Eine Tour de France des Gartenamtes Erfurt – entlang der Loire
"Allons au jardin!¹"
von: Katja Greskamp, Dr.-Ing. Eva Lemsch, Henry ThomasAcht Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, neun Tage, fast 20 Gärten, Parks, Stadtplätze und öffentliche Grünanlagen auf einer Route von über 3000 Kilometer quer durch Frankreich - das ist schlicht die quantitative Bilanz der Fachexkursion des Garten- und Friedhofsamtes Erfurt im September 2022.
Zurück gekehrt ist ein Team mit einer Fülle von Anregungen, Ideen und Erkenntnissen, die es bei der Weiterentwicklung und Unterhaltung unserer städtischen Freiräume anwenden möchte. Der nachfolgende Text stellt einige persönliche Impressionen der Reise vor und fasst für uns wichtige Schlüsse zusammen.
Zum Hintergrund unserer Exkursion
Die Bundesgartenschau 2021 wirkte in Erfurt wie ein Katalysator, der unsere städtebauliche und freiraumplanerische Entwicklung auffällig beschleunigte. Die innerstädtische Festungsanlage Petersberg wurde wiederbelebt. Die nördlich des Stadtzentrums gelegene Geraaue wurde zu einem 60 Hektar umfassenden Landschaftspark entwickelt und große Teile des Egaparks denkmalpflegerisch instandgesetzt.
Doch selbst bei den BUGA-Planungen blieben Fragen zur langfristigen Entwicklung der Freiraumstrukturen Erfurts offen. Allein das Areal des Petersberges konnte planerisch nicht umfassend betrachtet werden und soll gegenwärtig durch die Erarbeitung eines Rahmenplanes entwickelt werden. Gleichzeitig werden bereits neue Großprojekte vorangetrieben, wie die "Grüne Clara" oder das "Modellvorhaben Erfurt - Südost"².
Freianlagen künftig stärker im gesamtstädtischen Kontext zu betrachten, ist dabei Aufgabe unseres Amtes. So werden langfristige Ziele definiert und Umsetzungsbausteine priorisiert. Aus diesem Grund besuchten Mitarbeiter in den vergangenen Jahren nicht nur Tagungen, sondern auch deutschlandweit verschiedene Best-Practice-Beispiele zu diesem Themenkomplex und lernten viele gute Konzepte kennen. Die Idee, Konzepte von Parks, Gartenschauen, Stadtplätzen und grüner Infrastruktur "live" zu untersuchen, wollten wir im Jahr 2022 auch auf das europäische Ausland ausweiten, um hierdurch einmal über den berühmten "Tellerrand" zu schauen.
Die Wahl für unsere erste Auslandsexkursion fiel auf Frankreich. Das Land weist eine lange gartenbauliche und freiraumplanerische Tradition auf und bietet gleichzeitig immer wieder Avantgardistisches. Die Experimentierfreude bei Planung und Bau scheint groß zu sein, während gleichzeitig fast perfekt designte Anlagen entstehen.
Unsere Erwartungen an die Frankreich-Exkursion
Die Exkursionsteilnehmer waren Mitarbeiter aus verschiedenen Abteilungen des Garten- und Friedhofsamtes, überwiegend Landschaftsarchitekten und Gartenbauingenieurinnen, die in den Bereichen Planung/Neubau, Pflanzenverwendung, Bauleitung und Grünflächenunterhaltung tätig sind.
Entsprechend der fachlichen Perspektiven nahmen wir auf unsere Reise vielfältige Fragen mit, unter anderem:
- welche stadträumlichen und regionalen Ideen und Konzepte gibt es in Frankeich, von denen die Erfurter Freiraumplanung profitieren kann,
- wie geht man in Frankreich mit historischen Parks und Festungsanlagen um,
- gibt es hier Abweichungen zwischen öffentlichen und frei zugänglichen Anlagen,
- gibt es, in Anlehnung an unsere Gartenschauen, ähnliche Formate,
- wie wird in Frankeich gebaut und gepflegt,
- wie ist der Umgang mit den steigenden Temperaturen und der Trockenheit in den innerstädtischen Bereichen?
Die fachliche Mischung der Teilnehmer sollte darüber hinaus die Kommunikation der verschiedenen Abteilungen untereinander verbessern.
Unsere Routenplanung
Aus der Vielzahl der interessanten Grünflächen Frankreichs entschieden wir uns für Anlagen auf folgender Route:
- Tal der Loire mit dem Parc Floral de la Source in Orléans, Chambord, Chaumont-sur-Loire, Chenonceau, Tours, Villandry, Chinon, Rivau, Azay-le-Rideau, Ussé und Nantes
- Smaragdküste (Bretagne) mit St. Malo und Pleurtuit
- Amiens (Picardie).
Die besuchten Anlagen lassen sich in drei Themenfelder gliedern. Zum einen lag der Fokus auf denkmalgeschützten Burg- und Schlossanlagen mit ihren Gärten, wie zum Beispiel in Villandry und Chinon. Zum zweiten interessierten uns Gartenfestivals und Gartenschauen, besonders Chaumont-sur-Loire, Amiens und der Parc Floral de la Source . Zum dritten wollten wir die freiraumplanerisch geprägte Stadtentwicklung von Nantes und Tours näher betrachten.
Schlossgarten Villandry
Villandry ist ein einzigartiges Zeugnis für Architektur und Gärten der Renaissance. Doch nur das Schloss weist noch bauliche Überreste aus dem 16. Jahrhundert auf. Die in perfekter Harmonie der Renaissance gestalteten Gärten wurden zu Beginn des 20. Jahrhunderts neu angelegt. Diese Rekonstruktion zeigt heute lediglich, wie es einmal ausgesehen haben könnte. Doch die künstlerische Neuinterpretation mit ihren verschiedenen Gartenteilen ist jedoch der touristische Erfolg des Ensembles und ganz sicher einer der Besuchermagnete des Loiretals.
Die sechs Gärten, welche sich auf drei Geländeniveaus verteilen, sind in ihrer Gestaltung, Ausstattung und Pflegeintensität in Schlossnähe sehr stark ausgebildet und nehmen in dieser zu den Randbereichen hin ab. Bekannt sind vor allem der Gemüsegarten, der Ziergarten und das Labyrinth. Alle Flächen auf dem ausgedehnten Gelände werden bereits seit 2009 nachhaltig biologisch bewirtschaftet und besitzen zusätzlich den Status des ersten Vogelreservates des französischen Vogelschutzbundes LPO.
Zahlreiche, fein gestaltete Hinweistafeln an Gärten und Beeten informieren die neugierigen Besucher mit entsprechend fachlichem Inhalt zu Pflanzungen und Gestaltungsdetails. Trotz des extrem trockenen, heißen Sommers wirkte die Anlage beeindruckend gut gepflegt und repräsentativ.
Den besonderen Wert des Ensembles sahen wir gerade in der ideellen Neuerschaffung einer Renaissanceanlage, die neben dem Raumeindruck auch eine Idee von Farbigkeit und Formenvielfalt dieser Epoche inszeniert. Nicht nur für Laien ist solch ein Garten ein beindruckender Gewinn. Hier konnte unser gesamtes Reiseteam über eindrucksvolle Pflanzenkompositionen und deren Gestaltung freudig miteinander fachsimpeln und ein jeder nahm seine eigenen Eindrücke mit vielen Bildern im Kopf und vor allem digital im Handy mit auf unsere weitere Reise.
SUG-Stellenmarkt
Burg Chinon
Die mittelalterliche Burganlage thront hoch oben auf einem Felsen über der Altstadt an der Vienne, einem Nebenfluss der Loire. Die Anlage wurde seit dem 5. Jahrhundert in mehreren Etappen ausgebaut und umgeformt. Nach der Französischen Revolution verfiel die Anlage. Vor etwa 20 Jahren begannen umfangreiche archäologische Untersuchungen, bauliche Sicherungsmaßnahmen und ergänzende Neubauten, wie dem Besucherzentrum. Nicht mehr vorhandene Substanz wurde, beispielsweise im Bereich der Festungsmauern, nur partiell wieder ergänzt. Zahlreiche mittelalterliche Gebäude sind nicht mehr vollständig erhalten. Im Freiraum überwiegen einfache Rasenflächen und wenige Großgehölze.
Um dem Besucher die in der Vergangenheit einst so imposante Anlage in ihrer Ganzheit trotz allem zeigen zu können, kann diese durch verschiedene digitale Medien wieder "sichtbar" gemacht werden. Am Burgzugang sind Tablets erhältlich, auf denen für ausgesuchte Punkte im Gelände der Zustand von Gebäuden, Räumen und Höfen des ausgehenden Mittelalters visualisiert wird. Digitale Spiele, Hörfeatures und Videosequenzen ergänzen die Darstellungen.
Zusätzlich wird anhand mehrerer analoger Modelle und Zeichnungen die Baugeschichte der Burg aufgezeigt. Offene Mauerkronen dokumentieren konstruktive Details. Hinweistafeln an den einzelnen Gebäudeteilen bieten weitere Fachinformationen. Für Kinder gibt es darüber hinaus analoge Spielangebote à la moyen âge³ sowie eine beeindruckende Ausstellung von Fantasy-Filmkostümen mit wohl dossierten Kommentaren und Analysen.
Die Lage der Burg und ihre Bedeutung für die Stadt zeigt durchaus Analogien zum Petersberg in Erfurt. Das Sichtbarlassen des Unvollkommenen, etwa an den Festungsmauern, in Kombination mit multimedialer Museumspädagogik und ruhigen Erholungsangeboten hat uns stark beeindruckt. Gerade die Wahrnehmung des Vergänglichen ließ für uns die Festungsanlage sehr authentisch und gleichzeitig lebendig erscheinen. Ein Kritikpunkt ist jedoch die eingeschränkte Barrierefreiheit. Lediglich das neue Empfangsgebäude berücksichtigt die Anforderungen geh- und sehbehinderter Menschen.
Chaumont-sur-Loire
Das "Gartenfestival Frankreichs" ist nicht nur Landschaftsarchitekten und Gärtnerinnen, sondern auch Garteninteressierten gut bekannt. Seit über 30 Jahren findet die jährliche Veranstaltung im Schlossgarten von Chaumont statt.
Die Gesamtanlage gliedert sich für den Besucher in drei Zonen: das eigentliche Gebäudeensemble des Schlosses mit seinen herrschaftlichen Wohngebäuden, der Kapelle sowie den Wirtschaftsbereichen. Daran schließt sich das Areal des Gartenfestivals mit seinen kleinen Themengärten an. Die dritte Zone bildet der weitläufige Landschaftspark mit seiner bemerkenswerten Baumsammlung und der Landart-Ausstellung.
Im Fokus unseres Interesses stand vor allem das Gartenfestival. Es versteht sich seit 1992 als ein internationales "Labor des zeitgenössischen Schaffens in den Bereichen Gärten und Landschaftsgestaltung".4 Ein Teil der Gärten wird jährlich neu gestaltet, andere Teile bleiben länger bestehen. Die Gestaltungsthemen wechseln jährlich. In diesem Jahr wurde die Frage nach dem "Idealen Garten" thematisiert.
Die gebauten und gepflanzten Ergebnisse der Schaugärten waren, wie auch von uns mit Spannung erwartet, faszinierend vielfältig. Es gab unter anderem Gärten als Begegnungsorte (z. B. Le baquet, on se parle), Gärten als Paradies für Menschen und Tiere (Le jardin des nymphes, Le verger idéal) bis hin zu Gärten, die uns als Mahnungen über die Fragilität und die Daseinsberechtigung der Natur (Le cocon végétal, Le Jardin de la fontaine anémone) aufklärten.
Überwältigt von der Vielzahl der unterschiedlichsten Interpretationen und deren bemerkenswerten Umsetzungen der Gärten hatte jeder von uns seine eigenen Favoriten gefunden. Als besonders empfanden wir wohl alle den Garten mit dem Titel "Ma maison es un jardin" - Mein Haus ist ein Garten. Ein Garten, der als Wohnhaus mit Wohnzimmer, Küche, Speisekammer, Bade- und Schlafzimmer gestaltet wurde. Es war die friedliche, freundliche Atmosphäre, mit witzigen Details und die trotz aller Üppigkeit harmonische Pflanzenverwendung. Und - mit einem Augenzwinkern betrachtet - liegt es vielleicht auch daran, dass sich Gärtner und Landschaftsarchitekten im Garten per se zu Hause fühlen.
Neben dem Festivalbereich beeindruckte uns natürlich auch das Schloss selbst, die Stallungen und der Landschaftspark mit seinen dauerhaften und zeitweiligen Installationen. Der Park, 1884 von Henri Duchêne angelegt, ist noch heute von den weiten Blickachsen des 19. Jahrhunderts, von riesigen Zedern, Mammutbäumen und Platanen geprägt und bietet eine großartige Kulisse für zeitgenössische Künstler wie Andreas Gursky, Tadashi Kawamata und David Nash.
Die zeitgenössische Kunst ist es auch, welche die historische Substanz die an den Park angrenzende Gebäudeachse auf eindrucksvolle Weise unterstreicht und dem Besucher auf ganz eigene Weise nahebringt. Das Oeuvre reicht dabei von überdimensionalen Holz- und Metallobjekten in den Stallungen des Schlosses, über Lichtinstallationen im Kellergeschoss bis hin zu Digital-Art in den Räumlichkeiten des Dachbodens oder einem Tropenpflanzenarrangement in der früheren Orangerie. Vor allem ist es jedoch die geschickte Verbindung zwischen Würdigung des historischen Ortes und einer künstlerisch-zeitgenössischen Präsentation floraler Themen.
Die gesamte Anlage ist, im Hinblick auf die Besucherlenkung, sehr gut organisiert. Beginnend mit der Ausschilderung im Ort, über das Stellplatzkonzept, die interne Wegeführung und Informationsvermittlung zu den einzelnen Ausstellungsbereichen bis hin zur gastronomischen Versorgung und dem Merchandising. Die professionelle Struktur des Festivals und ihre künstlerischen Beiträge sind dabei jedoch nicht hyper-perfekt sondern wohltuend und stylisch inszeniert.
Amiens
Im Vergleich zu Chaumont-sur-Loire wirkt das Gartenfestival in Amiens5 erstaunlich unspektakulär. Amiens, etwa 160 Kilometer nördlich von Paris an der Somme gelegen, hat ein beachtlich gut erhaltenes mittelalterliches Stadtzentrum mit einer der bedeutendsten gothischen Kathedralen. Die ursprüngliche Landschaft ist von Sümpfen geprägt, die im Laufe der Besiedlung teilweise trockengelegt und durch Kanalsysteme urbar gemacht wurden6. Die Kanäle sind relativ flach und weisen heute verschiedene Arten der Uferbefestigung auf. Sie sind fußläufig von der Innenstadt aus erreichbar.
Die Kanalinseln wurden bereits seit dem Mittelalter gartenbaulich genutzt, die Wasserstraßen dienten dem unkomplizierten Transport der Ernte zum Markt. Von den 1500 Hektar bewirtschaftetem Sumpfland im 15. Jahrhundert sind heute noch rund 300 Hektar erhalten, wovon ein Teil als Natura-2000-Fläche geschützt ist. Die noch existenten "schwimmenden" Gärten werden von weniger als zehn professionellen Gemüsebauern bewirtschaftet7. Insgesamt nutzen mehr als tausend Eigentümer die Inseln für gärtnerische Aktivitäten und ruhige Erholung8.
Das Festival International des jardins Hortillonages Amiens wird von dem Verein art & jardins Hauts-de-France jährlich organisiert. Hauptanliegen sind neben der Sicherung des kulturellen Erbes die Förderung junger Landschaftsgestalterinnen und Künstler die bewusste Einbindung der Bevölkerung in Kultur- und Umweltthemen9.
Bei unserem Besuch konzentrierten wir uns auf das Ausstellungsgelände Île aux fagots10 mit etwa 15 künstlerischen Objekten. Die Atmosphäre war von außerordentlicher Ruhe geprägt. Die Kunstobjekte fügten sich in den grünen Rahmen der auenartigen Gartenlandschaft ein. Inspirierend fanden wir vor allem die Fotoinstallationen von Patrice Dion, die Holzskulptur von Florent und Grégory Morisseau und den temporären Garten von Studio Basta. Die Kunstinstallationen waren für uns überraschend unaufdringlich und einfach nur schön. Sie regten zur Interaktion an - zum Ausprobieren, zum Erkunden der Konstruktion, zum Diskutieren hinsichtlich ihrer Anwendbarkeit. Wir bespielten wortwörtlich einzelne Exponate, staunten und ließen uns darauf nieder.
Die Struktur des Festivals ist einfach und pragmatisch gehalten. Am Eingang verteilten ehrenamtliche Mitarbeiter kleine Übersichtspläne und gaben geduldig Antworten auf die Fragen der Besucher. Es gibt keine gastronomischen oder kommerziellen Angebote in oder zwischen den Gärten. Informationen zu den Installationen beschränken sich auf Texttafeln. Alle Gärten sind nur zu Fuß erreichbar - über zahlreiche Stege, Brücken und Treppen.
Amiens Innenstadt ist äußerst gepflegt und aus freiraumplanerischer Sicht gut strukturiert. Wir entdeckten funktionierende Staudenbeete und wenige, aber attraktive Wechselflorpflanzungen. Nach Einbruch der Dunkelheit wurde mit einer technisch aufwendigen und überragenden Lichtshow, die Geschichte der Kathedrale von Amiens samt musikalischer Untermalung direkt auf deren imposanter Fassade projiziert. Trotz kühler Temperaturen kamen viele Besucher zur Place de Notre Dame, setzten sich auf das Pflaster und ließen sich von Licht, Farbe und Musik bezaubern.
Parc Floral de la Source in Orléans
Der Park, 8 Kilometer südlich des Stadtzentrums von Orléans an der Quelle des Loiret gelegen, geht auf ein Landgut aus dem frühen Mittelalter zurück. Aus dem 19. Jahrhundert sind Schloss und zugehörige Freiraumstrukturen heute noch erhalten. In den 1960er Jahren übernahmen das Departement du Loiret und die Stadt Orléans das Gelände und entwickelten es seitdem von einer Gartenbauausstellung hin zu einem Freizeit- und Erholungspark. Der Eintritt zum Gelände ist ganzjährig möglich, jedoch von März bis Oktober kostenpflichtig.
Bei traumhaftem Wetter und sommerlichen Temperaturen besichtigten wir die Anlage, welche uns von Beginn an, an den Erfurter Egapark erinnerte. Mit seinem historischen Hintergrund, seiner Gartenbautradition, den ergänzenden Spielanlagen, Pflanzenschauhäusern, einem Streichelzoo sowie einem Parkshop und Angeboten der Umweltbildung auf seinen 35 Hektar weist er ein ähnliches Portfolio auf. Das Gerüst der Anlage bildet der englische Landschaftspark mit dem Schloss, der Kapelle und dem langgezogenen Wasserbecken in Verlängerung der Loiret-Quelle. Pflanzensammlungen, Pflanzenschauanlagen, Tiergehege, Skulpturen und Parkeisenbahn sind in Wiesen und waldartige Bereiche eingebettet. Das Gelände lässt sich gut erlaufen.
Im Gegensatz zum gärtnerisch aufwendig gestalteten Eingangsbereich zeigten sich in abseits gelegenen Bereichen Defizite im Pflegezustand des Parks. Auch die Gebäudesubstanz in diesen Bereichen, vor allem der Schauhäuser, wirkte in die Jahre gekommen. Trotz allem überwiegen mit dem Jardin tropicale, dem Schmetterlingshaus sowie der Vielzahl an kreativ gestalteten Pflanzflächen die positiven Eindrücke des Parc floral de la Source. Ein Besuch des Parks ist unserer Sicht auf jeden Fall zu empfehlen.
Nantes
In Nantes wurde bereits vor über 20 Jahren eine umfassende Entwicklung in Gang gebracht, die Stadt-, Verkehrs-, Tourismus- und Freiraumplanung mit sozialer Interaktion verbindet¹¹. Ein wichtiger Aspekt dabei sind die städtischen Garten- und Parkanlagen, welche als Teil der Gartenroute des European Garden Heritage Networks für besonders sehenswerte Gartenanlagen und Botanische Gärten stehen.
Rund 100 Parks, Gärten und Freianlagen prägen die rund 320.000 Einwohner zählende Stadt am Unterlauf der Loire. Pro Person stehen durchschnittlich ganze 57 Quadratmeter Freiraum zur Verfügung. Weiter werden 60 Prozent des Stadtgebietes als Grün- oder Agrarflächen genutzt. Allein vier Natura-2000-Gebiete und über 33 Naturräume von botanischem, zoologischem oder ökologischem Interesse sind über das Stadtgebiet verteilt.
Diese für Nantes typische, umfassende grüne Infrastruktur ist ein zentraler Aspekt für die hohe Lebensqualität der Großstadt. Nantes verfolgt die Strategie der "Stadt im Garten", die entlang der Ufer von Loire und ihren drei Zuflüssen Erdre, Chézine und Sèvre fuß- und radläufig erschlossen werden soll. 2013 wurde Nantes der Titel "Grüne Hauptstadt Europas" verliehen, eine Auszeichnung für die Schaffung vorbildlicher Voraussetzungen eines umweltfreundlichen Lebens in der Stadt.
Für uns hieß es nach Ankunft mit dem Auto in Nantes die Stadt in Begleitung von Jaques Soignon, dem Leiter des Grünflächenamtes von Nantes von 2001 bis 2020, mal mit dem Fahrrad zu erkunden. Nach fachkundiger Einweisung und Ausstattung mit Fahrrad und Helm führte uns die erste Route durch den Jardin des Plantes¹² sowie anschließend entlang der Grünachse am nördlichen Loire-Ufer. Die Loire-Insel und innerstädtische Kulturangebote in den Grünanlagen erkundeten wir nach seinen Anregungen selbst.
Der Jardin des Plantes im Herzen der Stadt beherbergt auf einer Fläche von 7 Hektar mehr als 10.000 Pflanzenarten, darunter über 50.000 Stauden, eine Kameliensammlung und Epiphyten in naturnaher Umgebung. Verblüffend war für uns die Fülle an Kunstobjekten im Park. Sie untermalen und pointieren die Grünstrukturen. Beispielsweise erzählen die überdimensionalen schlafenden Tiere von Claude Ponti auf spielerisch, fantasievolle Weise die Geschichte von Nantes, während ebenfalls von ihm kreierte Bänke in ihren Dimensionen regelrechte Torsituationen erschaffen. An anderen Stellen im Park verrichten scheinbar lebendig gewordene, farbenfrohe Comicfiguren des Künstlers Jean Jullien alltägliche Gärtnertätigkeiten oder scheinen auf den Freiflächen des Parks zu entspannen.
Verglichen mit unseren heimischen Verhältnissen fragten wir uns, wie eine solche Anlage dauerhaft unterhalten und zum Beispiel vor Vandalismus geschützt werden kann. Auch stellten wir uns die Frage nach der Notwenigkeit und Wirkung von Kunst im öffentlichen Raum. Nach unserer Tour mit Jaques war für uns klar, dass Kunst im öffentlichen Raum und auch in historischen Parkanlagen eine Wertsteigerung der Grünflächen darstellt, dass die Kunstobjekte den Park stärker als besonderen, schützenswerten Ort wahrnehmen lassen und dass sich Vandalismus sowohl durch die hohe Identifikation der Bürger mit diesen qualitativ hochwertigen Anlagen als auch durch Zugangsbeschränkungen in den Abendstunden und über Nacht verhindern lässt.
Die Rasenflächen, die nicht betreten werden dürfen, waren im Jardin des Plantes zumeist durch niedrige Gitter von den Wegen abgegrenzt.
Auch kleine Schilder in den Rasenflächen weisen immer wieder darauf hin, diese nicht zu betreten. Jaques erklärte uns, dass die Akzeptanz der Bürger, die Grünanlagen mit zu erhalten und zu schützen seit Generationen gelebt und weitergegeben wird. Ein schönes Beispiel dafür, wie stark die Bewohner einer Stadt sich persönlich mit "ihren" Grünanlagen identifizieren können. Solch eine Akzeptanz und Identifikation scheint für uns in Deutschland nur schwer vorstellbar aber vielleicht auch eine Herausforderung, dies in der ein oder anderen Grünanlage einfach mal auszuprobieren.
Ausgehend vom Jardin des Plantes und dem angrenzenden Bahnhofsareal führt eine circa 160 Meter breite Schneise auf 1,5 Kilometer Länge bis an das Ufer der Loire. Die Funktion des von 1926-1946 verfüllten Flussarms war bis ins Jahr 2010 in erster Linie die Bündelung von Straßen-, Eisenbahn und Straßenbahntrassen - ein innerstädtischer Ort ohne Aufenthaltsqualität. Seit nunmehr zwölf Jahren wird das Gebiet zu einem weitläufigen, grünen Boulevard umgestaltet, der die Verkehrsführung behutsam in einem grünen Band integriert. Obwohl noch nicht komplett fertiggestellt, lässt sich bereits heute der Anspruch des öffentlichen Grüns erkennen.
Vorbei am Schloss der Herzöge der Bretagne passiert man den "Miroir d´eau", ein Wasserspiel von über 1300 Quadratmeter , welches durch seinen ständig vorhandenen, dünnen Wasserfilm nicht nur optisch einen eindrucksvollen Spiegeleffekt erzeugt, sondern auch kühlende Wirkung für das Stadtklima hat. Ein Spiegel ist auch das zentrale Element der darauffolgenden "Feydball" genannten Freifläche. Hier erscheint ein sichelförmig gebogenes Fußballfeld im angrenzenden, konkaven Rundspiegel in seiner klassischen Form, während Spieler, Zuschauer und Ball in dieser speziellen Art vom Spiegel verformt dargestellt werden. Diese multifunktionale Fläche der Agentur Barré-Lambot Architectes vereint somit sportliche Ambitionen mit den Strukturen eines innerstädtischen Amphitheaters und den optischen Illusionen eines Spiegelkabinettes im öffentlichen Raum.
Nur wenige hundert Meter weiter in Richtung Loire finden sich am Square Jean-Baptiste Daviais ganz andere Freiraumansätze. Ein öffentlicher Gemüsegarten, betrieben durch das städtische Grünflächenamt, versorgt hier als Zwischennutzung seit 2020 die Bewohner der schwachen Einkommensschichten der Stadt mit frischem Obst und Gemüse. Der benachbarte Baumhain wurde locker mit Picknickbänken bestückt, auf denen Ortsansässige gesellig ihre Mittagspause verbrachten. Diese unorthodoxe Ausgestaltung von Aufenthaltsflächen hat sich hier bereits seit Jahren als "dauerhafte" Übergangslösung etabliert.
Nantes hat uns in kürzester Zeit in seinen Bann gezogen. Die positive, lebendige Ausstrahlung, die teils dauerhaften, teils temporären Grünflächen, der gut organisierte Nahverkehr und die hervorragende fuß- und radläufige Erreichbarkeit touristisch interessanter Orte haben dazu wesentlich beigetragen. Positiv fanden wir zudem das Provisorische, das Sich-noch-Entwickelnde und die experimentellen Lösungen in den Freiräumen.
Erstaunlich war die Erkenntnis, dass die Bewohner der Innenstadt selbst das Verdrängen des Pkw-Verkehrs und der Stellplätze als gut empfinden und sich somit Interimsgrünflächen auf potenziellen Parkplätzen verstetigen konnten. Selbstverständlich muss sich über geplante Veränderungen in der Stadt immer wieder mit der Öffentlichkeit ergebnisoffen ausgetauscht werden, womit Nantes auch für die Stadt Erfurt ein Musterbeispiel darstellt.
Erkenntnisse aus der Exkursion
Nach neun Tagen in Frankreich kehrten wir körperlich durchaus erschöpft, aber auch als ein motiviertes Team mit einem riesigen Reisekoffer an Eindrücken, Ideen und Erkenntnissen zurück.
Es überwiegt dabei ganz deutlich das Positive und die wenigen ernüchternden Aspekte, sind klar zu vernachlässigen.
Unsere Erkenntnisse zusammengefasst:- attraktive Grünanlagen sind für jede Stadt Grundlage hoher Lebensqualität, Wohnzufriedenheit und Identifikation, die weit über die Stadtgrenze hinweg strahlt und damit auch erheblich zur touristischen Attraktivität beiträgt,
- eine gute Freiraumentwicklung kann eine positive Stadtentwicklung antreiben,
- die räumliche, inhaltliche und mediale Vernetzung von Freiraumangeboten ist essenziell für eine Nutzergerechtigkeit,
- Freiflächen brauchen soziale Kontrolle. Gegen Vandalismus- ein zentrales Problem in der Gegenwart - sollte aktiv vorgegangen werden. Strikte Einfriedungen von Grünanlagen, nächtliche Schließzeiten und streng reglementierte Verhaltensweisen schützen den Wert des Freiraums langfristig bei gleichzeitiger hoher Nutzerzufriedenheit, wie das Beispiel Nantes zeigt,
- erfolgreiche Freiräume leben auch vom Mut zur Improvisation, von gestalterischen und baulichen Experimenten, vom Unfertigen und von kreativem Umgang mit Denkmalsubstanz,
- konsequente Öffentlichkeitsarbeit ist ein fundamentaler Grundstein zum Erfolg kommunaler Freiraumprojekte.
Die Exkursion war aus fachlicher und persönlicher Sicht äußerst gewinnbringend. Uns allen wurde noch einmal in Erinnerung gerufen, dass gute kommunale Freiraumplanung Entwicklungszeit braucht, in der wir langfristige Ziele definieren. Andererseits darf Gestaltung aber auch temporär sein und damit im Hier und Jetzt agieren.
Kunstprojekte im Freiraum wollen wir in Erfurt künftig stärker initiieren, gerade auch, um die Bindung der Bevölkerung zum städtischen Grün zu stärken. Es war eine eindrucksvolle Zeit in Frankreichs Freiräumen. In den scheinbar nicht endenden Gesprächen lernten wir die individuellen Fachkenntnisse jedes Einzelnen kennen und noch viel mehr, zu schätzen. Zweifelsfrei wird dieser positive Effekt Auswirkungen auf unsere weitere gemeinsame Zusammenarbeit haben.
Konsens bestand nach dieser Reise auf jeden Fall darin, dass der Blick über den deutschen Tellerrand auch in den kommenden Jahren zur Inspiration genutzt werden solle.
Anmerkungen
¹ Allons au jardin! - Gehen wir in den Garten!
² Umfassende Begrünung der Clara-Zetkin-Straße, gefördert über das Bundesprogramm "Anpassung urbaner Räume an den Klimawandel" und das "Modellvorhaben zur Weiterentwicklung der Städtebauförderung Erfurt Südost", gefördert von Bund, Land und Kommune.
³ Mittelalter.
4domaine-chaumont.fr/de/internationales-gartenfestival abgerufen am 07.12.2022.
5 Ein ausführlicher Bericht zu Amiens und dem internationalen Gartenfestival findet sich bei Verone Stillger in: Die Hortillonages von Amiens. Eine alte Kulturlandschaft als Ort eines internationalen Gartenfestivals, Stadt+Grün 12/2021.
6 Die Kulturlandschaft nennt sich Hortillonage, von Kanälen durchzogenes Sumpfgebiet.
7 Stillger, Verone (2021).
8amiens-tourismus.com/die-hortillonages abgerufen am 08.12.2022.
9 Stillger, Verone (2021).
10 Wörtlich übersetzt: Faschinen-Insel.
¹¹ Über ausgewählte Grünanlagen in Nantes wurde bereits berichtet, s. Fuhrmann, Christine (2021): Nantes - Jardin Extraordinaire. Der 1.01. Garten der bretonischen ist außergewöhnlich, in Stadt+Grün 12/2021.
¹² Botanischer Garten und Park aus dem 19. Jahrhundert.
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