Kleine Oasen ernähren viele Insektenarten und bieten Nistplätze
Grüne Balkone mit hoher Biodiversität in dichten Städten
von: Birgit Schattling
Auf Einladung der Deutschen Gartenbau-Gesellschaft 1822 e. V. diskutierten am 4. März 2024 mehr als 130 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Kommunen, Verbänden, Wissenschaft und dem Garten- und Landschaftsbau über heimische Wildpflanzen im Stadtgrün. Die Referentinnen und Referenten spannten in ihren Impulsen den Bogen von der Wildpflanzenproduktion über naturnahes Grün auf dem Balkon und auf dem Dach bis zu Wildpflanzenbeeten in der Stadt. Die im Bundesprogramm Biologische Vielfalt geförderte Kampagne "Tausende Gärten – Tausende Arten" stellte Mitmachmöglichkeiten für Kommunen, Unternehmen und Hobbygärtnerinnen und Hobbygärtner vor. Die Veranstaltung fand in der Lehr- und Versuchsanstalt für Gartenbau und Arboristik (LVGA) e. V. in Großbeeren statt, die seit dem vergangenen Jahr einen Lehrgang für Gärtnern zur Förderung der Biodiversität anbietet.
Im Rahmen dieser Veranstaltung "Mehr Biodiversität mit heimischen Wildpflanzen" zeigte ich als Organisatorin des Online Bio-Balkon-Kongresses, wie ich auf meinem Balkon im sechsten Stock in Berlin hundert verschiedenen heimischen Pflanzen eine Heimat gebe und nicht nur von zahlreichen Insekten, sondern auch von Eichhörnchen, Vögeln und Stockenten Besuch in luftiger Höhe bekomme. Ich bin davon überzeugt, dass jeder Balkon, jedes Fensterbrett und jeder Meter Platz zählt.
SUG-Stellenmarkt



Aus meiner langjährigen Erfahrung als Berliner Balkongärtnerin weiß ich bestens, wie viel auf den Balkonen möglich ist und welch große Freude wir aus jedem frisch geernteten Salat und Radieschen ziehen können: So sind selbst an meinem Extremstandort überhitzter Innenstadt-Balkon (4 m² + 5 m² + fünf Fensterbretter mit jeweils zwei Balkonkästen) 24 Vogelarten gesichtet worden. Es gab tägliche Eichhörnchen-Besuche, viermal konnte sogar Eichhörnchen-Nachwuchs beobachtet werden.
Das Bio-Balkon-Projekt wurde 2017 gegründet, seither gab es 14 Online Bio-Balkon-Kongresse, zwei Ratgeber-Bücher sind entstanden. Außerdem gibt es Balkonkurse und Vorträge, die weitere Balkonbesitzer einladen sollen, vor allem in unseren Städten noch viel mehr grüne, blühende, vielfältige Wohlfühlorte für Mensch und Tier mit angenehmem Mikroklima und üppiger Ernte zu schaffen.
Naturnah gestaltete Balkone und Fensterbretter sind wertvolle Trittsteinbiotope für Insekten, sogar für spezialisierte Wildbienen. Dort sind nicht nur die häufigen Gehörnten Mauerbienen und Rostrote Mauerbienen anzutreffen. Großes Erstaunen gab es bei Untersuchungen auf innerstädtischen Balkonen in München, Tübingen und Halle/Saale als bekannt wurde, dass von den in Deutschland rund 600 vorkommenden Wildbienenarten 52 Wildbienenarten, davon sogar 20 spezialisierte Wildbienen wie beispielsweise Große Glockenblumen-Scherenbiene, Kleine Glockenblumen-Scherenbiene, Hahnenfuß-Scherenbiene, Reseden-Maskenbiene, Rainfarn-Maskenbiene, Lauch-Maskenbiene, Distel-Maskenbiene sowie Platterbsen-Mörtelbiene gesichtet werden konnten. 4




Dass Balkone so viele Arten anlocken, hätte früher niemand gedacht, nicht einmal die Experten der Naturschutzorganisationen. Doch es ist noch viel mehr möglich, wenn die "Balkonier" noch gezielter und deutlicher motiviert werden, insektenfreundlich zu gärtnern. Um noch mehr Kenntnisse darüber zu erlangen, welche (spezialisierten) Wildbienen und anderen Insekten in welcher Stadt in welche Stockwerke hochfliegen, wurde aktuell das Citizen-Science-Projekt "Stadtinsekten.com" aufgelegt. Es bietet die einfache Möglichkeit, eigene Beobachtungen online zu melden.
Grundlage ist ein reiches Angebot an heimischen Wildpflanzen, die vom zeitigen Frühjahr bis zum Herbst blühen. Hilfestellung zur Auswahl geeigneter insektenfreundlicher Pflanzen gibt die ökologisch ausgerichtete Pflanzendatenbank NaturaDB www.naturadb.de. Sie hilft, die perfekten Pflanzen für das jeweilige Vorhaben zu finden, eine einfache Planung zu erstellen und weitere Potenziale für Tiere und Insekten aufzudecken. Sie zeigt neben möglichen Auswahlkriterien wie Blühfarbe, Blühdauer, Insektenfreundlichkeit, Wintergrün, Essbarkeit und Anbauhinweisen die ökologischen Aspekte. Handelt es sich um eine heimische oder eingebürgerte Pflanze, Züchtung oder Neophyt.
Bei Natura DB ist übersichtlich ablesbar, wie viele Wildbienen und Schmetterlinge sowie Schmetterlingsraupen, Käfer und Schwebfliegen diese Pflanze nutzen, sodass der ökologische Wert leicht jede Kauf- und Pflanzentscheidung beeinflussen kann. Die Planung einzelner Pflanzgefäße oder Beete ist möglich, dazu gibt es eine Erfassung in Listen, Ausgabe der Mengen, Blühkalender und eine deutliche Darstellung, wie viel und welchen Tierarten diese Planung nützen könnte.






Es lassen sich viele Aktivitäten beobachten:
Es gibt vielfältige Hummeln mit Vorliebe für Himbeerblüten im Mai, Brombeerblüten im Juni und Salbeiblüten im Mai/Juni sowie Tomatenblüten von Juli bis September
Buntspecht-Weibchen fressen an Meisenknödel, in Nistkasten gibt es erfolgreich brütende Blaumeisen – die ersten Jungen in diesem Jahr sind jetzt schon flügge, die Eltern basteln gerade weiter am Nest für die zweite Brut im Juni, in einer Ecke in einem Balkonkasten auf dem Fensterbrett gibt es brütende Ringeltauben
Grünfinken sind beim Samenpicken zu beobachten während Kohlmeisen beim Nistkasten auskundschaften zu sehen sind, den dann aber doch die Blaumeisen weiter bezogen haben.
Meine Erfahrung als Initiatorin der Bio-Balkon-Bewegung hat mir gezeigt, wie schwer es ist, Besitzer von Geranien-Balkonen für heimische Wildpflanzen zu gewinnen. Wenige sind bereit, mehr als drei Balkonkästen mit Kräutern zu bepflanzen oder hochwachsendes Grün wie Gehölze und Rankpflanzen zu verwenden, damit ein eigenes Mikroklima auf dem Balkon entsteht. Der Begriff "Naturbalkon" oder "naturnah gestalteter Balkon" lädt schon mehr dazu ein, heimische Wildpflanzen zu verwenden und sich auf Wildbienen, Wespen und Schwebfliegen einzulassen.
Beim 11. Bio-Balkon-Kongress 2023 stellte eine junge Frau aus Bielefeld ihren nur 6,5 Quadratmeter großen Balkon vor, der eine außergewöhnliche Artenvielfalt beherbergt. Der Vortragstitel "Ordentlicher Balkon" erwies sich als Volltreffer (bio-balkon.de/experten/katrin-wittek).
Katrin Wittek verriet ihre besten Tipps für die Gestaltung eines optisch sehr ansprechenden Naturbalkons und führte ihre vielen tierischen Besucher vor. Sie kultiviert überwiegend heimische Pflanzen in einheitlichen weißen Balkonkästen, was nicht wild und "öko" wirkt, sondern schön und strukturiert. Diese Ästhetik sprach sehr viele Menschen an, die begeistert kommentierten, auch sie wollten sich künftig auf heimische Wildpflanzen einlassen.


Verschiedene Insektennisthilfen sind ein Angebot an Wildbienen, wichtiger ist ein ausreichendes Nahrungsangebot vom Frühjahr bis zum Herbst! Diese Anforderungen sind zu beachten:
- Saubere, nicht ausgefranste Bohrungen in Hartholzblöcke, Schilfhalme, Pflanzenstängel oder Pappröhren.
- Innendurchmesser zwischen 3 und 9 Millimeter, die Gangtiefe sollte 15 Zentimeter betragen.
- Optimal ist ein regengeschützter Standort mit viel Sonne am Morgen. Die Nisthilfe kann auch nach Südosten oder Südwesten ausgerichtet sein. Sie darf nicht im Wind schwanken, deshalb besser mit Schnur beziehungsweise Kabelbinder befestigen und nicht direkt auf dem eventuell nassen Boden stehen. Ist sie Regen ausgesetzt, dann ein schützendes Dach anbringen.
- Die Nisthilfe im Winter nicht ins Haus bringen.
- Aufrecht stehende, tote hohle markhaltige Stängel von Sonnenblume, Himbeere, Brombeere, Distel oder Königkerze.
Die vielen Balkone, ja jedes begrünte Fensterbrett, ist ein weiteres kleines Puzzlestück zur Renaturierung unserer Städte. Die Bio-Balkon-Bewegung fördert lebendiges, dauerhaftes Substrat in den Töpfen und Kübeln, lässt wilde Ecken zu und schneidet die Pflanzen nicht vor dem Winter zurück, damit Insekten und andere Lebewesen Winterschutz bekommen. Jeder Meter zählt!
- Themen Newsletter Biodiversität bestellen
- Themen Newsletter Naturschutz bestellen
- Themen Newsletter Pflanzenverwendung bestellen
- Themen Newsletter Balkonpflanzen bestellen
- Themen Newsletter Artenvielfalt bestellen
- Themen Newsletter Insektenfreundliche Pflanzen bestellen
- Themen Newsletter Vögel bestellen