Haftung

Kollision mit einem ins Lichtraumprofil ragenden Baumstamm

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Baumkontrolle
Kurz hinter dem Kreuzungsbereich befand sich zum Unfallzeitpunkt ein Baum, der relativ nah an der Straße gepflanzt und leicht zur Straße hin geneigt war. Foto: PRILL Mediendesign, Adobe Stock

Im Urteil des OLG Düsseldorf vom 19.04.2023 - I - 18 U 45/22 - geht es um die Haftung des städtischen Baumeigentümers für durch Kollision eines Lkw mit einem in das Lichtraumprofil hineinragenden Baumstamm verursachte Schäden. Dem lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Der beschädigte Lkw ist bei der Klägerin kaskoversichert. Am 10.04.2017 befuhr der ortskundige Fahrer des Lkw, der diese Strecke teilweise wöchentlich mit dem beschädigten Fahrzeug befuhr, eine zweispurige Gemeindestraße im Stadtgebiet der Beklagten.

Vor der Hausnummer, wo der Unfall sich ereignete, befindet sich eine Kreuzung. Im Kreuzungsbereich ist die Straße dreispurig, da jeweils noch eine Linksabbiegerspur vorhanden ist. Diese ist von der Gegenfahrbahn durch eine durchgezogene Linie getrennt. Kurz hinter dem Kreuzungsbereich befand sich zum Unfallzeitpunkt ein Baum, der relativ nah an der Straße gepflanzt und leicht zur Straße hin geneigt war. Die Höchstgeschwindigkeit im Unfallbereich beträgt 50 Kilometer pro Stunde. Im Übrigen ist der Sachverhalt zwischen den Parteien streitig.

Der Fahrer ist nach der ursprünglichen Behauptung der Klägerin mit dem Aufbau seines Lkw mit einem in einer Höhe von circa 2,80 Meter etwa 1,50 Meter in die Straße hineinragenden Ast eines am Fahrbahnrand stehenden Baumes kollidiert, der zum Unfallzeitpunkt einen Neigungswinkel von 25 Grad gehabt haben soll. Hierdurch entstand ein Schaden in Höhe von rund 6000 Euro. Diesen hat die Klägerin als Vollkaskoversicherung des Lkw reguliert und nimmt die beklagte Stadt hierfür in Regress. Nach deren Darstellung war der angeblich schadenursächlich gewordene Baum praktisch astlos. Der Fahrer könne allenfalls gegen den Baumstamm gefahren sein.

Nach Beweisaufnahme vor dem Landgericht durch Zeugenvernehmung des Fahrers ist eine Beschädigung durch einen in den Luftraum über der Fahrbahn ragenden Ast auszuschließen. Im Berufungsverfahren beruft sich die Klägerin nunmehr erstmals auf eine Kollision mit dem Baumstamm aufgrund dessen Neigung zur Straße von acht bis zehn Grad und Hineinragens in die Fahrbahn um circa 70-90 Zentimeter in einer Höhe von vier Metern.

Das LG Düsseldorf hat die Klage durch Urteil vom 01.02.2022 - 2b O 112/19 - abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung hat das OLG Düsseldorf als unbegründet zurückgewiesen. Das OLG Düsseldorf lehnt ebenso wie die Vorinstanz eine Haftung der Beklagten aus § 86 VVG i.V.m. § 839 BGB oder § 823 BGB ab. Nach Auffassung des OLG ist die Beweiswürdigung durch das LG aufgrund der Beweisaufnahme nicht zu beanstanden, sodass es keiner erneuten Beweisaufnahme bedarf. Demgemäß ist der ursprünglich behauptete Zusammenstoß des Fahrzeugs mit einem in den Luftraum ragenden Ast nicht nachgewiesen.

Mit dem erstmalig im Berufungsverfahren vorgetragenen Sachverhalt, das Fahrzeug sei aufgrund dessen Neigung mit dem Baumstamm in einer Höhe von vier Meter kollidiert, ist dieser neue streitige Vortrag in der Berufungsinstanz nicht zu berücksichtigen. Es ist nach Auffassung des OLG nicht ersichtlich, dass dieser gemäß § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO ohne Nachlässigkeit im ersten Rechtszug unterblieben wäre.

Aber selbst bei Berücksichtigung des neuen Vorbringens liegt nach Auffassung des OLG keine schadenursächlich gewordene Verkehrssicherungspflichtverletzung der Beklagten vor. Insbesondere kann aus § 32 Abs. 2 StVZO, wonach die höchstzulässige Fahrzeughöhe vier Meter beträgt, nicht gefolgert werden, dass der Luftraum über der Fahrbahn schlechthin bis zur Höhe von vier Meter überall frei sein müsse.

Bei der Kollision eines Lkw von vier Meter Höhe mit einem erst in dieser Höhe in den Luftraum über der Straße reichenden Baum muss der Fahrer eines solchen Fahrzeuges auch auf viel befahrenen innerstädtischen Straßen damit rechnen, dass bei einer Fahrweise scharf am Fahrbahnrand der Aufbau in Berührung mit Teilen von Bäumen kommt, die dort für jedermann sichtbar an der Straße angepflanzt sind. Er muss seine Fahrweise entsprechend einrichten und Abstand vom Fahrbahnrand beziehungsweise Ausschau nach oben halten.

Eine innerstädtische Gemeindestraße, die auf regen Durchgangsverkehr und ein Befahren mit 50 Kilometer pro Stunde ausgerichtet ist sowie über eine Fahrspurbreite von 3,22 Meter verfügt, befindet sich in einem in jeder Hinsicht verkehrssicheren Zustand, wenn Straßenbäume erst in einer Höhe von vier Meter den Luftraum einer solchen zweispurigen Straße erreichen.

Die begrüßenswerte Entscheidung liegt auf einer Linie mit der Rechtsprechung zu Schäden, verursacht durch in das Lichtraumprofil hineinragende Äste. Dort stellen die Gerichte maßgeblich auf die Einzelfallumstände ab. Hierzu sei aus der neueren Rechtsprechung auf das Urteil des Schleswig-Holsteinischen OLG vom 22.10.2020 - 7 U 100/20 -, juris hingewiesen (SuG 01/2021, 57 mit Anmerkung Braun).

Die vorliegende Entscheidung thematisiert die eher ungewöhnliche Variante einer Kollision mit einem aufgrund entsprechender Neigung in den Luftraum hineinragenden Baumstamm. Hierfür gilt aber nichts anderes als für in das Lichtraumprofil hineinragende Äste. Bei der bei Verkehrsteilnehmern verbreiteten Vorstellung, das Lichtraumprofil müsse generell bis zu einer Höhe von vier Meter frei sein, handelt es sich um einen Rechtsirrtum.

Ass. jur. Armin Braun, GVV Kommunalversicherung

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