Rückblick auf internationales Pflanzendesign-Symposium
"The Dynamic Vision" – lasst uns vorwärtsgehen!
von: Maja Coletti
Einem von Bettina Jaugstetter und Anna Lena Hahn (Atelier Za'atar) initiierten und der Gesellschaft der Staudenfreunde e. V. organisierten Kongress – dem "Perennial Event of the Year", wie Nigel Dunnett so treffend formulierte, also der "Staudenfreunde-Party des Jahres", um es mal salopp zu übersetzen.
450 passionierte Teilnehmer*innen haben sich während der BUGA in Mannheim im Luisenpark eingefunden, um spannende Vorträge zu hören und sich mit Gleichgesinnten auszutauschen. Pflanzplaner*innen und nicht bund-designer, Gärtner*innen, Landschaftsarchitekt*innen und Praktiker*innen reisten aus beinahe 30 Ländern an, wie zum Beispiel aus Japan, Argentinien, den USA, Südkorea, Australien, Kanada, Brasilien, Chile und fast allen europäischen Ländern, und lauschten begeistert den Referent*innen. Ein Stelldichein der ganz Großen aus der Gartenplanungsszene! Aus verschiedenen Blickwinkeln und persönlichen Erfahrungen wurde über das Hauptthema "Design und Unterhalt von naturalistischen Pflanzgemeinschaften im öffentlichen Raum" sowie über weitere themenverwandte Projekte referiert. Ob Referierende oder Teilnehmende, überall fand ein spannender Austausch statt, Networking wurde betrieben und Freundschaften gepflegt oder entstanden gar neu.
Dr. Noel Kingsbury eröffnete das Symposium mit einem imposanten Plädoyer für eine "neue Natur" als mögliche Antwort auf die sich verknappende natürliche Landschaft, die wir Menschen für unsere Nahrungsmittelproduktion und unseren Lebensraum permanent monotoner gestalten. Diese neuen ökologisch-dynamischen Pflanzungen sollten jedoch nicht nur naturalistisch-ästhetisch anmuten, sondern tatsächlich mit einer hohen Artenvielfalt einhergehen. Diesen zugleich ästhetischen und ökologischen Ansprüchen nachzukommen, bedeutet keineswegs die Quadratur des Kreises. Dies illustrierte er anhand vieler großartiger Beispiele aus seinem Buch "Wild – The Naturalistic Garden", denen allesamt anstelle der häufig gängigen Praxis des konservierenden Unterhalts mehr die Form eines Managements eigen ist. Pflege wird also als fortlaufendes Gestalten verstanden. Kingsbury wies auf die zahlreichen Vorteile ökologisch-dynamischer Pflanzungen gegenüber naturalistisch-ästethischen hin, wie etwa höhere Pflanzendichte, Komplexität des Erscheinungsbildes und ihre insgesamt höhere Stresstauglichkeit. Gehölze sollten vermehrt verwendet werden und nicht die geografische Herkunft sollte die Pflanzenauswahl bestimmen, also eine Loslösung vom "guten" Einheimisch und "bösen" Nicht-Einheimisch wäre wünschenswert. Vielmehr bedarf es sinnvolleren Auswahlkriterien wie etwa ökologischer Wert, Konkurrenzfähigkeit, invasives Potenzial, ästhetischer Wert oder Regenerationsfähigkeit, wie er am Beispiel des Hermannshofs in Weinheim deutlich machte.
SUG-Stellenmarkt



Wie vielfältig und komplex das Thema naturalistische Pflanzungen ist und die daraus entstehenden Herausforderungen in der Praxis sein können, zeigten die Referent*innen, welche alle über langjährige Praxiserfahrungen verfügen eindrücklich an unterschiedlichsten Beispielen auf.
Tief beeindruckte die Brasilianerin Mariana Siqueira, die mit Charme und Witz von ihrem beschwerlichen Weg erzählte, wie sie in ihrer Heimat zur Wegbereiterin für die Verwendung einheimischer Arten und naturalistischer Pflanzungen in der brasilianischen Gartengestaltung wurde. Inspiriert von Piet Oudolfs Pflanzungen (er saß im Publikum) beabsichtigte sie, für ihre Kunden naturalistische Pflanzungen im Stil der örtlichen Cerrado-Savanne zu schaffen, scheiterte aber zuerst an der Beschaffung einheimischer Stauden, da es in brasilianischen Gärtnereien und Baumschulen lediglich einheimische Bäume zu kaufen gab. So schloss sie sich anderen passionierten Mitstreitern an, die bereits erfolgreich Saatgut sammelten für die Wiederherstellung degradierter Gebiete der Cerrado, Heimat von mehr als 12.000 beschriebenen Pflanzenarten, von denen etwa 40 Prozent endemisch sind. Welch bemerkenswertes Potenzial in der Cerrado vorhanden ist, zeigte das begeisterte Aufseufzen des Saals beim Anblick des Fotos einer fantastischen Staude, die an überdimensional große Pusteblumen erinnerte. Für ihre Projekte experimentierte Siqueira auf Versuchsflächen zu den Erfolgschancen von Pflanzung und Aussaat, Reaktionen auf Rückschnitt und vielem mehr. Zudem legte sie ein umfangreiches Herbarium an, wobei ihr klar wurde, wie viele der gesammelten Pflanzen noch gänzlich unbekannt sind. Was für ein großartiges Engagement!
Ein jeder der Referent*innen wusste das Publikum mit den unterschiedlichsten Themen zu fesseln. So berichtete John Little von seinen Experimenten mit Pflanzensubstrat aus Inertstoffen, Bauschutt und derlei in seinem Garten Hilldrop in Essex Großbritannien, wie zum Beispiel Wildblumenwiesen, die auf geschredderten WC-Schüsseln und Lavabos erblühen. Bedeutsame Erfahrungen in einer Zeit sich verknappender Ressourcen und der dringenden Notwendigkeit zu mehr Nachhaltigkeit! Zudem beleuchtete er die Wichtigkeit von "wilden" Flächen in der Stadt und argumentierte weniger für die einzelnen Pflanzen als dafür, die Topografie und strukturelle Komplexität der Landschaftsgestaltung zu fördern. Ein Anliegen, dem er bei seinen Projekten selbst auf kleinstem Raum mit dem von ihm konzipierten Gründächern, die jeweils auch Brut- und Überwinterungsräume enthalten, nachkommt.
Die französische Botanikerin und Ingenieurin für tropische Agronomie Veronique Mure setzte mit wunderschön illustrierten botanischen Zeichnungen von Thérèse Rautureau die für uns meist unsichtbaren Wurzeln der Pflanzen, ihre faszinierenden Eigenheiten und ihre Verbindungen zueinander in den Mittelpunkt und welch wichtige Bedeutung diese noch kaum erforschten Kenntnisse für klimataugliche Pflanzungen haben. Eine Feststellung, auf die auch Noel Kingsbury bereits hinwies. Nebst dem Schwerpunkt "Roots Gardening" hob auch Mure in ihrem Referat hervor, dass keine Pflanzenformation statisch bleibt, Sukzession also immer ein wesentlicher Bestandteil der Habitate ist, und dazu gehören auch Gärten.
Ohne Eingriffe, ob durch Beweidung von wilden oder domestizierten Tieren oder gärtnerisch von uns Menschen würden sich die meisten unserer Lebensräume natürlicherweise zu Wald entwickeln. Eine Aussage, die bereits John Little mit einem Foto einer grasenden Kuh und seinem rasenmähenden Bruder auf amüsante Art und Weise darzustellen wusste.


Auch der großartige Gilles Clément merkte mit feinem Lächeln an, dass man nur Geduld haben müsse – die Natur werde immer kommen, man brauche nur abzuwarten. Das Wissen, wie mit dieser Dynamik gestalterisch umzugehen ist und mit welchen Möglichkeiten, hat der mehrfach ausgezeichnete Gartenbauingenieur, Landschaftsgärtner, Professor, Künstler, Entomologe, Botaniker und Autor in zahlreichen Büchern, in den von ihm gestalteten Anlagen und seinem privaten Garten schon mehrfach eindrücklich aufgezeigt. Clément ist Gärtner durch und durch. Seine profunden Ökologiekenntnisse durch genaues Beobachten der Natur und die direkte Arbeit mit ihr führten zum von ihm definierten Konzept des bewegten Gartens (Le Jardin en Mouvement), gemäß welchem in jeder natürlichen Landschaft Pflanzen zirkulieren und sich den für sie am besten passenden Ort suchen. Das Planen solcher Landschaften bedarf fundierten Wissens – sowohl über den Ort als auch die Umgebung. Unterhalt dieser bedeutet, durch solide Kenntnisse einzugreifen, um das gewünschte Erscheinungsbild der Gestaltung jeweils herauszuarbeiten.
Eine immer wieder neu zu definierende "ästhetische Auflösung". Im Berufsalltag ein (noch) nicht ganz einfach umzusetzender Ansatz, der jedoch aufzeigt, wohin sich die grüne Branche entwickeln könnte. Zum Beispiel, wenn Planung und Unterhalt von Beginn an miteinander Hand in Hand arbeiten würden. Auf die Schwierigkeit, dass gerade dynamische Pflanzungen und Blackbox Gardening ein sehr sachkundiges Moderationsteam benötigen, verwies auch Jonas Reif in seinem Vortrag. Fehlt dieses, müsste eventuell die Fläche angepasst oder der dynamische Anteil verringert werden.
Die Auswahl und Anordnung der Pflanzen geben die Dynamik der Pflanzung vor. Punkt. Mit dieser Aussage machte der amerikanische Staudengärtner und Gartengestalter Roy Diblik deutlich, dass bereits während der Planungsphase die Auswahl und Zusammensetzung der Pflanzen und die Wahl des Substrats darüber entscheiden, ob und wie lange Staudenbeete erfolgreich funktionieren können, also noch lesbar sind.
Als weitere wichtige Voraussetzung nennt er die Pflegenden mit ihrer Pflegepraxis und soliden Pflanzenkenntnissen. Was in der Praxis bekanntlich eine der größten Herausforderungen darstellt, zumal meist während der Planungsphase noch nicht bekannt ist, wer die Anlage dereinst unterhalten wird. Weshalb es für Gestalter und Pflegende gleichermaßen essenziell zu wissen wäre, woher die Pflanzen ursprünglich kommen, welche Habitate, Boden- und Lichtverhältnisse dort vorherrschen und wie sie agieren und sich regenerieren, um langfristig stabile und gesunde Pflanzungen aufrecht zu erhalten. Dass diese auch dem designverwöhnten Auge zu gefallen wissen, haben alle Referenten mehrfach bewiesen, so auch Diblik mit seinem "Watercolor Style of Gardening" und Cassian Schmidt sowieso, der sich Inspirationen und Vorlagen in fast allen Teilen der Welt holt und diese mit seinen immensen Fachkenntnissen und großem ästhetischem Sinn an die jeweiligen Orte hier bei uns standortgerecht anpasst.


Apropos Ästhetik, Bettina Jaugstetters Pflanzungen muss man einfach gesehen haben, sie umwehen eine Nonchalance der Selbstverständlichkeit, die fundiertem Fachwissen entstammen und ihrem steten Bemühen, die Bedeutung der Pflege bei der Entwicklung und schlussendlich auch bei der Erhaltung von Staudenbeeten zu vermitteln. Ein wichtiges Thema, das in der Aus- und Weiterbildung deutlich mehr Platz erhalten sollte! Pflege heißt nicht, einfach nur jäten und zurückschneiden, es bedeutet auch, die Pflanzensoziologie zu verstehen und moderieren zu können.
Dies ist auch ein großes Anliegen der aus England angereisten Psychiaterin Dr. Sue und des Landschaftsarchitekten Tom Stuart-Smith, so dass das Ehepaar 2023 ein Projekt startete, um Wissen und die Vorteile des Gärtnerns einer breiteren Schicht aktiv näher zu bringen – ob Laien oder Fachleute. Dazu legten sie unter anderem eine bereits mehr als 1200 Arten umfassende, nach Pflanzengemeinschaften gegliederte Pflanzenbibliothek in einem Raster an. Nebst dem Serge Hill Project schilderte Tom Stuart-Smith die Entstehung und Entwicklung seines mit Saatgut angelegten Gartenteils im Stile der Prärie mit all ihren Herausforderungen, wie Millionen von keimenden Weidensämlingen oder den sich invasiv ausbreitenden Asternarten Symphyotrichum oblongifolium und S. oolentangiense. Wertvolle Erfahrungen, die sich in dem von ihm und Professor James Hitchmough, seinem ehemaligen langjährigen Mitarbeiter gestalteten außergewöhnlichen Walled Garden im Knepp Estate auszahlten.
Zudem erörterte Sue Stuart-Smith anhand ihres Bestsellers "The Well-Gardened Mind" (auch auf Deutsch erschienen unter dem Titel "Vom Wachsen und Werden"), wie Gärtnern tiefe existenzielle Bedürfnisse befriedigen kann.
Auch Nigel Dunnett, Professor für Pflanzenverwendung und Urban Gardening an der Universität in Sheffield, erklärte anhand unterschiedlichster Projekte, wie sich jeweils Dynamik und Pflege entwickeln und gestalten. So in den trockenheitstoleranten und pflegeextensiven Staudenpflanzungen im Barbican Center, einem Pionierbeispiel einer an den Klimawandel angepassten Landschaft mitten in London, den Regengärten und Sickermulden in Sheffield und den temporären farbintensiven annuellen Ansaaten im Olympic Park 2012 und rund um den Tower of London 2022. Eindrücklich beschrieb er die Umgestaltung des Wassergrabens, angefangen bei der Inspiration durch ein Bild von William Turner, über das fulminante, jedoch fein aufeinander abgestimmte Blumenmeer bis hin zur regulierten Sukzession in eine neue ökologischere Naturlandschaft anstelle der einstigen Rasenflächen rund um den Tower. Ungeachtet der jeweiligen Größe der Flächen ist Dunnett bestrebt, naturalistische Pflanzungen zu schaffen, die positive Emotionen in uns Menschen auslösen und uns bestenfalls in diese eintauchen lassen. Laut Dunnett werden Gärten in Zukunft vermehrt in den Straßen sein.


Welches Potenzial das beinhalten kann, dafür finden sich nebst Sheffield auch in London und Amsterdam bemerkenswerte Beispiele, wie die beiden Landschaftsarchitekten Giacomo Guzzon und Ton Muller mit zahlreichen Bildern ihrer Arbeiten aufzeigten.
In einer Gegenüberstellung von sonnigen und schattigen Bepflanzungshabitaten legten sie die Unterschiede und ihre daraus resultierenden verschiedenen Herangehensweisen bei der Planung und des Unterhalts dar. Eindrücklich zeigten sie auf, welch wichtige Rolle Pflanzen in den Städten innehaben können, also jenseits vom Bodendeckerblues und verstümmelten Sträuchern durch Heckenscherenfanatiker. So vermögen standortgerechte Pflanzungen bekannterweise wertvolle Beiträge zur Hitzereduktion und bei Starkregenereignissen als Retentionsflächen und Versickerungsbecken dienen, aber vor allem schaffen die im Design ansprechenden Pflanzungen Identität, Atmosphäre und Charakter in den Häuserschluchten. Kleines
Beispiel gefällig? Die High Line in New York hat es längst in die gängigen Reiseführer geschafft. (Noch) weniger bekannt, aber geradezu eine Vorzeigestadt in Sachen Stadtgrün ist die französische Stadt Nantes, Gastgeberin 2025 des IFLA-Kongresses. Dort werden Sperrflächen in Grünflächen verwandelt, aus einem eingedolten Bach wird ein Wasserfallhabitat mit vielfältiger Bepflanzung oder bepflanzte Inseln werden im Kanal verankert. Nantes, das sich erfolgreich auf dem Weg von der "Stadt der 101 Gärten" zur "Stadt in einem Garten" befindet, wie Jacques Soignon, ehemaliger Direktor der Abteilung für Grünflächen der Stadtverwaltung, eindrücklich aufzeigte. Ja, die beiden Tage in Mannheim hinterließen tiefe Eindrücke, die durch Harald Sauers fantastische Pflanzungen beim BUGA-Eingang noch befeuert wurden. Begeisterung und Passion waren allgegenwärtig spürbar, wo alle zu einer großen Familie der Pflanzdesignbegeisterten verschmolzen. Vereint durch Glückseligkeit auslösende Bilder, Vorträge und Gespräche, die aufzeigten welch großartige Dynamik in der grünen Branche im Gange ist.