Impressionen vom Gründachkongress in Philadephia

Grüne Infrastruktur nach der Pandemie in den USA

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Gründächer Bauwerksbegrünung
Abb. 1: Ciragreen: "Präriestauden" als Beitrag zur Erhöhung der Biodiversität in der Stadt. Foto: Manfred Köhler

Nach zweijährigem Corona-Lockdown trafen sich die Begrünungsspezialisten Nordamerikas wieder zu einem Gründachkongress in Philadelphia vom 16. bis 19. Oktober 2022 in Präsenz. Die jetzt zwanzigjährige Veranstaltungsreihe wechselt jährlich zwischen amerikanischen Städten, in denen ein thematischer Schwerpunkt der Bauwerksbegrünung von der jeweiligen Stadtpolitik besonders unterstützt wird. Diesjähriger Veranstaltungsort war Philadelphia, der Schwerpunkt lag auf der Blau-Grünen Infrastruktur.

Die Stadt am Delaware-River hat sich in diesem Arbeitsbereich in den letzten Jahren besonders engagiert. Das "Green-City-Clear Waters"-Programm feiert in diesem Jahr das zehnjährige Bestehen. Es werden eine Vielzahl von Anstrengungen unternommen und kommunal gefördert, die Regenwassermengen lokal einzudämmen sowie die Schadstoffbelastung der Gewässer signifikant zu senken (siehe auch Infobox unten). Im Vergleich zu den Vorgängerveranstaltungen war die Teilnehmerzahl mit etwa 300 etwa nur halb so groß wie in Zeiten vor Corona.

Das Programm umfasste in der gewohnten Weise wieder vier parallele Veranstaltungen in den Themenfeldern Forschung, Umweltpolitik/Programme, Bürgerengagement bis hin zu Beispielprojekten. Im nachfolgenden wird auf folgende Bereiche näher eingegangen, das sind die Paneldiskussionen, die Beispielprojekte aus Philadelphia und einige Highlights der diesjährigen Preisverleihungen.

Paneldiskussionen

Die Panel-Diskussionen sind ein zukunftsweisendes Format; nach einem kurzen Input von Podiumssprechern hatte die Diskussion mit den Anwesenden einen besonderen Mehrwert auch für das Panel selbst, hierzu drei Beispiele:

Panel Lehre

Wie lässt sich die akademische Lehre zukünftig besser vernetzen? In diesem als Hybridformat mit Lehrenden auch aus Japan und Australien, wurde eine Veranstaltungsform für übergreifende Lehre vereinbart, in der Studierenden und jungen Absolventen in einem online Format die Chance erhalten, über Ländergrenzen hinweg einen Austausch untereinander und mit Input verschiedener Lehrender zu verknüpfen. Auch das World-Green-Infrastructure Network bindet die Arbeitsgruppe der "Emerging Professionals" hier mit ein. Der Anschluss weiterer Hochschulen ist willkommen.

Panel Praxiserfahrungen zur Vertikalbegrünungen

Hierbei bestand Konsens, dass die Pflege der wesentliche Aspekt für die langfristige positive Vertikalbegrünung ist. Auch hier muss die entsprechende Schulung der Verantwortlichen noch verbessert werden.

Das konnte auch aus eigener Anschauung auf Rundgängen durch Philadelphia bestätigt werden. Von den drei im Stadtgebiet besichtigten Vertikalbegrünungen befand sich eine im guten Zustand (am Independance Visitor Center), eine war deutlich überwässert (an einer Bank in der Market Street) sowie ein weiteres Beispiel komplett ausgetrocknet (Gotham Silk- Hoisery Factory). Beim letztgenannten Beispiel konnte augenscheinlich die Ursache in der Verwendung eines nicht geeigneten, verstopften Schwitzschlauches erkannt werden.

Panel Soziale Aspekte und Stadterneuerung

Naomi Davis von der Initiativgruppe "Blacks in Green" aus Chicago stellte ihre Aktivitäten vor. Durch Corona gab es in den USA eine Verschärfung der sozialen Gegensätze mit der Folge nahezu einer Verdoppelung der Obdachlosen als Folge. Die Green Infrastructure Foundation, eine Untergruppe von Green Roofs For Healthy City, unterstützt diese Stadteilarbeit in Chicago. Mit Selbsthilfeprojekten in der Gebäudesanierung einschließlich entsprechender Begrünung kombiniert mit Sozial- und Kulturarbeit versucht dem Trend der weiteren Verdrängung einkommensschwacher Menschen entgegen zu wirken (mehr: www.blacksingreen.org/).

Drei Projektbeispiele der Grünen Infrastruktur in Philadelphia, die während der Tagung besichtigt werden konnten

Cira-Green - öffentlicher Dachgarten mit Ausblick auf die City

Auf dem 12. Stock eines Parkhauses, das als Verbindungsbau zwischen zwei Neubau-Apartmentblöcken errichtet wurde, befindet sich ein als öffentlich zugänglicher "Dach-Stadtpark". Die Dachgartenfläche umfasst etwa 3000 Quadratmeter. Einige Teilflächen des Daches sind angehoben und beherbergen technische Anlagen, Toiletten oder das Bistro. Großzügige Rasenflächen sind als Liegeflächen vorgesehen, die von typischen Präriestaudenpflanzungen umrahmt werden. Die besondere Herausforderung bei der Pflanzenauswahl lag in der hohen Windbelastung. Als besonders geeignet hat sich die in Nordamerika heimische Gelbe Eiche (Quercus muehlenbergii) herausgestellt. Sie wurde mit für die Nutzer der Dachfläche nicht sichtbaren Wurzelballenverankerungen auf der geneigten Dachfläche gepflanzt.

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Die bautechnische Besonderheit dieses Dachgartens liegt in der Maximierung der Wasserretention auch unter den befestigten Wegeflächen. Hier sind Drainplatten verlegt worden, die wesentliche Mengen des lokalen Niederschlags zurückhalten und im weiteren Verlauf den Pflanzflächen zur Verfügung stellen.

Eine Forderung an den Freiraum in den USA ist aktuell verstärkt die Ausweisung von Hundespielplätzen. So ist auf diesem Ciragreen wie auch auf den beiden nachfolgenden Beispielen jeweils ein "Dogpark" integriert. Kinderspielbereiche sucht man jedoch bei allen drei Beispielen vergebens.

Mehr zum Projekt: ciragreen.com

Wiederbelebung eines Industriemonumentes zu einem stylischen Wohnhaus mit integrierter Umwelttechnik

Der nördlich der Innenstadt Philadelphias gelegene Problembezirk Kensington, war lange Zeit das industrielle Zentrum der Stadt. Der Wandel von der immissionsreichen Industrie mit Wohnlagen einfachsten Standards ist aktuell ein interessantes Gebiet für Studien zum städtischen Transformations- und Gentrifizierungsprozesses.

In der ehemalige Strumpffabrik Gotham Silk Factory mit ihrem 10-geschossigen Produktionsgebäude waren in ihrer Blütezeit 1917 und 1935 etwa 800 Arbeiter beschäftigt. Nach dem Konkurs wegen Rohstoffmangels, war der Komplex über Jahrzehnte untergenutzter "Lost Place". Erst um 2018 wurden die etwa 9000 Quadratmeter des Haupthauses zu zeitgemäßen, ökologisch orientierten Loftwohnungen umgebaut und befinden sich seit 2020 in der Vermietung als Zeit-Wohnungen. Die zahlreichen ökologischen Qualitäten sowie die Sanierung mit der Bewahrung des Industriecharakters sind gute Argumente für die Vermietung, allerdings besitzt das Umfeld noch einen sehr rauen Charme mit Verbesserungspotential. Das unweit begonnene Highline-Projekt, im ersten Bauabschnitt fertiggestellt und mit der Perspektive auf etwa 5 Kilometer Ausbaulänge, unterstreicht das Potential dieses Stadtteils im Wandel.

Links: network.thehighline.org/projects/rail-park/gothamphl.com

Der weiterführende Link hierzu: gothamphl.com

Der Hochhausneubau "Arthaus"

Inmitten des Stadtzentrums befindet sich das gerade bezugsfertige "Arthaus", ein 47 Stockwerke hohes Hochhaus. Es handelt sich um ein Apartment-Gebäude, das sowohl auf dem Podiumdeck als auch im Bereich der oberen Etagen mit Dachgärten ausgestattet ist. Das Projekt wurde von dem Architekten Eugene Kohn und dem Landschaftsarchitekten Bryan Hanes unter der Ägide des Projektentwicklers Carl E. Dranoff errichtet. Es ist aus dieser Arbeitsgemeinschaft das erste Projekt mit dieser Großzügigkeit an unterschiedlichen Begrünungen. Nachfolgend bietet das Modellfoto die Idee und die Folgebilder die jetzt gerade fertiggestellte Ausführung. Die Nutzung der Grünbereiche wird gemeinschaftlich geregelt. Reinigungsarbeiten, etwa der Grillplätze gehört zu den monatlichen Gemeinkosten für alle Wohneinheiten.

Erfolge und weiterer Bedarf

Obwohl die Stadtpolitik der Gebäudebegrünung positiv gegenüber eingestellt ist, bleibt noch viel Platz für weitere Projekte. Die Schaffung weiterer Verdunstungsflächen zur Kühlung der Innenstadt kann nur durch mehr Grün fühlbar verbessert werden. Die Reduktion von Überschwemmungen und die Reduktion des Schadfrachtanteils in die Oberflächengewässer ist ebenfalls noch ausbaufähig. Ein offensichtlicher Grund für Überflutungen von Straßen ist auch in der eher vernachlässigten regelmäßigen Reinigung und damit dem Erhalt der Funktionstüchtigkeit bestehender Regenwassersysteme zu sehen (siehe Abb. 18). Diese Verstopfungen wirken zwar wie Ablaufdrosselklappen, aber nur in einer unkontrollierten Weise. Auch wird bei Neubauprojekten die Pkw-Parkfläche immer noch ebenerdig mit undurchlässigem Asphalt ausgeführt.

Preisverleihungen im Rahmen des Kongresses

Bei den herausragenden diesjährigen Projekten wurden der vorgestellte Ciragreen Dachgarten ausgezeichnet. citiesalive.org.

Persönliche Ehrungen erfolgten an Ben Flenner, Gründer des urbanen Farm Projektes Brooklyn Grange. Den Pflanzenzüchter und Gärtnereibesitzer in der 5.Generation Ed Snodgrass. Charly Miller als Gründachpionier der ersten Stunde in den USA. Die Ehrung für das Lebenswerk im Dienste der wissenschaftlichen Erforschung der Bauwerksbegrünung ging an Prof. Dr. Manfred Köhler, Neubrandenburg. Diese Auszeichnung wurde überhaupt erst das zweite Mal in der zwanzigjährigen Geschichte der Organisation vergeben.

Der Kongress hat die Diskussion um die Vorteile der Grünen Infrastruktur sicher gefördert und damit einen lokalen Erfolg erzielt. Eine Fortsetzung wird es als online Veranstaltungen in den USA weiterhin geben. Auf der internationalen Ebene war es möglich, auch auf den Weltkongress in Berlin im Juni 2023 zu verweisen und es wird hoffentlich auch möglich sein, viele Teilnehmer*innen wieder persönlich zu treffen.

Ähnlich wie in Deutschland und mittlerweile stark von der EU-Politik unterstützt, werden in Philadelphia mittels Förderprogramme Anreize gesetzt, die zusätzliche Verdunstungsflächen ermöglichen, neben den Infiltrationsgärten im Straßenraum, rain gardens genannt, sind auch begrünte Dächer jetzt von besonderem Interesse, Starkregen zurückzuhalten und dezentral zusätzliche Verdunstungsflächen zu ermöglichen.

Seit 2011 besteht das städtische Programm "Green City, Clean Waters" mit fachlicher Unterstützung der US- Environmental Protection Agentur EPA, mit dem Ziel, das "Clean Water"-Gesetz das es allerdings bereits seit 1972 gibt jetzt auch im innstädtischen Bereich verstärkt umzusetzen. Klimawandel und eine veränderte Stimmung in der Politik führten zu einem breiten Konsens innerhalb der Entscheidungsträger. Bauprojekte mit mehr als 1500 Quadratmeter Grundfläche sind hier jetzt zu berücksichtigen.

Der offensichtliche Grund für die verstärkten Aktivitäten war auch die massive Verschlechterung der Oberflächenwasserqualität. Ziel ist es nun, bis 2036 85 Prozent der belasteten Oberflächenwässer dezentral vorzureinigen und möglichst lokal zu verdunsten. Ein finanzielles Anreizprogramm hat bisher "hunderte" von Grünen Infrastruktur-Maßnahmen gefördert. Begrünte Dächer sind hierbei ein wichtiges dezentrales Element. Begrünte Dächer können entweder im Regenwasser-Entlastungsprogramm oder mit der finanziellen Berücksichtigung eines "Dichtebonus" gefördert werden. Es wird darauf hingewiesen, dass eine Mehrfachförderung ausgeschlossen ist.

Mehr dazu auf: water.phila.gov

www.pwdplanreview.org/upload/pdf/GreenRoofDensityBonus_18.11.08_v2.pdf

Gründachprojekte in der Stadt werden auf folgender Webseite beschrieben: www.philadelphiagreenroofs.com/about-green-roofs/


Links:

Green City, Clean Waters on phillywatersheds.org.

Philadelphia Wasser Politik: water.phila.gov

www.pwdplanreview.org/upload/pdf/GreenRoofDensityBonus_18.11.08_v2.pdf

Gründachprojekte Philadelphia: www.philadelphiagreenroofs.com/about-green-roofs/

Projektlinks:

Green roofs for healthy City - Kongress Philadelphia und Datenbanken citiesalive.org

Weltkongress Gebäudegrün: bugg-congress2023.com

Blacks in Green: www.blacksingreen.org

Railpark: network.thehighline.org/projects/rail-park/gothamphl.com

Prof. Dr. Manfred Köhler
Autor

Hochschule Neubrandenburg

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