Zur Neugestaltung nach der Flut 2021 in Bad Neuenahr-Ahrweiler

Versöhnung mit der Ahr – Fluss und Freiraum rücken ins Zentrum

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Die Ahrflut vom 14. auf den 15. Juli 2021 hat in Bad Neuenahr-Ahrweiler 71 Menschenleben gekostet, zahlreiche Bauwerke zerstört und auch Freiräume entlang der Ahr massiv getroffen und zum Teil weggeschwemmt. Wie sollen in Bad Neuenahr-Ahrweiler die öffentlichen Räume an der Ahr wiederhergestellt werden und was können sie zum Hochwasserschutz beitragen?
Flussauen Klimagerechte Landschaftsplanung
Abb. 1: Entwicklung der Freiräume an der Ahr von Bad Neuenahr-Ahrweiler, Freiraumplanerischer Masterplan Atelier Loidl, 2022. Abb.: Aufbau- und Entwicklungsgesellschaft Bad Neuenahr-Ahrweiler

Ziel ist durch die Verbindung von Freiraumgestaltung und Wasserbau die Stadt resilienter zu entwickeln. Der Flussraum soll nicht länger eingeengt, sondern neu zu den überflutbaren Grünanlagen geöffnet werden. Dann kann die Stadt nicht nur sicherer werden, sondern auch von dem grün-blauen Band besser profitieren. Schließlich sind die Freianlagen an der Ahr von zentraler Bedeutung für die Kur- und Fremdenverkehrsstadt Bad Neuenahr-Ahrweiler.

Warum die Ahrflut so verheerend war

Die Flut an der Ahr führte nicht nur eine schier unglaubliche Menge an Wasser, sondern auch eine reißende, zerstörerische Kraft. So staute sich zum Beispiel die Ahr an der Bahnbrücke oberhalb von Walporzheim bei der Engstelle "Bunten Kuh" mit allem mitgeschwemmten Material – etwa Bäume, Autos oder Leitungsrohre – bis zu neun Meter Höhe auf. Nach dem Bersten der Brücke ergoss sich eine Flut über Walporzheim. Dies wiederholte sich an zahlreichen Brücken, so dass immer wieder tsunamiartige Flutwellen entstanden. In Bad Neuenahr-Ahrweiler waren drei Brücken noch erhalten, 15 Brücken wurden zerstört – auch alte historische. Beim Aufstau hatten sich Kolke gebildet, so dass die flach gegründeten Pfeiler und Widerlager unterspült wurden und die Brücken dem Hochwasser nicht mehr Stand hielten.

Bei der Flut wurden Ufer weggespült, Straßen waren nicht mehr passierbar oder abgetragen. Die im Ufer verlegten Leitungen wurden offengelegt oder schwemmten auf und wurden mitgerissen. Zahlreiche Bäume erlitten massive Anprallschäden oder hielten nicht mehr Stand. Nach der Flut hat die Stadt circa 2000 Bäume weniger, entlang der Ahr sind etwa 30 Prozent des Bestandes verloren gegangen. Einige Freianlagen entlang der Ahr wurden vollständig zerstört, andere mit Flutmaterial und Schlick vollgeschwemmt.

Das überflutete Gebiet erstreckte sich über fast die gesamte Talebene, so dass die Mehrzahl der Gebäude betroffen war. Die Flutwellen brachten Wassermassen von rund 1200 Kubikmeter pro Sekunde mit sich.

Herausforderung Wiederaufbau

Die massiven, weitreichenden Schäden stellen die betroffenen Kommunen vor große Herausforderungen für das Funktionieren der Gemeinden und den umfangreichen Wiederaufbau. Auf der Basis einer Bund-Land-Vereinbarung hat das Land Rheinland-Pfalz für die Finanzierung des Wiederaufbaus nach dem Starkregenereignis vom 15.7.2021 eine Verwaltungsvorschrift erlassen, welche den Kommunen und Trägern öffentlicher Infrastruktur in der Regel eine Förderung von 100 Prozent für den Wiederbau gewährt.

Dabei ist der Wiederaufbau grundsätzlich zunächst auf die Behebung der Schäden ausgerichtet. Es können auch angemessene bauliche Maßnahmen zur Vermeidung künftiger Hochwasserschäden gefördert werden (VV Wiederaufbau RLP 2021, 5.1.1). In diesem Sinne orientiert sich die Wiederherstellung an einer hochwasserangepassten Entwicklung bis zum neuen HQ100. Eine weitergehende Ergänzung mit Blick auf Hochwasserschutz, ökologische und gestalterische Aufwertung der Flüsse inklusive Umgebung ist mit der rheinland-pfälzischen "Aktion Blau Plus" (Förderrichtlinie der Wasserwirtschaftsverwaltung 2021) möglich.

Der Umfang der Maßnahmen stellt die Gemeinden auch personell vor große Herausforderungen. Dazu hat Bad Neuenahr-Ahrweiler die "Aufbau- und Entwicklungsgesellschaft Bad Neuenahr-Ahrweiler" gegründet. Ihr wurden die großen Maßnahmen zur Wiederherstellung übertragen.

Mit dem Ziel, die Aufbaumaßnahmen in den betroffenen Regionen in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen wissenschaftlich zu begleiten, hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung das Projekt "Klima, Anpassung, Hochwasser, Resilienz" (KAHR) ins Leben gerufen. Es soll konkrete Maßnahmen für einen klimaresilienten und zukunftsorientierten Wieder- und Neuaufbau in den betroffenen Regionen vorschlagen.

In den zehn Empfehlungen des KAHR (Schlüttrumpf et.al. 2022) heißt es u. a.: "Empfehlung 1: Der Wiederaufbau. . . bietet auch eine Chance, einen strategischen Transformationsprozess einzuleiten und die Katastrophenresilienz zu stärken. . . Empfehlung 3: Mehr Raum für den Fluss ist wichtig. . . Empfehlung 7: Hochwasser- und klimaresilientes Planen und Bauen muss auf allen Ebenen der räumlichen Planung integriert werden und alle Facetten der Klimawandelauswirkungen berücksichtigen. . . Dies bezüglich spielt die Stärkung der grün-blauen Infrastrukturen eine wichtige Rolle, da hierdurch sowohl Hitze- als auch Hochwasser- und Starkregenvorsorge betrieben werden kann."

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Abb. 2: Ergebnis der Flut – die Ahr hat ihr neues Bett geschaffen: Walporzheim vor ... Abb.: GeoBasis-DE/LVermGeoRP
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Abb. 3: ... und nach der Flut 2021. Abb.: GeoBasis-DE/LVermGeoRP

Aus der Vergangenheit lernen – frühere Hochwasser und historische Parkanlagen

Die Flut von 2021 war nicht das erste katastrophale Hochwasser an der Ahr. Bereits 1348 wird von einem Ahr-Hochwasser berichtet. Die Folgen des Hochwassers von 1804 sind präzise in Dokumenten der napoleonischen Besatzung festgehalten worden. In einer tabellarischen Zusammenstellung für 32 Ortschaften des heutigen Kreis Ahrweiler sind "fortgerissene und beschädigte Brücken, Wohnhäuser, Scheunen, Ställe, Mühlen und Schmieden sowie die ertrunkenen Menschen und Zugtiere zahlenmäßig erfasst" (Frick 1954). Für Ahrweiler wird berichtet, dass das Wasser bis zum 2. Stockwerk stand. Die Abflussmenge rekonstruierten Roggenkamp und Herget 2015 auf 1180 Kubikmeter pro Sekunde in der Höhe von Walporzheim, das heißt in der Größenordnung des Hochwassers von 2021.

Auf der größtenteils danach erstellten Tranchot-Müffling-Karte von 1803–1820 ist die Ahr als breiter Flusslauf mit mehreren Armen und Mäandern im Bereich von Ahrweiler dargestellt. Die Siedlungen liegen mit deutlichem Abstand zum Fluss. Bereits in dieser Karte ist der Anfang der geplanten Flussbegradigung eingezeichnet. Die Ahr wurde in der Folge kanalisiert, ihre Bögen und Seitenarme abgeschnitten, ein Damm entlang des neuen Flusslaufs erstellt und mit Baumalleen bepflanzt.

An ehemaligen Schleifen, Seitenarmen und Feuchtgebieten wurden neue Parks angelegt. An mehreren Stellen wurde von der Ahr ein Mühlenteich abgeleitet, der in Ahrweiler zum Beispiel der Entwässerung und dem Antrieb von Mühlen diente oder in Bad Neuenahr etwa zur Bewässerung von Wiesen genutzt wurde.

Nach der Entdeckung von drei Heilquellen 1856 und ihrer Genehmigung zur Anwendung für therapeutische Zwecke wurde das neue Heilbad Neuenahr 1858 in Anwesenheit der Prinzessin Augusta von Preußen feierlich geweiht. Für die Etablierung des Heilbads und angesichts seiner wirtschaftlichen Bedeutung wurden weiträumige Parklandschaften entlang der Ahr angelegt und die weitere Umgebung verschönert. Für die Gestaltung der Kuranlagen wurde der preußischen Gartendirektor Peter Joseph Lenné beauftragt, welcher ab 1856 die Planung im gemischten Stil mit landschaftlichen und architektonischen Formen entwickelt hat. Sein Neffe August Lenné hat als Kurdirektor (1863–1893) die Planungen und Parkanlagen fortgeführt.

1903 wurde der Kaiser-Wilhelm-Park neugestaltet. Neben umfangreichen neuen Baumpflanzungen ist der große Schwanenteich gespeist durch den Mühlenteich unter anderem für Bootsfahrten ergänzt worden. Der westlich gelegene Lenné-Park wurde später 1927 im architektonischen Stil mit integrierten Tennisplätzen und Strandbad angelegt.

1910 hatte das Ahrtal erneut eine schwere Flut getroffen, deren Scheitelabfluss mit rund 585 Kubikmeter pro Sekunde rekonstruiert wurde (Herget et.al. 2015). Die Straßen von Bad Neuenahr standen unter Wasser, die Parkanlagen wurden überflutet und verwüstet (Janta et.al. 2010).

Zum Hochwasserschutz nach der Flut von 1910 wird von einem Stauseeprojekt mit Wasserkraftwerk im Mündungsbereich des Trierbachs berichtet, das nach Beginn des Ersten Weltkrieges nicht weiterverfolgt wurde (Janta et.al. 2010; Weber 1991), sowie von der Planung technischer, regelbarer Sperren im Oberlauf der Ahr mit einem Fassungsvermögen von 11,5 Millionen Kubikmetern (Lieth 2022, S.13).

Im Laufe der Zeit sind die Städte gewachsen und neue Siedlungsgebiete bis an die Ahr und Parkanlagen angelegt worden. Schulen und Kitas, Sportbereiche, Freibad und Campingplätze sowie umfangreiche Wohngebiete sind entlang der Ahr entstanden. Heute ist der Talboden weitgehend besiedelt.

Die Flut von 2021 war trotz vergleichbarem Abfluss zum Teil deutlich höher als 1804. Roggenkamp führt die Differenz von rund 1,5 Meter im Bereich Dernau auf die Verkleinerung der durchströmten Fläche zurück (Giesel et.al. 2021). Das Landesamt für Umwelt Rheinland-Pfalz führt aus: "Als Fazit der bisherigen Untersuchungen ist festzuhalten, dass viele Prozesse wie z. B. Verklausung von Brücken, Eigenschaften des Fluids (Schlamm, Geröll), Veränderung der Rauheiten, Veränderungen des Gewässerbettes, zu den beobachteten Wasserständen beigetragen haben." (LfU RP 2022)

Ein neuer wasserrechtlicher Rahmen

Nachdem vor der Flut 2021 in Bad Neuenahr-Ahrweiler das hundertjährige Hochwasser/HQ100 mit 246 Kubikmeter pro Sekunde festgelegt war und nur ein begrenztes Gebiet entlang der Ahr betraf, liegt das neu berechnete HQ100 mit rund 505 Kubikmeter pro Sekunde bei über dem doppelten Durchfluss. Zuvor hatte die statistische Auswertung nur die zeitlich homogen verfügbare Messreihe ab 1947 zu Grunde gelegt; die vorausgegangenen Jahrhunderthochwässer waren bei der Gefährdungsabschätzung nicht berücksichtigt (Lieth 2022, S.11). Nun liegen im neuen vorläufig festgesetzten Gebiet des HQ100 weite Bereiche der Stadt. In diesem Gebiet darf kein Retentionsraum verloren gehen und ist eine Genehmigung von baulichen Anlagen durch die obere Wasserbehörde erforderlich. Dabei ist zu beachten, dass das 100jährige Hochwasser nur eine statistische Größe darstellt; die nächste starke Überschwemmung kann auch früher kommen.

Zudem wurden einige Bereiche an der Ahr fachlich definiert, in denen i.d.R. weder Neubau noch Wiederaufbau erlaubt sind.

Flussauen Klimagerechte Landschaftsplanung
Abb. 4: Zeugen des Hochwassers, Baumschäden an der Ahr 2023. Foto: Maya Kohte
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Abb. 5: Dahliengarten nach der Flut, Bad Neuenahr 2021. Foto: Gabriel Holstein

Zwei Konzepte für die blaue und grüne Infrastruktur

Mit zwei sich ergänzenden Konzepten sollen die flussbaulichen Maßnahmen inklusive Hochwasserschutz mit der Entwicklung von Freiraumqualitäten vereint werden. Denn für die Zukunft der Stadt zählen eine bestmögliche Hochwasserresilienz und Klimafolgenanpassung und gleichzeitig attraktive Grün- und Freiräume für derzeitige und zukünftige Bürger sowie Kurgäste, Touristen und weitere Besucher.

Das Gewässerwiederherstellungskonzept (Gebler 2023) legt die Grundlage, um nach den schweren Flutschäden die Ahr für Hoch- und Niedrigwasser mit einer guten ökologischen Qualität zu entwickeln. Die Flut hatte durch umfangreiche Verlagerungen von Boden und Kies, durch Anlandungen und Auskolkungen aus dem streng gegliederten Trapezprofil vielfältige Gewässerstrukturen geschaffen. Ziel des Konzeptes ist der natürlichen Dynamik des Flusses soweit möglich Vorrang zu lassen.

Querbauwerke wie Sohlschwellen oder -gleiten sollen nur bei Bedarf wiederhergestellt werden. Diese werden aufgrund des starken Längsgefälles und der relativ hohen Fließgeschwindigkeit nach den Flussbegradigungen im 19. Jahrhundert benötigt. Bei Niedrigwasser soll die Rinne nur punktuell etwa an den Sohlschwellen definiert werden.

Eine wesentliche Herausforderung ist der Hochwasserschutz im urbanen Bereich, denn Schutzmaßnahmen können kaum weiter erhöht und Aufweitungen nur an wenigen Bereichen entwickelt werden. Ziel ist daher eine örtlich angepasste Kombination aus Aufweitung und Erhöhung. Unbebaute Grundstücke und Parkanlagen werden als Multifunktionsflächen auch zur Retention vorgeschlagen. Großflächige Retentionsräume sind in den ehemaligen Auen jenseits des urbanen Bereichs bei Walporzheim und Lohrsdorf vorgesehen.

Der Masterplan Freiraumentwicklung (Atelier Loidl 2022) formuliert das Ziel "ein attraktives Naherholungsband von überregionaler Strahlkraft, das aus den Potenzialen der Wasserlagen schöpft", zu schaffen. Leitbild ist dabei "die prozesshafte Entwicklung einer erlebnisreichen Flusslandschaft, bei deren Gestaltung Hochwasserschutz, Klimaökologie und räumliche Qualitäten einander zugutekommen". Dazu werden vier Grundregeln aufgestellt:

  • Das Maximieren von Durchfluss und Retentionsräumen für den Hochwasserschutz hat höchste Priorität. Analog zur Gewässerwiederherstellung sollen die Seitenbereiche wie Parks oder Sportflächen auf ihre Retentionsfähigkeit geprüft, der Ahr bei Querbauwerken und Brückenfundamenten möglichst viel Raum gegeben und die Ufer möglichst mit lebendigen Baustoffen ingenieurbiologisch gesichert werden.
  • Ein qualitätsvolles Wegenetz soll die Ahr erschließen, im Norden mit dem Ahrtal-Radweg und im Süden mit einem Parkuferweg.
  • Die Freiräume sollen sich neu zur Ahr ausrichten und die Ahr als abwechslungsreicher Stadtfluss in das Stadtgefüge integriert werden. Zuvor war die Ahr in der Regel nicht zugänglich und oft nicht sichtbar. Die neue Orientierung zur Ahr bietet für die angrenzenden Flächen für Freizeit und Erholung neue Chancen zur Nutzung und Gestaltung.
  • Es sollen zugleich klimaökologische Strukturen für die Zukunft entwickelt werden, insbesondere für die Ahr als FFH-Gebiet. Renaturierungen können gleichzeitig zum Hochwasserschutz dienen und Klimakomforträume bei Hitze und Dürre schaffen.
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Abb. 6: Tranchot-Müffling-Karte, 1803–1820, mit Kennzeichnung des heutigen Ahrverlaufs und Parkanlagen. Abb.: Aufbau- und Entwicklungsgesellschaft Bad Neuenahr-Ahrweiler
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Abb. 7: Totale von Neuenahr mit Kaiser-Wilhelm-Park und Schwanenteich; Postkarte 1909/1910. Stadtarchiv Bad Neuenahr-Ahrweiler (NASL-PO 1449).

Der Ahr wieder Raum geben – grün-blaue Infrastruktur und Hochwasserschutz

Ziel ist, dass die Ahr Teil der Stadt wird, durch Aufweiten und Einbinden anstatt Ausgrenzen. Ein multifunktionaler Fluss- und Freiraum kann Raum für Durchfluss und Retention geben, Natur zulassen und in der Stadt erlebbar machen, Erholungs- und Bewegungsräume für Bewohner und Besucher anbieten sowie ein attraktives Stadtbild gestalten und dabei die Stadt bestmöglich resilient gegen Flut und Klimafolgen entwickeln.

Anhand hydraulischer Berechnungen sind Maßnahmen vorgesehen, um den Abfluss zu verbessern (AuEG mit Winkler 2023), so dass mit ergänzenden Maßnahmen die Stadt bis zu einem HQ100 gesichert werden kann.

Im Bereich Bad Neuenahr werden derzeit Auflandungen im Gewässer beseitigt. Allerdings kann die Ahr nur in einem sehr begrenzten Maß aufgeweitet werden. Dafür dienen die weitläufigen historischen und neueren Parkanlagen zugleich als Retentionsraum. Zusätzlich können am Mühlenteich weitere Mulden und Feuchtbereiche angelegt werden. Randliche Erdmodellierungen sollen das weitere Siedlungsgebiet bis zum HQ100 sichern.

In Ahrweiler kann durch Aufweitung von Flussbett und Durchflutungsbereichen mehr Raum für eine natürliche Flussdynamik geschaffen werden und flache Ufer die Entwicklung von Sekundär-Auen ermöglichen. Angrenzende Freianlagen wie die zerstörten Spiel- und Sportflächen sollen tiefer wieder neu angelegt und entsprechend hochwasserangepasst konstruiert werden. Auch Wege sollen zum Teil anstatt auf Straßenniveau zur Optimierung überflutbar im Flussraum angelegt werden. An besonderen Engstellen oder am Prallhang sind Stützwände für einen verbesserten Durchfluss vorgesehen, wo Brüstungen gegebenenfalls den Hochwasserschutz ergänzen können.

Diese hydraulischen Verbesserungen sind Grundlage für die Planung der Brücken. Zukünftig werden alle Brücken mit einem Freibord von einem Meter beim neuen HQ100 ausgelegt um Verklausungen zu vermeiden. Damit sie auch extremen Hochwasser standhalten, erhalten die Bauwerke eine Tiefengründung, so dass sie nicht unterspült werden können. Es waren genau Brücken solcher Bauart, welche der Flut widerstanden hatten. Da die Brücken für einen verbesserten Durchfluss oft wesentlich länger werden, stellt ihre neue Einbindung in Höhe und Lage eine Herausforderung dar. Freiraum- und Ingenieurplanung müssen dann eng ineinandergreifen.

Neue Brücken und Ufergestaltungen – Wettbewerbsergebnis Brückenschlag

"Die resultierende Landschaft ist schwellenlos und formuliert ein klares Bild im Sinne einer Einheit von Stadtraum und Flusslandschaft für Alle." So beschreibt die Jury den Siegerentwurf von Schlaich, Bergermann und Partner, Stuttgart, sowie Atelier Loidl, Berlin, der aus einem offenen zweistufigen europaweiten Wettbewerbsverfahren für die Brücken- und Freiraumplanung im zentralen Uferbereich von Bad Neuenahr hervorgegangen ist.

"Im Sinne dieses Konzepts sind die Niveaubeziehungen möglichst flach gestaltet, um die Wahrnehmung der räumlichen Zusammenhänge und den Erhalt der Blickachsen zu garantieren und die maximale Barrierefreiheit zu erhalten."

Der Ahrraum wird für einen bestmöglichen Durchfluss aufgeweitet und eine Fußwegeverbindung macht die Ahr direkt erlebbar. Horizontal gelegen verbindet der Weg das geneigte Straßen- und Flussniveau. Breite Sitzstufen rahmen den Wiesenhang zwischen den Wegen und laden zum Aufenthalt ein. Die Lindenstraße wird wieder von Straßenbäumen gesäumt.

Der aufgeweitete Flussraum ermöglicht es, die Kurgartenbrücke mit leicht erhöhten Vorplätzen über die Ahr zu führen. Die schlichte Beton-Stahl-Konstruktion verbindet das historische Kurhotel mit der Martin-Luther-Kirche. Als Hubbrücke mit in das Geländer integriertem Tragwerk verbindet die Casinobrücke die Ufer ebenerdig und kann zugleich den notwendigen Durchfluss bei Hochwasser garantieren.

Flussauen Klimagerechte Landschaftsplanung
Abb. 8: Überflutungsfläche vom 14./15.7.2021 (rot), neues vorläufiges HQ100 (blau) sowie vorläufiger besonderer Gefahrenbereich (gelb). Abb.: GeoBasis-DE/LVermGeoRP
Flussauen Klimagerechte Landschaftsplanung
Abb. 9: Konzept zur Wiederherstellung der Ahr, hier: Dahlien- und Kaiserin-Auguste-Viktoriapark als Retentionsraum in Bad Neuenahr, Büro Gebler; Walbachtal, 2023. Plan: Büro Gebler; Walbachtal, 2023.
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Abb. 10: Freiraumplanerischer Masterplan, Atelier Loidl, 2022. Abb.: Aufbau- und Entwicklungsgesellschaft Bad Neuenahr-Ahrweiler
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Abb. 11: Verbindung von Flussraum und Stadt – Wettbewerbsergebnis "Brückenschlag" von Schlaich, Bergermann, Partner, Stuttgart, und Atelier Loidl, Berlin, 1. Preis, 2024. Abb.: Aufbau- und Entwicklungsgesellschaft und Stadt Bad Neuenahr-Ahrweiler

Vom Regen zur Flut – zur Betrachtung des Einzugsgebiets der Ahr

Schlussendlich gilt es nicht nur den Durchfluss, sondern das gesamte Einzugsgebiet der Ahr zu betrachten. Für überörtliche Maßnahmen zur Hochwasser- und Starkregenvorsorge ist die Gründung eines Gewässerzweckverbands vorgesehen; aktuell werden entsprechende Beschlüsse und Vereinbarungen vorbereitet. Mitglieder sollen über den Landkreis Ahrweiler hinaus die Kommunen und Kreise im Einzugsgebiet sowohl von Rheinland-Pfalz als auch Nordrhein-Westfalen sowie das Ministerium für Umwelt, Klima, Energie und Mobilität Rheinland-Pfalz werden. Dem Zweckverband soll die Umsetzung von Hochwasser- und Starkregenvorsorgemaßnahmen mit überörtlicher Wirkung sowie entsprechender Unterhaltung von Gewässern 2. und 3. Ordnung übertragen werden. Mit diesen Maßnahmen kann sich die Situation in Bad Neuenahr-Ahrweiler zusätzlich verbessern.

Umgestaltung von Freiraum und Fluss als Grundlage für eine attraktive und resiliente Stadt

Ausgehend von einer Betrachtung von Fluss und Freiraum wird klar, dass für einen effektiven Hochwasserschutz dem Fluss mehr Raum gegeben werden muss. Dann kann voraussichtlich auch ein Schutz vor dem deutlich höheren neuen HQ100 geschaffen werden.

Das Zurückdrängen der Ahr mit Kanalisierung und Dämmen hatte das Stadtgebiet empfindlich gemacht. Vielmehr gilt es, die Eigenheiten und Prinzipien der Landschaft und ihrer Entwicklung wieder als Grundlage für die Stadtentwicklung zu nehmen. Eine Arbeit mit natürlicher Dynamik und naturnahen Lösungen kann mehr Sicherheit durch Klimafolgen- und Hochwasseranpassung schaffen und damit eine Grundlage für die weitere städtische und wirtschaftliche Entwicklung legen.

Die Kurparkanlagen und die umgebenden Weinberge und Wälder waren bereits lohnenswerte Ausflugsziele. Nun gilt es mit der Wiederherstellung und Neugestaltung des grün-blauen Bandes Bad Neuenahr-Ahrweiler zum Flussraum anzubinden und mit seinen öffentlichen Grünanlagen wieder attraktiv für den Kurbetrieb und Tourismus zu gestalten. Das benötigt die Stadt insbesondere nach der Flut für ihren Neuanfang.

Dann kann Bad Neuenahr-Ahrweiler beispielhaft für klimaangepasste, attraktive und zeitgenössische grün-blaue Entwicklungen vorangehen, zum Beispiel im Rahmen einer regionalen Landesgartenschau Ahr 2030.

Dipl.-Ing. Maya Kohte
Autorin

Bereichsleitung und Koordination Grün/Freiflächen

Aufbau- und Entwicklungsgesellschaft Bad Neuenahr-Ahrweiler

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