Öffentlicher und privater Gartenbau
Wie realistisch ist die Torfreduktion?
Die Torfminderungsstrategie des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) sieht bis 2030 einen weitgehenden Ersatz von Torf im Erwerbsgartenbau vor. Im Hobbygartenbau wird der komplette Torfverzicht bis 2026 angestrebt. Torfreduziertes Gärtnern wirkt sich positiv auf das Klima aus, denn der im Torf in großen Mengen gespeicherte Kohlenstoff wird bei der gärtnerischen Nutzung als CO2 freigesetzt.
Doch für die Gartenbau-Branche stellen die Reduzierung oder gar der Komplettumstieg auf Torf-Alternativen eine große Herausforderung dar. Vor allem die begrenzte Verfügbarkeit geeigneter Torfersatzstoffe sowie schwankende Qualitäten der alternativen Substratausgangsstoffe erschweren das Erreichen der gesetzten Ausstiegsziele.
Im Auftrag des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) hat die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e. V. (FNR) in den letzten Jahren die Erforschung neuer Torfersatzstoffe vorangetrieben, Modell- und Demonstrationsvorhaben verschiedener Gartenbausparten sowie die Zertifizierung von Torfersatzstoffen auf den Weg gebracht. Zudem wurden bundesweite Fachinformationsstellen zur Unterstützung interessierter Erwerbsgärtner bei der betriebsindividuellen Umstellung auf eine torfreduzierte Kulturführung eingerichtet. Bereits seit 1993 ist die FNR als Projektträger des BMEL für das Förderprogramm Nachwachsende Rohstoffe aktiv.
Den Zahlen zufolge gibt es zumindest im Hobby-Gartenbau einen klaren Trend zur Torfreduktion. Die vom Industrieverband Gartenbau (IVG) erhobenen Daten zum deutschen Substratmarkt zeigen, dass der Torfanteil in Blumenerden 2019 noch bei 61 Prozent lag und 2022 auf 43 Prozent gesunken ist. Die auf Freiwilligkeit setzende Strategie des BMEL scheint hier – nicht zuletzt auch dank des Engagements von Substratindustrie und Handel – aufzugehen: Die Hersteller verwenden zunehmend Torfersatzstoffe wie Grüngutkompost, Holzfasern, Rindenhumus sowie Kokosmark und Kokosfasern. Auch viele Kunden entscheiden sich inzwischen bewusst für torffreie Produkte. 2022 war gut ein Fünftel der Hobbyerden schon komplett torffrei, auch dies ist ein neuer Höchststand.
Herausfordernde Situation im Erwerbsgartenbau
Etwas anders sieht es im Profibereich aus. Bei den Kultursubstraten legen die Torfersatzstoffe zwar ebenfalls leicht zu, bei insgesamt steigenden Volumina bleiben die prozentualen Anteile jedoch auf vergleichsweise niedrigem Niveau konstant. Die Gründe dafür sind vielschichtig: Erdenhersteller und Gartenbaubranche beklagen eine mangelnde Verfügbarkeit preislich attraktiver und qualitativ hochwertiger Torfersatzstoffe. Auch weisen Komposte aus der kommunalen Bioabfall- oder Grüngutsammlung, die ein großes Potenzial für den Torfersatz mitbringen und mengenmäßig noch nicht voll erschlossen sind, mitunter Verunreinigungen durch unerwünschte Fremdstoffe auf. Problematisch ist auch die hohe Konkurrenz um Ersatzstoffe wie Holzfasern und Rinden durch andere Industriezweige.
Einige Sparten wie etwa die Gemüsejungpflanzenproduktion, die Champignonzucht sowie Baumschulen stellt der Torfausstieg vor besonders große Herausforderungen. Ein vollständiger Ausstieg ist hier bislang schwer vorstellbar. Bei den Gemüsejungpflanzen verlangt insbesondere die bedarfsgerechte Stickstoff- und Wasserversorgung den Betrieben viel ab. Torfreduzierte Substrate müssen voraussichtlich häufiger, aber mit kleineren Mengen bewässert werden. Hier soll nun ein Demonstrationsvorhaben zeigen, inwiefern eine Reduktion möglich ist. Das Vorhaben wird von der FNR organisiert und vom BMEL bis 2027 gefördert. Für die Erprobung der Torfreduktion werden Praxisbetriebe eingebunden, die vom Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum (DLR) Rheinpfalz, der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf (HSWT), dem Thünen-Institut und von der Fachhochschule Erfurt fachlich unterstützt werden.
Situation im öffentlichen Garten- und Landschaftsbau
Städte und Gemeinden leisten bereits heute einen größeren Beitrag zum geplanten Torfausstieg Deutschlands im Rahmen der Klimaschutzziele 2030. Um die Torfnutzung im kommunalen Garten- und Landschaftsbau weiter zu reduzieren, bedarf es klarer politischer Zielvorgaben, praktischer Informationen zu Anwendungsmöglichkeiten von Torfalternativen sowie lokale Grüngutkompost-Konzepte. Das geht aus der repräsentativen Umfrage "Torfnutzung in Kommunen 2023" hervor, die von der FNR im Auftrag des BMEL durchgeführt wurde.
Untersucht wurden Klima-Bewusstsein, gärtnerische Praxis und Einkaufsverhalten in kommunalen Grünflächenämtern. Die Befragung richtete sich an Mitarbeitende, die mit der Beschaffung, der Auswahl oder dem Einsatz von Erden und Substraten betraut sind. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass das Bewusstsein über die negativen Umweltauswirkungen von Torf im kommunalen GaLaBau weit verbreitet, wenn auch nicht flächendeckend ist: 73 Prozent der Befragten ordnen Torf als fossilen Rohstoff ein, während 24 Prozent ihn als nachwachsenden Rohstoff betrachten, (s.a. Stadt+Grün 1-2024, S.13ff.)
In den letzten Jahren wurde Torf in vielen Bereichen durch andere Erden ersetzt. 46 Prozent der Befragten geben an, dass in ihrem Zuständigkeitsbereich gar keine torfhaltigen Erden mehr verwendet werden. Dennoch gibt es noch Raum für Verbesserungen. Die größten Einsparpotenziale für Torferden bestehen bei Anwendungen von Zierpflanzen, vor allem im Wechselflor oder auf Friedhöfen sowie bei der Bodenverbesserung. Grüngutkompost ist der am häufigsten genutzte Torfersatzstoff (66 %), gefolgt von Rindenhumus (57 %) und Holzfasern (35 %).
Obwohl das Thema Torfreduktion in Kommunen selten verbindlich politisch festgelegt ist, wird es von nahezu der Hälfte der Befragten bei Ausschreibungen und Beauftragungen von Dienstleistern berücksichtigt. Bei der Beschaffung von Pflanzenerden sind vor allem Produkteigenschaften wie Wasserspeicherkapazität, Störstofffreiheit und Nährstoffgehalt relevant. Der Preis ist ein wichtiges, aber untergeordnetes Kriterium.
Kokosfasern und Kokosmark als Torfersatz
Aus gartenbaulicher Sicht stellen Kokosfasern und Kokosmark hochwertige Torfersatzstoffe dar. Aufgrund ihrer hohen Strukturstabilität ist der Einsatz als alternativer Ausgangsstoff in Kultursubstraten etwa für Baumschulen vielversprechend. Beide Torfersatzstoffe leiden aufgrund unsicherer Produktionsbedingungen jedoch unter einem schlechten Image.
Inzwischen deuten erste Ergebnisse bei der Entwicklung des Systems Horticert zur internationalen Nachhaltigkeitszertifizierung von Torfersatzstoffen (www.horticert.org/de) darauf hin, dass Transportemissionen und soziale Aspekte von Kokosprodukten bei entsprechender Zertifizierung sehr gut nachvollziehbar und überprüfbar sind. Umweltbewusste Verwender von Kokosprodukten können zertifizierte Ware daher guten Gewissens verwenden.
Online-Workshopreihe der FNR
Seit zwei Jahren findet die Workshopreihe "Torfminderung – eine Branche im Wandel" der FNR statt. In diesem Jahr lädt sie zu vier Online-Veranstaltungen ein, deren Hauptaugenmerk auf den aktuellen Erkenntnissen und Herausforderungen des Torfverzichtes im Gartenbau liegt. Gefragt sind dabei gemeinsame Lösungsansätze und das Zusammenwirken der verschiedenen Branchenvertreter. Unterstützt wird die Veranstaltungsreihe von der Landwirtschaftskammer (LWK) Niedersachsen, vom Industrieverband Garten e. V. (IVG), dem Zentralverband Gartenbau e. V. (ZVG), dem Bundesverband der Einzelhandelsgärtner (BVE) im ZVG sowie der Gütegemeinschaft Substrate für Pflanzen e. V. (ggs).
Die vier Workshops im Online-Format widmen sich 2024 diesen Themen:
- Workshop "Torfersatz auf dem Prüfstand" am 6. März 2024,
- Workshop "Torfreduktion im Erwerbsgartenbau" am 15. Mai 2024,
- Workshop "Torfverzicht im Hobbygartenbau" am 4. September 2024,
- Workshop "Brennpunkt: Torfersatz in der Forschung" am 27. November 2024.
Weitere Informationen zur Veranstaltungsreihe sowie zur Anmeldung sind unter https://veranstaltungen.fnr.de/torfminderung-eine-branche-im-wandel zu finden.
nt/FNR