Übersicht aktueller Pflanzenverwendungs-Konzepte

Die Rabatte ist tot, es lebe ...

Pflanzenverwendung Gartengestaltung und Grünflächengestaltung
Geophyten – Krokusblüte im Schlosspark Husum. Foto: Pump Nordharstedt

Die aus Parkanlagen und von Stadtplätzen verschwundenen Rabatten und Schmuckpflanzungen werden oft als Sinnbild für die Unterfinanzierung des öffentlichen Grüns herangezogen. Dabei wird übersehen, dass sich in den vergangenen Jahrzehnten nicht nur die finanziellen Spielräume der Kommunen gewandelt haben, sondern auch die Ansprüche und Erwartungen der Nutzer, die Größen und Typen von Grünflächen sowie die Technik zur Pflege. In der Gesamtheit führten diese Entwicklungen in den vergangenen 25 Jahren zu einem erheblichen Innovationsbedarf nach zeitgemäßen Pflanzenverwendungs-Konzepten (vgl. Kühn 2008). Dieser Artikel stellt die unterschiedlichen Ansätze, ihre Einsatzgebiete und die Tendenzen in der Fortentwicklung vergleichend gegenüber.

Sommerblumenansaaten

Mit der Ansaat von unter mitteleuropäischen Klimabedingungen einjährigen Arten können attraktive Bilder erzeugt werden, die Staudenrabatten an Blütenfülle übertreffen. Ihre Vorbilder finden sich in Europa vor allem in der Begleitflora des traditionellen Ackerbaus (Klatschmohn), bodenverbessernden Zwischenbegrünungen (Lupinen) und Acker-Ölfrüchten (Sonnenblumen, Raps), die farblich intensiv, aber nur kurzzeitig (<2 Wochen) wirksam sind. Mit dem aus Parkanlagen bekannten, sehr kostenintensiven Wechselflor haben die großflächigen Ansaaten nur wenig gemein, sondern stehen in Wirkung, Charakteristik und Kosten eher zwischen (urbanen) Wiesen und extensiven Staudenpflanzungen.

In den vergangenen Jahren wurden verschiedene Sommerblumenmischungen entwickelt, die fast über die gesamte Vegetationsperiode blühen und den Anforderungen an städtisches (Verkehrsbegleit-)Grün gerecht werden. Den größten Bekanntheits- und Verbreitungsgrad hat der sogenannte "Mössinger Sommer" erreicht, der vom Leiter der Stadtgärtnerei Mössingen, Dieter Felger, über mehr als ein Jahrzehnt entwickelt und optimiert wurde. Heute bieten mehrere Saatguthändler Mischungen für das öffentliche Grün an, die zum Teil auf Felgers-Sortenspektrum aufbauen. Zuletzt wurden vermehrt Mischungen mit vergleichbarem Artenmix aus Frankreich offeriert.

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Pflanzenverwendung Gartengestaltung und Grünflächengestaltung
Sommerblumen – Moessinger Sommer. Foto: Dieter Felger

Diese Ansaaten stellen eine preiswerte Alternative zu anderen Begrünungsformen dar, setzen jedoch wie diese eine entsprechende Vorbereitung des Standorts voraus. Da diese dann jährlich erfolgen muss und in der Regel nur chemisch (Roundup oder ähnliche Mitte) wirkungsvoll zu realisieren ist, wird deren Nachhaltigkeit und Umweltverträglichkeit durchaus kritisch gesehen. Andererseits bietet vielleicht gerade diese Methode zukünftig eine passende Antwort auf die immer schnelllebiger und flexibler werdende Gesellschaft. Welche eindrucksvolle Wirkung von großflächigen Sommerblumenansaaten ausgehen kann, zeigte Nigel Dunnet im Juli 2012 mit seinen Einsaaten rund um das Olympiastadium in London.

Extensive Staudenpflanzungen

Pflegeleichte Staudenpflanzungen haben im vergangenen Jahrzehnt wohl am stärksten das Stadtgrün verändert. Bis Mitte der 1990er Jahre galten Staudenpflanzungen wegen der intensiven Pflege hierfür als zu teuer. Daran konnten auch die Pflanzungen nach Lebensbereichen, im englischsprachigen Raum als "New German Style" bezeichnet, vorerst nichts ändern. Erst Konzepte, die "stress"-spezialisierte Pflanzengemeinschaften vorsahen (nach der CSR-Theorie von J. Philip Grime), gelang hinsichtlich der Pflegereduzierung ein Durchbruch. Die Unterhaltungskosten konnten durch die Verwendung mineralischer Mulchschichten nochmals deutlich reduziert werden. Ein Evolutionssprung gelang gar mit der "Erfindung" der wiesenähnlichen Mischpflanzungen. Diese an den Hochschulen und Versuchsanstalten entwickelten und erprobten Mischungen können ohne größeren Planungsaufwand übernommen und an die jeweilige Flächengröße angepasst werden. Heute werden über 50 verschiedene Mischpflanzungen in allen größeren Gärtnereien und teils auf eigenen Marketingplattformen (wie www.durchgeblüht.de) angeboten. Neu auf dem Markt sind Mischungen, die für (Halb-) Schattenstandorte im öffentlichen Grün konzipiert sind.

Damit bilden sie bereits eine Überleitung zu den parallel verlaufenden Untersuchungen zu den C-orientierten Pflanzengemeinschaften. Die aus konkurrenzstarken Pflanzen bestehenden Zusammenstellungen eignen sich vorwiegend für feuchte und nährstoffreiche Standorte. Versuche hierzu werden unter anderem in Wädenswil und im Schau- und Sichtungsgarten Hermannshof durchgeführt. Bei den vorwiegend aus europäischen Arten bestehenden Gemeinschaften hat sich unter anderem schon gezeigt, dass ein zweiter jährlicher Rückschnitt im Sommer förderlich ist.

An der TU Berlin laufen Versuche zur Nutzung von ruderalen Hochstaudenfluren, die charakterlich einen Übergang von Staudenpflanzungen zu Wiesen darstellen.

Urbane Wiesen

Unter dem Begriff Urbane Wiesen werden wiesenartige Vegetationsformen in Ballungsräumen und deren Peripherie zusammengefasst. Im Gegensatz zu deren naturnahen Vorbildern stehen hier nicht primär die landwirtschaftlichen Nutzwerte, sondern vielmehr gestalterische und naturschutzfachliche Ziele im Vordergrund. Die häufig beworbene Blütenfülle der "Blumenwiesen" beschränkt sich in der Regel auch bei den gestalterisch aufgewerteten Mischungen auf die ersten Bestandsjahre. Für temporäre Ereignisse, wie Bundesgartenschauen, können diese durchaus erfolgreich Einsatz finden (wie zum Beispiel von Wolfram Kunick auf der BUGA 1999 in Magdeburg). Mit der Etablierung der konkurrenzstarken Gräser werden jedoch die auffällig blühenden, zumeist kurzlebigen Arten verdrängt. Vergleichsweise wenige langlebige Wiesenkräuter lockern das Bild dann noch auf. Naturnahe Vorbilder sind die offenen, gehölzarmen, von Gräsern und Kräutern dominierten Landstriche der Erde. Dazu zählen neben den mitteleuropäischen Wiesen und (Halb-)Trockenrasen auch die Prärien Nordamerikas oder die Steppen Osteuropas und Zentralasiens.

In aktuellen Wettbewerben bedienen sich Landschaftsarchitekten verstärkt des Motivs der bunt blühenden Wiese als Sinnbild eines unbeschwerten Naturerlebnisses. Sie ermöglichen eine schnelle und preiswerte Begrünung und bilden für große, extensiv genutzte Freiräume eine wertvolle Ergänzung zu intensiv nutzbaren Rasenflächen.

Innerhalb der Stadt schaffen Wiesen eine wichtige Verbindung zwischen Gestaltung und Naturschutz. Diese Eigenschaft wird bei der Suche nach Leitbildern in der stetig zunehmenden Verstädterung der Landschaft auch zukünftig eine wichtige Rolle spielen.

Geophyten

Das Motiv verwilderter Zwiebel- und Knollenpflanzen ist schon länger bekannt und gewann durch William Robinsons Buch "The Wild Garden" Ende des 19. Jahrhunderts stark an Popularität. Durch Versamung, Brutzwiebeln oder Ausläufer vermehrende Geophyten waren bis zur Jahrtausendwende vor allem in Privatgärten oder als Stinzenpflanzen in historischen Parkanlagen bekannt. Seitdem 2002/3 Ergebnisse von Dauerhaftigkeitsbeobachtungen aus Höxter und Weinheim veröffentlicht wurden, ist eine verstärkte Geophyten-Verwendung im öffentlichen Grün zu beobachten. Insbesondere der Aspekt der nicht vorhandenen Folgekosten wird bei der extensiven Geophytenverwendung als vorteilhaft angesehen.

Das saisonale Hervortreten der Arten aus der Fläche zieht die Aufmerksamkeit der Betrachter an sich und macht den besonderen Reiz aus. Der Erlebniswert ist besonders hoch, wenn es sich um zeitig blühende (Vorfrühlings)-Geophyten handelt, die den "grauen Winter" beenden.

In den meisten Kommunen beschränkt sich der Einsatz von Blumenzwiebeln auf kleine Flächen, nur selten werden diese so konsequent und umfangreich wie in Stuttgart eingesetzt. Konzepte, die gar eine strategische Verwendung dieser Pflanzen im gesamten Stadtbild vorsehen, sind noch eine Seltenheit. Noch relativ neu sind Maschinen, die großflächige Pflanzungen kostengünstig ermöglichen. Für diese Zwiebelpflanzer werden abgestimmte Mischungen angeboten, die allerdings nicht auf Dauerhaftigkeit optimiert sind. Derzeit laufen an der TU Dresden Untersuchungen, unter welchen Bedingungen sich Geophyten dauerhaft in Rasenflächen, Mineralmulch- und klassischen Staudenpflanzungen integrieren lassen.

Pflanzenverwendung Gartengestaltung und Grünflächengestaltung
Braun-Rote Coppicing – Versuchspflanzung im Alaunpark Dresden. Foto: Jonas Reif

Coppicing

Bis ins 20. Jahrhundert waren regelmäßiges "Auf-den-Stock-setzen" und "Köpfen" von Gehölzen (engl. coppicing und pollarding) zur Gewinnung von Viehfutter, Bau- und Brennmaterial weit verbreitet. In Anlehnung an traditionelle "Mixed Borders" in England experimentierte Nigel Dunnett (Universität Sheffield) in den 1990er Jahren mit regelmäßig zurückgeschnittenen Gehölzen in Staudenpflanzungen. Da der Rückschnitt in der Regel im Februar/März ausgeführt wird, bleiben im Winter kräftige Strukturen erhalten. Einige Arten und Sorten bereichern die Szenerie zu dieser Zeit zusätzlich mit leuchtenden Rindenfarben. Viele Gehölze reagieren auf den Schnitt mit starkem Stockaustrieb und dekorativ vergrößerten Blättern. Zudem haftet das Laub an den kräftigen Trieben bis zu zwei Wochen länger und sorgt für eine verlängerte Vegetationsperiode. Buntlaubige Auslesen verleihen Pflanzungen über mehrere Monate eine auffallende Farbigkeit. Der meist bodennahe Schnitt sorgt nicht nur für ein abwechslungsreiches Erscheinungsbild, sondern begünstigt auch eine hohe Artenvielfalt.

Je nach Schnittintervall können die Gehölzvolumen auf die städtebauliche Umgebung und Nutzung abgestimmt werden, angefangen bei hüfthohen, überschaubaren Pflanzungen bis hin zu überkopfhohen, raumbildenden Niederwaldbeständen. In Abhängigkeit von Größe, Gestaltungsintensität und vorherrschendem Arteninventar (zum Beispiel in Kombination mit Stauden) können Coppicing-Pflanzungen daher auch zu den extensiven Staudenpflanzungen und urbanen Wäldern (Kurzumtriebs-Plantagen) gezählt werden.

Seit 2012 werden in einem Dresdner Stadtpark Stauden-Coppicing-Pflanzungen durch die TU Dresden erprobt. Forschungsbedarf besteht vor allem hinsichtlich der Etablierung und Pflege geeigneter Arten sowie zu einer individuell angepassten attraktiven Krautschicht.

Urbane Wälder

Stadtumbauprozesse sorgen vielerorts für neue innerstädtische Freiflächen. Urbane Wälder können diese besetzen und lückige Raumstrukturen schließen oder zumindest sinnvoll ergänzen. Hierfür bieten sich unterschiedliche Waldstrukturtypen und Waldbilder an, die in Lichtwirkung, Dichte und Schichtigkeit variieren. Urbane Wälder können zudem als wirksames Klima- und Lärmschutzelement dienen.

Die größte Herausforderung besteht darin, die angestrebten (forst-)wirtschaftlichen Ziele mit tradierten Nutzererwartungen zu vereinbaren. Im Gegensatz zum Wald in der freien Landschaft können verstärkt Exoten und Sorten in Korrespondenz mit Straßenbaumbeständen eingesetzt werden.

Hinsichtlich der Erlebnisvielfalt scheinen forstliche Bestandesbegründungen wie Nester- oder Trupp-Pflanzungen mit Untersaaten vielversprechend. (vgl. Edelmann 2011). Im schwedischen Alnarp wurden durch Roland Gustavsson bereits in den 1990er Jahren Modellpflanzungen angelegt. In Leipzig läuft seit 2009 ein von der TU Dresden begleitetes Forschungs- und Erprobungsvorhaben, bei dem Flächen zwischen 0,4 und 49 Hektar Größe untersucht werden.

Ungeachtet des berechtigten Einwands, dass "klassisches" Walderleben (Stille, Ferne, Weitläufigkeit) im innerstädtischen Raum gar nicht möglich ist, bietet der Sammelbegriff urbaner Wald, indem er die quasi althergebrachten Stadtwälder einschließt, die Chance, (wieder)gewonnenen Erkenntnissen (etwa gestalterisches Potenzial von Pflegetechniken) sowohl in alten als auch neu begründeten Gehölzbeständen zur praktischen Anwendung zu verhelfen.

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Urbane Wälder: Attraktivitätssteigerung durch die Kombination von unterschiedlichen Waldtypen, hier dunkel-licht (Versuchspflanzung in Alnarp, Schweden). Foto: Jonas Reif

Ausblick

Bei der Erschließung neuer städtischer Freiraumtypen spielen neben ästhetischen zunehmend auch wirtschaftliche, freiraum-planerische und ökologische Kriterien eine wichtige Rolle. Die dargestellten Pflanzenverwendungs-Konzepte können je nach Standort und Funktion das städtische Grün sinnvoll bereichern. Die Möglichkeiten reichen von "Sofort-Grün" bis hin zur generationsübergreifenden Pflanzung.

Traditionelle Rabattenbepflanzungen in denkmalgeschützten Grünanlagen werden auch in Zukunft ihre Berechtigung haben. Ebenso werden Verwendungskonzepte aus den 1980/90er Jahren (Einart-Bepflanzungen wie Bodendeckerbepflanzungen oder Gräserbepflanzungen im "New-American-Garden"-Stil; Nutzung von Spontanvegetation wie auf dem alten Flughafen in Frankfurt-Bonames oder dem Südgelände in Berlin) einen wesentlichen Bestandteil des öffentlichen Grüns ausmachen.


Dipl.-Ing. Jonas Reif,

Dipl.-Ing. Alexander von Birgelen

Dipl.-Ing. Theresa Edelmann


Literatur

Dunnett, N., J. Hitchmough (Hg.) 2004: The Dynamic Landscape, S. 256-292. London: Taylor & Francis.

Edelmann, T.: Zur Gestaltung urbaner Wälder. In: S+G 12/2011: 9-14 und S+G 01/2012: 45-51.

Kühn, N.: Zur Rolle der Pflanze in der Landschaftsarchitektur. In: S+G 3/2008: 38-46.

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