Ein Gartenarchitekt des 20. Jahrhunderts zwischen Tradition und Moderne

Hans Winter (1895-1969)

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Personen im GaLaBau Gartendenkmäler
Hans Winter, Foto, um 1930, Nachlass Familie Winter. Quelle: Nachlass Familie Winter
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Grabzeichen nach altpommerschen Formen, Kohlezeichnung von Hans Winter, 1921, Archiv Angela Pfennig. Quelle: Archiv Angela Pfennig

Die Sundpromenade und die Parkanlage am Wulflamufer als städtebauliche Freiraumentwürfe aus der Zeit der Weimarer Republik zählen nach wie vor zu den geschätzten öffentlichen Grünanlagen der Hansestadt Stralsund. Der Stralsunder Zentralfriedhof, ab 1939 in Abschnitten errichtet, gilt in Fachkreisen als bedeutsames Beispiel für die Umsetzung von modellhaften Planungen und Reformkonzepten in der Friedhofskultur der 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts.¹

Doch der Schöpfer der in den letzten Jahren auf Grundlage der Originalpläne teilweise sanierten Gartendenkmale, Gartenbauinspektor Hans Winter, ist einem breiten Fachpublikum und der Öffentlichkeit wenig bekannt.

Dieser Beitrag widerspiegelt den derzeitigen Forschungsstand und folgt unter Hinzuziehung aller bisher verfügbaren Quellen der Chronologie der Biographie von Hans Winter. Er versteht sich als biographische Skizze, die versucht, integrierend das Leben und das Lebenswerk eines Gartenarchitekten des 20. Jahrhunderts in seinen Entwicklungen, Brüchen und Anpassungen nachzuzeichnen und zu verstehen.

Hans Winter gehört jener Generation von Gartenarchitekten an, die zwischen zwei Weltkriegen eine relativ kurze kreative Berufschance in einer wirtschaftlich, gesellschaftlich und politisch hoch brisanten Zeit hatte. Seine Biographie ist wesentlich geprägt durch die Teilnahme am Ersten Weltkrieg, die Mitgliedschaft im Wandervogel und in der NSDAP (1933-1939), die Teilnahme am Zweiten Weltkrieg, russische Gefangenschaft sowie die Mitarbeit in der Pommerschen Landsmannschaft.

Sein fachliches Wirken als Angestellter einer Stadtverwaltung und freischaffender Gartenarchitekt umspannt die Themenbereiche Soziales Grün, Volkspark, städtebauliche Freiraumkonzepte, Gartenschauen, Notstandsarbeiten, Friedhof, Großgrünraumgestaltung, Landschaftsschutz, Pflege und Unterhaltung städtischer Grünanlagen sowie Hausgärten und Gartenanlagen an öffentlichen Einrichtungen.

Eine differenziertere Einordnung des Lebenswerkes von Hans Winter in den Kontext der Garten- und Landschaftsgestaltung und der Zeitereignisse des 20. Jahrhunderts steht noch aus. Sie ist erst möglich nach einer vertieften Untersuchung insbesondere der derzeit quellenmäßig noch wenig belegbaren Lebens- und Arbeitszeit von Hans Winter im Nationalsozialismus und einer vergleichenden Wertung der von ihm geschaffenen Landschaftsarchitekturen hinsichtlich ihres gestalterischen, sozialen und geistigen Ideengehalts mit anderen Anlagen seiner Zeit. Hierzu ist weitere Forschungsarbeit notwendig und wünschenswert.

Gärtnerische Ausbildung in Lüdenscheid, Oberkassel und Berlin

Als Sohn des Konrektors und Organisten Otto Winter und seiner Ehefrau Klara, geborene Thiekötter, am 21. 6. 1895 in Lüdenscheid geboren, begann Hans Winter nach Abschluss der Obersekundarreife am Realgymnasium in Lüdenscheid seine gärtnerische Ausbildung 1912-1914 mit einer Lehre der Landschafts- und Topfpflanzengärtnerei in der Lüdenscheider Gärtnerei Leonhard Kümmel und anschließend als Gärtnergehilfe in der Baumschule T. Boehm in Oberkassel bei Bonn. Die Berufswahl ist ihm nicht leicht gefallen, denn er vereinte viele Talente in sich.

Im August 1915 wurde der Zwanzigjährige zum Militär einberufen. Erst nach Ende des Ersten Weltkrieges konnte er eine Ausbildung an der Höheren Gärtnerlehranstalt in Berlin-Dahlem aufnehmen, die er 1920 als Staatlich geprüfter Gartenbautechniker erfolgreich abschloss. Dozent der Gartenkunst war seinerzeit Fritz Zahn (1872-1942), der in seiner Lehre Meyersche Traditionen mit der Moderne verband.² Eine Auffassung, die die Gartenplanungen von Hans Winter prägen sollte.

Während seiner Tätigkeit in der Gartenverwaltung Köln 1924 bestand er das Staatsexamen an der Lehr- und Forschungsanstalt für Gartenbau zu Berlin-Dahlem als Staatlich diplomierter Gartenbauinspektor. Seine schriftliche Prüfungsarbeit beinhaltete einen Entwurf für einen neuen Friedhof einer Großstadt mit städtebaulicher Einbindung des vorgesehenen Geländes und eine Abhandlung über die "Bestrebungen einer völlig gleichmäßigen Behandlung aller Grabstätten".³

15 Jahre später wird er in Stralsund den Bau eines neuen Hauptfriedhofes realisieren.

Gartenbautechniker in Stettin und Köln

Eine Privatstellung als Gartenbautechniker führte ihn nach Abschluss seiner ersten Ausbildung in Berlin 1920 nach Stettin. Dort erhielt er die Aufgabe, die ausgedehnten Parkanlagen des Unterstaatssekretärs a. D. Dr. phil. Hellmut Toepffer (1876-1930), Geschäftsführer der Portland-Cement-Fabrik "Stern" Toepffer, Grawitz & Co. GmbH, über dem Odertal in Finkenwalde umzugestalten. Georg Hannig (1872-1934), städtischer Friedhofsdirektor in Stettin, würdigte diese Arbeit: "Den in einen alten, schönen Buchenwald ausklingenden Teil des Parkes von etwa 30 Hektar Größe, dessen Bodenlage äußerst pittoresk zu nennen ist und der Bearbeitung durch tiefe Klüfte und steile Vorsprünge ins Tal erhebliche Schwierigkeiten bereitet, hat Herr Winter mit neuen, die Schönheiten besser aufschließenden Wegen durchzogen und durch geschicktes Auslichten mit Durchsichten auf schöne Punkte der Umgebung versehen."4

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Park in Raderthal, Zeichnung von Fritz Encke, 1923, Fotokopie, Nachlass Familie Winter. Quelle: Nachlass Familie Winter
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Altstadt Stralsund mit Wallanlagen und Stadtteichen, Luftbild, um 1930, Fotokopie, Nachlass Familie Winter. Quelle: Nachlass Familie Winter

Früh zeigten sich auch Fähigkeiten des selbstständigen Arbeitens und der Sozialkompetenz. "Es soll noch besonders erwähnt werden, dass Herr Winter auch in der Behandlung der Arbeitskräfte, die durchgehend aus Industriearbeitern bestanden, seinen Mann gestanden hat."5 Als Angestellter der Friedhofsverwaltung in Stettin wurde Hans Winter 1921/22 mit Entwurfsarbeiten für die Vergrößerung des Hauptfriedhofes und Planungen für Kriegerehrungen in der Provinz Pommern beauftragt. Umfangreiche fotografische Aufnahmen, teilweise in Farbe, Kohlezeichnungen zur Illustrierung von Vorträgen sowie Modellarbeiten zeugen von einem feinen künstlerischen Empfinden.6

"Zurzeit der Stadterweiterung Kölns durch das Prof. Schumacher'sche Projekt verließ ich Stettin, um auf dem Gebiete der Gartenkunst im Städtebau meine Erfahrungen zu sammeln."7 In den Jahren 1922-1926 wirkte Winter als Gartentechniker bei der Gartenverwaltung der Stadt Köln, wo er zunächst mit der Bearbeitung der technischen Ausführungspläne und der Bauleitung für die Umgestaltung der ehemaligen Festungswerke zu städtischen Gartenanlagen beschäftigt war. Zu seinen Aufgaben zählten weiterhin die Planung und Bauleitung für Sport-, Schwimm-, Tennis- und Erholungsanlagen sowie Volksparks. Für den von Fritz Encke (1861-1931) entworfenen und 1922-1926 realisierten Volkspark Raderthal, seit 2002 Fritz-Encke-Volkspark, mit Volkswiese, Planschbecken, Naturtheater, Kinderspielplätzen, Rosen- und Staudenfarbengärten übernahm Winter die Bauleitung.

Hier empfing er wichtige Anregungen für seine wenige Jahre später in Stralsund realisierten Parkanlagen. Fritz Encke bezeichnete er als Lehrmeister, mit dem er sich in innigster Weise verbunden fühlte.8

1923 heiratete Hans Winter Elisabeth Charlotte Henning (1902-1994), eine aus einer bedeutenden Kaufmannsfamilie stammende gebürtige Stettinerin. Dieser Ehe entstammen neun Kinder. Wie Hans Winter war Charlotte Henning Mitglied im Wandervogel, eine Bewegung, die sich als Protest der Jugend gegen die durch den Wilhelminismus geprägte Gesellschaft verstand.

Leiter des Gartenbau- und Friedhofsamtes in Stralsund

Angesichts der geplanten umfangreichen Neuanlagen von öffentlichen Grünflächen erachtete die Stadt Stralsund 1926 die Einstellung eines Gartenbauinspektors als dringend erforderlich.9 Vorangegangen war eine von der Kämmerei- und Bauinspektion vorgeschlagene Umfrage bei einigen Städten ähnlicher Größe über die beruflichen Vorbedingungen und Arbeitsverhältnisse einschließlich Besoldungsgruppen der dort angestellten Stadtgärtner.10 Bei der Suche nach einem geeigneten Gartenfachmann konsultierte die Stadtverwaltung offenbar auch Heinrich Friedrich Wiepking-Jürgensmann (1891-1973). (Vgl. Ursula Kellner: Heinrich Friedrich Wiepking (1891-1973). Leben, Lehre und Werk. Selbstverlag, o. O. 1998) Dieser befürwortete die Einstellung von Hans Winter11, nachdem er an verschiedenen Stellen, unter anderem auch bei Fritz Encke, Erkundungen eingezogen hatte, die "ihn [Hans Winter] durchaus geeignet erscheinen [lassen], die Leitung einer städtischen Gartenverwaltung zu übernehmen".12 Encke attestierte Winter 1926: "Sowohl in seiner Tätigkeit auf dem Entwurfsbüro als auch als Leiter von Neuanlagen hat sich Herr Winter als ein strebsamer praktisch denkender und selbstständig arbeitender Fachmann gezeigt."13

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Parkanlage am Wulflamufer in Stralsund, Lageplan von Hans Winter, 1926, Archiv Angela Pfennig. Quelle: Archiv Angela Pfennig

Am 15. 2. 1926 wurde Hans Winter als Gartenbauinspektor in der Gartenbauabteilung des Stadtbauamtes Stralsund eingestellt. Ihm waren die Stadtgärtnerei, Stadtbaumschule und Stadtforste unterstellt. Außerdem erteilte er Unterricht an Gärtnerberufsschulen in den Fachgebieten Feldmessen, Nivellieren, Massenberechnung und gärtnerisches Planzeichnen. Als Vertreter des Oberbürgermeisters wirkte er in der Funktion als untere Naturschutzbehörde in enger Zusammenarbeit mit der obersten Naturschutzbehörde. Die 1940 erfolgte Ausweisung eines Landschaftsschutzgebietes mit mehr als 200 Hektar (Stadtteiche und Grünanlagen) innerhalb einer Stadt war beispielgebend.14

Als Leiter des Gartenbau-, Kleingarten- und Friedhofsamtes und ab 1937 als Gartenbauoberinspektor und Dezernent trug Winter gemeinsam mit dem Stadtplanungsamt Verantwortung für die "Großgrünraumgestaltung" in Stralsund. Bereits mit Beginn seiner Tätigkeit trug man ihm mit den Planungen für die Parkanlage am Wulflamufer und die Sundpromenade sowie die Umgestaltung der Schillanlage bedeutende städtebauliche Freiraumkonzepte an, die er in der kurzen Zeit von 1,5 Jahren dank zahlreicher Notstandsarbeiten, ein damals verbreitetes Programm von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, meisterhaft umsetzen konnte. Jene bis heute stadtbildprägenden Grünzüge der Hansestadt Stralsund aus der Zeit der Weimarer Republik mit ihrer Geradlinigkeit und formalen Strenge sind der Grünen Moderne zuzurechnen. Einer Epoche, in der die Umsetzung neuer Stadtparkideen mit sozialen und demokratischen Zielstellungen einer besseren Nutzbarkeit das konzeptionelle Zusammenwirken verschiedener Fachdisziplinen wie Architektur, Landschaftsarchitektur und Stadtplanung erforderte.

Die Arbeitsmöglichkeiten eines Landschaftsgestalters innerhalb dieser Prozesse waren damals in ganz Deutschland einzigartig. Wenige Jahre später gerieten viele soziale Errungenschaften, unter anderem auch große gemeinnützige Anlagen wie Sportplätze, Bäder oder Parkanlagen in den Sog nationalsozialistischen Denkens.

In Stralsund ging es Ende der 1920er Jahre darum, die neu entstehenden Stadtteile, von der Altstadtinsel ausgehend, organisch und harmonisch in das Landschaftsgefüge einzubinden und den Landschaftsraum durch die pflegende und gestaltende Hand des Landschaftsgestalters sinnvoll weiter zu entwickeln. Aus städtebaulicher Sicht muss man die durch die Stadtverwaltung beschlossenen großräumigen, vorausschauenden, verantwortungsvollen Grünplanungen Hans Winters würdigen, die angesichts expandierender Stadtentwicklung in steigendem Maße darauf Bezug nahmen, dass Landschaft nicht mehr ausschließlich als etwas zu Benutzendes und Verbrauchendes anzusehen war. Ein bis heute brisantes und aktuelles Thema.

Alle von Winter gestalteten öffentlichen Grünanlagen sind dem Wasser zugewandt, berühren den Grenzbereich zwischen Stadt, Landschaft und Wasser und streben eine Synthese zwischen diesen Elementen an. Sie fanden bereits in der zeitgenössischen Fachwelt Beachtung und Anerkennung.15 Hans Winter beteiligte sich an der GUGALI 1927 und mit Schauplänen im Rahmen der Verkehrswerbung an den Reichsgartenschauen in Dresden 1936 und Essen - gemeint sind hier vermutlich die Große Ruhrländische Gartenbauausstellung (Gruga) 1929 und die Reichsgartenschau 1938.16

Im Zusammenhang mit der Errichtung der genossenschaftlichen Wohnanlage Bürgermeisterviertel in der Frankenvorstadt schuf er 1926/27 die Parkanlage am Wulflamufer. Sie war den Ideen der Gartenstadt- und Volksparkbewegung gleichermaßen verpflichtet. Winter gelang es, den sozialen Anspruch der städtischen Menschen im Industriezeitalter auf öffentliche Gartenräume zum Bewegen, Spielen, Sitzen und Kommunizieren funktionell und gestalterisch überzeugend zu lösen. Architektonisch angelegte Gartenräume zum Aufenthalt wie der Spielplatz, das Planschbecken, der Staudensondergarten oder der Platz der Feierstunde korrespondieren mit landschaftlich gestalteten Partien zum Spazierengehen entlang des Frankenteichufers. Die aus der Siedlung herausführenden Straßen werden als Wege im Park fortgesetzt und öffnen faszinierende Blicke über den Teich auf die Bastionen der ehemaligen Festungsanlage und markante Gebäude der Altstadt.

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Sundpromenade Stralsund, Postkarte, um 1930, Sammlung Behm. Quelle: Sammlung Behm
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Wandelgänge an der Sundpromenade Stralsund, Postkarte, um 1930, Sammlung Behm. Quelle: Sammlung Behm

Die Sundpromenade zählt auf Grund des großartigen Landschaftsraumes, des sehr schönen alten Baumbestandes und eines weitestgehend vom Straßenlärm befreiten Raumes zu den gern begangenen Spazierwegen der Stralsunder. Die Linienführung der Alleen unterstreicht die großzügige, bogenartig geschwungene Uferbefestigung, welche die Wasserlandschaft bis zur Altstadt führt. Die Sundpromenade fungiert hierbei als Schnittpunkt zwischen Natur und Baukunst, einem wesentlichen Charakteristikum der Hansestadt Stralsund.

Mit der schlichten, regelmäßigen Durchgestaltung der Promenade mit unterschiedlichen Erholungsansprüchen genügenden Plätzen im architektonischen Stil, welche mit einer Lindenallee verbunden sind, gelang Winter 1926/27 ein Gartenkunstwerk, das sich an den Strandpromenadenstil der großen Seebäder anlehnt, seine Besonderheit hingegen im Charakter einer städtischen Parkanlage findet.

Hans Winter zählt zu den Gartenarchitekten, die die neue Technik der Dia-Farbfotografie zur Abbildung von Stauden- und Blumenrabatten nutzten. Seine im Familienbesitz aufbewahrte, bislang wissenschaftlich noch nicht ausgewertete Dia-Sammlung aus den 1930er Jahren gehört zu den seltenen Zeugnissen komponierter Schmuckpflanzenbilder im öffentlichen Raum der Hansestadt Stralsund.

Trotz der enormen freiraumplanerischen Erfolge bei der Umsetzung von Großprojekten und einer ungekündigten Beamtenstellung beabsichtigte Hans Winter um 1930 seine Stellung aufzugeben, um bessere wirtschaftliche Verhältnisse zu erreichen.17

Gemeinsam mit Stadtbaurat Dankwart Gerlach (1890-1979) war Winter 1928 maßgeblich an der Erarbeitung des Generalplanes Nord für Stralsund beteiligt, der wichtige städtebauliche Entwicklungsziele besonders hinsichtlich der Schaffung eines äußeren grünen Ringes im Nordwesten der Stadt enthielt. Die Lage des neu zu planenden Stralsunder Hauptfriedhofes wurde als bedeutender Bestandteil der öffentlichen Grünverbindungen betrachtet. Es sollten jedoch zehn Jahre vergehen, bevor die Friedhofsentwürfe zur Reife gelangten und 1939 mit Zustimmung des Regierungspräsidenten in Stettin und des Oberbürgermeisters der Stadt Stralsund, Dr. Werner Stoll (1902-?), zur Ausführung beschlossen wurden.

In dem Bemühen, eine mustergültige Friedhofsanlage mit einer guten gartenkünstlerischen Gestaltung und einer handwerklichen Formgebung der Grabmale zu schaffen, hatte sich die Stadt an den "Reichsausschuss für Friedhof und Denkmal" gewandt. Der Dresdner Architekt Waldo Wenzel (1879-1952), Vorsitzender des Arbeitsausschusses Friedhof und Herausgeber neuer Friedhofsrichtlinien, welche die Friedhofskunst als Maßstab für die geistige und künstlerische Haltung des Volkes und den Gestaltungswillen des nationalsozialistischen Reiches ansahen, wurde bei der Planung des Stralsunder Hauptfriedhofes konsultiert. "Völkisches Gedankengut und die Vorstellungen des Heimatschutzbundes treffen hier mit den Ideen der Friedhofsreformbewegung zusammen."18 Gartenbauoberinspektor Hans Winter, Mitglied des Arbeitsausschusses Friedhof für den Gau Pommern, realisierte mit dem Zentralfriedhof seine letzte bedeutende Gartenanlage in Stralsund. Die Grundidee der Gestaltung mit einer einfachen Gesamtorientierung bestand in der bewussten Ausnutzung der vorhandenen Geländeformen für die Anlage der Hauptkapelle, der Modellierung der geometrischen, hainartigen Friedhofsräume mit ihren großen Sichtbeziehungen zur Stadt und in einem dichten, den gesamten Friedhof umgebenden Waldsaum. Aufgegriffen wurden Tendenzen der 1920er Jahre, die Gestaltung der Grabstätten zu vereinheitlichen.

Da der nunmehr über 40-jährige Gartenarchitekt 1939 zum Kriegsdienst eingezogen wurde, konnte er nur noch bedingt an der Realisierung des Friedhofsprojektes arbeiten. Im Januar 1944 wurde er aus der Wehrmacht entlassen, um einen Kriegerfriedhof für in- und ausländische Soldaten und Bombenopfer auf dem Zentralfriedhof anzulegen.

Am 15. 5. 1945 wurde Hans Winter als Zivilist nach Russland verschleppt und später als ehemaliger Offizier der Deutschen Wehrmacht als regulärer Kriegsgefangener eingereiht.19 Seine Frau erhielt am 30. 5. 1945 vom Personalamt der Stadt Stralsund "in Anbetracht der Umorganisation bei der Stadtverwaltung"20 die fristlose Kündigung ihres Mannes. Gleichzeitig erfolgte die Enteignung des Wohnhauses der Familie Winter.21 Am 26. 9. 1949 präzisierte die Personalabteilung des Rates der Stadt Stralsund den Entlassungsgrund von Hans Winter: "Er ist im Zuge der Bereinigung der öffentlichen Verwaltung wegen seiner Zugehörigkeit zur NSDAP bzw. ihrer Gliederungen entlassen worden."22

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Hauptfriedhof Stralsund, Entwurfsplan von Hans Winter, 1939, Bauamt Stralsund. Quelle: Bauamt Stralsund
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Hausgarten Haupt, Entwurf von Hans Winter, 1956, Nachlass Familie Winter. Quelle: Nachlass Familie Winter

Freischaffender Gartenarchitekt in Lüdenscheid

Hans Winter kehrte 1949 nach viereinhalbjähriger russischer Kriegsgefangenschaft als Flüchtling nach Lüdenscheid zurück. Unter den schwierigen Bedingungen eines Spätheimkehrers, seine Frau und die meisten seiner Kinder lebten noch in Stralsund, suchte er nach einem beruflichen und sozialen Neubeginn. Als freischaffender Gartenarchitekt widmete er sich zunächst der Gestaltung und Bepflanzung von Talsperren und Kraftwerken. Hierzu zählten die durch den Ruhrtalsperrenverein beauftragten Planungen für die Versetalsperre bei Lüdenscheid, die Sorpetalsperre bei Neheim-Hüsten und die Genkeltalsperre bei Derschlag sowie Arbeiten für das Kraftwerk Mark bei Altena und das Wasserwerk Treckinghausen bei Lüdenscheid.

1951 bewarb sich Hans Winter um eine Stelle in der Stadtverwaltung Lüdenscheid.23 Dankwart Gerlach, nunmehr in Lübeck wohnhaft, und Dr. Werner Stoll, inzwischen in Kiel ansässig, unterstützten seine Bewerbung durch Zeugnisse.24 Die Besetzung der Planstelle mit einem Gartenbauinspektor wurde jedoch durch eine Entscheidung des Personalausschusses vom 4. 4. 1952 abgelehnt.25 Winter blieb freischaffend planerisch tätig und gestaltete die Grünanlagen der belgischen Siedlung in Lüdenscheid, legte die Ehrenfriedhöfe Wiblingwerde, Plettenberg und Schalksmühle an, schuf im Auftrag der Lippischen Heimstätte Siedlungsanlagen in Plettenberg, Halver, Werdohl und Schalksmühle und entwarf die gärtnerischen Anlagen für die Schulen in Mühlenrahmede und das Blindenheim in Valbert, die er mit Düften und Geräuschen von Gehölzen zur besseren Orientierung bedachte.

Hans Winter war es vergönnt, während seiner langen Schaffensjahre das Landschafts- und Stadtbild vieler Städte zu formen und zu prägen. Neben seinen großen öffentlichen Anlagen schuf er auch Privatgärten. Aus dem Nachlass der Familie sind bisher 18 in Bleistift ausgeführte, signierte Entwurfspläne für Hausgärten aus den 1950er Jahren bekannt. Sie zeigen in ihrer Grundidee auf die jeweilige Grundstückssituation und die Bedürfnisse der Nutzer individuell abgestimmte Wohngärten mit architektonisch und landschaftlich geformten Räumen als funktionale Ergänzung des Hauses, die man im formalen Sinn als traditionell bezeichnen kann.

Charakteristisch ist eine Zonierung der Gartenräume. Der Übergang vom Haus zum Garten wurde vielfach als Sitzplatz oder Terrasse gestaltet. Eine großzügige, von Blütengehölzen, Stauden und kleinkronigen Solitärbäumen oder -sträuchern in geschwungener Linie räumlich gefasste Rasenfläche bildete oft den Mittelpunkt des Gartens. Gebrochene Trittplatten fungierten als unauffällige Wege im Rasen. In Hausnähe dominierten Schmuckgehölzpflanzungen mit einem hohen Anteil immergrüner Gehölze, vereinzelt auch Rosen-, Blumen- und Staudenbeete. Obstwiesen, Kräuter- und Gemüsegärten gliedern sich in einigen Entwürfen in regelmäßiger Anordnung dem Wohngartenbereich an. Frei wachsende Ziergehölze oder Hecken grenzen in der Regel die Hausgärten von benachbarten Grundstücken und Straßenräumen ab.

Hans Winter war ein lebensfroher und sehr musischer Mensch, spielte viele Instrumente, malte, drehte Filme, dichtete und vertonte heitere und ernste Gedichte. Nach dem Zweiten Weltkrieg engagierte er sich im Rahmen der Kulturarbeit für die Pommersche Landsmannschaft.26 Am 4. 12. 1969 starb der Gartenarchitekt im Alter von 74 Jahren in Lüdenscheid.



Literatur

Pfennig, Angela: Backstein & Grün. Gartenkultur der Hansestadt Stralsund, Edition herre, Stralsund 2003.

Pfennig, Angela: Historische Gartenanlagen und Friedhöfe der Hansestadt Stralsund (Faltblattserie), Die Parkanlage am Wulflamufer (Heft 1/2010, 2. Aufl.), Die Sundpromenade (Heft 3/1998), Der Zentralfriedhof (Heft 4/1998), Der Stadtwald (Heft 9/2001), Grüne Biographien (Heft 13/2005).

Stolzenburg, Kathrin: Der neue Friedhof von Stralsund als regional bedeutsames Beispiel für die Umsetzung von modellhaften Planungen und Reformkonzepten in der Friedhofskultur der 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts, Magisterarbeit, EMA-Universität Greifswald 2002.


Anmerkungen

1) Stolzenburg, Kathrin: Der neue Friedhof von Stralsund als regional bedeutsames Beispiel für die Umsetzung von modellhaften Planungen und Reformkonzepten in der Friedhofskultur der 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts, Magisterarbeit, EMA-Universität Greifswald 2002.

2) Wimmer, Clemens: Bäume und Sträucher in historischen Gärten, Dresden 2001, S.242.

3) Nachlass Familie Winter.

4) Hannig, Georg: Zeugnis, Stettin 22. 8. 1921, Nachlass Familie Winter.

5) Ebd.

6) Hannig, Georg: Zeugnis, Stettin 1. 12. 1922, Nachlass Familie Winter.

7) Winter, Hans: Lebenslauf, undatiert, vermutlich um 1930, Nachlass Familie Winter.

8) Winter, Hans: Lebenslauf, undatiert, vermutlich um 1930, Nachlass Familie Winter.

9) Ratsbeschluss vom 5. 1. 1926, in: Personalakte des Gartenbauinspektors Hans Winter, Stadtarchiv Stralsund, Rep. 39/6062.

10) Protokoll der Kämmerei- und Bauinspektion vom 7. 5. 1925, in: Personalakte des Gartenbauinspektors Hans Winter, Stadtarchiv Stralsund, Rep. 39/6062.

11) Schreiben von Heinrich Friedrich Wiepking-Jürgensmann an Dankwart Gerlach vom 7. 1. 1926, in: Personalakte des Gartenbauinspektors Hans Winter, Stadtarchiv Stralsund, Rep. 39/6062.

12) Schreiben von Fritz Encke an Heinrich Friedrich Wiepking-Jürgensmann vom 1. 1. 1926, in: Personalakte des Gartenbauinspektors Hans Winter, Stadtarchiv Stralsund, Rep. 39/6062.

13) Encke, Fritz: Zeugnis, Köln 26. 3. 1926, Nachlass Familie Winter.

14) Lexikon der Naturschutzbeauftragten, Bd. 1 Mecklenburg-Vorpommern, hrsg. vom Institut für Umweltgeschichte und Regionalentwicklung e. V. an der Hochschule Neubrandenburg, bearb. von Hermann Behrens und Bernd Ziese, S. 416.

15) Stralsund als einzige pommersche Stadt auf der GUGALI, Stralsunder Tageblatt 18. 7. 1927.

16) Winter, Hans: Lebenslauf, undatiert, vermutlich um 1950, Nachlass Familie Winter.

17) Winter, Hans: Lebenslauf, undatiert, vermutlich um 1930, Nachlass Familie Winter.

18) Stolzenburg, Kathrin: Der neue Friedhof von Stralsund als regional bedeutsames Beispiel für die Umsetzung von modellhaften Planungen und Reformkonzepten in der Friedhofskultur der 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts, Magisterarbeit, EMA-Universität Greifswald 2002.

19) Winter, Hans: Nachregistrierung meiner Familienangehörigen, Schreiben an den Oberstadtdirektor - Flüchtlingsamt der Stadt Lüdenscheid vom 17.10.1952, Nachlass Familie Winter.

20) Schreiben der Stadtverwaltung Stralsund, Personalamt an Hans Winter vom 30. 5. 1945, Nachlass Familie Winter.

21) Winter, Hans: Nachregistrierung meiner Familienangehörigen, Schreiben an den Oberstadtdirektor - Flüchtlingsamt der Stadt Lüdenscheid vom 17.10.1952, Nachlass Familie Winter.

22) Rat der Stadt Stralsund, Personalabteilung, Arbeitsbescheinigung vom 26. 9. 1949, Nachlass Familie Winter.

23) Winter, Hans: Stellenbewerbung, Schreiben an den Oberstadtdirektor der Stadt Lüdenscheid vom 6. 12. 1951, Nachlass Familie Winter.

24) Gerlach, Dankwart: Bescheinigung, Lübeck 11.12.1951, Nachlass Familie Winter.

Stoll, Werner: Zeugnis, Kiel 12.12.1951, Nachlass Familie Winter.

25) Winter, Hans: Aktennotiz, undatiert, Nachlass Familie Winter.

26) Porträt der Woche, Lüdenscheider Nachrichten, 21. 6. 1965.

Dr.-Ing. Angela Pfennig
Autorin

Stralsunder Akademie für Garten- und Landschaftskultur

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