Vorgärten in kleineren und größeren Städten

Rasen, Kunst, Bodendecker

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Vorgärten Kleingärten
Albertstraße, 19.10.16 – alter Gitterzaun, viel junges Leben, wenig Pflanzen, etwas Kunsthandwerkliches. Foto: Hanns-Werner Heister

Ob Klein- oder Vorgarten oder backyard: Die Abgrenzung nach außen hin ist ein wesentliches Merkmal von Garten und Park. Der Einhegung und Grenzmarkierung dienen Hecke, Zaun, Gitter oder Mauer. Letztere sind teuer - desto mehr, je höher sie sind -, und Zäune, selbst der langweilige, absolut kunstferne Jäger- oder Maschendrahtzaun, sind auch nicht gerade billig. Schon gar nicht Gitter, die Kunst - nicht selten mehr oder minder Kunstartiges - vom "Kunstschmied" vorzeigen. Hecken dienen zugleich als Sichtschutz und Windschutz, bedingt sogar als Lärmschutz, helfen auch gegen Austrocknung und Erosion, und sind im Prinzip je nach Dichte und Abwechslungsreichtum ihrer Pflanzenwelt der Artenvielfalt nützlich, freundlicher und schöner als nicht-pflanzliche Abgrenzungen. Dass eine hohe Hecke fremde Blicke abschirmt, aber auch den eigenen einengt¹, verweist auf die Dialektik der "gated communities".

Jägerzäune markieren im Wesentlichen nur die Grundstücksgrenze. Sie sind wahrscheinlich nicht für Wildschweine, wohl aber für Rehe oder Menschen meist problemlos übersteigbar, auch wenn sie durch das traditionelle Verbotsschild ergänzt werden "Betreten des Rasens verboten!" Schwer übersteigbar dagegen ist ein hoher Gitterzaun wie der vor einem villenartigen Gebäude in Berlin-Schöneberg (Abb. 1).

Sichtschutz versus Zur-Schau-Stellung

Wie Abgrenzung und Abschirmung so sind auf der anderen Seite auch Öffnung und Zur-Schau-Stellung wesentliche Merkmale von Garten und Park. Das gilt eben vor allem für den vor dem Haus gelegenen und damit notwendigerweise zum öffentlichen Raum hin mindestens optisch zugänglichen Vor-Garten. Öffentlichkeit sind dabei sowohl fremde, mehr oder minder zufällig vorübergehende oder -fahrende Fremde als auch zwar nicht fremde, manchmal aber feindliche NachbarInnen. Schließlich gibt es auch staatlich vermittelte Grenzen der privaten Gestaltungsfreiheit wie Bebauungspläne, Ortssatzungen und so weiter. Sie sollen zum Beispiel verhindern, dass die Flächennutzung des Vorgartens umgewidmet wird zu Auto-Stellplätzen.

Der Blick in diese Richtung schränkt bereits das Wünschen ein, oder wird jedenfalls von kommerziell orientierten Informationen dahingehend gelenkt; so etwa im folgenden Konglomerat: "An den Vorgarten knüpfen sich viele Wünsche: Er soll einladend wirken, rund ums Jahr schön aussehen, pflegeleicht und unverwechselbar sein. Außerdem dient er als Zugang zum Haus und soll ein Versteck für Mülltonnen oder einen Abstellplatz für Fahrräder bieten."²

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Plochingen am Neckar, Mühlhaldenweg, am Rand der Stadt. Foto: Hanns-Werner Heister
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Schlierbach bei Kirchheim ob der Teck (Baden-Württemberg). Foto: Hanns-Werner Heister
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Steine und anderes. Gesamtsicht. Plochingen am Neckar, Mühlhaldenweg, am Rand der Stadt. Foto: Hanns-Werner Heister

In der Zwecksetzung wie der konkreten Umsetzung verschiedener Wünsche und Bedürfnisse greifen selbstbezogene Freude am grünen oder kunstartigen Schmuck und Selbstdarstellung, Präsentation und Repräsentation ineinander. In der etwas naiven Formulierung einer weitverbreiteten Internet-Enzyklopädie heißt das, der Vorgarten sei "eine sozio-kulturelle Erscheinung", speziell eine "Repräsentationsfläche", und gelte "bei einem Teil der Bevölkerung als Aushängeschild des gesamten Haushalts."³

Der Spruch "Wir haben nichts zu verbergen!" wird gern verwendet als Argument für Apathie und Verzicht auf Aktionen gegen Überwachungswirtschaft und Überwachungsstaat. Was dort an dem Spruch angesichts zwangsweiser Entblößung und auch freiwilliger Selbstentblößung von Sozialem, Politischem und Intimem fragwürdig ist, ist im Vor- oder Kleingarten weitgehend richtig. Denn da gibt es in der Regel tatsächlich wenig zu verbergen. Allenfalls sind leibliche Blößen zu bedecken oder mehr oder minder intime, aber fraglos legitime und legale Aktivitäten vor den Augen der Öffentlichkeit zu verbergen.

Für die Außenstehenden interessant sind den Blicken offene, einladende oder sogar zur Schau stellende Vorgärten. Eine polarisierende Komposition verbindet eine abweisende, kunstfertig beschnittene hohe Thujenhecke und ein nettes Vogelhäuschen voller Nippes-Vögelchen auf der Mülltonnen-Verkleidung.

Stil-Mischungen (Abb. 2), "offene Formen", Verschränkungen von Globalem und Regionalem kombinieren Elemente der Gartengestaltung in verschiedenen Permutationen. Die folgende Vorgarten-Version findet sich in einem Neubaugebiet am Rand einer noch dörflichen Siedlung, aber bereits im Einzugsgebiet der nächsten Mittelstadt. Sie enthält neben dem hier fotografierten Ausschnitt noch eine Rasenfläche sowie Nutzgarten-Elemente. Zwei gut überschaubare Zaun-Arten, nämlich Holz- und Maschendraht-Zaun, werden ergänzt durch eine sorgfältige interne Abgrenzungen von Sektionen - Beete wäre fast zuviel gesagt. Prä-skulptural aufgestellte Natursteine teilen die Flächen mit Geraden oder Rundungen ab. Und auf der relativ kahlen, fast unbewachsenen Fläche um den solitären Hibiskus herum gibt es sogar die Andeutung eines japanoiden Steingartens mit zwei größeren, symmetrisch korrespondierenden bizarren Kalk- beziehungsweise Tuffsteinen als Skulpturen-Äquivalent, vermutlich regionaler Herkunft. Dem Baum hier entspricht seinerseits eine Thuja mit Topiari-Schnitt, der ebenfalls Kunstintentionen andeutet. (Abb. 3) Alles offen zeigen - manchmal mit exhibitionistischer Anmutung - heißt auch herzeigen, was man hat oder was man ist. Alles im folgenden Beispiel erscheint teuer: "Pflegeleichte" Schotterbeläge, dazwischen Glasartiges - Halbkugeln, die als schon prä-skulptural Geformtes einen Buchsbaum-Topiari-Schnitt nachahmen -, zudem Steine als Skulpturen im Wartestand, weiter hinten dann amphi-theatralisch gestaffelt echte Pflanzen. Bei der Ausstellung verschiedener Elemente werden Pflanze, Stein und Glas durch Metall ergänzt, in Form einer semi-abstrakten, anthropomorphen Skulptur (Nicht im Bild, Abb. 4).

"Kunst am Bau": Traditionelle Gartenzwerge und postmoderne Gag-Skulpturen

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Vorgarten-Minimum, mit Kunstartigem, Bayreuth, Brandenburger Straßen, 15.07.17. Foto: Hanns-Werner Heister
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Glückstadt Itzehoer Straße 21.7.2016, Groteske Plastiken – Rot-Weiß. Foto: Hanns-Werner Heister
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„Sehr witzig“ … Warnung vor dem Hund, Berlin-Zehlendorf, 23.01.2017. Foto: Hanns-Werner Heister

Der Garten befriedigt die Sehnsucht nach Schönem in Gestalt von Natur, hier also vor allem Pflanzen. Wie angedeutet, kommen dazu andere Elemente, vorrangig wohl Steine, Holz, weiter bereits technisch produzierte Materialien wie Metall und eben auch Plastik. Kunst, in der sich traditionell das Schöne konzentriert, ist eine mögliche, aber nicht zwingend notwendige Ergänzung.

Eine Symbiose von Natur und Kunst, Pflanzen und Skulptur findet sich oft auf kleinstem Raum.

Im Fall Bayreuth (Abb. 5) überwiegt ganz entschieden das Skulpturale. Das Pflanzliche ist sichtlich vernachlässigt gegenüber der Symbiose von medialisierten Zeichen und Pflanzen in Gestalt von Smiley-Kürbissen (oder Kürbis-Smileys).

Die Synthese von Pflanzen und Kunstartigem ist sogar in einer extremen Reduktionsform des Vorgartens vor einem größeren Mietshaus möglich: Betonkübel und Terrakotta-Töpfe für gut aufeinander abgestimmte Pflanzen ergeben mit runden und unregelmäßigen Steinen, sorgfältig arrangierten Ästchen sowie einer freundlichen Plastikeule und Plastikaufklebeblümchen auf einem kleinen Rundholz mit echter Borke ein Arrangement, das gerade in seiner relativen Armut und Bescheidenheit anrührend wirkt. Die Typen von Kunst und Kunstartigem in Vorgärten gleichen der von privaten Gärten überhaupt samt den Kleingärten. Die Spannweite reicht von traditionellen Tier- oder Menschen-Skulpturen, manchmal auch Replicas oder Nachempfindungen von bekannten Kunstwerken, über Miniaturisierungen, GartenzwergInnen oder Spielzeugnahem, bis zu "Abstrakter Kunst", post-modernisiertem Kitsch oder Recycling-Kunst aus Schrott und anderen Abfällen.

Zu Skulpturen in Gärten klassischen Typs kommen immer mehr moderne, oft auch durch Initiativen, die Vorgärten zu Freiluftausstellungen von Skulpturen machen, dafür Kunst und KünstlerInnen mit GartenbesitzerInnen zusammenbringen und so beiden nützen.

Im Zug einer Popularisierung von Kunst als Trivialisierung ist der Weg vom Putto zum Gartenzwerg kurz.

Im Zeichen der Modernisierung und Globalisierung des deutschen Gartenzwergs ergeben sich nicht zuletzt auch gelungene Integrationen von MigrantInnen. In einem Gebiet am Rand von Glückstadt an der Unterelbe mit älteren und neueren Ein- oder Zwei-Familien-Häusern haben hier die Hauseigentümer, laut Nachfrage türkischer Herkunft, das Haus sorgfältig und auffällig in der irgendwie nationalen Farbkombination Rot-Weiß bemalt, und auf diese Weise ebenso die Plastik-Figuren assimiliert und gut integriert (Abb. 6).

Trotz allem: Die bearbeitende Replikation von Klassischem hat etwas für sich. Eine interessante Variante mit figurativer Kunst in miniaturisierter Form fast schon in der Größenordnung von Spielzeug zeigt die Umsetzung der zwei niedlichen Engelchen aus Raffaels Sixtinischer Madonna.

Wie sich bereits bei einigen Figuren auf den Fotos zeigte, wirkt die selber schon konformistische "Spießer"-Kritik und anderem dahingehend, dass die Ambitionierteren nicht selten zu dem greifen, was sich 'bitterer' statt süßer Kitsch nennen lässt, vergleichbar den Wandlungen des Wein-Geschmacks oder dem hegemonial und sozial konnotiert empfohlenen "Guten Geschmack", nämlich vom Süßen zum "Trockenen".

Bilder und Skulpturen behübschen häufig die traditionellen verbalen Warnungen "Kein Zutritt! Warnung vor dem Hunde!". Das Angenehme versüßt das Nützliche und Notwendige. Denn vor den Hunden muss vorsorglich und vorschriftsmäßig gewarnt werden, da sie im Unterschied zur Hecke von außen nicht immer sichtbar sind, wiewohl meist sehr hörbar, und trotz Bellens auch Beißen. Hierbei kommt häufig ein recht eigentümerlicher, gern auch zynisch menschenfeindlicher Humor zur Geltung, und als Zugabe nicht selten noch Kunstartiges. Hinter der Warnung vor dem Hund erscheint ein solcher leibhaftig, als etwa lebensgroße Skulptur samt Frauchen. Zusätzlich zu Hecke und Zaun abschreckend und abwehrend wirken also manchmal nicht nur die Hunde, sondern auch ihre postmoderne Darstellung (Abb. 7 und 8).

"Abstrakte Kunst"

Wie in der allgemeinen Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts, so reagieren auch in der Vorgarten-Kunst auf Protz oder konventionellen bis kitschigen Naturalismus Tendenzen zu Reduktionismus und Minimalismus. Sie sind beide der aktiven Laienkunst leichter zugänglich und nehmen mindestens zwei verschiedene Wege. Zum einen werden ohne mimetischen Anspruch Steine, Hölzer und anderes Material kunstartig arrangiert - wir sahen bereits vergleichbare Beispiele auf den Fotos. Die bewusste Anhäufung von Steinen - hier vor einem Mietshaus - erinnert an Steinsetzungen als archaische Verfahren besonders in Stammeskulturen (Abb. 9). Zum andern werden Kunstgebilde (Abb. 10) vielerorts als Recycling von Verbrauchtem hergestellt; eine typische Schlagzeile: "Essener macht Kunst aus Schrott".4 Solche Kunst aus Abfall und Schrott ist vergleichbar der gartentypischen Kompostierung von Pflanzen-"Abfall" zur Erzeugung von Humus. Dabei gibt es die Spaltung gegenständlich - abstrakt wie in der speziellen Sphäre der professionellen Bildenden Kunst. Aber es überwiegen doch naturalistische bis konventionelle Gestaltungsweisen. Das steht in einem gewissen Widerspruch zu den avancierten Materialien und Verfahren, auf dem Stand eines globalen Bewusstseins, das die Endlichkeit der Erde begriffen hat und daher schonend mit den natürlichen wie technisch weiterverarbeiteten Ressourcen umgeht.

Soweit die statistisch nicht repräsentativen Streifzüge des Autors andeuten, ist diese Art der Kunst (noch) relativ selten in Vorgärten. Ein Grund dafür mag sein, dass sie trotz der Billigkeit der Materialien doch relativ kostbar und zwar meist wetterfest, aber als Kleinplastiken nicht völlig ortsfest sind.

Der Kunstwert der Steinsetzung in dem Hannoveranischen Vorgarten ist so niedrig wie die Steinsetzung selber. Er lässt sich aber steigern. Durchaus eine Annäherung an moderne "abstrakte Kunst", wie sie als eine Alternative zur klassischen Tier- oder Mythosfiguren-Plastik auch in öffentlichen Gärten beliebt wurde, ist die kunstvolle Aufeinandersetzung verschiedener Steine. Sie wird ergänzt durch Topiari-Thuja und -Buchsbäume, eine angedeutete Erdkugel aus absichtlich verrostetem Stahl, eine verspiegelte Glaskugel auf kunsthandwerklich verziertem Einsteck-Stab, der zwei ebensolche Aufhänger für Blumentöpfe an der Hauswand antworten, und die sich im Fensterschmuck fortsetzt, schließlich gleich zwei Recyclingkunst-Figuren, ein Paar Raben mit Humor und Zylinder (Abb. 10) .

Verbergen, Verdecken und Verwildern

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Herzlich Willkommen hinterm Jägerzaun bei Hund und Frau, 23.01.2017, Berlin-Zehlendorf, 23.1.2017. Foto: Hanns-Werner Heister
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Hannover, Nebenstraße in der Nähe des Hauptbahnhofs, 28.0 7.16. Foto: Hanns-Werner Heister
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Halbabstrakte Kunstfigur aus Natursteinen mit Recyclingkunst und anderem, Berghusen in Schleswig-Holstein, 21.08.2016. Foto: Hanns-Werner Heister

Das Nützliche und manchmal weniger Schöne wie Mülltonnen und ähnliches wird, je nach Wohnumfeld und Hausanlage, vom Vorgarten auf die Seiten oder nach hinten verlagert. Im Englischen ist diese Funktionsteilung explizit auch in der Terminologie ausgeprägt mit der Unterscheidung zwischen Front Garden und Back Garden. In dieser rückwärtigen Region ist der Hausgarten (home garden) frei von den "sozialen oder rechtlichen Restriktionen", wie sie für den "halböffentlichen" Vorgarten gelten, daher noch "privater" und "freier". Er kann deshalb für einen viel weiteren Fächer von Funktionen verwendet werden - wie im Prinzip auch in deutschen Gärten hinter dem Haus, mit der Einschränkung: Soweit es sie gibt. Das sind etwa Wäschetrocknen, Sonnenbaden, Fleisch oder etwas Vegetarisches Grillen ("barbecue" bzw. BBQ), Spielen - ob Kinder im Sandkasten oder Ältere am Volleyball-Netz, Swimming Pool oder Planschbecken, Hütte für Hunde, Hühnerstall oder Behausungen für andere Tiere, Garage oder Stellplatz für Auto(s), Nutzpflanzenanbau samt Gewächshaus, Regenwasserauffangbehälter und Komposthaufen und anderes mehr.5

Nicht alle schätzen den Vorzug, Autos nicht auch noch im Vorgarten vor der Nase zu haben. Oft wird er vollends im Wortsinn planiert als Stellplatz für Autos. Dystopische Leitbilder wie das des "pflegeleichten" Gartens konvergieren da mit dem der "autogerechten Stadt" samt ebensolchem Haus. Dabei wäre dem tatsächlichen Parkplatzmangel in Städten samt eingeschränkter Mobilität besser durch intensivierten und verbilligten öffentlichen Nahverkehr abzuhelfen. Recht regelmäßig gibt es dabei Konflikte zwischen ausuferndem Privatinteresse und öffentlichen Interessen.6 Die rechtlichen Regelungen sind zunächst eindeutig, wie etwa die Vorgartensatzung in Frankfurt a. M. 1977/1979: "§ 1.1. Im Gebiet der Stadt Frankfurt am Main sind Vorgärten mit Ausnahme der notwendigen Zugänge und Zufahrten gärtnerisch anzulegen und zu unterhalten und dürfen nicht als hauswirtschaftliche Flächen, als Arbeits-, Lager- oder Stellplatzflächen oder auf sonstige Weise genutzt werden."7 Doch sofort wird zweideutig relativiert: "2. Im Wege der Ausnahme können widerruflich für die Dauer eines besonderen Bedarfs Stellplätze in Vorgärten zugelassen werden, wenn dies im öffentlichen Interesse liegt und Stellplätze sonst auf dem Grundstück nicht vorhanden sind." Wenn es dann um kommerzielle Interessen geht, ist kaum ein Halten mehr: "3. Außerdem kann im Wege der Ausnahme zugelassen werden, dass die Vorgartenfläche vor Schaufenstern und Zugängen genehmigter Ladenlokale zu Ausstellungs- und Verkaufszwecken genutzt wird […] 4. In Vorgärten vor Cafés und Restaurants kann schließlich ausnahmsweise das Aufstellen von Tischen und Stühlen und eine dieser Nutzung entsprechende Befestigung des Bodens erlaubt werden, wenn eine ausreichende Begrünung des Vorgartens durch Pflanzkübel, Bäume und Ähnliches gewährleistet bleibt und Störungen der Nachbarn und der näheren Umgebung nicht zu erwarten sind."8 Die rechtlichen Ausnahmen 3. und 4. sind faktisch inzwischen die Regel, wie jeder Gang durch Städte bestätigt.

Die Tendenz zum Verdecken des Notwendigen und Nützlichen zugunsten des Schönen oder doch Hübschen spart häufig Autos oder "Verkaufszwecke" aus. Bei der Mülltonne wird es allerdings Ernst. Ein Extrem ihrer Behübschung sind "Modelle mit begrünten Dächern - mit elektrischen Hebevorrichtungen lassen sich die Tonnen sogar im Erdreich versenken."9 Auf deren Abdeckung suggeriert dann eine Blumenbepflanzung, dass es sich hier um Natur handele und nicht um Kultur, zu der eine pflegliche Entsorgung des Abfalls samt Recycling ebenso gehören wie der "gepflegte Rasen" und gepflegte Stil.

Es gibt vielerlei Überschneidungen zwischen Vor- und Kleingarten. Ein Aspekt ist die Größe. Wesentlich scheint es, dass für Kleingärten, aus historischen Gründen motiviert, verpflichtend ein hoher Anteil Nutzpflanzen vorgeschrieben ist. In Vorgärten dagegen sind sie selten, nicht zuletzt wegen der Angst vor dem Mundraub durch Vorübergehende, aber auch wegen des Strebens nach Schönheit ohne Einschränkungen durch Nützlichkeit. Manchmal legt erst die Verwilderung nützliche zweite Natur und die Erinnerung an die am Ursprung des Gartens stehende Agrikultur frei.

Literatur

1 Ausf. rw: Lebender Sichtschutz für Garten und Terrasse, www.zuhause.de/sichtschutz-aus-pflanzen-fuer-garten-und-terrasse/id_57807156/index, Abruf 18.01.17. Zur weiteren Gefahrenabwehr wie etwa "neugierige Blicke von höher gelegenen Fenstern" gibt es z. B. "kleinkronige Bäume wie den Kugelahorn."

2 www.mein-schoener-garten.de/vorgarten-476, Abruf 18.01.17.

3 de.wikipedia.org/wiki/Vorgarten, 21.04.14, Abruf 18.01.17.

4 "Skulpturen aus Schrott - die macht Klaus Viehöfer - und zwar nicht nur für sich, sondern für fast die gesamte Nachbarschaft in seiner Wohnsiedlung in Essen Schonnebeck. Die unterschiedlichsten Objekte zieren viele Vorgärten. Aus dem, was andere wegwerfen, macht Klaus Viehöfer Kunst." www.ardmediathek.de/tv/Lokalzeit-Ruhr/Essener-macht-Kunst-aus-Schrott/WDR-Fernsehen/Video, 20.04.2017, Abruf 22.07.17.

5 Ausf. en.wikipedia.org/wiki/Back_garden, 05.11.16, Abruf 17.01.17. Spezifisch britisch dürfte der Luftschutzraum sein, das "air raid shelter such as the Anderson shelter of World War II". Der deutsche private Atomschutzbunker war Villen vorbehalten und in den Keller eingebaut.

6 Ein Beispiel von vielen: Bei den Reihenhäuser der Steenkampsiedlung südlich der Trabrennbahn in Hamburg-Bahrenfeld aus den 1920er-Jahren gab es sogar Ordnungswidrigkeitsverfahren, weil einige illegal Parkplätze in dem oder statt des Vorgartens angelegt hatten - und heftige Proteste einiger gegen diese Durchsetzung des Rechts. Vgl. www.ndr.de/nachrichten/hamburg/Vorgaerten-duerfen-nicht-zu-Parkplaetzen-werden,altona510.html, 04.06.17, Abruf 20.07.17.

7 Vorgartensatzung. Bekanntmachung der Satzung über die gärtnerische Gestaltung von Vorgärten im Gebiet der Stadt Frankfurt am Main (Vorgartensatzung) vom 24.02.1977 (Städtische Mitteilungen 1977, Seite 110) in der Fassung vom 22.02.1979 (Mitteilungen 1979, Seite 213).

8 Ebenda.

9 Mit zwei Abbildungen www.derkleinegarten.de/haus-garten-wohnen/vorgarten-gestalten/versenkbare-muelltonnen.html, Abruf 18.01.17.

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