Der Taganskiy Park – ein Stadteilpark – wird umfassend und bürgernah saniert

Moskau - eine Stadt sieht Grün

von:
Gartengestaltung und Grünflächengestaltung
Was lange niemand erwartet hat, wird nun Realität. Moskau investiert im großen Stil in seine Grünanlagen und bindet die Bevölkerung mit ein. Foto: By CC-SA 3.0

Die Grünflächen der Stadt Moskau werden zurzeit wie in kaum einer anderen Stadt weltweit umfassend saniert und entwickelt. Es ist kein kurzfristiges Programm, sondern eine langfristige Strategie. Sie umfasst alle Arten von Grün- und Erholungsanlagen. Von riesigen neuen Parks und Grünzügen bis zu kleineren Stadteilparks in den Bezirken. Bereits kurz nach dem Rücktritt des ehemaligen Bürgermeister Luschkow wurde die Entwicklung der Moskauer Grünflächen vom damals neuen Bürgermeister Sergey Sobjanin als eines der neuen Hauptentwicklungsziele der Stadt postuliert und der Stadtverwaltung als vorrangige Aufgabe übertragen. Nach kurzer Zeit reifte die Erkenntnis, dass mit der bestehenden Verwaltung alleine keine schnellen Ergebnisse erzielbar sind. Ähnlich wie in Berlin, Mitte der 1980er Jahre mit der Gründung von Grün Berlin, wurden Entwicklungsgesellschaften geformt, welche ausgewählte Gebiete bearbeiten sollten.

So wird der Gorkipark seit Jahren sehr erfolgreich unter Zuhilfenahme der Managementstrukturen des Oligarchen Abramowitsch entwickelt. Diese Strukturen werden auch zunehmend in die Stadtverwaltung implementiert. Hier ist besonders die einflussreiche Kulturverwaltung der Stadt Moskau zu nennen. Mit diesen Maßnahmen wurden die Unregelmäßigkeiten in öffentlichen Institutionen bereits deutlich eingeschränkt.

Seit etwa zwei bis drei Jahren lässt die Stadtverwaltung Moskaus auch mit Hilfe halbprivater Organisationen wie dem Strelka Institut (www.strelka.com) Wettbewerbe betreuen und Entwicklungskonzepte für Grünanlagen, Parks, Stadtplätze und Grünzüge erstellen. Zurzeit ist ein vorläufiger Höhepunkt der Aktivitäten erreicht. Zwei große internationale Wettbewerbe sind ausgeschrieben. Der Zaryadye Park, ein etwa neun Hektar großes Gelände in historisch bedeutendem Umfeld zwischen rotem Platz und dem Ufer des Flusses Moskva.

Sechs internationale Teams, ausgewählt aus einem internationalen Bewerberverfahren bearbeiten zurzeit diesen Wettbewerb, welcher noch dieses Jahr entschieden wird. Teilnehmer sind unter anderem das Büro Latz und Partner in Kooperation mit Grün Berlin als Spezialisten für den Sektor Parkmanagement. (www.parkzaryadye.com). Ein weiterer Wettbewerb, der mit der Gestaltung des ehemaligen Flughafens Tempelhofes vergleichbar ist, wird gerade auf dem Gelände des ehemaligen Flughafens Khodynka durchgeführt. Auf einer Fläche von etwa 40 bis 50 Hektar ist ein komplexes Programm umzusetzen (www.park-khodynka.com). Der Wettbewerb für den sogenannten Russland Park auf rund 400 Hektar außerhalb des zentralen Stadtgebietes wurde aus nicht bekannten Gründen wieder auf Eis gelegt. (parkrus.ru/about-contest)

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Die Parkanlagen des sogenannten Gartenrings wurden in den vergangenen Jahren aufwändig restauriert. Eine Maßnahme die noch unter dem vormaligen Bürgermeister Luschkov begonnen wurde. Diese Instandsetzung stand immer wieder unter der Kritik nur die Infrastruktur der Wege, Mauern und Ausstattungselemente zu erneuern und die Baumsubstanz und Pflanzkonzepte zu vernachlässigen. Hier muss man erklärend einwenden, dass russische Parkanlagen in der Regel durch architektonische Elemente wie Wege, Treppen, Mauern, Pavillons bestimmt werden und dann erst durch Bäume und Rasenflächen, flächendeckende Pflanzungen gestuft nach Solitärsträuchern, bodendeckenden Sträuchern und Stauden sind eher unbekannt.

Dies ist zu einem guten Teil dem heftigen russischen Winter geschuldet, welcher aufgrund des intensiven Schneefalls deutliche Strukturen erfordert, die auch unter 50 Zentimeter Schnee gestalterisch relevant bleiben. Der Härte des Winters mag wohl auch die allgemeine Freude an intensiv blühenden Sommerpflanzungen erklären. Der Sommer ist kurz und will möglichst lange genossen werden. So sind die 150.000 Besucher jedes Wochenende im Gorkipark keine PR-Lüge sondern eine kaum vorstellbare Tatsache und ein nachdrücklicher Beweis für die Moskauer Lebenslust.

Während erhebliche Anstrengungen unternommen werden, um große Parkprojekte umzusetzen und innerstädtische Grünverbindungen herzustellen, hat der große Bestand eher kleinerer Parkanlagen im Stadtgebiet bisher nicht von dieser neuen Entwicklung profitiert. Nach dem Willen der Stadtverwaltung Moskaus soll sich dies nun rasch ändern. Als Pilotprojekt schlug die Kulturverwaltung der Stadt Moskau den im Kern etwa 3,5 Hektar großen Taganskiy Park im gleichnamigen Stadtteil vor. Unser Büro wurde gebeten zusammen mit einem Moskauer Partnerbüro Vorschläge zur Umgestaltung und Erneuerung diese Parks zu entwickeln.

Diese wurden von uns im Juli 2013 auf einer öffentlichen Pressekonferenz des Moskauer Bürgermeister Sobyanin mit dem sogenannten Rat für öffentlichen Raum vorgestellt. Auf dieser Veranstaltung wurden verschiedene Analysen zur Moskauer Stadtentwicklung vorgestellt, deren teilweise schonungslos offene Kritik (Stadtplanungs- und Architekturbüro Gehl aus Kopenhagen - und Landschaftsarchitekten Gillespies - aus London) mit dem Versprechen kommentiert wurden, die benannten Mängel (keine Nutzbarkeit der Flussufer, zu wenig Raum für Fußgänger und Radfahrer, räumlich unstrukturierte und Landschaftsraum zerstörende Schnellstraßen ) so schnell als möglich zu beseitigen, was nicht unerhebliche Auswirkungen auf den PKW-Verkehr in Moskau haben wird.

Es wird bereits eine zehn Kilometer lange Fuß- und Radwegeverbindung entlang der Moskva durch den Gorki Park entlang der Tretjakov Modern Galerie (krimskaya embankment) bis zum noch zu planenden Zaryadye Park geschaffen. Der Abschnitt vor der Tretjakov Modern wurde nach Entwürfen von Wowhaus, einem Moskauer Architekturbüro , innerhalb von sieben Monaten auf einer Länge von einem Kilometer gestaltet. Hierzu wurde die zuvor noch stark befahrene Uferstraße stillgelegt und entfernt und durch eine Uferpromenade mit weich geschwungenen Pflanzbeeten, Baumpflanzungen und Brunnenanlagen ersetzt.

Eine weitere Präsentation unseres Vorschlages zum Taganskiy Park folgte im Juli vor Vertretern lokaler Bürgerkomitees. Eine Versammlung durchaus streitbarer Bürger. Die Referenten der Stadtverwaltung betonten mehrmals die Bedeutung der Akzeptanz des Projektes durch die Anwohner. Daraufhin wurde das Projekt zur Diskussion online gestellt. Diese unerwartete Transparenz und Beteiligung von Bürgern erstaunte uns und entsprach nicht unseren vorgefassten Meinungen über derartige Abläufe in Moskau.

Zur gleichen Zeit begannen die Planungen in verschiedenen Abteilungen der Stadtverwaltung zur Aufstellung der Budgets in unterschiedlichen Ressorts. Der Taganskiy Park befindet sich im noch zentrumsnahen Taganskiy Bezirk nord-östlich der Moskva. Der Bezirk zählt heute rund 116.000 Einwohner und war im 16. Jahrhundert Wohn- und Arbeitsort der Kupferschmiede. Die Entstehung geht auf die Freiflächen eines Gutshofes aus dem 17. Jahrhundert zurück, dessen Hauptgebäude heute ein Museum ist. Da sich die Stadt um diesen Gutshof herum entwickelte, wurde der Park von vier Straßen und den daran anliegenden Gebäuden umschlossen und liegt heute im Inneren der Wohnbebauung. Dieser Umstand und die große Beliebtheit bei der Bevölkerung in der näheren Umgebung schützten den Park vor Veränderungen in den vergangenen 20 Jahren.

Seine eigentliche Bedeutung als Park erhielt er im Jahre 1934 als ein Nachbarschaftskomitee einen 6,8 Hektar Freiraum zum Park für politische Versammlungen und kulturelle wie sportliche Aktivitäten erklärte und den in unmittelbarer Nachbarschaft befindlichen Freiraum des jetzigen Taganskiy Parkes zum Kinderpark umfunktionierte. Der Kinderpark war und ist bekannt für sein kleines Sommertheater für Kinder. Ebenso sind im Park eine Musikschule und ein privates Theater in festen Gebäuden integriert. Im Winter werden Teile des Parks mit Eisflächen ausgestattet. Berühmte Eiskunstläuferinnen wie Irina Rodnina haben hier Schlittschuhlaufen gelernt.

Der Park mitsamt seinem Baumbestand ist ein geschütztes Denkmal. Dies ist angesichts des derzeitigen, zwar gepflegten, aber gestalterisch desolaten Zustandes kaum nachvollziehbar, vor dem Hintergrund der Knappheit an innerstädtischen Grünflächen jedoch wieder verständlich. Dieser Status bietet einen gewissen Schutz vor unkontrollierten Veränderungen.

Ein dichtes, fast orthogonales Wegenetz durchzieht den Park. Sechs Eingänge führen in das Parkinnere. Die historische Beziehung zum alten Gutshof ist abgeschnitten, weil dieser Bereich dem Park entzogen wurde. Der Park ist verschließbar und wird in der Regel nach 22 Uhr geschlossen. Eine tagsüber ständig präsente Parkaufsicht wurde in den vergangenen Jahren eingeführt, was zu einem starken Rückgang an Kriminalität und Vandalismus führte. Es wurden uns aus der Vergangenheit massive Probleme mit alkoholisiertem Rowdytum und Drogensüchtigen berichtet. Bis zu diesem Herbst waren noch mobile kleinere Attraktionen wie Hüpfburgen, Wasser Scooter und Ähnliches im Angebot der Sommeraktivitäten.

Die Wege sind ausschließlich mit grauen Betonpflastersteinen 10 x 20 Zentimeter und Betonkanten gefasst. Es existieren drei Spielplätze von denen einer für Jugendliche und Erwachsene als Sport und Fitnessbereich funktionstüchtig und erhaltenswert ist. Der bedeutendste Baum im Park ist eine etwa 150 Jahre alte Eiche in gutem Zustand. Die Mehrzahl der Bäume des relativ dichten Baumbestandes ist krank, in der Kronenentwicklung durch unsachgemäße Schnittmaßnahmen und Schneebruch stark geschädigt. Vorwiegende Baumarten sind wie in fast allen Moskauer Parks: Hybridpappeln, Linden, Eschenahorne. In den vergangenen Jahren wurde versucht, Lärchen zu ergänzen und Linden nachzupflanzen.

Eine der wichtigsten Planungseinschränkungen und Planungsvorgaben, ist die Tatsache, dass keine Aufzeichnungen über die Verlegung wie von Erdkabeln oder Entwässerungsrohren existieren. U-Bahn-Entlüftungsschächte sind erkennbar, aber der Verlauf der U Bahn ist nicht genau lokalisierbar. Selbst wenn es Aufzeichnungen gäbe, wären sie nicht verwendbar, da in der Sowjetzeit derartige Aufzeichnungen nur bürokratischen Charakter hatten und zumeist nicht stimmten.

Dies führte zu der Vorgabe, möglichst nie tiefer als 40 Zentimeter zu gründen. Egal ob bei Wegen, Mauern, Spielgeräten oder Brunnenanlagen. Das Gestaltungskonzept folgt daher dieser Vorgabe und der Tatsache des Schutzstatus des Parkes. Zunächst haben wir die Wiederherstellung einer deutlich ablesbaren Parkmitte vorgeschlagen, welche möglichst früh nach dem Betreten des Parks erkennbar ist. Form und Lage dieser Mitte sind eine Reminiszenz an die historische Parkentwicklung und stellen wieder den Bezug zum alten Gutshof her. Ein höher gelegtes, flaches, kreisförmiges Wasserbecken mit einem halbkugelförmigen Pavillon aus Metall im Zentrum, welcher durchlaufen werden kann, wird der neue Blickpunkt in der Parkmitte.

Im Sommer ist der Brunnen Planschvergnügen für Kinder und im Winter ragt der Pavillon als architektonisches Element aus dem Schnee. Im Rücken des Gutshauses wird ein großzügiger Theaterplatz geschaffen, welcher gastronomisch genutzt werden kann und das Kinder-Sommertheater in besser organisierter Weise aufnimmt. Dieser Teil wird damit dem Park zurückgegeben. Eine historische Achse wird durch einen weiteren Brunnen im Zentrum des Theaterplatzes über die zentrale Brunnenanlage wieder hergestellt.

Das Wegesystem wird weitestgehend erhalten, jedoch in Material und Ausführung verbessert. Die Verwendung von Naturstein ist angedacht. Das gesamte überarbeitete und neue Wegesystem wird höher gelegt, um Konflikte mit Leitungen zu vermeiden. Neue Wege oder auch korrigierte Wege beginnen vor allem an den gestalterisch bisher unbefriedigenden Parkeingängen.

Entscheidende Verbesserungen werden durch die Anlage von neuen Spielflächen innerhalb von bestehenden Rasenflächen geschaffen. Im zentralen Bereich entstehen Spielplätze für Kinder im Alter von zwei bis sieben Jahren. Im westlichen Bereich sind Aufenthaltszonen für Senioren und Familien mit Sportbewegungsangebot für Senioren geplant. Eine Multifunktionale rechteckige Spielfläche aus farbigem Asphalt fokussiert die alte Eiche und dient im Winter als Eislauffläche. Das strenge Wegesystem erfährt durch mäandernde Stauden- und Gräserbänder eine starke Auflockerung. Die bisherige Praxis der sommerblühenden Beete soll zunehmend auf nachhaltige und mehrjährige Staudenbeete umgestellt werden. Nur in Zugangswegen werden Pflanzgefäße mit sommergrüner Effektbepflanzung vorgeschlagen.

Ein Konzept zur Einbindung moderner Skulpturen - bisher noch eher eine Rarität in Moskau - wird vor allem die Erkennbarkeit der Eingänge und die Attraktivität im Winter verbessern. Wir schlagen vor, den vorhandenen Baumbestand, auch wenn es sich um kranke und absterbende Bäume handelt, zunächst zu belassen und ihn in einem langsamen Prozess über zehn bis 20 Jahre zu ersetzen. Neupflanzungen werden vor allem als Formgehölze, Kegel, Kuben oder Spaliere vorgeschlagen, da diese durch den Schnitt länger gesund bleiben, weniger Schneebruch gefährdet sind und einen maximalen Kontrast zur bisherigen eher wild und amorph wirkenden Baumstruktur bilden.

Bäume haben in Moskau trotz ihrer häufig schlechten Lebensbedingungen - oder vielleicht gerade deshalb - einen hohen Stellenwert bei der Bevölkerung. Radikale Lösung zur Um- und Neugestaltung im Bestand sind daher kaum vermittelbar. Zur Verbesserung der Infrastruktur wird ein neues Beleuchtungs- und Beschilderungssystem entwickelt. Eine Bewässerungsanlage sowie die Schaffung einer neuen Toilettenanlage sind geplant. Die bisherige Ausstattung mit WIFI Hot Spots wird verbessert.

Eine Parkumgestaltung oder Parkerneuerung in Moskau berücksichtigt immer die spätere intensive Nutzung. Während in westeuropäischen Ländern die Parkausstattungen ständig reduziert werden, wünscht man zumindest in Moskau eine umfassende Infrastruktur, welche auch eine kulturelle Nutzung von Parks durch Veranstaltungen ermöglicht. Die kulturellen und klimatischen Unterschiede und Herausforderungen sind eine sehr interessante Möglichkeit, die eigenen planerischen Grundsätze zu überdenken und zu entwickeln. Wir sind sehr gespannt auf die Ergebnisse.

Dipl.-Ing. Udo Dagenbach
Autor

Glasser und Dagenbach GbR Landschaftsarchitekten bdla, ifla

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