Die Aare entsteht im Berner Oberland
Gewässer prägen Städte und Landschaften
von: Erhard HeuerdingFlüsse und Gewässer bedeuten vielfältiges Leben in der Landschaft wie im städtischen Raum. Ob gestaltet oder in freier Form - das Wasser ist immer das lebhafte Element in der Natur von der Quelle bis zum Meer. Es lohnt sich, einmal einem Flusslauf zu folgen und die Höhepunkte zu genießen oder auch nur auf einer Bank am Ufer sitzend dem Wasserfluss und Wellengang mit offenen Augen und Ohren aufzunehmen.
Im Berner Oberland entsteht die Aare, die mit 280 Kilometer Länge der längste Fluss der Schweiz ist. Ihre Quellen befinden sich im alpinen Gelände von Grimsel, Susten, Rosenlaui und auf den 4000 Meter hohen Berggipfeln. Von hier aus strömt das Wasser durch die Landschaft zur Stadt Bern. Unterwegs verteilt der Fluss Feuchtigkeit ins Gelände, er fördert die Vegetation, Flora und Fauna, in Stadt und Land. Die Einflüsse des Gletscherwassers bringen vielfältigen Gewinn und Nutzen für die Bevölkerung der Stadt und das Schmelzwasser vom Hochgebirge füllt die Aare zum Fluss auf. Bereits auf dem Brienzer- und Thunersee zirkulieren Touristenschiffe.
Von Thun bis Bern, im Aaretal, erfüllt das Wasser lebenswichtige Aufgaben. Die Aare bildet um die Stadt Bern eine Halbinsel als Mittelpunkt. Sie fließt von den Quellen nach Innerkirchen und Meiringen durch die 1400 Meter lange und 120 Meter tiefe Aareschlucht, eine durch Gletscherabrieb über Jahrtausende entstandene schmale Flusspassage. Eiswasser von den Viertausendern strömt hier in den Fluss. Wegen der Klimaerwärmung schmilzt das Eis der Gletscher heute enorm schnell.
Danach fließt die Aare in den glasklaren 30 Quadratkilometer Fläche umfassenden Brinzersee und später in Interlaken in den 49 Quadratkilometer tiefblauen Thunersee ins Zentrum des Berner Oberlandes. Auf beiden Seen gibt es seit 175 Jahren Ausflugsschiffe die auf Rundfahrten den Touristen und Gästen die landschaftlichen Schönheiten des Berner Oberlandes zeigen.
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Das Aaretal von Thun bis Bern
Seit 1964 ist das Gebiet beidseits der Aare von Thun bis Bern auf 25 Kilometern Länge und 600 Metern Breite Naturschutzgebiet mit Auenwäldern, Schilf und Riedgras eine der aktivsten Flusslandschaften der Schweiz. Hier erfüllt das Gletscherwasser lebenswichtige Aufgaben für die Bevölkerung der Region. Ökologisch und ökonomisch bedeutet das gefilterte Nass für die Trinkwasserfassungen auf etwa 25 Kilometer Länge das Rückgrat für Mensch und Tier der Region. In den unterschiedlich breit bewaldet Auelandschaften gibt es auch Raum für Naherholungsgebiete. Die hervorragende Wasserqualität belegen die 25 Fischarten als Bioindikatoren für das oberirdisch einströmende Berg- und Grundwasser. Die hydraulische Wechselwirkung wie die Veränderung des Flussspiegels wirkt sich schnell auf die 20 Grundwasserfassungen in den rechtskräftig geschützten Wasserschutzzonen aus.
Früher erstellte Flusskorrekturen und Uferbegradigungen führten zu einer höheren Fließgeschwindigkeit und intensiveren Veränderung der Flusssohle und den Abtrag von Grob- und Feinkies. In Folge dieser Erosionen veränderte sich das Gleichgewicht, teilweise ging es sogar verloren. Renaturierungen des Flussbettes drängten sich auf, um die Fließgeschwindigkeit zu reduzieren etwa durch Zusatzmaßnahmen wie das Öffnen von früheren Seitenarmen. Und so konnte mit wenig Aufwand die alte Situation neu belebt werden und die Vegetation neuer Pflanzen und Tiere wieder erfolgen.
Probleme entstehen bei Hochwassersituationen durch die Schneeschmelze im Frühjahr und bei extremen Gewitterperioden. Dann dehnt sich die Aare aus wie beim Hochwasser im Berner Tierpark im Jahr 2000. Andererseits entstand früher durch ähnliche Situationen das 29 Hektar große Elfenau Naturreservat mit einer großen Wasserfläche. Dort leben heimische Wasservögel und oft überwintern hier zeitweise Zugvögel aus den Nordländern. Die Vegetation in diesem Schutzgebiet mit Steilufer ist unterschiedlich. Waldränder mit Sträuchern, Gräsern, Schilf, Rohrkolben und Binsen gehen an den steilen Hängen in Mager- und Trockenwiesen über. Diese unterschiedlichen Grünzonen fördern die Biodiversität der Pflanzen und Insekten am Stadtrand.
Ein weiteres 14 Hektar großes Schutzgebiet ist der Auenwald mit Schilfflächen und Sumpfwiesen mit einer Gefäßvegetation von 325 Arten. Die bewaldeten Flächen bilden den Übergang zum Berner Tierpark, der seit 1937 im nahen Dählhölzliwald beheimatet ist.
Im Berner Tierpark gibt es mehr Platz für Tiere
Der nach modernen Gesichtspunkten zoologisch geführte Tierpark mit großen Freiflächen als offenes Gehege und Vivarien lässt 200 Tierarten viel Lebensraum nach dem Vorsatz: mehr Platz für weniger Tiere. Das zeigt der Park als Naherholungsraum den Kleinen und Großen Besuchern in der Natur und vermittelt ihnen einen Beitrag zur Biodiversität. Das Staunen, die Begeisterung und das wie, wann, warum beginnt bei den Kindern, sobald sie die verschiedenen Tiere sehen. Bei den Erwachsenen ist es ähnlich, sobald die Kinder Fragen stellen. Die Beschilderung von Ereignissen wie Geburt, Alter, Nachwuchs stillt die Neugier. Hier beginnt auch das Verständnis für die Tiere, die Umwelt, die Natur, Fauna und Flora. In den Innen- und Außenräumen ist die Vielfalt der Tierwelt präsent und unbewusst nehmen die Besucher gesehene Fakten der Tierwelt und Natur auf. So entstehen die Grundlagen der Zoopädagogik, die das Tierparkteam vorbereitete für Kurse, Führungen, Informationen.
Groß ist der Einsatz des Tierparkteams bei der Arterhaltung und Wiederansiedlung. So bei den Wisenten die 1918 fast ausgestorben waren. Zuchterfolge dieser Tierart in Bern leben bereits in Russland. Dieser Erfolg ermöglichte einen 50.000 Quadratmeter großen Wisent-Waldbereich des Tierparks in Bern.
Eindrucksvoll stehen die Besucher auf der Brücke über den neu gestalteten Tierteich und betrachten die Wasservögel aus der Nähe. Der Auslöser für die Neuanlage war die Sanierung der Hochwasserschäden im Jahr 2000. Die Renaturierung des Aare-Ufers auf 15.000 Quadratmetern ermöglichte eine Besiedelung mit Biebern, Fischottern, Pelikanen, Luchsen. Im Jahr 2003 entstand die größte Seerobbenfreianlage Europas.
Spenden, Eintritte, Legate und Kredite der Stadt Bern ermöglichen solche Aus- und Umbauten. Diese und weitere moderne dem Tier entsprechende Lebensräume entstanden und erfreuen die jährlich eine Million Besucher. Trotz der hohen Besucherzahlen fühlen sich beide Lebewesen, Tier und Mensch, wohl und sie stören sich nicht.
Solche Anlagen verlangen ein klares Vorgehen bei dem Projekt wie bei der Ausführung. Es geht um das Wohlergehen der Tiere und sie benötigen ihren gewohnten Lebensraum wie Felsen, Kletterbäume, Wasser, Rückzugsräume, Sonne, Schatten.
Der Berner Grundsatz: Mehr Platz für weniger Tiere hat sich bewährt.
Das Freibad Marzili und die Aare als Flussbad
Eindrücklich ist der Blick vom Tierpark zur Begrünung der Aare-Ufer mit frei wachsenden Bäumen. Teilweise gibt es dort auch Alleepflanzen mit Birken. Auf der Nordseite befanden sich von 1900-1970 Industrieanlagen, die mit heimischen Bäumen und Sträuchern eingewachsen sind. Einzelne Bauten mit architektonischem Flair blieben erhalten. So das Bachsteingebäude einer Spinnerei, erstellt 1870-1910, eine Dampfzentrale 1903 und eine Werkstatt internationaler Architektur von 1911.
Das Marzili Freibad entstand 1975 mit dem 50 Meter Schwimmbecken mit acht Bahnen, zwei Nichtschwimmerbecken und einer 10.000 Quadratmeter große Liegewiese. Es ist das größte Freibad Europas in zentraler Lage zum Stadtzentrum. Einmalig ist natürlich das Schwimmen in der Aare auf einer Strecke von 1500 Metern im Gletscherwasser und bei einer kühlen Temperatur von + 20 °C in angenehmer Strömung. Während der Saison kommen täglich mehr als 10.000 Besucher ins Freibad Marzili, um das Bad und die schöne Landschaft zu genießen. Natürlich ist auch der Blick auf das Parlamentsgebäude der Schweizerischen Eidgenossenschaft hoch über der Aare überwältigend. Bewaldete Umgebung, Spielfelder und Wanderwege ergänzen das Gebiet.
Die Aare fließt über die Schwelle in den "Tych"
Der Fluss strömt über die 400 Meter breite Schwelle, die bereits bei der Stadtgründung im Jahr 1191 gebaut wurde, in die ausgedehnte Wasserfläche "Der Tych" (Teich). Ein Teil des Wassers fließt durch einen Kanal in das anschließende Quartier "die Matte" und wird vom Kleingewerbe und Fabriken wie die Stadtmühle, Gerbereien, Metallgewerbe für den Maschinenantrieb verwendet. Das mittelalterliche Wohn-, Gewerbe- und Hafenviertel ist eine in sich geschlossene Siedlung mit einer eigenen Sprache "das Matteenglisch" das neben dem Bern-Deutsch immer noch gesprochen wird. Hier entstand in Bern 1834-1837 das erste Schulhaus und 1896 die Turnhalle mit Sportplatz. Von der Schwelle oder dem Fußweg an der Aare aus gibt es eine hervorragende Sicht auf die 50 Meter höhere Halbinsel mit der Berner Altstadt, das Berner Münster, die Wohnhäuser mit ihren Gärten, auf die Bewohner/innen, die heute noch wie früher zur Selbstversorgung Gemüse anpflanzen.
Dort wo das Matte-Quartier endet und die Aare um die Altstadt ihre Richtung ändert befindet sich der Zugang zur Altstadt. Anderseits bilden die beiden Straßen, der Aargauerstalden und der Muristalden, die Ausfahrt in die Region. Sie sind bepflanzt mit 200-jährigen historischen Alleebäumen. Wo früher die Berner mit Ross und Wagen im Schatten der Bäume zirkulierten, fahren heute die Autos. Ausschlaggebend dafür war der Bau der Untertorbrücke 1461-1489 und später die Nydegg-brücke 1840-1844 mit dem früheren Bärengraben. Heute bildet der Bärenpark den Abschluss der Altstadt von Bern, der den Status UNESCO-Weltnaturerbe besitzt.
Die Bären leben wieder frei im Bärenpark
Der Bärengraben von 1857, war die jahrzehntelange Touristenattraktion. Heute ist der Bärengraben leer. Die Bären sind 2009 umgezogen an das Aareufer vor der 1844 erstellten Nydeggbrücke, die östliche Zufahrtsstraße zur Berner Altstadt. Die neuen Erkenntnisse der Bärenhaltung zeigen, dass der Bär als Einzelgänger viel Bewegungsraum benötigt. Heute bilden 6000 Quadratmeter Grasflächen den Auslauf und die Liegeflächen für die Tiere. Bären als Sohlengänger benutzen gerne steiles Terrain, doch auch flache Verbindungen, wie sie sich dort befinden. Rückzugsmöglichkeit besitzen die Bären in den Höhlen unter der Terrasse. Dort können sie im Herbst mit Pflanzenteilen und Gräsern ihre Liegefläche für ihren Winterschlaf auspolstern.
Das Bärenbad neben dem Fluss ist eine Attraktion für die Bären und die zuschauende Bevölkerung und die Touristen: Das Schwimmbecken für die Bären ist 100 Meter lang, 5,50 Meter breit und bis zu drei Meter tief. Im Becken befindet sich Wasser aus der Aare, das durch eine unterirdische Druckleitung zufließen kann. Damit wird der stets gleich hohe Wasserspiegel garantiert. Eine solide, hohe, durchsichtige Glaswand trennt Bären und Menschen, doch es besteht ein idealer Sichtkontakt. Der Bärenpark ist ausbruchsicher durch hohe, glatte Steinwände und Gitter. Der Ausbau des Bärenbeckens im Flussknie der Aare bedeutete für die Wasserbauspezialisten technische Hindernisse zu lösen: Die Auflagen der Hochwasserschutzzone ausbauen, das Prallufer im Flussbogen gegen die Fließgeschwindigkeit sichern und die Ufer zur Vermeidung des Unterspülens schützen.
Die heutige Topografie beim Aare-Knie, die vom Vorstoß und Rückzug des Rhone- und Aaregletscher vor 20.000 Jahre entstand, blieb erhalten. Es ist das idyllische Landschaftsbild der Stadt Bern und bildet den Rahmen zum Bärenpark und dem lebenden Wahrzeichen - dem Bären.
Die Aare fließt in Bern unter 16 Brücken hindurch und umfließt die 1191 gegründete Stadt auf einer Halbinsel, die bis zu 50 Meter über dem Wasserspiegel liegt. Nach der Stadtgründung wurden zur Flussüberquerung Fähren eingesetzt. Die Struktur der Altstadt blieb durch die späteren Brückenbauten erhalten. Die Bauten begannen mit der Untertorbrücke 1461 am östlichen Zugang zur Altstadt. Dann kam die weitere Entwicklung der Stadt mit Ausdehnung nach Osten, Norden und Süden. Die Nydeggbrücke folgte 1840 mit weit gespannten mit Massivnatursteinbau-Segmentbogen und zwei Halbkreisbögen als erhöhte Zufahrt zur Stadt und in die östlichen Quartiere. Die Kirchenfeldbrücke erschloss 1881 die Südquartiere für den Verkehr. Die Kornhausbrücke eröffnete später den Anschluss an das Nordquartier. Beide Konstruktionen bestehen aus Metall. Der Bahnviadukt aus Beton überquert den Fluss und die steile Böschung auf 1093 Metern. Die Lorraine Brücke mit elliptischen Hauptbogen und zwei Halbkreisbogen und vier Spuren besteht aus armierten Betonquadern. Sie entlastet die Fahrt in nördliche Richtung. Die Monbijoubrücke besteht aus vier Fahrspuren mit zwei Trotttieres auf Stützen und Spann. Dazu kommen weiter: Sechs kleinere Betonbrücken und drei frei schwebende Hängebrücken.
Der weite "Weg" von Bern bis zum Rhein
Die Aare und die Stadt Bern bilden eine Einheit. Der Fluss zieht sich als Schleife um die Halbinsel der Berner Altstadt. Das Bild ist zu jeder Jahreszeit beeindruckend und lockt Jung und Alt an die Flussufer und die dort integrierten Attraktionen vom Tierpark bis zum Bärengraben. Für Freizeitaktivitäten lässt das Aaretal um die Stadt viele Möglichkeiten offen vom Spazierengehen bis zum Jogging. Auf Uferwege gehen Jung und Alt der Aare entlang in die Landschaft, von wo aus die Nordseiten der Halbinsel Bern sichtbar werden. Bebaut ist nur der Südhang mit Wohnhäusern Ausbildungsgebäude für die Universität, Kunst und Gewerbe. Das Botanische Institut ist bekannt für seine Pflanzenvielfalt der Alpen, für seine Gehölze - vom Ginkgo bis zum Sequoiadendron. Dazu kommt eine Pflanzensammlung des mediterranen Gebietes mit Kakteen, Palmen und Trockengräsern in sonniger Lage.
Die gegenüber im Schatten liegende, feuchte 60 Meter hohe Böschung ist bewachsen mit heimischen Bäumen. Später öffnet sich der Flussraum mit Wiesen und Weiden. Hier dominieren die steilen bewaldeten Hänge. Auffallend ist eine riesig große Felsplatte, die der Gletscherrückgang von Aare- und Rhone vor 20.000 Jahren entpuppt hatte. Aus der Nähe betrachtet handelt es sich um eine Sandstein-Felswand, die mit Felsanker gesichert wurden.
Idyllisch liegt am Aareufer das Lorraine Freibad mit Wasser direkt aus dem Fluss. Es ist ein Geheimtipp für Ruhe suchende Wasserliebhaber/innen, im Gegensatz zum Marzili Freibad. Mit vielen Biegungen verlässt die Aare das Gemeindeterrain von Bern und fließt durch das Schweizer Mittelland noch etwa 200 km bis sie in den Bodensee mündet.
Literatur und Quellen
Dr. nat. Geologe Jean-Pierre Clément: Flussrenaturierung und Grundwassernutzung: Konfliktpotenzial am Beispiel der Aare zwischen Thun und Bern. Naturforschende Gesellschaft Bern, Band 69/2012, Haupt Verlag. Bern 2012, S. 53-55.
Tierpark Dählhölzli: www.Tierpark-Bern.ch