Der Einsatz von Bodenfeuchtigkeitssensoren
Systematische sensorgestützte Baumbewässerung
von: Alexander Borgmann genannt Brüser, Christoph SternbergMit dem Verbau der ersten Bodenfeuchtigkeitssensoren im Juni 2013 in der Berliner Paul-Löbe-Allee markiert die Berliner Sanierungsmethode einen wichtigen Startpunkt dieser technisch-organisatorischen Revolution der Stadtbaumbewässerung. Die Sanierungsmethode basiert auf jahrelanger praxisnaher Entwicklung an der Berliner Hochschule für Technik und wird stetig weiterentwickelt (Borgmann gen. Brüser 2014; Borgmann gen. Brüser et al. 2015, Balder et al. 2016; Borgmann gen. Brüser et al. 2017, Borgmann gen. Brüser 2019).
Entwicklungsstand Mai 2023
Aktuell befinden sich zunehmend (neue) Anbieter mit Schwerpunkten im Handel, Verbau von Technik und digitalen Dienstleistungen (Dashboards zur Visualisierung) auf dem Markt. Mit Angebot und Nachfrage entwickelt sich zugleich ein stark divergierendes Angebot im Bereich der sensorgestützten Bewässerung mit unterschiedlichen technischen Funktionen sowie methodischen Ansätzen zur Interpretation. Für interessierte Städte und Kommunen kann es somit schnell unübersichtlich werden und auch das Kosten-Nutzen-Verhältnis ist oftmals nicht ersichtlich. Zum jetzigen Zeitpunkt ist das Ende für technische und methodische Entwicklungen nicht in Sicht, wodurch weitere Anpassungen sehr wahrscheinlich werden.
Aus Autorensicht scheint es jedoch selbst in dieser frühen Entwicklungsphase zwingend notwendig zu publizieren, um den vielen engagierten Anwenderinnen und Anwendern in der Praxis Orientierung zu bieten zwischen akademischem Wunschdenken und den vielfach zu einfachen Antworten aus Handel und Industrie.
Wahl der Sensortechnik zur Beurteilung der Wasserverfügbarkeit
Der Markt bietet eine Vielzahl von Sensoren für Erhebungen an der Pflanze selbst (sogenannte Pflanzensensoren), zum Beispiel über Reaktionen am Blatt oder für die Messungen im Boden beziehungsweise Baumsubstrat über Bodensensoren.
Die hier vorgestellten Erfahrungen gründen ausnahmslos auf Bodensensoren, denn - so viel war im Vorhinein klar - über den Zustand des Bodens, wie beispielsweise die Wasserbevorratung in den verschiedenen Bodenhorizonten, den Einfluss auf die Wasserfügbarkeit infolge der letzten Bewässerung oder des zurückliegenden Niederschlags wird auch der beste Pflanzensensor keine direkte Auskunft geben. Selbstverständlich wird auch der beste Bodensensor keine besonders aussagekräftigen Informationen über den physiologischen Zustand des Baumes liefern. Aber braucht es diese auf Messtechnik basierte Pflanzüberprüfung unbedingt? Welche Informationen werden wirklich gebraucht? An welcher Stelle ist es lohnenswert in Technik zu investieren? Perspektivisch sollte die Einbindung der an der Pflanze gemessenen Daten beziehungsweise die Kombination derer mit optischen Bewertungen und Bodendaten nicht auszuschließen sein, ja sogar zwingend erforderlich werden, um selbstlernende Algorithmen sozusagen von beiden Seiten mit Daten "zu füttern".
Aber machen wir doch bitte einen Schritt nach dem anderen und konzentrieren uns vorerst auf die Probleme der Gegenwart und näheren Zukunft!
Bodensensoren zur Messung der Wasserspannung
Zur Verwendung geeigneter Bodensensoren sprachen sich in jüngeren Veröffentlichungen bereits viele Autorinnen und Autoren für die Vorteile von Sensoren für die Bodenwasserspannung (nicht volumetrischer Wassergehalt) und zugleich für mehrere Messstellen im Bestand aus (Borgmann gen. Brüser et al. 2017, Borgmann gen. Brüser & Balder 2018, Weltecke 2020, Borgmann gen. Brüser & Riehl 2020, Schütt et al. 2022a, Krekel 2022). Hintergrund ist die bessere Interpretierbarkeit der Wasserspannung in variierenden Bodenmilieus (z. B. im Wurzelballen, Baumsubstrat oder anstehender Boden außerhalb der Pflanzgrube) und die Vermeidung von Zufallsergebnissen bei Einzelmesspunkten, da erwiesenermaßen Einzelmesswerte aller im Einsatz befindlicher Sensoren (beide Typen) in technogenen Substraten nicht unerheblich streuen (Borgmann gen Brüser 2014, Hertzler & Rust 2019, Krekel 2022, Schütt et al. 2022a, Weltecke 2023).
Bodensensoren zur Messung des volumetrischen Wassergehaltes
Die Verwendung der Messgröße des volumetrischen Wassergehaltes, vollmundig als vorteilhaft von einigen Vertretern der Substratindustrie angepriesen, ist zu sehr auf das Übergangsmedium Baumsubstrat ausgerichtet. Dabei werden beim mehrjährigen Etablierungsprozess der Wurzelballen (sehr wichtig im 1. und z. T. noch im 2. Standjahr) und der anstehende Boden (wichtig infolge der Auswurzelung aus den meist wenigen Kubikmetern Substrat) nicht ausreichend berücksichtigt. Des Weiteren scheint die seitens der Industrie angebotene Kalibrierung jener Sensoren auf eben nur ein spezifisches Substrat, vor allem der Kundenbindung in einem immer stärker umkämpften Substratmarkt zu dienen. Es bleibt abzuwarten, ob diese Form der Markenbindung von den ausschreibenden Stellen toleriert wird.
Dies soll als Aufforderung zur aktiven Mitwirkung an der sinnvollen Weiterentwicklung der noch nicht zu Ende gedachten Baumsubstrate verstanden werden.
Beispielsweise mit der pro aktiven Aufnahme des Qualitätskriteriums der nutzbaren Wasserspeicherkapazität (Synonym: nutzbare Feldkapazität) ins betriebseigene Portfolio, um einer überarbeiteten Gütebestimmung für Baumsubstrate der Forschungsgesellschaft für Landschaftsentwicklung und Landschaftsbau (FLL 2) vorweg zu greifen (Schütt et al. 2022b, Eschenbach et al. 2023).
Zusammenfassend gibt es verschiedene Messmethoden unterschiedlicher Sensoren. Aus praktischer Erfahrung sowie Beachtung unterschiedlicher Bodenmilieus, haben sich Bodenwasserspannungssensoren als kostengünstige und verlässliche Bewertungsgrundlage bewährt. Gleichzeitig bedarf es zur sicheren Interpretation mehrere Messstellen (Wiederholungen), um Streuungen und Fehler sicher interpretieren zu können.
Doch wie kann der Einsatz von Feuchtesensoren effektiv gestaltet werden? Wie werden die Rohdaten zu einem Mehrwert des Bewässerungsmanagements? Und welche Methodik bietet überhaupt eine praxistaugliche Implementierung in das bestehende Grünflächenmanagement?
Systematische sensorgestützte Baumbewässerung
Die spezifische Methodenentwicklung begann 2018 mit Vorversuchen in Berlin-Neukölln und wurde dabei in enger Abstimmung mit der Praxis erarbeitet, um Lösungen zu finden, die auf den derzeitigen gärtnerisch-baumpflegerischen Strukturen gründen. Ein rationaler Technikeinsatz soll eine Entscheidungshilfe zur Bewässerung und zum Vitalerhalt für die verantwortlichen Akteure der grünen Branche liefern und diese nicht gänzlich ersetzen.
Bevor Sensoren dauerhaft und kostenintensiv am Standort verbaut werden, sollte die Gesamtsituation analysiert werden. Es bringt große Vorteile im Vorfeld Kategorien zu bilden bzw. vergleichbare Gruppen zu benennen, wie zum Beispiel bei Gehölzen im:
- 1. Standjahr:
- mit Unterpflanzung
- ohne Unterpflanzung
- 2. Standjahr
- 3. Standjahr
Unterschiedliche Altersphasen (Jugend-, Reife- und Altersphase)
- Verschiedene Gießregime:
- Firma A, Firma B, Firma C
- Anwohnerbeete (Baumpatenschaften)
Hintergrund dieser äußerst wichtigen Typisierung ist der gezielte und somit rationale Technikeinsatz. Die Wasserbedürftigkeit sollte bei der Bildung dieser innerhalb der Gruppe vergleichbaren Gehölze im Fokus stehen. Bei einer gewünschten Vergleichbarkeit sind beispielsweise folgende Parameter zu berücksichtigen:
- Baumscheibengröße und -gestaltung im direkten Baumumfeld (z. B. Staudenbepflanzung + mineralischer Mulch)
- Substrateigenschaften (z. B. gleicher Hersteller) und räumliche Bereitstellung in der Pflanzgrube (> 12 m³)
- Gießregime (z. B. ein lokales Unternehmen oder die eigenen Mitarbeiter)
- Sonnen- und Niederschlagsexposition
Lediglich die variierende Zusammensetzung von Arten und Sorten innerhalb der Gesamtheit der verschiedenen Pflanzungen sollte die Sache nicht unnötig verkomplizieren.
Praxisnah und kostenverantwortlich ist in diesem Fall die Ausstattung von vergleichsweise fünf starkwüchsigen Arten beziehungsweise Sorten aus den Gattungen Tilia spec., Fraxinus spec., Ulmus spec., Alnus spec., Acer spec., Prunus spec. und viele mehr anzustreben. Aus physiologischen Gesichtspunkten ist vielleicht eine Differenzierung der Arten begründbar; aus Anwendersicht gießt man jedoch die paar vermeidlich "weniger Durstigen" über den gleichen Leisten, das heißt die fünf Messpunkt in der jeweiligen Kategorie, einfach mit.
Weitere Gruppen von vergleichbaren Gehölzen lassen sich auch bei Straßenbäumen in der Reifephase finden, wenn es beispielsweise darum geht, Spitz- oder Bergahorn an alten Standorten mit wenig Wurzelraum "zu halten", bis auch diese Standorte klimaangepasst umgebaut werden. Im Hinblick auf zurückliegende Massepflanzungen lassen sich oftmals viele hundert oder tausende Gehölze in eine Begebenheit zusammenfassen und über eine Hand voll Mess-Stellen bewerten und steuern. Jeden 10ten oder auch jeden 20ten Baum auszustatten heißt in den meisten Fällen: zu wenig nachgedacht und zu viel Material verschwendet zu haben.
Auch Zukunftsbaumarten bedarfsorientiert gießen
In Zeiten wo Monopflanzungen aus einer Baumart/-sorte in vielen Städten zur Vergangenheit gehören und immer mehr Diversität Einzug hält, bedarf es ohnehin langfristig Ansätze, die auf "gleichrangigen" Gehölzen und nicht ausschließlich auf gleichartigen Gehölzen basieren. Zur Etablierung sollte die genetisch fixierte Trockenheitsanpassung "moderner Baumarten" nicht über den vergleichbar hohen Wasserbedarf gegenüber den heimischen Art- oder Gattungsverwandten hinwegtäuschen. So können Sommer-, Winter-, Silber-, Krim-, und die Mongolische Linde durchaus in der gleichen Kategorie verortet werden, da verpflanzte Alleebäume per se auf Wasser angewiesen sind und die klimatische Standortangepasstheit erst nach erfolgreicher Standortetablierung zum Tragen kommen kann.
Dynamische Bewässerungsstrategien I, II und III
Die sichere Etablierung von jungen (Allee)bäumen erfordert nach dem Pflanzen einige Jahre besondere Aufmerksamkeit. Der hier vorgestellte Ansatz orientiert sich perspektivisch an den ersten fünf Standjahre, unter der Prämisse für jedes Jahr der Etablierung eine, an den jeweiligen Etablierungsgrad angepasste, Bewässerungsstrategie anzuwenden. Dazu werden an fünf repräsentativen Gehölzen jeweils vier Feuchtigkeitssensoren verbaut. Die größte Anpassung bei der Bewässerung ist gegenüber den jährlich variierenden Niederschlagsmengen und -verteilungen zu leisten. Hier helfen die Feuchtigkeitssensoren beziehungsweise Boden- sowie die Niederschlagsdaten vom Deutschen Wetterdienst (DWD).
Wie in den Bewässerungsstrategien (BWS) I und II ersichtlich wird, liegt der Bewässerungs-Fokus in den ersten beiden Jahren vorwiegend baumnah im Bereich des Wurzelballens und dem umliegenden Substrat, der sog. direkten Auswurzelungszone. Hierzu werden an den Bäumen jeweils ein Sensor direkt im Pflanzballen sowie drei Sensoren bei einem Stammabstand von 0,7 Meter in den Tiefen -30, -60 und -90 Zentimeter installiert. Eine zusätzliche Ausstattung der Baumgrube im Bereich der erweiterten Auswurzelungszone wird frühestens ab dem 3. Standjahr erforderlich. Die Instrumentierung des erweiterten Wurzelraums (wiederum mit fünf Messpunkten in den drei Tiefen -30, -60 und -90 cm), Abstand 1,5 Meter vom Stamm des Baumes, kann im Zuge einer ohnehin geplanten Wurzelevaluierung zur Strategieanpassung durchgeführt werden. Grundsätzlich wird im ersten Jahr beziehungsweise hinsichtlich der Strategie I der Ansatz verfolgt, den Wurzelballen kontrolliert bis auf einen definierten Wert der Bodenwasserspannung (bis pF-Wert: 2,5 bzw. 32 kPa) abtrocknen zu lassen und den Bereich um den Ballen herum ebenso feucht (bis pF-Wert: 2,5 bzw. 32 kPa) zu halten. Der zugelassene "leichte Stress" sollte die Auswurzelung aus dem Ballen in den umliegenden Bereich fördern und gleichzeitig das Anwachsen sicher gestalten. Infolge einer nachweißlich gelungenen Auswurzelung (vgl. Borgmann genannt Brüser & Riehl 2020) kann zu Beginn des zweiten Standjahres der Wechsel zu Strategie II unternommen werden. Der Fokus der sehr guten Versorgung liegt nun immer noch auf der gesamten Auswurzelungszone, aber nicht mehr im Ballen. So sollen die Wurzeln des Baumes weiter zur Aus- und Tiefenwurzelung angeregt werden. "Mäßiger Stress" wird im Ballen nun bis 80 Kilopascal (pF-Wert: 2,9) toleriert. Der Wurzelballen darf bereits stärker abtrocknen und wird nur noch bei Überschreiten des Schwellenwertes (62 kPa, pF-Wert: 2,8) mitversorgt. In der Regel erfolgt die Bewässerung bereits im 2. Standjahr in einem Radius von bis zu einem Meter Stammentfernung um den Gießring herum.
Hinsichtlich Bewässerungsstrategie III ist keine Bewässerung des Ballens mehr vorgesehen. Der orange Bereich der kritischen Wasserversorgung reicht bis zum Permanenten Welkepunkt (1585 kPa, pF-Wert: 4,2), zudem ist kein Schwellenwert für das Auslösen einer Wassergabe vorgesehen. (Abb. 1)
Bewässerungszonen & Gießwassermengen im 1., 2. und 3. Standjahr
Für ein systematisches Gießen braucht es neben Grenzbereichen und Schwellenwerten der Bodenfeuchtigkeit auch klar abgesteckte Zonen, wo im Bedarfsfall gewässert werden sollte.
Zur Steuerung von Gießgängen wurde die Gesamtfläche in drei Bewässerungszonen gegliedert:
- Die Ballenzone (BaZo) - ab dem Stamm bis Ballenkante beziehungsweise innerhalb des Gießrings
- Die direkte Auswurzelungszone (direkte AWZ) - ab dem Gießring bis Gießradius 1 Meter in alle Richtungen
- Die erweiterte Auswurzelungszone (erweiterte AWZ) - ab Abstand/Gießradius 1 Meter bis Gießradius 2 Meter in Längsrichtung
Im ersten Standjahr sollte zu Beginn mit einer Menge von 75 bis 100 Liter Gießwasser pro Gabe in die Ballenzone (Abb. 2) gewässert werden (FLL 1). Oftmals wird schon in der ersten Vegetationsperiode eine Bewässerung in die direkte Auswurzelungszone (Abb. 3) nötig, da der definierte gute Versorgungsbereich (bis 32 kPa) nicht mehr eingehalten wird. In diesem Fall kann sich die Wassermenge bereits im ersten Jahr auf etwa 150 Liter erhöhen. Im zweiten Standjahr wird vermehrt in die direkte Auswurzelungszone bis zu einem Abstand von 1 Meter vom Baum gewässert. Im Hinblick auf den nun schon größeren Bereich der bewässert soll, sind pro Gabe 150 bis 200 Liter Wasser sinnvoll, um die Speicher wieder voll aufzufüllen. Erst ab dem dritten Standjahr in Hinblick auf Strategie III wird die erweiterte Auswurzelungszone bezüglich Wassergaben interessant (Abb. 4). Bei stark ausgewurzelten Gehölzen, die auch schon tiefere Bodenschichten erschlossen haben, können bereits im 3. Standjahr, in Abhängigkeit zur Baumscheibengröße Wassergaben um 200 bis 400 Liter pro Gabe in die direkte und zum Teil in die erweiterte Auswurzelungszone empfehlenswert sein, um nach vorherig definierter Abtrocknung auch tiefere Areale wieder zu durchfeuchten. Der Erhöhung der Wassermenge steht die deutliche Ausweitung der Gießabstände positiv entgegen, da mit modernen Gießflotten vor allem das Anfahren der Gehölze das Gro der Kosten verursacht, und erst mal am Baum angekommen, Gießwassermengen zwischen 100 und 400 Liter keine lineare Kostensteigerung nach sich ziehen.
Evaluierung der Gehölzvitalität und Wurzelentwicklung nach dem 1. und 2. Standjahr zur Überprüfung und Anpassung der Bewässerungsstrategie
Ohne Blick auf die pflanzliche Entwicklung und die Möglichkeit einer variablen Anpassung der Bewässerung an den aktuellen Grad der Auswurzelung bliebe auch die Etablierung mittels Sensortechnik, Grenzbereichen der Bodenfeuchtigkeit, usw. statisch und ohne die nötige Dynamik im Umgang mit der sich ständig wandelnden Natur. Erst durch die jährlich wiederkehrende, exemplarische Pflanzenbewertung inklusive Wurzelsuchschachtung wird aus dem anfänglich monokausalen Ansatz der sensorgestützten Bewässerung, ein mehrdimensionales und für die Praxis ausreichend effizientes und sicheres System. Zur Überprüfung der angewandten Strategie I und Strategie II wird infolge der jeweiligen Vegetationsperiode die Etablierungsleistung, das heißt die Auswurzelung aus dem Wurzelballen in den anstehenden Substratköper beziehungsweise in die verschiedenen definierten Auswurzelungszonen (AWZ -30 cm, AWZ -60 cm, AWZ -90 cm) überprüft. Vor dem Start des 2. Standjahres muss vorwiegend im oberen Bereich eine Überprüfung stattfinden, ob das Gehölz ausgewurzelt ist. Dazu werden mit dem Spaten fünf exemplarische Gehölze partiell im Grenzbereich zwischen der Ballenzone und der oberen Auswurzelungszone (AWZ -30 cm) freigelegt. Sollten die Gehölze nicht ausreichend ausgewurzelt sein, wird kein Strategiewechsel vollzogen und auch im 2. Standjahr BWS I angewendet, um die Gehölze gut versorgt zu wissen. Bei Quercus robur scheint, nach aktuellem Kenntnisstand, eine schwache beziehungsweise nicht ausreichende Wurzelentwicklung arttypisch normal zu sein (Abb. 5), wohingegen Ulmus laevis zur ersten Überprüfung in der Regel etwa 60 bis 70 Zentimeter auswurzeln können (Abb. 6).
Bei erfolgreicher Ergebniskontrolle, meint eine Auswurzelung von etwa 70 Zentimeter (ebenso Abstand des Sensormesspunktes vom Baum), kann für das Folgejahr Strategie II eingeleitet werden. Der Fokus liegt nun mehr auf einer raschen Tiefenerschließung. Die Evaluierung gestaltet sich dementsprechend deutlich aufwändiger, da die Tiefenwurzelung überprüft werden muss. Mithilfe eines Saugbaggers kann bis -100 Zentimeter Tiefe und einem Abstand von etwa 1,0 bis 1,5 Meter möglichst wurzelschonend freigelegt werden (Abb. 7, 8 u. 9). Eine praxistaugliche Alternative zum Saugbaggereinsatz kann ein schmaler, von Hand gegrabener Profilgraben sein (Abb. 9, 10 u. 11). Zusätzlich zur unterirdischen Evaluierung wird eine oberirdische Vitalitätsbeurteilung sowie eine Messung des Stammumfangs in 1 Meter Höhe durchgeführt.
Datentransfer der Sensordaten
Die Übertragung der Sensordaten kann grundsätzlich manuell oder vollautomatisch erfolgen. Mit der Entwicklung verlässlicher Funksender und dem Ausbau des Smart-City-Gedankens, wurde die manuelle Hand-Auslesung die letzten Jahre größtenteils ersetzt. So kommen Funksender bereits in vielen Städten zum Einsatz. Je nach Rahmenbedingung wird sich zwischen den zwei Varianten der niederfrequenten Funktelemetrie (LoRaWAN oder NB-IoT) entschieden. Vorteilhaft für beide Funkmethoden ist der geringe Energieverbrauch für die Übertragung von geringen Datenmengen über größere Entfernungen. Die auf die nötigsten Funktionen reduzierten Funkeinheiten (Verzicht auf GPS, WLAN u. a.) werden über Batterie oder Akku mit Strom versorgt und können wenige Zentimeter unterflur in einem verschlossenen, vor Witterungseinflüssen und Vandalismus geschützten, Kunststoffgehäuse platziert werden. Je nach Dimensionierung des Energieträgers sind so ein bis fünf Vegetationszeiten umsetzbar. Man bedenke jedoch, dass jedes Frostereignis auch die stärkste Batterie in ihrer Kapazität herabsetzt. Dazu verlaufen die Preisentwicklungen zur Kapazität nahezu linear.
Ökonomische Potenziale eines dynamischen Bewässerungssystems
Die Umstellung der Baumbewässerung von starren Intervallen auf ein dynamisches System eröffnet verschiedene wirtschaftliche Vorteile. In stattfindenden und prognostizierten, häufiger auftretenden Dürrejahren wird eine an den tatsächlichen Bedarf der Gehölze angepasste Bewässerung möglich. Wo bei hochsommerlichen Temperaturen und gleichzeitig ausbleibenden Niederschlägen, ein starres 14-tägiges oder monatliches Gießintervall nicht ausreichend sein kann, um die Jungbäume adäquat zu versorgen, kann auf Grundlage der ermittelten Sensorikdaten, die Versorgung durch das Auslösen einer Zusatzbewässerung optimiert werden. Der zusätzliche ökonomische Aufwand ist mit Hilfe der Bodendaten zudem gut zu begründen. Der Ausfall oder ein mangelhafter Anwuchserfolg von jungen Gehölzen sollte somit zukünftig aufgrund einer fehlenden, bedarfsgerechten Bewässerung nicht mehr gegeben sein. Kosten für Ersatzpflanzungen oder die Revitalisierung von Jungbäumen können folglich direkt vermieden werden.
Die Niederschlagsmengen in der Vegetationsperiode 2021 verdeutlichen in vielen Teilen Deutschlands, dass auch eine Veränderung des aktuellen Klimas nicht ohne regenreiche Jahre oder Monate einhergeht. Der weitere Vorteil eines durch Sensoren gestützten Bewässerungsmanagements liegt in den großen Einsparpotenzialen bei ausreichenden Bodenfeuchteverhältnissen, ausgelöst durch natürliche Niederschläge.
Bespielhaft konnte in der Landeshauptstadt Düsseldorf im Zuge der Etablierung von Schnurbäumen (Styphnolobium japonicum, Alleebäume, 4 x verpflanzt, StU 18-20 cm) im 1. Standjahr die Bewässerung um gut 73 Prozent von 1500 Liter (10 Gaben à 150 l) auf 400 Liter reduziert werden. Im gleichen Zeitraum wurden die vorkalkulierten beziehungsweise eingeplanten Gaben an Ulmen (Ulmus 'Clusius') im 3. Standjahr sogar um 100 Prozent reduziert, da im Laufe der gesamten Vegetationszeit die definierten Grenzbereich nicht überschritten wurden.
Ausblick
Die hier vorgestellten Grenzbereiche und Schwellenwerte der Bodenwasserspannung in diversen Baumsubstraten basieren vor allem auf Erfahrungswerten aus vergleichbaren Projekten. Eine Weiterentwicklung dieser in Hinblick auf den bodenphysikalischen Parameter der nutzbaren Wasserspeicherkapazität des jeweiligen Baumsubstrats würde die Möglichkeit einer individuellen und passgenauen Einstufung beispielsweise in Anlehnung an die Bewässerungsrichtlinien der FLL (2016) über den relativen Anteil der nutzbaren Wasserkapazität schaffen und wird deshalb zukünftig angestrebt.
Auch wenn bereits viele Praxisanwendungen der Strategien I, II und III in den letzten Jahren an diversen Baumarten und -sorten gute Resultate hervorbrachten, wäre eine praxisnahe wissenschaftliche Überprüfung zum Beispiel in großen Gefäßversuchen erstrebenswert.
Wünschenswert ist ebenso die Einbindung valider physiologischer Parameter und klimatischer Modellierung (Schreiner et al. 2022).
Danksagung
Wir bedanken uns herzlichen bei den engagierten Mitwirkenden der Stadt Trier und allen anderen Unterstützern!
Literatur
- Borgmann genannt Brüser, A. (2014): Möglichkeiten und Grenzen der Revitalisierung von Jungbäumen im urbanen Raum. Berlin: Masterarbeit, Beuth Hochschule für Technik (BHT).
- Borgmann genannt Brüser, A.; Balder, H.; Niemann, U. (2015): Möglichkeiten und Grenzen der Revitalisierung von Jungbäumen. Pro Baum,
- 2/2015, 8-14.
- Balder, H.; Niemann, U.; Borgmann genannt Brüser, A. (2016): Effiziente Maßnahmen zur Stabilisierung von Wuchsbeeinträchtigungen bei Jungbäumen. Pro Baum, 2/2016, 7-12.
- Borgmann genannt Brüser A.; H. Balder, U. Niemann (2016). Jungbäume mit effizienten Maßnahmen retten. BAUMZEITUNG, 05/2016, 36-40.
- Borgmann genannt Brüser, A.; Balder, H.; Bergemann, L. (2017): Jungbäume bedarfsgerecht gießen: Wie die richtige Menge ermitteln? Pro
- Baum, 2/2017, 11-16.
- Borgmann genannt Brüser, A.; Balder H. (2018): Feuchtesensoren im Boden senken Pflegeaufwand. Baumzeitung 03/2018, 35-39.
- Borgmann genannt Brüser, A. (2019): Junge Bäume wieder vital - Eine Berliner Methode etabliert sich. Pro Baum, 2/2019, 14-21.
- Borgmann genannt Brüser, A.; Riehl, A. (2020): Bewertung der Wasserverfügbarkeit an Baumstandorten mittels Sensortechnik. Pro Baum, 3/2020, S. 16-21.
- Eschenbach, A.; Schütt, A.; Becker, J. (2023): Urbane Böden: Leistungen und zukünftige Herausforderungen für Stadtbäume. In Dujesifken, D. (Hrsg.): Jahrbuch der Baumpflege 2023, Haymarket Media GmbH & Co. KG, Braunschweig, 83 bis 98.
- FLL (Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau e. V.) (2010): Empfehlungen für Baumpflanzungen, Teil 2: Planung, Pflanzarbeiten, Pflege. Bonn.
- FLL (Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau e. V.) (2015): Empfehlungen für Baumpflanzungen, Teil 1: Planung, Pflanzarbeiten, Pflege. Bonn.
Hinweis: Das vollständige Literaturverzeichnis kann beim Autor (abb@arbor-revital.de) angefordert werden.
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