Schnittmaßnahmen unterscheiden: Schneitel-/ oder Kopfbäume, Kappungen und Kronensicherungsschnitt
von: Peter KlugGibt es "professionell gekappte Bäume"? In dem Artikel "Schneitelbäume in der Stadt" in der Pro Baum 4/2017 werden einige Inhalte erwähnt, die von Fachkräften in der Baumpflege aus meiner Sicht nicht mitgetragen werden können und sicher nicht gut für den Baum sind.
Unter anderem ist zu lesen: "Doch wären professionell gekappte Bäume durchaus eine Antwort auf die immer schwieriger werdenden Platzverhältnisse, die nicht nur auf eine Notsituation reagieren, sondern in bestimmten Raumsituationen auch architektonisch bereichernd sein können."
"Die Pflege von Scheitelbäumen ist einfach und kann ohne viel Fachwissen durchgeführt werden. (…) Doch entstehen bei Schneitelbäumen immer auch wieder Faulstellen. Mitunter kann man diese aber entfernen und durch neue Köpfe ersetzen."
Zwar sind in dem Artikel durchaus positive Ansätze bezüglich des Kopfschnitts enthalten. Grundsätzlich bin ich jedoch anderer Meinung. Deshalb folgen meine Stellungnahme und eine Unterscheidung der verschiedenen Begriffe.
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Schneitelbetrieb und Kopfbaumschnitt
Generell ist der Schneitelbetrieb ein Begriff aus der historischen Landwirtschaft. Junge Zweige wurden regelmäßig abgeschnitten, um als Nahrung für das Vieh oder für die Einstreu benutzt zu werden. Das Schneiteln wurde vor allem aus wirtschaftlichen Gründen durchgeführt. In der neuen ZTV-Baumpflege wurde der Begriff des Kopfbaumschnittes neu aufgenommen, der eher passend ist, da das Laub der Stadtbäume nicht als Viehfutter dient.
Bei der aktuellen Technik des Kopfschnittes besteht die Voraussetzung, den Baum bereits in der Jugendphase als Kopfbaum zu pflegen und frühzeitig zu formen.
Mit der Schneitelung oder dem Kopfbaumschnitt nimmt man dem Baum den Großteil der Blattmasse. Dies ergibt keinen vitaleren Baumbestand. Vitalität kann mit Lebenskraft definiert werden (Klug 2005, 2017). Die heftige Reaktion des Baumes und die starke Bildung von Neuaustrieben nach starkem Rückschnitt ist oft eine Notreaktion des Baumes auf die Entnahme der gesamten Zweig- und Blattmasse. Will der Baum überleben, muss er Neuaustriebe bilden. Ein Baum ohne Blattmasse stirbt ab.
Mit dem Kopfschnitt wird ein Baum langfristig in einer bestimmten Form gehalten. Das Köpfen ist nur zulässig (baumerhaltend), wenn schon beim jungen Baum begonnen und die Maßnahme kontinuierlich weitergeführt wird. Dabei werden dem jungen Baum direkt über den Knospen die Äste reduziert. Der Durchmesser der Äste sollte nicht mehr als fünf Zentimeter betragen, im günstigeren Fall eher etwa zwei Zentimeter, um starke Verletzungen zu vermeiden. Sobald der Baum seine festgelegte Form erreicht hat, wird er regelmäßig auf dieses Grundgerüst zurückgeschnitten. Die Stelle, an der die jeweils jungen Triebe wachsen, verdickt mit den Jahren. Dieser Kopf darf nicht verletzt werden. Die Schnittführung beim Kopfschnitt erfolgt wie die der Entfernung von Stock- oder Stammaustrieben: an der Basis flach und im Triebdurchmesser (FLL 2017; Klug 2016). Es ist sinnvoll, einzelne Verjüngungsreiser zu erhalten.
Diese Arbeit muss fachgerecht und jährlich durchgeführt werden. Besonders geeignet sind unter anderem Baumarten wie Linden, Platanen, Rosskastanien und Weiden. Bevor ein Baum zu einem Kopfbaum erzogen wird, sollte die Notwendigkeit ausgiebig geprüft werden. Die wirtschaftlichen und biologischen Folgen müssen eingeschätzt werden.
Die Kosten des regelmäßigen Rückschnitts beim fachgerechten Kopfschnitt dürften in den überwiegenden Fällen wesentlich höher sein als bei natürlich gewachsenen Bäumen, vermutlich betragen sie meist das Drei- bis Zehnfache. Das könnte an einigen Praxisbeispielen aufgezeigt werden, hängt aber wesentlich von Baumart und Höhe des Baumes ab und ist nicht zu verallgemeinern. Die Behandlung einer vier Meter hohen Platane als Kopfbaum kann nicht mit dem Schnitt an einer 25 Meter hohen Platane verglichen werden. Beide haben auch sehr unterschiedliche Funktionen.
Kappungen
Kappen ist ein umfangreiches Absetzen oder Einkürzen von Krone, Kronenteilen oder einzelnen Ästen. Dabei verbleiben Stummel. Kappungen erfolgen meist ohne Rücksicht auf den Habitus des Baumes (die äußere Erscheinungsform) oder physiologische Erfordernisse. Die ZTV-Baumpflege erklärt Kappungen als nicht fachgerechte Maßnahme. Der Begriff wird zuweilen auch für Stummelschnitt oder Stutzen benutzt. Kappungen können im Stamm- oder Stämmlingsbereich oder an Grobästen erfolgen.
In den meisten Fällen werden Bäume durch Kappungen zerstört. Sie ruinieren den arttypischen Habitus eines Baumes und wirken sich nachteilig auf das physiologische Gleichgewicht eines Baumes aus (Klug 2017). Schnell aufrecht wachsende, instabile Austriebe, sogenannte Ständer, sowie das Einfaulen der Kappungsstellen bringen eine zunehmende Bruchgefahr mit sich.
Durch Verlust von Blattmasse wird die Versorgung der Wurzeln beeinträchtigt, als Folge können Wurzelteile absterben und holzzersetzende Pilze eindringen. In vielen Fällen ergibt sich nach ehemaligen Kappungen ein sehr hoher finanzieller Aufwand, um die Bruchsicherheit der gekappten Bäume durch entsprechend der ZTV-Baumpflege alle drei bis fünf Jahre durchzuführende Eingriffe zu erhalten.
Alles in allem haben Kappungen nur negative Folgen und keinen Nutzen, weshalb sie generell abzulehnen sind und nicht als Baumpflege bezeichnet werden können.
Kronensicherungsschnitt
Der Kronensicherungsschnitt sollte in der Praxis nur in Ausnahmefällen bei schwerst geschädigten Bäumen nach Durchführung einer eingehenden Untersuchung ausgeführt werden und nur, wenn die Stand- oder Bruchsicherheit eines Baumes auf andere Weise nicht wiederherzustellen ist. Beim Kronensicherungsschnitt können entsprechend den Erfordernissen zur Herstellung der Verkehrssicherheit Kronenteile oder die gesamte Krone im Grob- und Starkastbereich eingekürzt werden (Klug 2016).
Ziel der Maßnahme kann sein, den Baum zum Beispiel aufgrund seines Alters oder seiner Mächtigkeit auch mit einer stark reduzierten Krone mittel- bis langfristig zu erhalten. Ziel kann auch sein, den Baum oder Baumreste aus Natur- oder Artenschutzgründen kurz- oder mittelfristig als Biotop- oder Habitatbaum zu bewahren.
Soweit möglich soll auch beim Kronensicherungsschnitt bei den Einkürzungen auf Zug- oder Versorgungsast geschnitten werden. Äste und Neuaustriebe im unteren Kronen- oder Stämmlingsbereich sind aus physiologischen Gründen soweit wie möglich zu erhalten. Im Gegensatz zur Kappung ist es in vielen Fällen auch möglich, einen der Art entsprechenden Habitus des Baumes zu erhalten oder nachzubilden.
In manchen Fällen mag der Kronensicherungsschnitt die Vorstufe zur Fällung sein. Dies insbesondere dann, wenn Wurzel- und Stammfußbereiche bereits stark durch holzzersetzende Pilze wie zum Beispiel den Brandkrustenpilz zersetzt sind. Dann kann sich die Holzzersetzung durch fehlende oder geringere Belaubung schneller ausdehnen. Es gibt aber auch zahlreiche Beispiele, in denen Bäume auch nach einer massiven Einkürzung (oder einem starken Kronenbruch) noch Jahrhunderte lang erhalten werden können.
Literatur
FLL (Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau), 2006/2017: ZTV-Baumpflege: Zusätzliche Technische Vertragsbedingungen und Richtlinien für Baumpflege.
Klug, P. (2005): Vitalität und Entwicklungsphasen bei Bäumen. In PRO BAUM 1/2005, S. 2-5, Patzer Verlag, Berlin-Hannover.
Klug, P. (2015): Kronenschnitt an Bäumen: Unterschiede beachten. In AFZ-DerWald, 12/2015, S. 29-33.
Klug, P. (2016): Praxis Baumpflege - Kronenschnitt an Bäumen. 216 S., Arbus-Verlag, Bad Boll, 3. Aufl.
Klug, P. (2017): Praxis Baumkontrolle - Baumbeurteilung und Baumkataster. 256 S., Arbus-Verlag, Gammelshausen 1. Aufl.
Klug, P. (2017): Kappung ist baumzerstörend. Faltblatt-Download: www.baumpflege-lexikon.de.
Shigo, A.L. (1990): Die neue Baumbiologie. Bernhard Thalacker Verlag, Braunschweig.
Shigo, A.L. (1991): Baumschnitt. Bernhard Thalacker Verlag, Braunschweig
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