Schaden an Kfz
Grünastbruch in Zeiten des Klimawandels
Dem lag folgender Sachverhalt zugrunde: Am 06.08.2020 parkte der Kläger sein Fahrzeug im absoluten Halteverbot in einer Straße der beklagten Stadt. Von einer städtischen Rotbuche fiel ein Teil der Baumkrone herab, stürzte auf das Fahrzeug und verursachte hierdurch einen erheblichen Schaden, der Reparaturkosten in Höhe von fast 18.000 Euro nach sich zog.
Die Reparaturkosten regulierte die Vollkaskoversicherung des Klägers mit Ausnahme des Selbstbehalts in Höhe von 300 Euro. Mit der Klage macht der Kläger Schadensersatzansprüche in Höhe von knapp 4000 Euro (Selbstbehalt, Nutzungsausfall, Wertminderung, Unkostenpauschale) geltend, seinen Höherstufungsschaden in der Vollkaskoversicherung und außergerichtliche Anwaltskosten.
Die letzte Regelkontrolle des Baums durch die Stadt fand vor dem Schadeneintritt im Januar 2020 ohne Befund statt. Weitere Regelkontrollen nach dem Schadeneintritt wurden am 20.08.2020 mit Feststellung leichten Totholzanteils und am 21.04.2021 durchgeführt. Bei letzterer Kontrolle wurde als Maßnahme Totholzentfernung festgelegt, was zwischenzeitlich durch eine beauftragte Firma erfolgt ist. Am 24.09.2021 wurden im Bereich des streitgegenständlichen Baumes zwei abgestorbene Rotbuchen und eine vertrocknete Akazie durch die Beklagte gefällt.
Das LG Essen hat die Klage durch Urteil vom 08.05.2023 – 1 O 370/20 – insgesamt abgewiesen.
Das Landgericht hat die Klage nach Beweisaufnahme durch Sachverständigengutachten und Zeugenvernehmung des Baumkontrolleurs mit der Begründung abgewiesen, eine schadenursächlich gewordene Verletzung der Verkehrssicherungspflicht liege nicht vor. Das Gericht referiert zunächst ausführlich die vom BGH entwickelten Grundsätze der Verkehrssicherungspflicht für Straßenbäume.
Sodann gelangt das LG Essen aufgrund der Beweisaufnahme zu der Einschätzung, dass Astteile aus der Baumkrone nicht aufgrund unzureichender Baumkontrolle und/oder Baumpflege herausgebrochen sind. Vielmehr handele es sich um einen Grünastbruch aus einem gesunden Baum, der im Vorfeld keinerlei Anzeichen für eine mangelnde Vitalität zeigte. Auch andere äußerlich erkennbare Krankheitsanzeichen habe der herabgestürzte Kronenteil ausweislich des Gutachtens des gerichtlich beauftragten Sachverständigen und dessen Ausführungen in der mündlichen Verhandlung nicht aufgewiesen.
Zur Überzeugung des Gerichts habe der Sachverständige nachvollziehbar erläutert, dass es für Grünastbrüche mangels Symptomen keinerlei Anhaltspunkte im Vorfeld gebe. Bäume seien als lebende Organismen ständigen Veränderungen unterworfen. Vorliegend sei naheliegend, dass die Wasserversorgung irgendwann plötzlich im Ast abgerissen sei, was zu einem unvermittelten und unmittelbaren Sprödbruch geführt habe. Dies sei im Vorfeld aber nicht erkennbar, weil es symptomlos verlaufe.
Folglich seien im Vorfeld auch bei extremen Wetterperioden vorsorgliche Maßnahmen wie etwa Zusatzkontrollen nicht notwendig, weil nicht zielführend. Es käme niemand auf die Idee, einen gesund aussehenden Baum nach Sturmereignissen vorsorglich zu fällen. Zwar ließen sich Grünastbrüche mit den ständigen Veränderungen von Temperaturen und Boden, denen der Baumbestand ausgesetzt sei, erklären, wobei insbesondere Buchen besonders sensibel für derartige Veränderungen seien.
Hierbei spiele sicher auch die Hitzeperiode im Sommer 2020 eine Rolle. Diese Umstände seien aber unvermeidbar, und ihnen könne im Vorfeld mangels Erkennbarkeit auch auf keine Weise begegnet werden. Obwohl die Dokumentation der Baumkontrollen bei der Beklagten nach Einschätzung des Sachverständigen teilweise unvollständig sei, seien etwaige Dokumentationsmängel nach Auffassung des Gerichts für den konkreten Schadeneintritt aber nicht entscheidungserheblich gewesen.
Die Entscheidung des LG Essen ist erfreulich, da das Gericht in Zeiten des Klimawandels bei Astbrüchen gesunder Bäume, möglicherweise verursacht durch Trockenstress, vermehrt auftretenden Forderungen nach Maßnahmen des Baumeigentümers im Vorfeld wie etwa prophylaktischer Zusatzkontrollen zu Recht eine klare Absage erteilt.
Letztlich wären solche Maßnahmen im Rahmen der Schadenvorsorge nämlich nicht zielführend und unterfallen Schäden durch Grünastbrüche auch in Zeiten des Klimawandels allein dem allgemeinen Lebensrisiko. Die Entscheidung liegt auf einer Linie mit dem Urteil des LG Limburg an der Lahn vom 14.06.2022 – 4 O 229/21 – (SuG 11/2022, 62 mit Anmerkung Braun).
Ass. jur. Armin Braun, GVV Kommunalversicherung