisung der Krone (Meyer, 1996).

Bei den vielen Schäden, die Bäume heute aufweisen, muss der Blick auch auf die Böden gerichtet werden, zum Beispiel auf versauerte Böden. Diese Standorte können nur unzureichend durchwurzelt werden, da das Wurzelwachstum gehemmt wird. Des Weiteren steigt bei niedrigen pH-Werten die Mobilität toxischer Schwermetalle. Auf mehr als 16 Prozent der Waldfläche in Deutschland ist der Stoffhaushalt der Böden durch starke Säuren (Nitrat, Sulfat) gestört. Diese waschen mehr Nährstoffe aus als nachgeliefert werden können, wodurch der Trend zur Bodenversauerung trotz nachlassender Sulfateinträge fortschreitet (v. Wilpert et al., 2020).

Ebenfalls nachteilig wirken sich Bodenverdichtungen aus. Seit den Orkantiefs der 1990er Jahre werden in Deutschland Harvester (Holzvollernter) und Forwardtechnik (Tragschlepper) in größerem Umfang eingesetzt. Vollernter fällen, entasten und teilen die Stämme, der Transport zur nächsten Lkw-befahrbaren Forststraße wird von Tragschleppern durchgeführt. (Wikipedia: Holzvollernter). Diese Vorgehensweise ist auf den meisten Standorten und bei fast allen Baumarten mittlerweile das normale Verfahren. Schäden, die durch den Einsatz der in der Regel über 20 Tonnen schweren Maschinen verursacht werden, sind Teil aktueller Langzeitstudien, die Mecklenburg-Vorpommern durchführt. Dabei steht vor allem die Problematik der Bodenverdichtung und der Wurzelschädigung im Fokus (https://www.wald-mv.de/static/Wald-mv/Dateien/Naturnahe%20Forstwirtschaft/R%C3%BCckepferde/Pferd_trifft_Forwarder.pdf).

Seit einigen Jahren gibt es Initiativen, an diesen Arbeitsweisen etwas zu verändern. Hierzu gehört etwa der Einsatz von Rückepferden, der in etlichen Bundesländern diskutiert, gefördert und auch bereits durchgeführt wird.

Klimawandel

Seit 1881 erfolgen in Deutschland systematische und flächendeckende Beobachtungen des Klimas, sodass der Deutsche Wetterdienst (DWD) eine Bewertung des Klimawandels für den Zeitraum 1881-2020 vornehmen kann. Innerhalb dieser Zeitspanne wurde es in Deutschland um rund 1,6 Grad Celsius wärmer (Nordostdeutsches Tiefland 1, °C). Der vieljährige Mittelwert von 8,2 Grad Celsius der Referenzperiode 1961-1990 stieg zwischen 1981 und 2010 auf 8,9 Grad Celsius. 2018 und 2020 wurden die höchsten Durchschnittstemperaturen (10,5 bzw. 10,4 °C) seit Beginn der Wetteraufzeichnungen gemessen, elf der siebzehn wärmsten Jahre liegen im 21. Jahrhundert.

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6 Buchen mit buschförmigem Wuchs im Naturschutzgebiet Vallée de Chaudefour, ca. 1.200 m h (Auvergne, 7.7.2022). Foto: Renate Scheer
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7 Berg-Buchenwälder am Lac Pavin, rund 1.200 m h (Auvergne, 6.7.22). Foto:Renate Scheer
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8 Freigespülte Wurzeln an einem Hohlweg (Kreis Bergstraße vor Gronau, 25.2.2021). Foto: Renate Scheer
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9 Süntelbuchen (Fagus sylvatica var. Tortuosa) im „Hexenwald“ auf Rügen (11.2.2011). Foto: Renate Scheer

Zu den Temperaturentwicklungen gibt es eine Reihe von Simulationsrechnungen: Das Klimaschutzszenario geht von einer globalen Erwärmung aus, die nicht mehr als 2 Grad Celsius im Vergleich zum Jahr 1860 betragen soll. Voraussetzung hierfür ist eine sehr starke und sehr schnelle Reduktion der Emission von Treibhausgasen gegenüber dem heutigen Zustand. Bei diesem Modell wird sich die Erwärmung bis 2100 bei 1,1 Grad Celsius stabilisieren. Unter den Bedingungen des "Weiter-wie-bisher" (Energieversorgung beruht auch künftig im Wesentlichen auf der Verbrennung fossiler Kohlenstoffvorräte) beträgt die Erwärmung bis 2100 circa 3,8 Grad Celsius, die Bandbreite liegt zwischen 2,7 und 5,2 Grad Celsius. Die Auswirkungen von Maßnahmen, die jetzt ergriffen oder nicht ergriffen werden, zeigen sich gravierend im Zeitraum 2071-2100 (DWD, Nationaler Klimareport, 2020). Der CO2-Gehalt in der Atmosphäre hat seit 1750 um 35 Prozent zugenommen (Manthey et al., 2007).

Bei den Niederschlägen weisen die Simulationen des statistischen Modell WETTREG in eine klare Richtung: Im Sommer sind zum Beispiel erhebliche Rückgänge zu erwarten, landesweit ist mit einer Verminderung der Niederschläge von rund 20 Prozent zu rechnen. Die stärkste Abnahme ist im Nordosten zu verzeichnen und wird je nach Emissionsszenario in Vorpommern zwischen 25 Prozent und mehr als 40 Prozent betragen. Dies bedeutet, dass in den Regionen Deutschlands, die bereits jetzt unter einem erhöhten Niederschlagsdefizit leiden, in Zukunft die Gefahr von Trockenstress- und Wassermangelsituationen erheblich zunehmen wird (Sutmoller et al., 2008). Für die Frühjahrsmonate gilt dies zum Teil ebenso. Gerade der Beginn der Vegetationsperiode fiel in den vergangenen Jahren häufig zu trocken aus.

Für die Wintermonate hingegen wird infolge der Zunahme von Westwindwetterlagen bis zum Zeitraum 2071-2100 ein Anstieg von 20-30 Prozent der Niederschläge erwartet. Hierbei wird die stärkste Zunahme für die Westhälfte Deutschlands vorausgesagt. Der Nationale Klimareport (2020) setzt geringere Werte an: Für den Planungshorizont 2021-2050 wird eine Zunahme der Winterniederschlagsmenge um 8 Prozent berechnet, langfristig würden die Winterniederschläge um 16 Prozent steigen, die Zunahme des Jahresniederschlages wird mit 6 Prozent prognostiziert.

Wie sich die vorab beschriebenen Veränderungen auf die Buchenwälder auswirken werden, wird unterschiedlich beurteilt: von "relativ schlecht angepasste Baumart" über "trockenstress- und überflutungssensitive Baumart, deren einseitige Bevorzugung im Zuge des Waldumbaus der letzten 20 Jahre mit einem hohen Risikopotenzial für die Zukunft verbunden ist" bis zu der positiven Einschätzung, "dass der erwartete Klimawandel dazu führen wird, dass die Buche zur Hauptbaumart der mitteleuropäischen Wälder wird" reichen die Prognosen (Sutmoller et al., 2008, S. 152).

Buchenvitalitätsschwäche

Die Häufung von Witterungsextremen (Hitze, Trockenheit) in Verbindung mit starker Sonneneinstrahlung und Überhitzung führen zu einer deutlichen Reduktion der Vitalität. Verstärkt zeigt sich dieser Effekt in sonnenexponierten Randstellungen und nach Freistellung der Buchenkronen. Flächiges Absterben und Abblättern der Rinde auf der Südwestseite können die Folge sein. Die entstehenden Schadbilder sind dem abiotisch/biotischen Faktorenkomplex der Buchenvitalitätsschwäche zuzuordnen. Die geschädigten Bäume stellen einen idealen Lebensraum dar für den Buchenprachtkäfer (Agrilus viridis, "Sonnenbrandfolger"), den kleinen Buchenborkenkäfer (Taphrorychus bicolor) sowie diverse Pilze. Während Buchen ohne diesen zusätzlichen Befall Trockenschäden häufig wieder ausheilen können, führt die Beteiligung der Sekundärschädlinge mittelfristig zum Absterben der Bäume. Auf vielen Standorten kommt bei den beobachteten Absterbeerscheinungen dem Buchenprachtkäfer eine Schlüsselstellung zu. (Waldschutz-Information 2021).

Absterbeerscheinungen bei Rotbuche durch Trockenheit und Wärme

2018 war deutschlandweit das wärmste und sonnigste Jahr seit Beginn der regelmäßigen Aufzeichnungen, verbunden mit deutlichen Niederschlagsdefiziten. Ab Juli 2018 wurden in Nordwestdeutschland (außer Schleswig-Holstein) auf ungünstigen Standorten vorzeitige Blattverfärbungen und Blattfall an älteren Buchen beobachtet. Im August waren in allen Altersklassen rot und braun verfärbte Blätter sowie auch Blattfall grüner Blätter zum Teil bis zur vollständigen Kronenverkahlung zu bemerken. Im Herbst zeigten sich zusätzlich Rindenschäden durch Sonnenbrand, sowie Befall von Käfern und Pilzen. Besonders betroffen waren Bäume, die bereits vorgeschädigt oder durch ungünstige Faktoren prädisponiert waren.

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Erkennungsmerkmale Literatur: Hartig, 1851; Hegi, 1981; Roloff, 1986; Godet, 1987; Felbermeier, 2002

Seit Sommer 2019 - Juni und Juli waren ebenfalls heiß, trocken und sonnenreich - sind alle Altersklassen von Hitze- und Trockenheitsschäden gezeichnet, auch bei jüngeren Bäumen trat - selbst in günstigen Lagen - die Buchenvitalitätsschwäche auf. In manchen Regionen befinden sich ganze Bestände "in Auflösung" (Langer et al., 2020).

Damit einher geht ein Rückgang der genetischen Vielfalt: Durch das Absterben einzelner Bäume oder ganzer Bestände wird die Weitergabe der in diesen Buchen vorhandenen genetischen Informationen an die nächste Generation verhindert. Gerade der Verlust genetischer Informationen lokal angepasster Populationen wiegt dabei schwer. Während der reproduktiven Phase kann es zu Einwirkungen durch Luftschadstoffe kommen, die sich auf die genetische Vielfalt und Struktur des Nachfolgebestandes negativ auswirken (Janßen, Weisgerber, 1992).

Im Steigerwald (bayerisch-fränkischer Teil des Südwestdeutschen Stufenlandes) hatten der Extremsommer 2018 sowie fehlende Niederschläge im folgenden Winter mehrere tausend Hektar Wald geschädigt. In diesen Beständen wurden Kronenaufnahmen durchgeführt, die zu erstaunlichen Ergebnissen führten: Selbst in dem am stärksten betroffenen Bestand kamen Baumindividuen vor, die eine volle oder weitgehend intakte Belaubung ausgebildet hatten. In der Verjüngung standen lebende und abgestorbene Bäume direkt nebeneinander (Mergner et al., 2020).

Eher zufällig entdeckte der Abteilungsleiter für Molekulare Biologie am Forschungsinstitut Senckenberg, Dr. Markus Pfenninger, in Hessen gleiche Phänomene wie oben beschrieben: Unmittelbar neben stark geschädigten Buchen standen vollständig gesunde Exemplare. Diese Beobachtung führte zu der Überlegung, dass eher die genetische Ausstattung der Bäume dafür verantwortlich ist, wie gut sie sich an Trockenheit anpassen können als Standortfaktoren. Um diese Hypothese zu prüfen, wurden im Hessischen Forst an verschiedenen Standorten (z. B. Rhein-Main-Ebene, Taunus) benachbarte Bäume (Abstand ca. 5 m) ausgewählt, die unterschiedlich auf die Dürre reagiert hatten. Von über 400 Buchen wurde das Genom untersucht, dabei entdeckte man 107 Genorte, die signifikante Unterschiede zwischen gesunden und kranken Bäumen aufwiesen. Diese Ergebnisse nutzten Pfenninger und sein Team, um einen Gentest zu entwickeln, mit dem sich prüfen lässt, wie gut eine Buche Trockenheit widerstehen wird. Benutzt werden für die genetischen Untersuchungen Schattenblätter. Infolge dieser genauen Vorhersagen können beispielsweise trockenheitsresistente, samenproduzierende Bäume gefördert werden, dabei darf jedoch die große genetische Vielfalt der Buchen nicht verloren gehen. Die Ergebnisse dieser Forschungen sind veröffentlicht in der Studie "Genomische Grundlagen für Trockenresistenz in vom Klimawandel bedrohten europäischen Buchenwäldern"¹ (Pfenninger, mdl., 2022).

Bemerkenswerte Ergebnisse lieferten auch Untersuchungen an Sitkafichten (Picea sitchensis) in Kanada: Die DNA aus alten Baumpartien unterscheidet sich von der DNA jüngerer Baumteile, somit können sich Bäume im Laufe ihres Lebens verändern und möglicherweise an geänderte Umweltbedingungen anpassen (Mergner et al., 2020).

in seinem Projekt "Klimawald mit europäischen Rotbuchen-Provenienzen" bezieht Dr. Manfred Forstreuter Herkünfte aus heute bereits wärmeren und trockeneren Regionen des europäischen Verbreitungsgebietes der Rotbuche mit ein. Hierzu gibt es seit 20 Jahren ein Forschungsprojekt an der Freien Universität Berlin. Seit 2002 wuchsen auf einem Experimentierfeld des Botanischen Gartens über 1500 Rotbuchen aus ganz Europa. Die Samen und Jungbäume hatte der Biologe über viele Jahre hinweg selbst gesammelt: in Brandenburg, Skandinavien, Österreich, Sizilien, Südfrankreich, Spanien, Griechenland und Rumänien. Im Dezember 2019 wurden die letzten etwa 800 Rotbuchen in den "Klimawald", der Revierförsterei Eichkamp (Forstamt Grunewald) umgepflanzt. Das ca. 4000 Quadratmeter große Areal wurde in 64 Flächen à 25 Pflanzen unterteilt, die durch eine 2021 installierte Tröpfchenbewässerung gezielt mit Wasser versorgt werden können. Ein Teil der Pflanzen wird dabei planmäßig unter Wasserstress gesetzt und geprüft, ob es Genorte gibt, die jetzt aktiv werden. Neben den genetischen Untersuchungen, die noch am Anfang stehen, wird genau beobachtet, wie die unterschiedlichen Herkünfte auf verschiedene Faktoren reagieren. Kommen Buchen aus Sizilien oder Südschweden im Vergleich zu einheimischen besser mit dem Klimawandel zurecht? Dabei steht die Anpassungsfähigkeit an extrem trockene Sommermonate sowie an Spätfröste im Frühjahr im Mittelpunkt. "In Zukunft müssten in ganz Mitteleuropa die Arten angepflanzt werden, die gegen den Klimawandel gewappnet sind. Denn die einzelnen Populationen haben keine Zeit, sich evolutionär an die extremen klimatischen Bedingungen anzupassen, die wir zu erwarten haben", betont Manfred Forstreuter. Geprüft wird nicht nur vom Boden aus, sondern die Fläche wird zusätzlich mit einer Drohne überflogen. Mit Hilfe von Spektralanalysen lassen sich gestresste Pflanzen erkennen. Diese Methode kann künftig auch für Waldbefliegungen eingesetzt werden, um Bereiche herauszufinden, die für Buchenanpflanzungen ungeeignet sind (FU Campus.leben, Dez. 2019, Nov.2020, Forstreuter, mdl. 2022).

Das Einbringen von Bäumen aus wärmeren und trockeneren Regionen lehnt Pfenninger ab, zu viele Standortfaktoren gälte es zu berücksichtigen. "Dieser Weg führt in die Katastrophe." In den vorhandenen Bäumen befindet sich genügend Potenzial zur Anpassung, wir müssen die Wälder nicht vollständig umbauen. Anders sieht es bei Arten wie Castanea sativa aus, die sich ohnehin schon ausbreiten. Solche Baumarten sollten unterstützt werden (Pfenninger, mdl., 2022).

Statements der Forstämter

Bayern

In Bayern muss in näherer Zukunft verstärkt mit Waldgesellschaften gerechnet werden, die von trockenheitstoleranten Baumarten (insbesondere Eichenarten) dominiert werden, allerdings wird in diesen Gesellschaften die Buche weiterhin häufig als Mischbaumart vertreten sein. In weiten Landesteilen wird die Buche ihre flächenbedeutsame Stellung behalten. Waldwirtschaftliche Maßnahmen sollten daher auf die Begründung von Mischbeständen unter Einbeziehung der Buche, die sich in weiten Teilen Bayerns natürlich verjüngt, abzielen.

Bodenfeuchtemessungen an bayerischen Waldklimastationen ergaben 2018, 2019 und zum Teil 2020 sehr ungünstige Bodenfeuchtewerte bis in die tieferen Bodenschichten. In unmittelbarer Folge dieser Extremjahre zeigten zahlreiche Buchen Vitalitätseinbußen sowie insbesondere Kronenschäden. Die Bäume sind aber nicht vollständig abgestorben, sondern zwischenzeitlich sogar wieder ausgetrieben (Klemmt, 2022).

Schleswig-Holstein

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10 Geschädigter Buchenstamm (Odenwald, 3.3.2022). Foto: Renate Scheer
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11 Spurrinnen und Verdichtung durch schweres Gerät (Kreis Bergstraße, Nähe Heppenheim, 28.1.2022). Foto: Renate Scheer
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12 Sonderbriefmarke "Weltnaturerbe der UNESCO: Alte Buchenwälder Deutschlands". Anlass der Herausgabe ist die im Jahr 2011 erfolgte Aufnahme von fünf Buchenwäldern in Deutschland in die Liste der Welterbes. Foto: Renate Scheer
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13 Winter im Buchenwald (Landkreis DA-Dieburg, 7.1.2022). Foto: Renate Scheer

Hier wird der Anteil der Baumart Buche nach heutigen Einschätzungen steigen, da sie sich wie auch andere Edellaubbäume verstärkt auf derzeitigen Fichtenstandorten (23 bis 24 % des Waldes) ausbreiten kann und Fichtenanteile ersetzen wird. Auf der Geest hingegen mit überwiegend nährstoffarmen und häufig trockeneren Böden wird die Buche künftig nicht mehr die "führende" Baumart sein, sondern als Misch- und Begleitbaum² auftreten.

Klimawandel bedeutet nicht nur höhere Temperaturen und geringere Niederschläge, sondern häufig auch eine Veränderung der saisonalen Verteilung der Niederschläge: außerhalb der Vegetationszeit sind sie für Laubbäume wenig nutzbar. Auch die vermehrt auftretenden Starkregen bringen wegen des häufig oberflächlich abfließenden oder verdunstenden Wassers wenig für eine Tiefendurchfeuchtung der Böden. Das pflanzenverfügbare Wasser im Boden - nutzbare Feldkapazität - wird somit zu einem entscheidenden Kriterium bei der Standortwahl. In den vergangenen Jahren wurden die Bodenwasserspeicher zum Teil nicht mehr ausreichend aufgefüllt, an manchen Orten gibt es Wasserdefizite bis zu 300 Millimeter Niederschlagsäquivalent pro Jahr. Auf sandigen Böden wirkt sich ein Rückgang der Niederschläge besonders gravierend aus, 2017 betrugen diese zum Beispiel im Revier Hasselbusch 1100 Millimeter, 2018 und 19 waren es noch circa 600 Millimeter. Auf solchen Standorten ist die Buche gefährdet, als Misch- und Begleitbaumart wird sie aber weiter Bestand haben.

Das Temperaturoptimum der Buche liegt bei 8 bis 12 Grad Celsius im Jahresmittel, an einigen Stellen werden diese Temperaturen überschritten. Die Frage, ob man Buchenherkünfte aus anderen Ländern und Regionen wie Sizilien berücksichtigt, darf in Anbetracht des komplexen Gefüges eines Waldes, zu dem auch unzählige Tierarten gehören, nicht vorschnell entschieden werden, eventuell könnten sonst neue unvorhergesehene ökologische Ungleichgewichte entstehen. Die Einbeziehung nichteinheimischer Baumarten wird seit vielen Jahren praktiziert. Dabei werden Gehölze verwendet, die seit über 100 Jahren wissenschaftlich begleitet werden und die als nicht invasiv gelten, zum Beispiel Douglasie (Pseudotsuga menziesii), Küsten-Tanne (Abies grandis), Japanische Lärche (Larix kaempferi) und Rot-Eiche (Quercus rubra), die Einmischung beträgt in den Forsten bis zu 20 Prozent.

Die Verjüngung der Buche - und auch aller anderen Baumarten - erfolgt zu zwei Dritteln durch Naturverjüngung, so bilden die Pflanzen ein besseres Wurzelwerk aus. Gepflanzt wird überwiegend dort, wo es keine Buchen gibt, etwa in den 11 Prozent Fichtenreinbeständen, um auch diese in stabile Mischwälder umzubauen.

Ein vollständiger Ausfall der Buche ist bisher nicht zu beobachten, dies liegt vermutlich an dem hohen Anteil von Mischbeständen sowie den nach wie vor für die Buche relativ günstigen Klimabedingungen und besonders der hohen Luftfeuchte in Schleswig-Holstein. Da aber die Zahl an devitalisierten Bäumen zunimmt, ist mit einem deutlichen Anstieg von Pilzbefall zu rechnen (Bosse, mdl. 2022).

Schlussbetrachtung

Nach 1990 wurde die Rotbuche zum zweiten Mal "Baum des Jahres". Nicht ihre außerordentliche Schönheit veranlasste die Juroren zu einer erneuten Wahl, sondern die Sorge, diese für das Ökosystem so wichtige Baumart zu verlieren. Davon wurde im Beitrag berichtet. Die Prognosen hinsichtlich des Temperaturanstiegs sehen Klimaforscher deutlich ernster als Politiker, die sich nicht trauen, Ihren Wählern das Fremdwort "Verzicht" zuzumuten.

Pflanzensoziologen der TU München erstellten für die bayerischen Waldgesellschaften ein Szenario, welches zeigt, dass bei einer mittleren Temperaturerhöhung von 4 Grad Celsius auf fast 100 Prozent der Flächen Bayerns fast alle bisherigen Waldgesellschaften verschwinden (Mergner et al., 2020).

1990 erschien Günter Grass' Buch "Totes Holz", in dem er sehr präzise das Sterben der Bäume darstellt. Ein paar Sätze aus seinem Nachwort sollen daher den Artikel beschließen: "Vom Sommer achtundachtzig bis in den Winter neunundachtzig hinein zeichnete ich, . . . , totes Holz. - . über den Wald, wie er stirbt, steht alles geschrieben. Über Ursachen und Verursacher. Was ihn retten, überhaupt oder teilweise retten könnte. Und immer wenn die Waldschadenserhebung pünktlich im Herbst vorliegt, schweben Leitartikel und Kommentare ein, die zutiefst besorgt beginnen und jeweils vorm Schlußpunkt zu hoffen wagen. Alles - auch daß es gleichbleibend fünf vor zwölf ist - wird gesagt. Nichts muß verschwiegen werden. Wir leben in einem Land, dessen Freiheit geräumig ist; weshalb allen Bürgern (von Kindheit an) "freie Fahrt" zugesichert bleibt. Kahlschlag in unseren Köpfen. Was bringt Menschen dazu, Wälder sterben zu lassen? Unter Bedauern, gewiß, aber doch achselzuckend, als habe der Wald sich ohnehin überlebt . . . " (S. 103, 104, 106).

Anmerkungen

¹ Detaillierte Informationen findet man unter: elifesciences.org/articles/65532

² Mischbaum: Bäume, die in einer Gesellschaft mit hohem Anteil vertreten sind; Begleitbaum: der Anteil beträgt 1-max. 20 %

Literatur

Literatur siehe Teil I, Stadt+Grün 07-2022, S. 44

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