Die Linde - ein BaumporträtTeil 2
Praktisches Lindenwissen
von:Isolde Hagemann
Die Linde - ein Baumporträt
Die Linde gilt hierzulande als Symbol für die Heimat. Wie man der Deutschen liebsten Baum am besten pflegt, soll im Folgenden beleuchtet werden. Das geschieht schlaglichtartig - es wird keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit erhoben.
Linden lassen sich - sofern überhaupt notwendig - gut schneiden. Allerdings sollten die Schnittmaßnahmen auf das Notwendige begrenzt werden. In der Regel reicht eine Kronenpflege aus, bei der das Totholz heraus genommen wird. Trotz ihres weichen Holzes verschließt die Linde Wunden relativ schnell und schottet sich somit gegen das Eindringen von Sporen holzzerstörender Pilze gut ab.
Baumpflege
Eine Verstümmelung der Krone durch radikalen Schnitt sollte unbedingt vermieden werden (Abb. 6). Erfolgt er dennoch, kann sich nie wieder eine arttypische Krone entwickeln - auch wenn die Linde ein sehr regenerationsfreudiger Baum ist. Bedauerlicherweise sind verstümmelte Bäume oft im Stadtbild zu sehen. Offensichtlich gibt es Firmen, die für wenig Geld einen radikalen Schnitt durchführen. Der Baumeigentümer kann oftmals nicht beurteilen, mit welch katastrophalen Folgen - ständiger Rückschnitt des starken Austriebes, regelmäßiges Einkürzen der Starkäste bis unter die Kappstellen, weil diese einfaulen - zu rechnen ist.
Formschnitt
Zuweilen findet man in historischen Anlagen, aber auch an Straßen und in Parkanlagen Linden mit einem Formschnitt, entweder in Kasten-, Dach,- Spalier- oder Kandelaberform. Damit dieses Erscheinungsbild erhalten bleibt, müssen alljährlich die neuen Triebe zurückgeschnitten werden, mitunter wird ein Trieb stehen gelassen. Durch den regelmäßigen Schnitt bilden sich an den Zweigenden Verdickungen in denen sich zahlreiche Winterknospen befinden. Etwa im April erfolgt alljährlich der neue Austrieb (Abb. 2).
Veredelungen
Unsere Winter- und Sommer-Linden werden in den Baumschulen in aller Regel aus Samen gezogen. Hingegen werden Silber-Linden-Reiser in Baumschulen auf schwachwüchsigere Winter-Linden veredelt. Da die Silber-Linde sehr viel wüchsiger ist als die Winter-Linde, entstehen überlastige Kronen, die an der Veredlungsstelle über die Unterlage hinauswachsen. Das birgt die Gefahr, dass irgendwann die mächtigen Kronen abbrechen, oder der Stamm der Winter-Linde einreißt (Abb. 3). In diesem Falle ist Gefahr im Verzug und eine Fällung lässt sich nicht mehr vermeiden.
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Holzzerstörende Pilze
Holzzerstörenden Pilze sind natürlich auch bei den Linden zu finden, vor allem sind Schwefelporling, Flacher Lackporling, Honiggelber Hallimasch, Sparriger Schüppling, Brandkrustenpilz und Klapperschwamm zu nennen.
Sitzt der Fruchtkörper des Schwefelporlings direkt am Kronenansatz (Abb. 4), eine besonders kritische Stelle, dann ist Vorsicht geboten, denn dieser Pilz erzeugt eine intensive Braunfäule im Kernholz. Der Pilzbefall geht oftmals mit ausgedehnten Absterbeerscheinungen in der Krone einher. Bei alten Linden findet man relativ häufig den Brandkrustenpilz, der die Linde an Wunden an der Stammbasis befällt. Der Pilz ist sehr schwer zu erkennen, weil seine Hauptfruchtkörper wie schwarze Asphaltspritzer aussehen. Nur im Frühjahr, wenn er weißgraue Nebenfruchtkörper bildet, (Abb. 5) ist er einfacher zu entdecken. Der Pilz verursacht einen Sprödbruch. Die befallenen Bäume können ohne Vorankündigung umfallen, wodurch sie eine große Gefahr darstellen. Linden zeichnen sich durch eine große Vitalität aus. Selbst wenn die Stämme morsch und bereits in mehrere Teile zerfallen sind, existieren die Bäume noch längere Zeit weiter. Möglich wird dies durch die Bildung von sogenannten Innenwurzeln, die vom zersetzten Holz leben und den hohlen Innenraum des Stammes wieder etwas ausfüllen. Zudem stabilisiert sich die Linde durch fortwährenden Anbau von Holz, vor allem durch starke Splintholzbildung, was leicht an dicken unteren Stammbereichen zu erkennen ist (Abb.1). Auch wenn der Stamm weitgehend hohl ist, können Linden noch längere Zeit als hohler Baum stehen bleiben (Abb. 7). Diese Höhlung ist so groß, dass ganz leicht ein Mensch hinein passt. Durch Einkürzen der Krone wurde die Windlast verringert, trotzdem ist eine laufende Kontrolle dieses Baumes unbedingt notwendig. Früher hat man derartige Höhlungen mit Betonplomben gefüllt oder zugemauert; gelegentlich sind solche "baumpflegerischen" Maßnahmen an sehr alten Exemplaren noch zu sehen. Diese Methode wird aber seit längerer Zeit nicht mehr angewendet und entspricht auch nicht dem Regelwerk ZTV-Baumpflege 2006.
Allerlei Getier
In trockenen heißen Jahren werden junge Triebe und Blätter der Linden gern von in Vielzahl auftretenden Blattläusen befallen. Die Insekten sondern den sogenannten Honigtau ab, der Nahrungsgrundlage für Rußtaupilze ist. Diese vermehren sich auf den Blättern stark; sie sind an der schwarzen Färbung deutlich zu erkennen. Der herabtropfende schwärzliche Honigtau hinterlässt auf Straßen und Autos gut sichtbare Spuren, weshalb die Linde als Baum an Straßen und Parkplätzen nicht sonderlich geschätzt wird. In den Achselbärten auf der Blattunterseite von Winter- und Sommerlinde können sich Milben ansiedeln. Diese Quartiere werden in der Fachsprache als Dormatien bezeichnet. Fast alljährlich treten an Linden, insbesondere in heißen Sommern, Spinnmilben, auch Rote Spinne genannt, auf. Das kann bereits im Juni zum Vergilben der Blätter - zunächst im unteren Kronenbereich - führen. Bei starkem Befall werden sämtliche Blätter trocken und braun. Diese Erscheinung kann mit vorzeitigem Laubfall einhergehen. Auf der Oberseite der Lindenblätter sind relativ häufig sogenannte Hörnchengallen zu sehen; sie werden durch eine Gallmilbe, die Lindengallmilbe (Eriophyes tiliae) verursacht, stellen aber für den Baum keine besondere Beeinträchtigung dar. Die Lindenblätter werden von der Milbe angebissen und ein Speichelsekret gelangt in die Pflanzenzelle und deren Nachbarzellen. Dieses Sekret bewirkt ein stärkeres Wachstum rund um die Bissstelle herum. Das Milbenweibchen legt nunmehr ein Ei in die mit zahlreichen Haaren ausgekleidete Galle. Zunächst sind diese grün, später rot und zuletzt braun gefärbt.
Fremdbewuchs: Misteln und Efeu
Linden sind oftmals sehr stark von einem Halbschmarotzer, der Mistel, Viscum album, befallen. Sie wachsen vieltriebig, wie kleine Sträucher auf den Ästen des Wirtsbaumes (Abb.8). Misteln sind immergrün und assimilieren mit Hilfe ihrer bandförmigen olivgrünen Blätter. Sie müssen aber, um sich mit Wasser und Mineralien zu versorgen, mit Saugwurzeln (sogenannten Haustorien) die Leitungsbahnen der Wirtspflanze anzapfen. Dies führt langfristig zu einer Schädigung des Wirtes. Bei der Linde können die Haustorien wegen des weichen Holzes relativ leicht eindringen. Die Mistel bildet weiße Beerenfrüchte, die an weiße Johannisbeeren erinnern. Bei Vögeln sind diese Beeren sehr beliebt; oftmals streifen sie nach einer "Mistelmahlzeit" den Schleim der Beeren mit den Samen am Zweig ab und sorgen so für eine Ausbreitung dieser eigenartigen Halbschmarotzer. Sollen alte Linden, die oftmals stark mit Misteln befallen sind, noch gewisse Zeit erhalten werden, dann ist dies mit einem kräftigen Rückschnitt möglich. Die Linde bildet dann eine sogenannte Sekundärkrone, die sehr kompakt ist. Die Gefahr des Ausbrechens großer, schwerer, überhängender Äste ist damit erst einmal gebannt. Der Efeu, Hedera helix, der heutzutage sehr häufig in Parkanlagen, Friedhöfen und an Straßenbäumen vorkommt, kann sich auch in Baumkronen von Linden ausbreiten und bei längerem Wuchs zu einer großen Last für den Trägerbaum werden (Abb. 9). Allerdings ist die Strategie des Efeus eine andere als bei der Mistel. Wasser und Mineralien bezieht er dank seiner Wurzeln aus dem Boden. Die Gefahr für den Wirtsbaum entsteht bei weiterem kräftigem Wachstum des Efeus. Der Wirtsbaum kann völlig überwachsen werden, so dass er selbst nicht mehr assimilieren kann. Die rechtzeitige Entfernung des Efeus ist daher ratsam.
Literatur
ZTV-Baumpflege:
Zusätzliche Technische Vertragsbedingungen und Richtlinien für
Baumpflege, 2006. 5. Auflage, Forschungsgesellschaft
Landschaftsentwicklung Landschaftsbau e. V. (FLL), Bonn, 73 Seiten.