Beispiele aus Thüringen im Wandel der Zeit

Der Waldpark – ein fast vergessener Freiraumtypus

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Im Süden der Stadt Erfurt liegt der Steigerwald als beliebtes Naherholungsgebiet. Wege erschließen ihn und führen zu diversen Ausflugslokalen und vereinzelten Denkmälern. An der nördlichen Waldkante, wo Villengebiete zur Stadt überleiten, wird eine große Lichtung freigehalten, die sich Sängerwiese nennt. Der Hochpunkt zum Waldgebiet hin ist platzartig gestaltet und wird von einer halbrunden, aus Travertin errichteten Pergola dominiert. Die Situation scheint als Sichtfächer zur Stadt gedacht zu sein. Insgesamt ungewöhnlich für ein Waldgebiet, wie auch die Bezeichnung der begrenzenden Straße als "Parkstraße" oder des Umfelds der Sängerwiese als "Augustapark". Dazu später mehr.
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Abb. 1: Blick vom Waldpark rund um die Felsformationen des Metilsteins auf die Wartburg in Eisenach. Foto: Johannes Schwarzkopf

Zur Entstehung des Typus

Anmerkungen

Auch wenn es sich hier offensichtlich um Relikte einer gestalterischen Initiative handelt, ist das sehr viel aufwändiger, als wir es heute von einem Erholungswald oder Stadtforst erwarten. Eine Durchwegung ist üblich, die Ausstattung mit Bänken und Picknickplätzen, ein Fitnessparcours, vielleicht eine Waldgaststätte oder ein Aussichtsturm. Aber mehr?

Ja, sehr viel mehr. Denn Ende des 19. Jahrhunderts wurde es modern, die stadtnahen Forste intensiv zu erschließen und aufzuschmücken. Es entstand eine klassische Aufgabe für die städtischen Verschönerungsvereine. Auch in der fachlichen Diskussion der Gartenkünstler fand dieser Trend Beachtung. 1909 wurden auf der Hauptversammlung des Vereins deutscher Gartenkünstler (VdG) in Görlitz sogar drei Vorträge zu diesem Thema gehalten. Der Parey Verlag gab dazu einen Sonderdruck mit dem Titel "Der Waldpark – seine Gestaltung und seine Erhaltung" heraus.

Mit einem Herrn von Salisch kam zunächst ein Forstfachmann zu Wort, der äußerte, unter einem Waldpark verstehe er ". . . einen Forst oder einen erheblichen Teil eines Forstes, welcher im wesentlichen nutzbaren Zwecken dient, gleichzeitig aber für das Publikum geöffnet ist, welches darin Erholung, Genuß und Belehrung suchen soll".¹ Albert Brodersen, ab 1910 städtischer Gartendirektor Berlins, entgegnete, er stelle bei der Wertung des Waldparks ". . . in erster Linie den ideellen Nutzen für die Menschen und in zweiter den materiellen Gewinn in Rechnung".² Er stimme mit seinem Vorredner aber darin überein, dass bei der Umwandlung in einen Waldpark der Waldcharakter erhalten bleiben müsse. Garteninspektor Ernst Schneider sah den Vorteil des Waldparks schließlich darin, dass sein extensiverer Zustand es dem Publikum erlaube, sich etwas ungezwungener zu verhalten als in den städtischen Parkanlagen. Kritik an deren "wohlgepflegtem peinlichen Aussehen" ist dabei durchaus zu spüren.³

Eine sehr angeregte Diskussion, die also vor über 100 Jahren über einen offenbar neuen Freiraumtypus geführt wurde. Auch die Funktionalisierung der Lebenswelt nach 1945 und die Geschichtslosigkeit der frühen Nachkriegszeit mag mit dafür verantwortlich sein, wenn die liebevolle Aufschmückung der Stadtwälder fast überall aus der Realität und dem Gedächtnis verschwand, so dass heute oft nur Flurstücks- und Straßennamen an diese Phase erinnern. Relikte sind dennoch zu finden, auch solche, die immer noch als attraktiv wahrgenommen werden. Weiterhin entwickelte sich ein gartenhistorisches Forschungsinteresse, das 2011 zur Veröffentlichung von Ellen Schneiders Dissertation zum Thema "Der Waldpark – Ideen und Erscheinungsformen in Deutschland zwischen 1880 und 1935" führte.4

Zusammenfassend stellte sie fest, dass im untersuchten Zeitraum stadtnahe Wälder für die Erholungsnutzung erschlossen und in der Regel auch gartenkünstlerisch überformt wurden, wobei sowohl eine aktive als auch kontemplative Nutzung der frei zugänglichen Waldparks vorgesehen wurde. Weiterhin hätten sie in funktionaler und/oder visueller Verbindung mit Umland und Stadt gestanden, zu der Verkehrsverbindungen bestanden. Die Bewirtschaftung der Waldbestände sei vorrangig nach ästhetischen Gesichtspunkten erfolgt.5

In jüngerer Zeit arbeitete schließlich Daniel Rimbach heraus, dass auch die gestalteten Landschaftsräume rings um die Wartburg in Eisenach im 19. Jahrhundert zu einem zusammenhängenden Waldpark ausgestaltet und verwoben wurden.6 Daneben sind an meinem Fachgebiet in den letzten Jahren einige Masterarbeiten zu Geschichte und Entwicklungspotentialen ehemaliger Waldparks in Thüringen geschrieben worden. Einige regionale Beispiele bzw. ihre Relikte sollen in diesem Beitrag dazu dienen, die Charakteristika von Waldparks zu veranschaulichen und gleichzeitig auf ihren meist fragmentarischen Erhaltungszustand hinzuweisen. Leider standen dabei fast nur herbstliche und winterliche Bilder zur Verfügung.

Bewahrung und Inszenierung des Waldcharakters

Wie die kurze Einführung zum Typus zeigte, sollte die forstwirtschaftliche Effizienz nicht im Vordergrund stehen, ein Waldpark aber grundsätzlich seinen Waldcharakter behalten. Beim schon erwähnten Erfurter Steiger blieben große Teile des Waldes forstlichen und militärischen Zwecken vorbehalten. Auf einer eventuell schon vorher freigehaltenen Lichtung mit Blick auf die Stadt wurde nach Napoleons Sieg bei Jena und Auerstadt 1806 zu seinen Ehren ein Monopteros errichtet, im August 1812 eingeweiht und dieser Raum damit erstmals gestalterisch aufgewertet. Nach dem Sieg über die Franzosen bei Leipzig im Oktober 1813 verschwand der Monopteros, von dem heute nur noch eine Erhebung zeugt, und etwas weiter nördlich wurde ein Denkmal für den preußischen König Friedrich Wilhelm III. errichtet.7 Allmählich erfolgte die Umgestaltung der zur Stadt offenen Lichtung in der Tradition des Landschaftsgartens, während der Wald ringsum weiterhin forstlich unterhalten wurde. Ein großes Ereignis war im September 1976 die auf diesem Areal stattfindende Allgemeine deutsche Gartenbauausstellung. Da die aus dem Haus Sachsen-Weimar-Eisenach stammende Kaiserin Augusta an der Eröffnungsfeier teilnahm, erhielt der Park später ihren Namen.8 Lange in dieser Form konserviert und allmählich vereinfacht, erfuhr er – vermutlich zur ersten Internationalen Gartenbauausstellung der sozialistischen Länder iga '61 – eine letzte gestalterische Aufwertung in Form der Pergola am erhöhten Aussichtspunkt. Die Kiefern-Solitäre an den Rändern der Lichtung dürften aus den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts stammen und gleichfalls als Aufwertung des Gehölzbestandes zu interpretieren sein.

Der Umgebung der Wartburg in Eisenach wurde im 19. Jahrhundert ein besonderer Wert beigemessen, weshalb es nicht verwundert, dass vor allem durch die Forsträte Gottlob König und Carl Grebe auch hier Täler und Hangbereiche im Sinne eines Waldparks umgestaltet wurden. Dabei ging es vor allem um eine harmonische Wegeführung, die der Betonung der reizvollen landschaftlichen Gegebenheiten mit ihren Felsformationen und Ausblicken dienen sollte. "Die besondere Leistung dieser Gestaltung ist der bestrebte Einklang von forstwirtschaftlichen Notwendigkeiten verbunden mit einem hohen landschaftsästhetischen und gestalterischen Anspruch."9

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Abb. 2: Die Sängerwiese als Relikt des Augustaparks am Nordrand des Erfurter Steigerwalds. Hochwertige historische Bebauung schließt sich an. Foto: Johannes Schwarzkopf
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Abb. 3: Im Gothaer Arnoldi-Park stellen Lichtungen im dichten Waldbestand einzelne Solitärbäume frei. Foto: Johannes Schwarzkopf
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Abb. 4: Das Gehege in Nordhausen durchziehen einzelne breite Wege, die in den Randbereichen reizvolle Ausblicke auf die Stadt erlauben. Foto: Johannes Schwarzkopf

Die Entstehung des Arnoldi-Parks westlich der Stadt Gotha, heute auch als Stadtpark West oder Arnoldigarten bezeichnet, geht auf eine private Initiative Ernst Friedrich Arnoldis zurück. Er erwarb ein Grundstück auf dem Krahnberg und legte hier Ende des 18. Jahrhunderts seinen Berggarten als Rückzugsort an. Sein Sohn Ernst Wilhelm gilt als Begründer des deutschen Versicherungswesens, weshalb sich die Stadt verpflichtet fühlte, mit dem Erbe der Familie pfleglich umzugehen. Als deren Besitz auf dem Krahnberg 1873 der Kommune übereignet wurde, veranlasste der neu gegründete Verschönerungsverein den Umbau des heruntergekommenen Gartenhauses zu einem heute noch existierenden Ausflugslokal.

Es ist bezeichnend, dass hier wie in vielen deutschen Städten ein Verschönerungsverein bei der Förderung des kommunalen Stadtgrüns aktiv wurde. Um 1900 fanden schließlich die umfangreichen Aufforstungen statt, durch die der Arnoldi-Park erst zum Waldpark werden sollte.10 Es kann also tatsächlich von einer Inszenierung des Waldcharakters gesprochen werden. Das wird auch durch die Freistellung besonderer Solitärbäume auf Lichtungen oder in Randbereichen unterstrichen, die sich an einigen Stellen bis heute erhalten hat.

Auch das sogenannte Gehege in Nordhausen, im Norden der Altstadt auf dem Geiersberg gelegen, wurde bewusst aufgeforstet. Sein Name erinnert bis heute an die ursprünglich hier stattfindende Beweidung. Schon im 18. Jahrhundert begann eine Aufforstung des beliebten Ausflugsziels aus ästhetischen Gründen. Dem Vernehmen nach wurden Bürger und Jungvermählte zu Baumspenden verpflichtet. Und auch hier brachte sich der 1832 gegründete Verschönerungsverein bei der weiteren Gestaltung ein.

Ursprünglich wohl gezielt mit Lichtungen durchsetzt, ist der von zahlreichen Wegen durchzogene Waldbestand heute relativ dicht. Eine Ausnahme bildet der Gehegeplatz im Norden, dessen Beliebtheit als Ausflugsziel heute noch einige Gaststätten dokumentieren. Zur Integration des Geheges in die Freiräume der Stadt ist noch anzumerken, dass es über den historischen Grünzug der Promenade von Süden her gut erreichbar ist und sich nach Norden der heute frei zugängliche, von Heinrich und Phillip Siesmayer geschaffene Park Hohenrode und der Stadtpark an der Zorge anschließen.

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Abb. 5: Pergola von 1961 am Standort des verschwundenen Denkmals für den preußischen König Friedrich Wilhelm III. Foto: Johannes Schwarzkopf
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Abb. 6: Der Müller-Tempel am Südrand des Arnoldi-Parks in Gotha eröffnet weite Ausblicke auf Landschaft und Stadt. Foto: Johannes Schwarzkopf

Bauten und Ausflugsziele

Das einzige Bauwerk im ehemaligen Erfurter Augustapark ist die schon erwähnte Pergola von 1961. Darüber hinaus gab es dort nur temporär Ausstellungsbauten. Über das Waldgebiet des Steigerwalds verbreitet aber finden sich einige der Ausflugslokale mit Terrassen und Wirtsgärten, die sich oft in Waldparks etablierten. Auch ihr überwiegend historistischer Baustil entspricht der üblichen Bauweise des späten 19. Jahrhunderts. Der Name "Waldcasino" des nördlichsten Lokals erinnert im Übrigen daran, dass es gern durch die Offiziere des im Steigerwald übenden Militärs aufgesucht wurde.

Auch im Gothaer Arnoldi-Park empfängt bis heute das Restaurant "Berggarten" seine Gäste. Sein Name erinnert an den schon erwähnten Privatgarten der Familie Arnoldi, der sich dort bis 1872 befand. Obwohl das Lokal aus einem Privathaus entstand, entspricht auch sein Fachwerkstil dem üblichen Erscheinungsbild eines solchen Etablissements in der Kaiserzeit. Darüber hinaus verteilen sich einige weitere Bauten über den Park. Dabei ist das Gartenhäuschen im chinesischen Stil von 1826¹¹ noch ein typisches Element eines privaten Landschaftsgartens, während andere Bauten eher der späteren Nutzung als öffentlicher Park zuzuordnen sind.

Hervorzuheben ist vor allem der achteckige Müller-Tempel in verspielter Eisen-Bauweise, der 1902 Ernst Adolf Müller als Begründer des Verschönerungsvereins gewidmet wurde. Seinerzeit ein typischer Anlass, um jemandem ein Denkmal zu setzen – einschließlich seiner Position an der Hangkante als zeitgemäße Inszenierung eines solchen Aussichtspunktes. Weiterhin gab es unter anderem einen 1830 erbauten Aussichtsturm im neogotischen Stil, der in jüngerer Zeit durch den stählernen "Bürgerturm" ersetzt wurde.

Ein ganz besonderes Bautenensemble bildet der Gehegeplatz in Nordhausen. Wie ein langgestreckter Anger erstreckt er sich im Norden des Waldparks. Während heute eine durchgehende Bitumendecke die Nutzung als Parkplatz vorgibt, schmückten früher Brunnen und Kandelaber die zentrale Freifläche.

Reichlich historische Spuren weist allerdings die umgebende Bebauung auf. Eine erstaunliche Vielzahl von Café-, Restaurant- und Saalbauten in unterschiedlichen Erhaltungszuständen zeugt ebenso von der einstigen Bedeutung dieses Ausflugsortes wie deren großzügige Terrassen und die beiden "Tonhallen". Ein großes bauliches und Nutzungspotential, das heute leider kaum noch als solches wahrgenommen wird.

Die gewählten Beispiele belegen, wie wichtig die Naherholung in unmittelbarer Stadtnähe historisch war und welche Bedeutung dabei den zu Waldparks umgewidmeten Stadtforsten zukommen konnte. Naturgemäß entstanden dort vor allem Gaststätten. Für die aktuelle Ambivalenz im Umgang mit den Stadtwäldern spricht, dass diese Lokale sich heute teils in einem vitalen Zustand befinden, teils leer stehen. Auch Aussichtstürme wie in Gotha gehörten zum typischen baulichen Repertoire – nicht zuletzt als Orte bürgerlicher Selbstvergewisserung.

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Abb. 7: Im Arnoldi-Park hat sich der "Berggarten" als traditionelles Ausflugslokal erhalten. Foto: Johannes Schwarzkopf
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Abb. 8: Auf dem Gehegeplatz im Nordhäuser Gehege befanden sich mehrere Ausflugslokale und zwei klassizistische Tonhallen. Foto: Johannes Schwarzkopf

Denkmäler und bürgerliche Identität

Die Ausschmückung und Nutzbarmachung der Stadtwälder war ausschließlich bürgerlicher Initiative zu verdanken, wie die letzten Abschnitte zeigen konnten. Auch in gartenhistorischer Hinsicht spiegelt sich in ihnen also die Konsolidierung eines stetig wachsenden bürgerlichen Selbstbewusstseins in einer Gesellschaft wider, deren Regierungsform allerdings noch für einige Zeit die Monarchie bleiben sollte. Zu dieser Konsolidierung gehörte auch die Kultivierung einer eigenständigen und ausgeprägten bürgerlichen Denkmalkultur.

Dabei war das Selbstverständnis des Bürgertums einer prosperierenden Industriegesellschaft verdienstorientiert, womit es sich vom Adel und seinem ererbten Reichtum abzusetzen suchte. Auch die meisten Denkmäler in den Waldparks repräsentieren dieses Selbstbild. So wurden mit dem Müller-Tempel im Gothaer Arnoldi-Park eben dessen Verdienste für den Verschönerungsverein gewürdigt. Natürlich gab und gibt es dort auch verschiedene Denkmäler für Angehörige der Familie Arnoldi, deren Prominenz wiederum das Aufstreben des Bürgertums bestätigte.

Gleiches bezweckte 1858 die Aufstellung einer Gedenksäule für den verdienten Arzt und Botaniker Friedrich Wilhelm Wallroth im Nordhäuser Gehege. Zum bürgerlichen Kodex gehörte es aber auch, dass mit dem Stiften von Parkausstattungen Reputation erworben werden konnte. So findet sich im Arnoldi-Park der Lüderitzbrunnen, dessen aufwändige Fassung 1830 ein gleichnamiger Schlossermeister finanzierte.¹² Auch das Stiften von Bänken an attraktiven Aussichtspunkten ist – bis heute – als Teil dieser Tradition zu sehen.

Den Gesetzmäßigkeiten des Landschaftsgartens folgend, Hoch- oder Blickpunkte zu betonen, fanden zahlreiche Denkmäler nicht nur in den hier besprochenen Waldparks Aufstellung. In Nordhausen wurde dieser Gestaltungstradition folgend 1925 das eindrucksvolle expressionistische Kriegerdenkmal für Gefallene des Ersten Weltkriegs aus Wartburgkonglomerat errichtet. Wie andernorts kaschierte der heroisierende Entwurf des Architekten Georg Rödiger aus Halle die Irritation der Bürgerschaft über das Massensterben und die gesellschaftlichen Brüche als Folge des Krieges.

Andere Denkmäler – auch besonders gewidmete Einzelbäume – konnten auf sehr viel harmlosere Ereignisse Bezug nehmen. Aufschlussreich ist das Bedürfnis vieler Kommunen, das hier Erinnerte heute mit neuen Informationstafeln zu erläutern, weil die Kenntnis davon in der Stadtgesellschaft zu verblassen beginnt. Oft sind bezugslos wirkende Denkmäler, die in Stadtplänen, auf Übersichtstafeln oder in Google Maps aufscheinen, im Übrigen leider die einzigen Spuren, die im unkontrolliert wuchernden oder forstlich nüchtern gepflegten Gehölzbeständen von den Waldparks erhalten blieben.

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Abb. 9: Der Lüderitzbrunnen im Gothaer Arnoldi-Park wird durch die Benennung nach einem Bürger, der ihn 1830 fassen ließ, zum Denkmal. Foto: Johannes Schwarzkopf
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Abb. 10: Gedenksäule vom 1858 für den Nordhäuser Arzt und Botaniker Friedrich Wilhelm Wallroth im dortigen Gehege. Foto: Johannes Schwarzkopf
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Abb. 11: Expressionistisches Kriegerdenkmal im Gehege für die Gefallenen des Ersten Weltkrieges von 1925. Foto: Johannes Schwarzkopf

Zukunftsperspektiven

Vielleicht liegt es an der heutigen Diversifizierung gesellschaftlicher Ausdrucksformen, dass die eindeutige und normative Selbstbestätigung des Bürgertums, die auch in den Waldparks ihren Ausdruck fand, heute als Wert nicht mehr erkennbar ist. Dennoch zeigen die Diskussionen rund um Pandemie und Klimawandel, dass Stadtwälder aktuell eine große Rolle spielen können – als Teil der grünen Infrastruktur, aber auch einer neuen Erinnerungskultur. Im Übrigen bietet sich hier die Möglichkeit, das Stadtgrün in erheblichem Umfang um extensiv pflegbare und dennoch attraktive Freiräume zu erweitern. Auf sie würde der inzwischen etwas abgegriffene Begriff der Nachhaltigkeit wirklich zutreffen.

Vielleicht braucht es Pilotprojekte, um sich dem Typus des Waldparks gezielt wieder anzunähern – professionell aus Sicht der Landschaftsarchitektur und der Gartendenkmalpflege, aber auch im Sinne des Generierens neuer alter Freizeitangebote. Waldbaden ist heute schließlich ebenso ein Thema wie die Naherholung als "weicher" Standortfaktor. Selten, aber durchaus mit Erfolg, sind in den letzten Jahrzehnten gartendenkmalpflegerische Projekte Teil von Bundes- oder Landesgartenschauen gewesen. Ein gutes Beispiel dafür: die ebenso denkmalgerechte wie nutzungsorientierte Revitalisierung des Parks auf dem Brandenburger Marienberg im Rahmen der BUGA Havelregion 2015. Wäre es nicht eine gute Idee, sich in diesem Sinne eines der vielen vergessenen und verwahrlosenden Stadtwälder anzunehmen?

Anmerkungen

¹ Der Waldpark – seine Gestaltung und seine Erhaltung. Drei Vorträge, gehalten auf der Hauptversammlung des Vereins deutscher Gartenkünstler, Görlitz, am 8. August 1909, von den Herren Rittergutsbesitzer v. Salisch (M.d.H.); Kgl. Gartenbaudirektor A. Brodersen und Städt. Garteninspektor Ernst Schneider. Herausgegeben vom Verein Deutscher Gartenkünstler. Berlin 1909, S. 3

² Ebenda, S. 15

³ Vgl. ebenda, S. 17

4 Ellen Schneider: Der Waldpark – Ideen und Erscheinungsformen in Deutschland zwischen 1880 und 1935. Als Dissertationsschrift an der Fakultät Architektur der Technischen Universität Dresden angenommen und verteidigt am 10. November 2010. Remagen-Oberwinter 2011

5 Vgl. ebenda, S. 1

6 Daniel Rimbach: Der Waldpark Wartburg. Entwicklung – Bestand – Perspektiven einer forstästhetisch geprägten Denkmallandschaft. Arbeitsheft des Thüringischen Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie – Bau- und Kunstdenkmalpflege – Neue Folge 46. Erfurt 2014

7 Siehe Max Timpel: Der Steigerwald bei Erfurt. Erfurt² 1910, S. 41 ff.

8 Siehe Rüdiger Paul Kirsten: Die historische Entwicklung des Erfurter Stadtgrüns im Kontext zur gartenbaulichen Tradition im 19. und 20. Jahrhundert. In: Martin Baumann und Steffen Raßloff (Hrsg.): Blumenstadt Erfurt. Waid – Gartenbau – iga/egapark. Erfurt 2011, S. 225

9 Rimbach 2014, S. 27

10 Siehe Karl Kohlstock: Entdeckungsreisen in die Heimat, Heft 11. Berggarten. Westseite des Galberges. Gotha 1926, S. 2

¹¹ Über dieses und weitere Bauwerke informiert Matthias Wenzel in: Gotha auf alten Postkarten. Erfurt 2005, hier S. 95.

¹² Siehe ebenda, S. 97

Prof. Dr.-Ing. Johannes Schwarzkopf
Autor

Professor für „Gartendenkmalpflege und Freiraumplanung“

Fachhochschule Erfurt

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