Baumkontrollintervall
Notwendigkeit von Hubsteigerkontrollen
von: Ass. jur. Armin BraunIn der Nacht vom 02. auf den 03.08.2019 parkte die Klägerin ihr Fahrzeug in einer Straße der beklagten Stadt. Von einer städtischen Robinie auf dem angrenzenden Bürgersteig brach ein großer Ast ab, stürzte auf das Fahrzeug und verursachte hierdurch einen Totalschaden. Die letzte Regelkontrolle des Baums durch die Stadt vor dem Schadeneintritt fand am 21.08.2018 ohne Befund statt.
Das LG Frankfurt a. M. hat der Klage durch Urteil vom 21.10.2020 – 2–4 O 279/20 – in Höhe von mehr als 6500 Euro ohne Beweisaufnahme stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Berufung hat das OLG Frankfurt nach Beweisaufnahme durch Sachverständigengutachten als unbegründet zurückgewiesen.
Das Landgericht hat der Klage mit der Begründung stattgegeben, eine schadenursächlich gewordene Verletzung der Verkehrssicherungspflicht liege bereits darin, dass die beklagte Stadt den Baum nur jährlich statt halbjährlich abwechselnd in belaubtem und unbelaubtem Zustand kontrolliert habe.
Bei Vornahme einer halbjährlichen Regelkontrolle wäre ein Handlungsbedarf festgestellt worden. Hierfür spreche eine tatsächliche Vermutung, die die Beklagte nicht erschüttert habe. Das OLG ist der Klage stattgebenden Entscheidung der Vorinstanz nach Beweisaufnahme durch Sachverständigengutachten im Ergebnis, aber nicht in der Begründung, gefolgt.
Gegenstand des Sachverständigenbeweises war die Notwendigkeit von Halbjahreskontrollen sowie die Notwendigkeit einer Fällung des Baumes wegen bestehender Schäden schon vor dem Schadenereignis. Das OLG referiert zunächst die vom BGH entwickelten Grundsätze der Verkehrssicherungspflicht für Straßenbäume und legt anschließend detailliert den aktuellen Stand der kontroversen Rechtsprechung zum Baumkontrollintervall dar.
Nach Beweisaufnahme hält das OLG es für rechtmäßig, dass die Beklagte ihrer Dienstanweisung zur Baumkontrolle die FLL-Baumkontrollrichtlinien und deren differenzierte Baumkontrollintervalle zugrunde legt.
Auf Grundlage des Sachverständigengutachtens stellen nach Auffassung des Gerichts die FLL- Baumkontrollrichtlinien den aktuellen fachlichen Standard bei der Baumkontrolle dar. Danach kommt vorliegend grundsätzlich eine jährliche Baumkontrolle des schadenursächlich gewordenen Baumes als ausreichend in Betracht.
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Allerdings sehen die FLL-Baumkontrollrichtlinien in begründeten Ausnahmefällen auch kürzere Baumkontrollintervalle vor. Diese Voraussetzungen haben ausweislich des Sachverständigengutachtens für das Gericht hier vorgelegen. Die Beklagte habe die mangelnde Vitalität der Robinie aufgrund des äußeren Erscheinungsbildes der Baumkrone nicht hinreichend berücksichtigt. Die Baumkrone sei ausgesprochen schütter gewesen und habe viel Totholz aufgewiesen. Dieser Zustand müsse auch bereits bei der letzten Regelkontrolle bestanden haben. Die wiederholte Beseitigung von Totholz und von Starkästen in den letzten Jahren hätten nach Einschätzung des Sachverständigen das gewöhnliche Maß überstiegen und seien ein Hinweis auf die Beeinträchtigung der Vitalität des Baumes gewesen. Danach habe vorliegend die Notwendigkeit einer Verkürzung des Baumkontrollintervalls bestanden sowie einer zusätzlichen Kontrolle des Kronenbereichs mittels Hubsteigers oder Baumkletterers. Hierbei wäre die vorhandene Weißfäule des Baumes aufgefallen, und infolgedessen wäre es zumindest zu einer Kroneneinkürzung vor dem Schadeneintritt gekommen, wenn nicht sogar zur Fällung des Baumes. Folglich sei ein Versäumnis der beklagten Stadt bei der Baumkontrolle schadenkausal geworden. Auf die Auffassung des Landgerichts, bei Verletzung einer Kontrollpflicht spreche eine tatsächliche Vermutung dafür, dass ein verkehrswidriger Zustand entdeckt werde, komme es daher nicht an.
Die Entscheidung des OLG Frankfurt ist insofern begrüßenswert, als ein weiteres OLG die FLL-Baumkontrollrichtlinien und deren differenzierte Baumkontrollintervalle als aktuellen Stand der Technik akzeptiert.
Zugleich lässt sich der Entscheidung zutreffend entnehmen, dass die FLL-Baumkontrollrichtlinien im Einzelfall korrekt angewendet werden müssen. Dies schließt insbesondere eine starre Anwendung der differenzierten Baumkontrollintervalle aus. Im Einzelfall muss immer daran gedacht werden, ob nicht ausnahmsweise eine Verkürzung des Jahreskontrollintervalls notwendig ist oder die Anordnung weitergehender Maßnahmen wie beispielsweise Hubsteigerkontrollen oder Kontrollen durch Baumkletterer.
Ass. jur. Armin Braun, GVV Kommunalversicherung