Effekte auf Oberflächentemperatur und menschliche Wahrnehmung

Interdisziplinäre Untersuchung zu Livingwalls in Geisenheim

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Living Walls Bauwerksbegrünung
1 Vertikalbegrünung an den Versuchswänden der Hochschule Geisenheim, vom Boden aus fotografiert. Abb.: Maren Stollberg

Seit einigen Jahren gehen wir an der Hochschule Geisenheim Forschungsfragen rund um das Thema Fassadenbegrünung nach. Dazu unterhalten wir mehrere Versuchsanlagen und testen verschiedene Systeme, Pflanzen sowie die Effekte, die diese Vertikalbegrünungssysteme bewirken. Allerdings liefen die bisherigen Versuche ausschließlich unter den bestehenden Forschungsbedingungen am Hochschulstandort. Unser Interesse bestand darin, Vergleichsversuche unter anderen Rahmenbedingungen durchzuführen.

Aus dieser Motivation heraus entstand das Vorhaben, die Innenstadt von Geisenheim als Reallabor zu nutzen und die Forschungsfragen über eine Masterarbeit im Studiengang Gartenbau zu untersuchen. Geplant war der Aufbau von Systemen zur Vertikalbegrünung an zentralen Orten als Forschungsobjekte unter realen Bedingungen. Hierdurch wird zudem die Sichtbarkeit der Forschung der Hochschule in der Öffentlichkeit erhöht und mehr Begrünung im dicht bebauten Stadtgebiet geschaffen. Darüber hinaus wollten wir der Frage nachgehen, ob solche Begrünungssysteme von Bürgerinnen und Bürgern befürwortet werden, und welche Kenntnisse sie hinsichtlich der Arten und den Effekten von Gebäudebegrünung besitzen.

Um ein derartiges Vorhaben zu realisieren, ist die Zusammenarbeit und Unterstützung von vielen Beteiligten notwendig. Für den Ausbau der grünen Infrastruktur sind Partnerschaften und Kooperationen als wichtiger Baustein für das Gelingen konkreter Maßnahmen zu sehen. Neben dem "Know-How", wie in diesem Fall aus der Hochschule, sind zudem Unterstützer, wie hier der LLH (Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen) und die Stadt Geisenheim, zur Umsetzung notwendig. Wissenstransfer ist ein bedeutendes Element, um Menschen zu den Themen der grünen Stadtentwicklung "mitzunehmen", sie hierfür zu sensibilisieren und bestenfalls zum Nachahmen anzuregen.

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Living Walls Bauwerksbegrünung
2 Funktionsweise des Bewässerungssystems und Aufbau der Living Wall. Die verwendeten Pflanzenarten wurden in einem randomisierten Versuchsdesign angeordnet. Das Living wall System ist ein Einzeltopfsystem hier dargestellt am Beispiel des Standort Südost Stadt 1. Schematische Darstellung der Bewässerung: Das Wasserreservoir mit der Nährlösung und integrierten Pumpe bilden einen geschlossenen Kreislauf. Die Steuerung der Wassergabe lief über eine Zeitschaltuhr. Ein Bewässerungsrechen mit einzelnen Düsen stellte sicher, dass das Wasser von oben gleichmäßig im System und somit an die Pflanzen verteilt wurde. Abb.: Maren Stollberg, Jonas Wohlgemuth, Tanja Matschinsky
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3 Die unterschiedlich exponierten Versuchstandorte am Campus der Hochschule Geisenheim und in der Innenstadt von Geisenheim. Abb.: Maren Stollberg, Jonas Wohlgemuth

Für den Versuchsaufbau und die Konzeption der Vertikalbegrünung zeichnet sich das Institut für urbanen Gartenbau und Pflanzenverwendung der Hochschule Geisenheim verantwortlich. Seitens der Stadt Geisenheim wurde das Vorhaben begrüßt und zwei Flächen in prominenter Lage am Rathaus zur Verfügung gestellt. Zur Entwicklung des urbanen Grüns arbeiten Stadt und Hochschule bereits seit 2017 über die Kooperation "Grünes Geisenheim" mit dem Ziel zusammen, den Standort nachhaltig zu entwickeln.

Auf der Suche nach weiteren möglichen Fassaden für unsere Versuche, hat sich eine Kooperation mit der Hessischen Gartenakademie des LLH ergeben. Diese haben nicht nur das Projekt unterstützt, sondern auch ein großes Interesse an einer längerfristigen Unterhaltung der Wandbegrünung. Als Bildungseinrichtung, vor allem für Privatgärtner, passt diese als Demonstrationsfläche zu ihren Seminaren zum Thema "Gärtnern im Zeichen des Klimawandels und Artenrückgangs".

Zur Akzeptanz und zu den Kenntnissen rund um die Thematik "Gebäudebegrünung" wurde eine Umfrage bei den Bürgerinnen und Bürgern von Geisenheim gestartet. Diese Umfrage wurde durch die Professur für Gartenbauökonomie konzipiert und rundete die interdisziplinäre Zusammenarbeit ab. Durchgeführt wurde diese im Rahmen der Aktionswoche Gebäudebegrünung des BuGG (Bundesverband GebäudeGrün). Zusätzlich fanden in diesem Zeitraum seitens der Hochschule auch Führungen und Vorträge zum Thema Stadt- und Gebäudegrün statt. Gebäudebegrünung ist ein wichtiger grüner Baustein, wenn das Thema Erweiterung der grünen Infrastruktur aufkommt (Kraus et al. 2019). Diese Erweiterung wird notwendig durch die Klimaerwärmung und die anhaltende Verdichtung der Städte. Zusätzlich bietet Fassadenbegrünung eine Reihe positiver Effekte, zum Beispiel einen hohen ästhetischen Wert (Radic´ et al. 2019). Außerdem geht die Literatur davon aus, dass grüne Infrastruktur einen positiven Effekt auf die menschliche Gesundheit hat (Riley 2017). Verwunderlich ist also, warum bei all den Vorteilen Gebäudebegrünungen eine Seltenheit sind.

Ein Problem sind die hohen Kosten und gleichzeitig geringen finanziellen Mittel für Stadtgrün. Es sollte darüber diskutiert werden, ob nicht mehr finanzielle Mittel in die grüne Infrastruktur investiert werden kann. Eine mögliche Erhöhung des Budgets kommt auch als Forderung aus der Bevölkerung. Daher ist es wichtig zu wissen, welche Begrünungssysteme Menschen kennen und bevorzugen.

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4 Die Entwicklung der Living walls an den Standorten in der Stadt ( 1–2) und an der Gartenakademie (3). Abb.: J. Wohlgemuth
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5 Auswertung der Biomasse und Blattfläche der Süßkartoffeln. Dargestellt ist die Summe der Blattfläche [cm²], des Trockengewicht [g] und des Frischgewicht [g]. Foto: Jonas Wohlgemuth
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6 Regressionsanalyse zwischen Blattfläche [cm²] und Frischgewicht [g]. Dargestellt sind die Werte der Ipomoea Sorten light green und purple. Das Bestimmtheitsmaß R² gibt an, wie gut die unabhängigen Variablen einen linearen Zusammenhang bilden. Es gilt, je näher das Bestimmtheitsmaß R² an 1 liegt, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit des linearen Zusammenhang. Abb.: Jonas Wohlgemuth

Living Wall Versuche im Stadtzentrum und am Hochschul-Campus von Geisenheim

Gebäudebegrünung in Form wandgebundener Fassadenbegrünung (= Living Wall) ist ein System, das keinen Bodenanschluss benötigt und flexibel an zuvor ungenutzten Fassaden angebracht werden kann (Riley 2017). Weiterhin tragen Living Walls zur Abkühlung der Lufttemperatur durch Verschattung und Verdunstung der Pflanzen bei (Campos-Osorio et al. 2020). Innerhalb der Literatur finden sich sehr unterschiedliche Werte zum Abkühlungseffekt. Dieser liegt laut verschiedener Studien zwischen 0,5 Grad Celsius und 30 Grad Celsius (Brune 2017, Besir & Cuce 2018, Koch et al. 2020). Auf Grund dieser Lücken im Wissensstand wurde in unserem Versuch die Oberflächentemperatur der Living Walls untersucht.

Bei dem untersuchten System handelt es sich um eine "Living Wall", die mit substratgefüllten Behältnissen auf einem Trägersystem direkt an der Wand befestigt wird. Die Bewässerungstechnik und Nährstoffversorgung sind hierbei integriert (Abb. 2). Zwischen Mai und August 2022 wurden insgesamt fünf Living Walls in unterschiedlichen Himmelsrichtungen aufgebaut (Abb. 3). Als zentrale Forschungsfrage wurde der Abkühlungseffekt im urbanen Raum in Abhängigkeit der Ausrichtung der Wände analysiert. Der Abkühlungseffekt wird hierbei als die Senkung der Oberflächentemperatur der Gebäudewände definiert, welcher durch den natürlichen Kühlungseffekt, das heißt durch die Verdunstung von Pflanzen, verursacht wird. Der Effekt ist abhängig von der Blattfläche und der Biomasse der Pflanzen.

Zur Bepflanzung der Living Walls wurden insgesamt fünf Pflanzenarten verwendet. Süßkartoffel-Sorten, Taubnesseln, Sonnenhut und Purpurglöckchen wurden zufällig angeordnet, um dem wissenschaftlichen Versuchsaufbau gerecht zu werden (Abb. 2). Während der Dauer des Versuches wurden bewusst keine Pflege- oder Schnittmaßnahmen an den Pflanzen vorgenommen, damit die Auswertung der Blattfläche nicht beeinflusst wird. Generell benötigen Living Walls jedoch Rückschnittmaßnahmen und das Ausputzen von unerwünschtem Aufwuchs und alten Pflanzenteilen.

Nach dem viermonatigen Versuchszeitraum können Aussagen zum Blattflächenwachstum, Frisch- und Trockengewicht, sowie zum Abkühlungseffekt der Pflanzung an den fünf unterschiedlich exponierten Living Walls getroffen werden.

Die beiden Süßkartoffelsorten dominieren das Erscheinungsbild an allen fünf Standorten (Abb. 3). Deren stark rankenartiges Wachstum, ihre mittelgroßen und vielzähligen Blätter hatten zur Folge, dass der Sonnenhut sich konkurrenzschwach zeigte und durch die Süßkartoffeln überdeckt wurde (Abb. 4-5). Taubnessel und Purpurglöckchen zeigten sich hingegen konkurrenzstark.

Zur Auswertung von Blattfläche und Biomasse wurden ausschließlich die Süßkartoffel Sorten auf Grund ihres dominanten Wachstums und ihrer physiologischen Eigenschaften untersucht (Abb. 5-6). Bezogen auf das Wachstum konnte hierbei festgestellt werden, dass es Unterschiede in der Summe der Blattfläche [cm²], dem Frischgewicht [g] und dem Trockengewicht [g] an den verschiedenen Standorten gab. Am Standort mit Ausrichtung Südost betrug die Blattfläche 10 Quadratmeter und hob sich somit deutlich von den Werten der übrigen Living Walls ab. (Abb. 6)

Um die Unterschiede der Oberflächentemperaturen feststellen zu können, wurden Wärmebildaufnahmen der Living Walls erstellt. Im Tagesverlauf waren Temperaturunterschiede von 2-3 Grad Celsius innerhalb der Pflanzung messbar, was auf die Erwärmung der Blattoberflächen zurückzuführen ist. (Abb. 8). Der deutlichste Unterschied ist jedoch beim Vergleich der Oberflächentemperaturen zwischen Gebäudeoberfläche und der Bepflanzung der Living Wall zu verzeichnen. Bei Aufnahmen zur Mittagszeit um 13:00 Uhr wurde ein maximaler Unterschied von 10 Grad Celsius gemessen. Zu diesem Zeitpunkt machten sich Unterschiede in der Temperatur auch in Abhängigkeit der Ausrichtung der Flächen bemerkbar. Während in der Südost-Ausrichtung im Maximum 10 Grad Celsius gemessen wurde, waren es in der Nordost-Ausrichtung 7 Grad Celsius und in der Nordwest-Ausrichtung 6 Grad Celsius (Abb. 8). Weiterhin wurden auch Temperaturdifferenzen innerhalb des Vegetationsbestandes in Höhe von 4 Grad Celsius bis 5 Grad Celsius gemessen. Dies lässt den Rückschluss zu, dass sowohl Pflanzenart als auch deren Bewässerung Einfluss auf den Abkühlungseffekt haben. Allerdings muss beachtet werden, dass Umweltfaktoren, wie direkte Sonneneinstrahlung, Auswirkungen auf die Messungen mit der Wärmebildkamera hervorrufen können.

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7 Die Lufttemperatur dargestellt als Tagesmitteltemperatur an den Standorten Stadt 1, Stadt 2 und Stadt 3, über den Zeitraum von 40 Tagen. Start der Messungen am 12.07.2022 bis zum 17.08.2022. Die Temperatursensoren wurden an umliegenden Laternen in 2 Meter Höhe und in einem Radius von jeweils 2 Meter (Stadt 1/Stadt 2) und 8 Meter (Stadt 3) befestigt. Abb.: Jonas Wohlgemuth
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8 Wärmebildaufnahmen mit Infrarotkamera. a) Darstellung des Tagesverlaufes der Oberflächentemperatur am Standort Stadt 1 Südost. b) Wärmebildaufnahmen mit Infrarotkamera. Darstellung der Oberflächentemperatur an den Standorten S1, S2 und S3 zur Mittagszeit (14:00 Uhr). Die Entfernung der Kamera zur Living Wall betrug 5,3 m. Abb.: Jonas Wohlgemuth

Die Bewässerung und Düngung der Systeme gestalteten sich aufwändig. In Abhängigkeit der Lufttemperatur wurde das Wasserreservoir zu Beginn des Versuches (Juni) zwischen zwei- bis dreimal wöchentlich aufgefüllt. Dies entspricht einer Füllmenge von 80 bis 160 Liter pro Living Wall. Durch die steigenden Temperaturen im Hochsommer musste das Reservoir beinahe täglich aufgefüllt werden (Abb. 2 und 7). Zusätzlich wurde das Bewässerungssystem regelmäßig technisch kontrolliert.

Wir stellten fest, dass die Living Walls bedingt durch das Bewässerungssystem sehr pflegeaufwändig sind. Das Pflanzenwachstum war in Abhängigkeit der Ausrichtung verschieden. Temperaturunterschiede aufgrund der Pflanzung in der Living Wall wurden gemessen. Daraus lassen sich keine pauschalen Aussagen zum Abkühlungseffekt treffen. Denn allein die Ausrichtung der Living Walls hatte einen Einfluss auf die Temperatur.

Was wissen Bürgerinnen und Bürger über Bauwerksbegrünung?

Die Aktionswoche Gebäudebegrünung im Oktober 2022 eignete sich gut, um das Wissen und die Wünsche von Bürgerinnen und Bürgern aus Geisenheim in einer wissenschaftlich begleiteten Umfrage zu ermitteln. Insgesamt nahmen 61 Frauen und 46 Männer aus allen Alters- und Einkommensgruppen an der Befragung teil.

Zunächst wollten wir wissen, welche Arten von Bauwerksbegrünung die Teilnehmenden überhaupt kennen oder schon mal gesehen haben. Klassische Fassadenbegrünung mit Wein oder Efeu und einfache Dachbegrünungen mit niedrig wachsenden Pflanzen kennen fast alle. Auch aufwändige Dachbegrünungen, wie Dachgärten, sind 97 Prozent der Befragten bekannt, selbst gesehen haben diese dann aber "nur" rund 60 Prozent der Befragten. Insgesamt kennen die Teilnehmenden die allermeisten gängigen Bauwerksbegrünungen, auch wenn manchmal nur in der Theorie. Am wenigsten bekannt sind Spalierobst und selbstgemachte Systeme zur Begrünung der Fassaden. Circa 10 Prozent der Teilnehmenden haben selbst bereits eine Art von Bauwerksbegrünung. Zusätzlich könnten sich circa 20 Prozent vorstellen, eine solche Begrünung in Zukunft bei sich zu Hause vorzunehmen.

Der zweite Teil des Fragebogens thematisierte Einschätzungen über mögliche Effekte von Dach- und Fassadenbegrünung auf Mensch und Umwelt (Abb. 9). Hier wurden die Teilnehmenden gefragt, wie sehr sie bestimmten Aussagen zustimmen, beziehungsweise diese ablehnen. Die größte Zustimmung erlangte die Aussage, dass Dach- und Fassadenbegrünung dazu führen, dass die Teilnehmenden die Umgebung schöner empfinden. Dahinter kommen positive Effekte auf Artenvielfalt und die Säuberung der Luft. Am wenigsten Zustimmung erhielten zwei potenziell negative Effekte: erstens, dass zu viel Wasser zum Gießen verbraucht werde und zweitens, dass hohe Kosten für Installation und Unterhaltung entstehen. Insgesamt schätzen die Teilnehmenden die Effekte von Dach- und Fassadenbegrünung auf Mensch und Umwelt also durchschnittlich positiv ein. Weiter wollten wir ermitteln, welche Art von Bauwerksbegrünung Teilnehmende in Städten und Gemeinden gerne sehen möchten (Abb. 10). Hier wünschen sich die Befragten, dass vor allem einfache Dachbegrünungen mit niedrig wachsenden Pflanzen, Stauden und Blühpflanzen sowie begrünte Fassaden häufiger vorkommen. Für diese Art der Begrünung sollte primär eine finanzielle Förderung bereitgestellt werden, sofern es hierfür Fördermaßnahmen für den privaten oder den öffentlichen Bereich gäbe. Insgesamt ist es unseren Teilnehmenden wichtig, dass mehr Geld für die Förderung von Bauwerksbegrünung im öffentlichen Raum bereitgestellt werden soll.

Living Walls Bauwerksbegrünung
10 Ergebnisse der Umfrage zum Thema welche Begrünungsmaßnahmen sich Bürgerinnen und Bürgern wünschen (Mittelwert, n = 107 Befragte). Abb.: Mira Lehberger
Living Walls Bauwerksbegrünung
9 Ergebnisse der Umfrage zum Thema Effekte der Gebäudebegrünung (Mittelwert, n = 107 Befragte). Abb.: Mira Lehberger

Im letzten Teil der Befragung wollten wir herausfinden, welche konkreten Merkmale für Bürgerinnen und Bürgern bei Bauwerksbegrünungen wichtig sind. Um diese Frage zu beantworten, wurden Teilnehmenden in einem Experiment vier verschiedene Bauwerkbegrünungsmaßnahmen gezeigt und sie wurden gebeten, eine bevorzugte auszuwählen. Die Begrünungsmaßnahmen variierten in der Bepflanzung, im Pflegeaufwand und den Umwelteffekten, die sie primär erzielen. Durch die Analyse der Daten stellte sich heraus, dass den Teilnehmenden die konkrete Bepflanzungsart am allerwichtigsten war. Hier wurden zumeist Living Walls präferiert, dann Vertikalwiesen und am wenigsten beliebt waren Kletterpflanzen. Das zweitwichtigste Merkmal war der Pflegeaufwand. Hier gilt: je kleiner der Pflegeaufwand (z. B. Gießhäufigkeit) desto besser. Das erzielen von positiven Umwelteffekten war am irrelevantesten für die Entscheidung der Teilnehmenden. Der beliebteste positive Umwelteffekt waren Energieeinsparungen durch Dämmung des Gebäudes vor Hitze und Kälte. Am zweitbeliebtesten war es, wenn die Begrünungsmaßnahmen für angenehmere Luft (z. B. Abkühlung und Säuberung) sorgen. An letzter Stelle stand die Förderung der Artenvielfalt.

Zusammenfassend wurde klar, dass Bürgerinnen und Bürger die positiven Effekte wie Ästhetik der Umgebung durch Gebäudebegrünung erwarten. Weniger erwartet werden Probleme, die durch Begrünung entstehen. Gewünscht werden einfach zu handhabende Dachbegrünung oder begrünte Fassaden, wobei das visuelle Erscheinungsbild der Begrünung sehr wichtig ist.

Sichtbare Forschungsvorhaben von Hochschulen im öffentlichen Raum und der damit verbundene Wissenstransfer leisten einen wichtigen Beitrag, um den Menschen die Bedeutung von urbaner Begrünung näher zu bringen.

Wie geht es weiter?

Insgesamt haben wir zu den Forschungsflächen in der Stadt Geisenheim positives Feedback erhalten. Beispielsweise wurde nachgefragt: "Wieso werden die Süßkartoffeln jetzt aus der Living Wall entfernt, wenn diese doch gerade so schön aussehen?". Das System hat sich jedoch auf Grund des intensiven Unterhaltungsaufwandes als ungeeignet für den weiteren Bestand und Übergang in die Verantwortung der Stadt herausgestellt.

Die Gartenakademie des LLH erhält die Living Wall dauerhaft als Demonstrationsfläche, um auf die Wichtigkeit von Fassadenbegrünung hinzuweisen und zu Themen wie "Klimaanpassung in Siedlungsbereichen" und "Förderung der Artenvielfalt auf kleiner werdenden Grundstücken" aufzuklären. Sie wollen gleichzeitig aber auch Erfahrungen sammeln, wie sich die Pflege und Unterhaltung dieser Systeme für Privatpersonen gestaltet.

In Seminaren an der Gartenakademie war die Wandbegrünung unter den Teilnehmenden ein Thema. Die Reaktionen reichten von Interesse bis Skepsis. "Was passiert mit den Pflanzen im Winter?" oder "Ist der Plastikkorpus nachhaltig?"- Die Wandbegrünung regte zu intensivem Austausch an. Diese Diskussionen und unsere Erkenntnisse aus dem Versuch zeigen die Wichtigkeit auf, das Thema Vertikalbegrünung für die praktische Umsetzung weiter zu erforschen.

Danksagung

Wir danken herzlich unseren Kolleginnen und Kollegen vom Institut für urbanen Gartenbau und Pflanzenverwendung für die großartige Mitarbeit an dem Projekt. Ein großes Dankeschön geht an die studentischen Hilfskräfte, die die Umfragen durchgeführt haben. Wir bedanken uns bei der Hochschulstadt Geisenheim für die Unterstützung und die Bereitstellung der Flächen.

Literatur

Besir, A. B. & E. Cuce (2018): Green roofs and facades: A comprehensive review. Renewable and Sustainable Energy Reviews 82: 915-939.

Brune, M. (2017): Gebäudebegrünung und Klimawandel: Anpassung an die Folgen des Klimawandels durch klimawandeltaugliche Begrünung.

Campos-Osorio, A., N. Santillán-Soto, O. R. García-Cueto, A. A. Lambert-Arista & G. Bojórquez-Morales (2020): Energy and Environmental Comparison between a Concrete Wall with and without a Living Green Wall: A Case Study in Mexicali, Mexico. Sustainability 12: 5265.

Koch, K., T. Ysebaert, S. Denys & R. Samson (2020): Urban heat stress mitigation potential of green walls: A review. Urban Forestry & Urban Greening 55: 126843.

Kraus, F., R. Fritthum, E. Robausch, B. Scharf, J. Preiss, V. Enzi, G. Steinbauer, C. Oberbichler, A. Lichtblau, S. Haas, G. Dyk, A. Korjenic, D. Tudiwer & L. Jesner (2019): Leitfaden Fassadenbegrünung.

Radic´, M., M. Brkovic´ Dodig & T. Auer (2019): Green Facades and Living Walls—A Review Establishing the Classification of Construction Types and Mapping the Benefits. Sustainability 11: 4579.

Riley, B. (2017): The state of the art of living walls: Lessons learned. Building and Environment 114: 219-232.

M. Eng. Stephanie Braun
Autorin

Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Pflanzenverwendung

Hochschule Geisenheim
Dr. Mira Lehberger
Autorin

Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Gartenbauökonomie

Hochschule Geisenheim
 Tanja Matschinsky
Autorin

Projektmitarbeiterin "Klimaanpassungen", Dozentin

Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen, Hessische Gartenakademie
M. Sc. Maren Stollberg
Autorin

Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Zierpflanzenforschung und urbanen Gartenbau

Hochschule Geisenheim
 Jonas Wohlgemuth
Autor

Student im Masterstudiengang Spezielle Pflanzen- und Gartenbauwissenschaften

Hochschule Geisenheim

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