Von der Stadtbefestigung zur Wallpromenade
Die Stralsunder Wallanlagen - Geschichte eines Denkmals
von: Dr.-Ing. Angela PfennigDer immense Aufwand, den die Hansestadt Stralsund zur Erhaltung der Wallanlagen als Garten-, Bau- und Bodendenkmal seit über 25 Jahren aufbringt, hat seine Berechtigung. Die Stralsunder Wallanlagen als vielschichtiges Kulturzeugnis sind in einer Authentizität von europäischem Rang erhalten. Im Zusammenklang mit der städtebaulichen Umgebung der Altstadt besitzt Stralsund mit seinen Wallanlagen ein bedeutendes Zeugnis der Festungsbau- und Gartenkunst, das nach Aufnahme der Altstädte von Wismar und Stralsund im Jahr 2002 in die Welterbeliste der UNESCO zum Weltkulturerbe gerechnet werden darf.
Im Folgenden soll dargestellt werden, wie Gartenarchitekten und Gärtner auf die seit dem 19. Jahrhundert entbehrlich gewordenen Stralsunder Festungswerke wirkten und somit einer viele Jahrhunderte von einem strategischen Panzer eng umgürteten Stadt neue Lebenskraft und neuen Atem verliehen.
Stadt - Landschaft
Einer der bedeutendsten Landschaftsarchitekten des 20. Jahrhunderts, Hermann Mattern (1902-1971), bemerkte in seinem Essay "Flurlandschaft" 1964: "Nie wird in einem der zahlreichen Forschungsberichte Bezug genommen auf das Gefäß, auf das Sammelbecken, in dem diese kulturellen, zivilisatorischen, wehrhaften, technischen und kunstvollen Ausdrucksformen sich manifestierten, auf die alle Städte tragende und ertragende Landschaft".
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Stralsund besitzt das Glück, dass ihre Gründer die naturräumlichen Gegebenheiten sehr genau prüften, bevor sie den Ort am Strelasund für die Anlage einer Siedlung wählten. Der sich wandelnde landschaftliche Reiz, der von Stralsunds äußerem Erscheinungsbild von jeher ausgeht, offenbart sich den heutigen Besuchern nach wie vor in einzigartiger Weise. Die Stadt verdankt ihn nicht nur der bevorzugten Lage am Wasser, sondern im besonderen Maße auch ihrer in Jahrhunderten gewachsenen, den Landschaftsraum meisterhaft ausnutzenden Gartenkultur.
Von der Stadtbefestigung zur Wallpromenade
Im 13. Jahrhundert begann der Ausbau der Stadt Stralsund zu einer der stärksten Festungen in Mittel- und Nordeuropa. Die Verteidigungsanlagen wurden über Jahrhunderte instand gehalten und ständig verbessert. Namhafte schwedische Baumeister und Fortifikationsingenieure wirkten im 17. und 18. Jahrhundert an der Weiterentwicklung der Festungswerke. Ein System von Stadtmauern, Toren, Bastionen, Vortoren und schützenden Teichen prägte das Landschaftsbild Stralsunds bis zum Ende des 19. Jahrhunderts. Die bereits im 13. Jahrhundert durch Ausgrabungen aus Sümpfen künstlich geschaffenen Stadtteiche und der die Stralsunder Altstadt umschließende Promenadenring markieren noch heute in eindrucksvoller Klarheit die mittelalterliche Grenze zwischen der eng bebauten Stadt und der freien Landschaft. Dieser stadtbildprägende Grünzug lässt sich auf die gärtnerische Gestaltung der Festungswerke am Ende des 19. Jahrhunderts zurückführen.
Neben der Verteidigungsfunktion dienten die Stadtteiche bis in das 19. Jahrhundert der Trink- und Löschwasserversorgung der Bevölkerung, dem Betreiben zahlreicher Mühlen, der Fischerei und Rohrgewinnung sowie dem Wäschewaschen. Die notwendige Pflege und Reinhaltung der stets erneut verschlammenden und verkrautenden Teiche befand sich demzufolge jahrhundertelang in einem Spannungsfeld zwischen Fortifikation und Stadtverwaltung.
Nach der Aufhebung der Festung Stralsund gelangte die Gewässerpflege am Ende des 19. Jahrhunderts in den alleinigen Hoheitsbereich städtischer Pflichtaufgaben und wurde entsprechend der jeweils zur Verfügung stehenden finanziellen Möglichkeiten mehr oder weniger intensiv betrieben.
Während Befestigungsanlagen vergleichbarer Städte bereits im 18. Jahrhundert ihren Wehrcharakter verloren und zu öffentlichen Promenaden oder Verkehrswegen umgestaltet wurden, blieb Stralsund bis weit in das 19. Jahrhundert hinein als schwer zugängliche Festungsanlage erhalten. Mit dem Beginn der französischen Belagerung und dem 1807 durch Napoleon erteilten Befehl zur Schleifung der Festung gewannen jedoch auch in Stralsund erstmals Gedanken an eine gärtnerische Umgestaltung der Wallanlagen Raum.
1810 entwarf Werner Carl Theodor Siemers (1778-1869), Hofgärtner von Hohenzieritz, einen Plan zur landschaftlichen Umgestaltung der Wallanlagen. Er zählt zu den wichtigsten Gartenplanungen für Stadtpromenaden am Anfang des 19. Jahrhunderts in Norddeutschland. Der Entwurf von Siemers sah eine Umwandlung der durch Straßen mit Alleebepflanzung miteinander verbundenen Bastionen in kleine Parkanlagen vor.
Die großartige Idee, der steinern geprägten, mittelalterlichen Altstadt eine Parklandschaft in Form eines grünen Promenadenringes auf den ehemaligen Festungsanlagen anzufügen, konnte zu diesem Zeitpunkt noch nicht verwirklicht werden, da bereits 1815, nach der Übergabe der Stadt an Preußen, mit dem Wiederaufbau der Festungsanlagen begonnen wurde.
Trotz fehlender offizieller Entfestigung begannen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts verschiedene gärtnerische Umgestaltungen der Festungsanlagen in einzelnen Teilbereichen. So wird 1862 von der Zuschüttung des Wallgrabens zwischen Küter- und Hospitaler Tor berichtet. Hier soll eine Straße, der heutige Knieperwall, mit alleeartiger Begleitpflanzung gebaut werden. Eine um 1865 gefertigte lithographische Darstellung von Stralsund illustriert sehr eindrücklich den letzten Festungszustand.
1873 begann die Aufhebung des Festungs-charakters der Stadt. Zeitgleich setzte eine verstärkte Bebauung der Vorstädte ein. Nach dem Abriss einiger Stadttore, der Abtragung der Wälle und der Übergabe der wichtigsten militärischen Besitztümer an die Stadt im Jahr 1879 waren die Grundlagen für eine promenadenartige Umgestaltung der Wallanlagen gegeben. Diese bot dem um 1875 gegründeten Stralsunder Verschönerungsverein, der sich nach der bald zu erwartenden Übergabe der Festungswerke an die Stadt unter anderem die Umgestaltung der Wälle zur Aufgabe machte und sich später mit Hingabe an der Neuanlage und Pflege der gärtnerischen Anlagen Stralsunds beteiligte, ein bis dahin nicht gekanntes Betätigungsfeld. Der entstehende Bürgerpark auf den ehemaligen Wällen und Bastionen als kommunale Bauaufgabe markierte nicht nur in Stralsund einen entscheidenden Qualitätssprung in der städtebaulichen Entwicklung von öffentlichen Grün- und Freiräumen.
Der Verschönerungsverein unter dem Vorsitz des Ratsherren und späteren Bürgermeisters Arnold Friedrich Otto Brandenburg (1836-1898) fühlte sich in enger Zusammenarbeit mit der Bauinspektion unter Leitung des Stadtbaumeisters Ernst von Haselberg (1827-1905) und dem Stadtgärtner Lorgus - eine kommunale Gartenverwaltung gab es zu jenem Zeitpunkt noch nicht - verpflichtet, die Realisierung der durch den preußischen Hofgartendirektor Ferdinand Jühlke (1815-1893) um 1880 gefertigten Pläne zur Umwandlung der Wälle in Gärten und Promenaden zu befördern; eine Aufgabe, die auf viele Jahre die Arbeitskraft der Bauinspektion sowie die Finanzkraft der Stadt in sehr starkem Maße beanspruchte. Nach den Plänen Jühlkes - erhalten ist eine "Copie aus dem Jühlke'schen Projekt v. J. 1880, betr. Umwandlung der Wälle in Gärten und Promenaden." - wurde in den darauf folgenden Jahren gearbeitet.
Das Jühlke-Projekt enthielt die parkartige Gestaltung der Hospitaler Bastion, die zunächst noch als Exerzierplatz für die Artillerie genutzt wurde. Besonderer Wert wurde auf das Pflanzen schöner Bäume gelegt. Zu viele Sträucher sollten vermieden werden, um Aussichten auf die umgebende Wasserlandschaft nicht zu behindern. Das Gartendreieck - der spätere Theaterplatz - wurde als geometrische Anlage mit Spielplatz gestaltet. Um 1881 entstand eine Promenade um die Katharinenbastion. 1885 projektierte Jühlke die gärtnerischen Anlagen auf dem Gelände der niedergelegten Wälle. Neben der Alleebepflanzung entlang der alten Wälle erhielten die Bastionen einen landschaftsparkartigen Charakter mit geometrisch gestalteten Anlagenteilen, Rasenräumen, Schmuckbäumen und Ziersträuchern.
Auf der Hospitaler Bastion wurde 1886 für die Gefallenen des deutsch-französischen Krieges 1870/71 und der Kriege 1864 und 1866 ein Kriegerdenkmal nach Entwürfen des Regierungsbauführers Franz Wichards in Form eines Obelisken errichtet. 1946 fiel das Denkmal vermutlich politischem Vandalismus zum Opfer.
Gleichzeitig mit der Beendigung der Abbruch- und Einebnungsarbeiten an den Befestigungsanlagen wurden um 1887 auch die wesentlichen Arbeiten bei der Gestaltung der Wallanlagen abgeschlossen.
Jühlke hatte damit auf einer kleinen Fläche die Idee des Bürgerparks verwirklicht, welche in der Benutzung öffentlicher Parkanlagen einen sozialen Anspruch breiter Bevölkerungsschichten auf Bewegung, Erholung, geselligen Umgang, Genuss der Natur, Bildung und Spiel in sich trug.
Nach dem Tod von Ferdinand Jühlke wurde 1899 auf Vorschlag des Rates die Weingartenbastion zu einem Spielplatz umgestaltet und mit einer Kastanienallee umpflanzt.
Erste Probleme bei der Pflege und dem Erhalt der neu angelegten Parkanlagen durch sich allzu üppig ausbreitende Gehölze wurden in einem Artikel in der Stralsundischen Zeitung vom 11. September 1896 benannt. Ein Zustand, der sich 100 Jahre später wiederholen wird.
Die Entwicklung der Wallanlagen von 1900 bis 1945
Als grünes Verbindungsglied zwischen der Altstadt und den sich nach der Entfestigung der Stadt schnell entwickelnden Vorstädten wandelten sich der Charakter und die Bedeutung der Wallpromenade. Der ehemalige äußere grüne Ring erfüllte als innerstädtische Erholungsanlage nunmehr stadthygienische, landschaftsverschönernde und soziale Aufgaben.
Gleichzeitig nahm auch die Verkehrsbedeutung der Wallstraßen zu. Der dicht bebaute, eng von Wallgrünflächen umschlossene Stadtkern konnte den Erfordernissen des wachsenden Verkehrs nicht mehr genügen. Und so wurden nach 1900 in Stralsund wie auch in zahlreichen anderen im Wachstum begriffenen Städten Teile der gärtnerisch gestalteten Wallgrünflächen durch den Bau von Straßen und Gebäuden (Lyzeum, Reichsbank, Eisenbahn-Betriebsamt und Höhere Knabenschule) überformt und als Orte der Erholung für die Bevölkerung wieder entzogen.
Die Gartenanlagen auf der Schützenbastion wurden 1919 im Zusammenhang mit der Dammschüttung zwischen der Frankenvorstadt und der Schützenbastion beseitigt. Der lange geplante Bau der Fußwegeverbindung zwischen der Stralsunder Altstadt und der Tribseer Vorstadt durch den Knieperteich veränderte ab 1920 das Landschaftsbild. Mit dem Weg von der Küterbastion über die Weißen Brücken und eine kleine künstlich geschaffene Insel öffnen sich seitdem großräumige Parkräume bis in die Vorstadt. Gleichzeitig entstanden kleinteiligere Teichzonen.
Auf dem nördlichen Teil der Küterbastion wurde am 22. Juli 1923 ein Gedenkstein für die im Ersten Weltkrieg Gefallenen des Infanterie-Regiments "Prinz Moritz von Anhalt-Dessau" Nr. 42 eingeweiht, welches nach dem Zweiten Weltkrieg entfernt wurde. Auf dem südlichen Teil öffnete 1929 der sogenannte Hirschgarten - ein Gehege für Hirsche, Rehe und Fasane. In den 1930er-Jahren erfolgte eine Dammschüttung zwischen Küterdamm und Katharinenbastion zur Errichtung einer natürlichen Teichbucht.
Luftbildaufnahmen von Stralsund aus jener Zeit bezeugen in eindrucksvoller Weise die Entwicklung eines schönen Gehölzbestandes auf den Bastionen und entlang der Wallalleen. Während des Zweiten Weltkrieges blieben die Wallanlagen vor schweren Zerstörungen bewahrt.
Die Wallanlagen von 1945 bis 1989
Die Zeit von 1945 bis 1989 brachte hingegen einige Veränderungen für die zunehmend in Vergessenheit geratenen historischen Parkanlagen. Auf Grund mangelnder Pflege wuchsen weite Bereiche, insbesondere Bastionenränder und ehemalige Wege zu. Mit dem Bau eines Kindergartens auf der Mühlenbastion war die um 1885 geschaffene Parkanlage überwiegend nicht mehr öffentlich zugänglich.
Eine in den 1970er-Jahren in die Tribseer Bastion eingefügte, den historischen landschaftlichen Parkraum jedoch wenig respektierende Springbrunnenanlage mit Kaskaden, ein 1976 auf der Hospitaler Bastion eröffneter Abenteuerspielplatz und die Errichtung einer Fasanerie auf der Küterbastion 1959 sind als Bemühungen um die Nutzung der wertvollen Parkanlagen anzusehen.
Gestalterische Verluste erlitt der Promenadenring durch die dem stark zunehmenden Autoverkehr angepassten Straßenverbreiterungen, Kreuzungsbauwerke und Parkplätze, durch die in den 1960er-Jahren auf der Katharinen- und der Hospitaler Bastion erbauten Atomschutzbunker, aber auch durch das 1998 auf der Weingartenbastion errichtete Parkhaus.
Damit wurde die einzigartige reizvolle Naherholungslandschaft des grünen Bastionengürtels empfindlich gestört und für Besucher zunehmend unattraktiv. Der Symbolwert als Zeugnis der Geschichte mit seinen kulturellen, historischen und sozialen Aspekten sowie die Aufenthaltsqualität der gesamten Wallanlage in ihrer ursprünglichen Nutzung als städtische Parkanlage waren daher lange Zeit eingeschränkt. Der bastionierte Grundriss der Stadtbefestigung blieb ungeachtet dessen in seltener Geschlossenheit erhalten.
Während an der Seeseite der charakteristische fünfeckige Grundriss der Kronlastadiebastion und der Heilgeistbastion in seiner ursprünglichen Gestalt deutlich ablesbar ist, waren die westlichen Bastionen vor der Sanierung nur noch für besonders aufmerksame und wissende Besucher als ehemalige Festungswerke und gartenkünstlerisch gestaltete Parkanlagen erkennbar.
Die Wahrnehmung der Kubatur der südlichen Bastionen wird bis zum heutigen Tag durch dichten Gehölzaufwuchs sehr erschwert.
Konzept zur Sanierung der Wallanlagen
Im Jahr 2000 beschloss die Bürgerschaft der Hansestadt Stralsund einen Managementplan, der unter anderem Richtlinien für die Erhaltung des überlieferten historischen Stadtgrundrisses der Altstadt enthält. Dieser beinhaltet den Erhalt prägender Elemente desselben. Hierzu zählen auch die Bastionskanten, wie sie 1873 vorhanden waren und in der gärtnerischen Gestaltung übernommen wurden.
Der innerhalb des Landesparkprogramms des Landes Mecklenburg-Vorpommern 1996 erarbeitete und vom Landesamt für Denkmalpflege Schwerin bestätigte Rahmenplan definiert die Zielvorstellungen zur Wiederherstellung der Wallanlagen. Das Leitbild für die Sanierung besteht in der Erhaltung, Wiederherstellung und Erlebbarkeit der Bastionen als Bau-, Boden- und Gartendenkmal. Eng damit verbunden ist die gestalterische Herausarbeitung einer klaren Altstadtkante, um dem Inselcharakter, der bastionären Festungsanlage und der unverwechselbaren Stadtsilhouette der Stralsunder Altstadt wieder einen ihrem Wesen und städtebaulichen Wert gemäßen Ausdruck zu verleihen.
Diese umfasst die Herausarbeitung der Bastionskanten, Böschungen und Uferkanten, die weitgehende Wiederherstellung und Erhaltung der Parkanlagen des späten 19. Jahrhunderts sowie der die Stadt umschließenden Wallalleen.
Auf der Grundlage dieser allgemeinen Zielstellungen wurden und werden für jeden einzelnen Bereich der Wallanlagen differenzierte gartendenkmalpflegerische Zielstellungen erarbeitet und Konzepte unter Berücksichtigung denkmalpflegerischer, städtebaulicher, naturschutzfachlicher und wasserbaulicher Belange entwickelt. Der Charakter, Erhaltungsgrad, Denkmalwert und die Nutzung der Bastionen sind sehr unterschiedlich.
Die Kubatur der südlichen Bastionen am Frankenteich ist auf Grund von Aufspülungen während der Teichentschlammungen in den 1970er-Jahren stark verunklart.
Die damaligen denkmalpflegerischen Auflagen hinsichtlich der Pflege der aufgespülten Flächen im Bereich der Uferzone der südlichen Bastionen wurden in den folgenden vier Jahrzehnten nicht respektiert, so dass die sich ansiedelnde Spontanvegetation und der breite Schilfgürtel zum heutigen Zeitpunkt ein Ausmaß erreicht haben, welches die Wahrnehmung des bastionären Charakters der südlichen Stadtansicht nicht mehr zulässt.
Die Erlebbarkeit des Genius loci in seiner ganzen historischen Dimension - nicht eine oft missverstandene Reduzierung denkmalpflegerischer Anforderungen auf eine rein äußere Ästhetik - verlangen perspektivisch im Sinne des bereits dargestellten Leitbildes für den Umgang mit dem ehemaligen Festungsring unter anderem auch die Entfernung der künstlich erzeugten Verlandungsflächen zwischen der Schützen-, Weingarten- und Blauturmbastion.
Die Realisierung dieser Maßnahme ist eine Aufgabe der Zukunft und soll im Zusammenhang mit der notwendigen Sanierung des Ökosystems der Stadtteiche überprüft werden. Der Erfolg wird entscheidend davon abhängen, inwieweit das Handeln der einzelnen Fachbehörden als Kulturauftrag verstanden wird.
Die Wiederherstellung der Westseite der Wallanlagen
1994 begannen erste Umgestaltungsarbeiten zur Wiederherstellung der historischen Parkräume entlang der westlichen Bastionen am Knieperteich. Der Spielplatz auf der Hospitaler Bastion wurde neu angelegt, Uferbefestigungen wurden erneuert, Linden in der Allee am Knieperwall nachgepflanzt und die Kleintieranlage auf der Küterbastion durch einen Spielplatz ersetzt. 1997 wurde auf der Tribseer Bastion im Gedenken an die nach dem Zweiten Weltkrieg an dieser Stelle vorbeiziehenden Flüchtlingsströme ein Mahn- und Gedenkstein für die Opfer von Flucht und Vertreibung eingeweiht. Wenig später erneuerte man die Weißen Brücken komplett und begann mit der Wiederherstellung der Feldsteinmauer an der nördlichen Küterbastion sowie der Anlage eines Spazierweges die Herausarbeitung der Bastionskanten des ehemaligen Festungsbaukörpers. Im Winter 2003 erfolgten am Knieperwall erste umfangreichere Auslichtungsarbeiten in den dicht aufgewachsenen Gehölzbeständen. Es öffneten sich wieder Blicke vom Wall auf den Knieperteich. Der charakteristische Grundriss der Bastionen wurde sichtbar. 2007 fanden die unter gartendenkmalpflegerischen Aspekten durchgeführten Sanierungsarbeiten auf der gartenkünstlerisch bedeutendsten Parkanlage des Stralsunder Festungsringes, der Hospitaler Bastion, ihren Abschluss. Vorangegangen war eine über zehnjährige intensive und fundierte gartenhistorische Vorbereitung und Planung durch das Landschaftsarchitekturbüro Prof. Stefan Pulkenat.
Den Besucher erwartet nunmehr eine attraktive, nahezu von Wasser umschlossene Parklandschaft. Auf dem wiederhergestellten historischen Rundweg bieten sich anmutige Landschaftsbilder mit Blicken über den Knieperteich in die Vorstädte und zur Schillanlage sowie zum Sund und zur Insel Rügen.
Ein besonderer Ort zum Verweilen entstand auf dem ehemaligen Denkmalhügel. Von hier aus kann man die Weite der Wasserlandschaft mit den Weißen Brücken als Point de vue genießen.
Der in den 1970er-Jahren angelegte und in den 1990er-Jahren erneuerte Spielplatz erfuhr eine ansprechende Neugestaltung. Die Bastionskanten wurden, wie traditionell seit Jahrhunderten überliefert, mit Eichenholzpfählen gesichert.
Entlang der Wallallee ergänzte man den Altbaumbestand durch Nachpflanzungen mit Linden. Mit den umfangreichen Sanierungsarbeiten am Theater war gleichzeitig die Wiederherstellung der klassischen Dreiecksform des Theaterplatzes durch eine klare Straßenführung verbunden. Eine Beruhigung des Straßenverkehrs im Bereich der Stadtmauer machte die ursprüngliche Promenade für Spaziergänger wieder anziehend. In den folgenden Jahren wurde die Parkanlage auf der nördlichen Tribseer Bastion entsprechend ihrer ersten, am Ende des 19. Jahrhunderts realisierten Gestaltungsidee wiederhergestellt. Hierbei wurde zugunsten der Herausarbeitung der ursprünglich landschaftlichen Gestaltung bewusst auf eine Sanierung der maroden Kaskaden aus den 1970er-Jahren verzichtet.
Auf der nördlichen Küterbastion wurde die dichte Eibenpflanzung am ehemaligen Denkmal für Gefallene im Ersten Weltkrieg ausgelichtet und das Plateau als schlichter Rasenplatz mit Sitzelementen gestaltet.
Die investiven Maßnahmen zur Wiederherstellung der Westseite der Wallanlagen wurden 2017 mit der Sanierung der Katharinenbastion abgeschlossen. Erstmals nach Jahrzehnten ist es wieder möglich, einen ruhigen Spaziergang auf dem unteren Uferweg der Katharinenbastion mit freien Blicken über den Knieperteich zu den Weißen Brücken und zur Fontäne genießen.
Eine kontinuierliche gärtnerische Pflege der Parkanlagen auf den Bastionen in Kenntnis und Würdigung des gartenkünstlerischen Erbes wird in Zukunft unentbehrlich sein, um die hohe Aufenthaltsqualität für Erholung suchende Besucher zu erhalten.
Anmerkungen
1) Mattern, Hermann: Flurlandschaft, in: May, Ernst: Stadtlandschaft, hrsg. von der AVA-Arbeitsgemeinschaft zur Verbesserung der Agrarstruktur in Hessen e. V., Wiesbaden 1964, S. 29-63.
Literatur
Pfennig, Angela: Backstein & Grün. Gartenkultur der Hansestadt Stralsund, Edition herre, Stralsund 2003.
Möller, Gunnar; Pfennig, Angela: Die Stralsunder Festung, in: Festungsbaukunst in Europas Mitte. Festschrift zum 30-jährigen Bestehen der Deutschen Gesellschaft für Festungsforschung, Regensburg 2011, S. 199-222.
Pfennig, Angela: Historische Gartenanlagen und Friedhöfe der Hansestadt Stralsund (Faltblattserie), Die Wallanlagen (Heft 2/2017, 3. Auflage).