Sieben Jahre Erfahrung mit der Gründachstrategie – eine Bilanz

Wie Hamburg mehr Dächer und Fassaden begrünen will

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Hamburg Bauwerksbegrünung
Abb. 1: Projektarbeit und Fotoaktion an Schulen zum Thema Gebäudebegrünung. Foto: BUKEA/Isadora Tast

Die Hamburger Gründachstrategie startete 2014 als Teil der wassersensiblen und hitzeangepassten Stadt- und Freiraumentwicklung, um bislang ungenutzte Freiraumpotenziale zu aktivieren, Möglichkeiten für die Mehrfachnutzung von Freiräumen zu erschließen und einen Beitrag zu Klimaschutz und -anpassung zu leisten. Sie umfasst die vier Handlungsebenen: Fördern, Dialog, Fordern und Begleiten. Inzwischen, sieben Jahre später, ist sie ein Instrument, das sich bewährt hat und mit Unterstützung aus dem Modellvorhaben Green Urban Labs um Grüne Fassaden erweitert werden konnte. Bei den regierenden Parteien des Hamburger Senats gibt es einen breiten politischen Konsens und im Koalitionsvertrag (2020) sowie im Hamburger Klimaplan (12/2019) wurden die wichtigen Ziele aufgenommen, möglichst viele öffentliche wie private Gebäude in der Stadt zu begrünen. Hamburg spielt mittlerweile eine Vorreiterrolle bei Gründächern, wie Anfragen aus anderen Metropolen zeigen.

Planungsprozesse

Städtebaulich relevante Projekte finden in Hamburg kaum mehr ohne Gebäudebegrünung statt. Der Großteil der Dachbegrünung wird über Festsetzungen in Bebauungsplänen oder städtebaulichen Verträgen erreicht. Als Hilfe beim Planen von Gründächern hat die Umweltbehörde die Broschüre "Dachbegrünung. Leitfaden für die Planung" unter den drei Schwerpunkten "Wissen, Planen, Handeln" herausgegeben. Die Broschüre wird von Akteuren in den Verwaltungen, aber auch von Architekten und Bauträgern, wie Wohnungsbaugenossenschaften und Investoren der Stadt und, wie Rückmeldungen und Versandanfragen zeigen, in anderen Städten intensiv genutzt. Der Leitfaden bietet Argumentationshilfe unter anderem in der Bauleitplanung und bei Baugenehmigungsverfahren und vereinheitlicht Festsetzungen und Begründungen von Dachbegrünung in Bebauungsplänen.

Stadtwirtschaftlich relevante Effekte

Seit dem Start der Gründachstrategie nahm die Gründachfläche in der Hansestadt um etwa 50 Hektar zu. Die gesamtstädtische begrünte Dachfläche beträgt etwa 175 Hektar, davon wurden 39 Prozent der Gründachfläche im Wohnungsbau, 35 Prozent im Industrie- und Gewerbebau und 26 Prozent bei sonstigen Gebäuden errichtet. Der Anteil der Gründachfläche an der flachen beziehungsweise flach geneigten Dachfläche Hamburgs beträgt etwa 5 Prozent. Die Hälfte der Hamburger Dächer ist flach beziehungsweise flach geneigt. Die Studie "Hamburgs Gründächer - Eine ökonomische Bewertung" betrachtet die ökonomische Seite des Gründaches bei extensiven Gründächern in Hamburg und kommt 2018 zu dem Ergebnis: Gründächer rechnen sich auf lange Sicht auch ökonomisch:

  • Die Lebenszykluskosten über 40 Jahre sind gleichauf mit einem Schwarzdach.
  • Die Herstellungskosten liegen bei 40 bis 45 Euro pro Quadratmeter Dachfläche.
  • Die Kosten für statischen Mehraufwand liegen bei ca. 3-4 Euro pro Quadratmeter.
  • Der Kostenanteil in mehrgeschossigen Gebäuden bei 0,4 Prozent.

Legt man den Zuwachs von 50 Hektar Gründächern in Hamburg zu Grunde, so wurden mindestens 22 Millionen Euro in sieben Jahren für die Herstellung von Gebäudebegrünung in Hamburg investiert (500.000 m² x 45 Euro/m² = 22 500.000 Euro). Darüber hinaus sind dies Investitionen in die längerfristige Realisierung nachhaltiger, klimaneutraler Stadtentwicklung, in die Minderung von CO2 Emissionen, in die Klimaanpassung und die Verbesserung des Klimaschutz-Standorts Hamburg.

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Abb. 2: Der Demenzdachgarten von KerVita im Inselpark. Foto: BUKEA/Isadora Tast
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Abb. 3: Ökonomische Lebenszykluskostenbetrachtung über 40 Jahre bei einem 1000 m² großen extensivem Gründach mit 10 cm Aufbaudicke in Hamburg. Grafik: BUKEA/HCU Studie "Hamburgs Gründächer – Eine ökonomische Bewertung" 2018 S. 17.


Fördern

Ein Förderprogramm für Neubauten und Bestandssanierungen setzt seit 2015 Anreize für Bauherren und Gebäudeeigentümerinnen, ihre Dächer und Fassaden zu begrünen. Bislang wurden 280 Anträge gestellt und 86.000 Quadratmeter Dachbegrünung bewilligt. Die bewilligte Fördersumme liegt bei über 2 Millionen Euro. Antragsteller sind zur Hälfte Privatpersonen und zur anderen Hälfte Unternehmen, die Zuschüsse bei 75 Prozent Neubauten und 25 Prozent Bestandsbauten beantragen. Mit einem digitalen Fördermittelrechner können inzwischen Förderfälle unabhängig von Beratungsterminen gerechnet werden. Indirekt werden Gründächer darüber hinaus durch die Gebührenreduktion bei der Splittung der Abwassergebühr gefördert.

Im vergangenen Jahr wurde das Förderprogramm um fünf Jahre verlängert und die Zuschüsse auf Grund der Baukostensteigerungen um 20 Prozent erhöht sowie mit Fassadenbegrünung erweitert. Gefördert werden unter anderem qualitativ hochwertige Begrünungen mit bis zu 50 Zentimeter Substratdicken. Unternehmen können mit Erhalt der Förderung eine Anerkennung als "Hamburger Umweltpartner" erhalten, die einer indirekten Zertifizierung gleicht und einen Imagegewinn für nachhaltiges und verantwortliches Handeln bedeutet. Die Inanspruchnahme der Förderung benötigt, bedingt durch die Planungs- und Bauprozesse, einen mehrjährigen Zeitraum. Und eine für ein neues Förderprogramm wichtige Mund zu Mund Propaganda spricht sich, um bei potenziellen Fördernehmern anzukommen, nur langsam herum. Aus unserer Sicht ist es empfehlenswert, der Etablierung eines Förderprogramms genügend Zeit, also mindestens zehn Jahre, einzuräumen, um über seinen Erfolg urteilen zu können. Klimaanpassungsmaßnahmen sind erfahrungsgemäß langfristiger Natur und keine kurzfristig wirkenden Instrumente.

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Abb. 4: Mittagspause auf dem Betriebsgebäude der Hamburger Hochbahn Leggienstraße mit Blick auf eine einfache Intensivbegrünung und die Bahntrasse. Foto: BUKEA/Isadora Tast
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Abb. 5: Ein im Bau befindliches geförderte Solar-Gründach auf dem Bestandsgebäude einer Bank in der Hamburger Innenstadt. Foto: BUKEA/Isadora Tast
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Abb. 6: Vor-Ort-Beratungsgespräch zur Gründachförderung durch die Hamburgische Investitions- und Förderbank. Foto: BUKEA/Isadora Tast

Öffentliche Gebäude

Ohne die Begrünung ihrer eigenen Gebäude, kann die Stadt nicht glaubhaft fordern, dass private Bauende ihre Gebäude begrünen, deshalb wurden 2018 beispielsweise für den öffentlichen Schulbau 7,5 Millionen Euro für Gründächer bereitgestellt. Im Vertrag für Hamburgs Stadtgrün, der im Juni 2021 unterschrieben wurde, verpflichten sich städtische Träger, verstärkt Dach- und Fassadenbegrünung zu realisieren. Der Vertrag geht auf die Volksinitiative "Hamburgs Grün erhalten" (s. Stadt + Grün 3/2021) zurück. Die Begrünung der DESY-Forschungshalle in Bahrenfeld, eines der größten Projekte der Hansestadt zur Gebäudebegrünung, wurde in diesem Jahr eröffnet. Dabei sind rund 4600 Quadratmeter Fassaden- und Flachdachfläche der bestehenden Halle 36 mit rund 25.000 Gräsern, Stauden und Klettergehölzen bepflanzt und mit insgesamt 410.000 Euro von der Umweltbehörde gefördert worden.

Grüne Dächer und Fassaden sichern

Begrünte Dächer und Fassaden können ihre positiven Wirkungen langfristig und nachhaltig nur entfalten, wenn die Vegetation fachgerecht gepflegt und benötigte technische Einrichtungen regelmäßig gewartet werden. Zur Unterstützung bei dieser Anforderung hilft die Stadt Hamburg mit zielgerichteten Informationen. Die kostenlosen Broschüren "Handreichung zur Pflege und Wartung von Dachbegrünungen" sowie "Handbuch Grüne Wände" enthalten nützliche Hinweise und Anleitungen zur Pflege. Auch Nicht-Fachleute werden in die Lage versetzt, die grundlegenden Pflegemaßnahmen durchzuführen und beurteilen zu können, in welchen Fällen Fachleute des Garten- und Landschaftsbaus hinzugezogen werden müssen. Die Aufwendungen für Pflege und Wartung sparen Folgekosten. Darüber hinaus beraten Kooperationspartner wie die Hamburgische Investitions- und Förderbank und die Energielotsen Kunden in Informationsgesprächen zur Sanierung von Dächern und Gebäuden und zeigen Möglichkeiten der Gebäudebegrünung auf und bewerben diese.

Wissen vermitteln, Bilder erzeugen

In Veröffentlichungen und bei Interviews von Fachkundigen wurde festgestellt, dass fehlende Informationen sowie Falschinformationen auch innerhalb der Verwaltung und Stadtpolitik ein wichtiger Grund für mangelnde Umsetzungen von Gebäudegrün sind. Mit der Strategie Grüne Dächer und Fassaden wurden Informationsgrundlagen zur Umsetzung geschaffen. Da die Immobilienwirtschaft und Planende eine Schlüsselakteursgruppe für Gebäudegrün sind, bleibt es wichtig, Argumente für Politik und Verwaltung vorzubereiten, die diese Gruppe überzeugen kann. Die Wohnungssituation in Hamburg ist erhitzt und besonders dem bezahlbaren Wohnraum wird viel Wert beigemessen. Im Vergleich zu den Gesamtbaukosten und vielen anderen städtebaulichen Maßnahmen sind die Mehrkosten durch Bauwerksbegrünung gering. Dennoch wird häufig, wenn eine Begrünung nicht verpflichtend ist, abgewogen zwischen dem Anteil der Mehrkosten für Gebäudegrün und den Möglichkeiten zusätzliche Einnahmen aus Verkauf und Vermietung zu generieren. Dagegen eröffnen Themen mit Klimabezug die Chance, am Prozess Beteiligte zu einer Neubewertung zu veranlassen und bislang neutrale Beteiligte zu einer aktiven Auseinandersetzung mit dem Thema zu bewegen. Ein Bauvorhaben beziehungsweise Bestandsgebäude muss neu beziehungsweise anders bewertet werden, denn durch eine Gebäudebegrünung kommen ungewohnte Anforderungen hinzu, die bewältigt werden müssen.

Es zählt zu den Herausforderungen, eine Aufklärungs- und Öffentlichkeitsarbeit zu initiieren und diese Zielgruppe möglichst wirksam anzusprechen. Neben der Förderung wurden deshalb eine Plattform und ein Netzwerk aufgebaut, um Inhalte passgenau auch digital zu übermitteln, beziehungsweise nutzbar zur Verfügung zu stellen und Formate entwickelt, die das Thema Gebäudebegrünung effektiv an die Planenden, Bauenden und Verbände vermittelt. Es wurden Beratungsstellen geschaffen und Multiplikatoren fachlich qualifiziert, die als positiv wahrgenommen werden. Denn Gebäudeeigentümer haben häufig Beratungsbedarf hinsichtlich der Standortaufbereitung, konstruktiver technischer Systeme, der Statik und der Pflanzenauswahl. Im Prozess entstanden sind vielfältige Produkte: Fotoserien, Broschüren, Internetauftritt www.hamburg.de/gruendach mit vielen Werken zum kostenlosen Download, Exkursionen, Fortbildungen, Textbausteine für Leistungsverzeichnisse, Bebauungspläne und Wettbewerbsauslobungen bis hin zu Pilotprojekten wie der Halle 36 auf dem DESY Forschungscampus und dem Grünen Bunker auf dem Hamburger Heiligengeistfeld.

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Abb. 7: Vorher-Nachher Vergleich des Wissenschaftsgebäudes auf dem DESY-Forschungsgelände in Hamburg-Bahrenfeld. Foto: L+ Landschaftsarchitekten Hamburg Vision: luminousfields
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Abb. 7: Vorher-Nachher Vergleich des Wissenschaftsgebäudes auf dem DESY-Forschungsgelände in Hamburg-Bahrenfeld. Foto: L+ Landschaftsarchitekten Hamburg Vision: luminousfields
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Abb. 8: Fotokampagne, Kletterpflanzen-Verschenkaktion und Führungen zu Gebäudegrün an verschiedenen Hamburger Standorten um über die Chancen von Gebäudebegrünung zu informieren und zu begeistern. Foto: BUKEA/Angela Simi

Ämterübergreifend zusammenarbeiten

Zentral für das Gelingen war darüber hinaus die Zusammenarbeit verschiedener Akteure innerhalb und außerhalb der Hamburger Landesverwaltung. Eine prozessbegleitende Projektgruppe und Fachgruppen für übergeordnete Themenkomplexe in der Umweltbehörde (BUKEA) und der Stadtentwicklungsbehörde (BSW) bearbeiteten das Vorhaben. Wichtige Aufgabe war und ist es, gemeinsam mit Akteuren der Immobilienwirtschaft, der Verbände, der Planung, Verwaltung, Quartiersentwicklung, Baupraxis, Forschung und Politik herauszufinden, wie Gebäudebegrünung in Hamburg realisiert werden kann. In zahlreichen Gesprächen wurden die Anforderungen an eine Strategie erarbeitet und die Ergebnisse in den Prozess eingebracht.

Finanzierung des Vorhabens

Die notwendigen Mittel für Personalstellen zur Bearbeitung der Handlungsebenen wurden unter anderem durch eingeworbene Bundeszuschüsse finanziert sowie aus eigenen Haushalts- und Klimaanpassungsmitteln bereitgestellt. Sachmittel, wie etwa für die Öffentlichkeitsarbeit, wurden im Rahmen gesonderter Drucksachen und zukünftiger Haushaltsmittel eingeworben. Dies erfordert lange Vorläufe und Beschlusszeiten, einen langen Atem und die Aufmerksamkeit, Synergien zu suchen und zu finden.

Für Eigentümerinnen und Eigentümer einer selbstgenutzten Immobilie und Bestandshaltende sind der indirekt monetarisierbare Mehrwert und die Lebenszykluskostenbetrachtung wichtig. Die ökonomische Bewertung von Hamburgs Dächern zeigt, dass die Kosten über 40 Jahre im Vergleich zu Schwarzdächern nahezu gleich, beziehungsweise zugunsten der Gründächer ausfallen. Chancen ergeben sich außerdem aus der Anrechenbarkeit von Gebäudebegrünung in der Eingriffs-Ausgleichsbilanzierung nach dem Naturschutzrecht, die Ausgleichskosten an anderer Stelle fallen geringer aus. Der ökonomische Wert zur Verbesserung des Arbeits- und Wohnumfeldes, der Aufwertung der Gebäudearchitektur, des Mikroklimas, der Luftschalldämmung, der Filterung von Luftschadstoffen, der Steigerung der Artenvielfalt und der Energieeinsparung ist dagegen schwer zu ermitteln. Lediglich wird im Rahmen der DGNB-Zertifizierung für nachhaltiges Bauen Gebäudebegrünung als positiv bewertet. Und Vorsorgemaßnahmen gegen den Klimawandel sind wirtschaftlich günstiger als die Bekämpfung der lokalen Folgen einschließlich der Kostenbewältigung von nicht abwendbaren Wirkungen.

Grüne Fassaden

Das Interesse an begrünten Fassaden steigt, wenn auch sachte. Aus der Hamburger Gründachstrategie entstand mithilfe des Modellvorhabens Green Urban Labs im Forschungsprogramm Experimenteller Wohnungs- und Städtebau (ExWoSt) des Bundes, die "Strategie Grüne Fassaden", die die Inhalte der Gründachstrategie weiter an die Wände und Fassaden spielt. Die Strategie besteht aus den drei Bausteinen "Wissen, Kommunizieren und Bauen". Hierzu entwickelt wurde bislang das "Handbuch Grüne Wände", das bunt und reich bebildert informiert. Im Handbuch zeigen Grafiken und Steckbriefe was Fassadenbegrünung ist und welche Möglichkeiten und Eigenschaften vielfältige Begrünungsvarianten bieten. Dargestellt sind Vorteile und Nutzen von grünen Fassaden. Und für die Realisierung sind Hinweise und Empfehlungen zum Thema Planung, Genehmigung, Bautechnik, Pflege, Kosten, Beratung und Pflanzenauswahl enthalten. Weiterhin wurden grundlegende Fragen zum Thema Brandschutz und Fassadenbegrünung diskutiert und daraus sogenannte FAQs, "Häufig gestellten Fragen" zur Planung entwickelt und veröffentlicht (www.hamburg.de/ broschueren/).

Wissenschaftlich Begleiten

Hamburg erlebte im vergangenen Jahr den dritten Dürre- und Hitzesommer in Folge und 2018 eines der höchsten regional gemessenen Starkregenereignisse. Vor allem in den dicht bebauten Quartieren werden Hitzeperioden und Extremwetterereignisse zum Problem. Im Regeninfrastrukturanpassungs (RISA)-Pilotprojekt "Am Weißenberge" in Hamburg-Ohlsdorf werden deshalb auf drei Flachdächern von neuen Wohnungsbauten unterschiedliche Bauformen von Gründächern (u. a. Retentionsgründächer) im Praxistest von der HafenCity Universität Hamburg (HCU) untersucht. Evaluiert wird, welchen Beitrag die verschiedenen Dachbegrünungstypen zur Überflutungs-Vermeidung und zur Reduzierung der nachgeordneten Entwässerungseinrichtungen leisten können. Die ersten Ergebnisse sind eindrucksvoll. Bei einem Starkregen mit einer etwa 30-jährlichen Wiederkehrwahrscheinlichkeit (35 mm in 1 h, 27.08.2019) konnte ein Rückhalt von 66 bis 100 Prozent bei den verschiedenen Retentionsdachtypen und etwa 50 Prozent bei dem Extensivdach gemessen werden. Diese Erkenntnisse werden nun in die Bauleitplanung aufgenommen.

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Abb. 9: Hamburger Broschüren stehen kostenlos zum Download auf der Website https://www.hamburg.de/infomaterial zur Verfügung, z. T. auch in Englisch.
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Abb. 10: Die Freiraumpotentiale wurden auf den Dächern einer Baugemeinschaft aktiviert. Foto: BUKEA/Marie Hliwa

Fazit

Die innovativen Merkmale der Gründachstrategie und seiner Wirkung sind aus unserer Sicht folgende:

  • Der Prozess- und Strategiecharakter selbst,
  • die Konzipierung als ein breit in die Stadtgesellschaft hinein angelegtes Projekt mit weitreichender Akteursbeteiligung aus der Immobilien-/Wohnungswirtschaft, Planung, Wissenschaft, Verwaltung und öffentlichen Unternehmen,
  • die Verbindung instrumenteller und ordnungsrechtlicher Hebel mit ökonomischen Anreizen wie dem Förderprogramm und der Förderung von Pilotvorhaben,
  • die Einbindung in übergreifende Strategien (Qualitätsoffensive Freiraum, RISA, Klimaplan, etc.),
  • die Vorbildfunktion im öffentlichen Bauwesen und einer einhergehenden Selbstverpflichtung zum Bau von Gebäudebegrünung seitens der öffentlichen Hand,
  • der Ausleitung von Beratungs- und Fortbildungsinhalten sowie der Initiierung von weiteren Forschungsvorhaben, die öffentliche Zugänglichkeit praktischer Beispiele,
  • die Produktion von Inhalten und Bildern, die Lust machen für die breite Öffentlichkeit, Experten und Medien sowie
  • die Kenntnis der Grenzen (z. B. bei Bestandsbauten, den Kosten, der politischen Priorität "bezahlbaren Wohnraum" zu schaffen, Flächennutzungsplanung, begrenzter Einfluss bei Dächern im Privateigentum).

Dachbegrünung wird in Hamburg seit sieben Jahren bewegt, dennoch hält der Prozess an das Thema in der kompletten Breite zu verankern. Mit entsprechender Beharrlichkeit und Geduld setzt es sich langsam durch. Dabei trifft man, wie bei allen Projekten, auf Schwierigkeiten, Personen und Institutionen in ihrem konservativen Denken davon zu überzeugen, etwas anders, evtl. besser, machen zu können. Das Thema Fassadenbegrünung ist deutlich jünger, dennoch holen gerade in diesen Umbruchzeiten des Klimawandels, Grüne Wände die Stadtökologie wieder in das Bewusstsein und machen sie vor der Haustür erfahrbar. Daher wird Dach- als auch Fassadenbegrünung in Hamburg weiter fortgesetzt.

Dr. Hanna Bornholdt
Autorin

Landschaftsarchitektin

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