Siedlungen mit größerer Bedeutung zur Erhaltung der Biodiversität

Grünflächenunterhalt zwischen der Gartenkultur und Stadtnatur

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Abb. 1: Erlenmattpark, Basel: Wo die Nutzung im Vordergrund steht, bleibt für die Natur oft wenig Platz. Doch schon in nächster Umgebung kann die Priorität auf naturnahe Bepflanzungen gesetzt werden. Foto: Stadtgärtnerei Basel

Die Vielfalt einheimischer Tier-und Pflanzenarten ist heute im Siedlungsgebiet oft deutlich höher als in der umgebenden Landschaft. Die Ansprüche an eine ökologisch wertvolle Stadtnatur stehen jedoch in stetiger Konkurrenz zu Vorstellungen zur Gestaltung und der Nutzbarkeit städtischer Flächen. Um gute Lösungen zu finden, braucht es ein geschicktes Ausbalancieren unterschiedlicher Interessen.

Wer in Basel den Kannenfeldpark betritt, ist sich kaum bewusst, welch unterschiedliche Ansprüche auf dieser rund 9 Hektar großen Grünfläche unter einen Hut gebracht werden. Der Park ist ein ehemaliger Friedhof. Daher ist seine Gestaltung von gartenhistorischem Wert und soll in den Grundstrukturen bestmöglich erhalten bleiben. Dazu gehören vor allem die Alleen, das Wegenetz, die Umzäunung und Gehölze ehemaliger Grabbepflanzungen.

Obwohl sich die Gestaltung und Weiterentwicklung der Anlage diesen Strukturen zu unterordnen hat, bietet der Kannenfeldpark der Bevölkerung einen vielseitig nutzbaren Erholungsraum. An sonnigen Tagen tummeln sich hier Tausende von Erholungssuchenden mit ganz unterschiedlichen Beschäftigungen. Familien nutzen die großzügigen Spielangebote für Groß und Klein, Jogger drehen ihre Runden, Sonnenhungrige liegen im Rasen, Blumenliebhaber streifen durch den Rosengarten, verschiedene Gruppierungen treffen sich auf dem Rasen und grillen, picknicken, vergnügen sich mit Ballspielen, Schach oder Tischtennis. Dies und Einiges mehr machen den Park zu einer belebten Erholungsoase.

Bei dieser intensiven Nutzung stellt sich die Frage, wo noch Platz für die Natur bleibt. Doch durch geschickte Gestaltung haben auch einheimische Tiere und Pflanzen hier wertvollen Lebensraum erhalten. Während die Grünflächen innerhalb des Rundweges als intensiv nutzbare Rasenflächen gepflegt werden, wird der außerhalb liegende Randbereich als Blumenwiese bewirtschaftet und von den Nutzerinnen und Nutzern des Parks geschätzt und entsprechend respektiert. Hier finden Schmetterlinge und andere Insekten Nahrung und ein Imkerstand sowie ein Wildbienenhotel ergänzen die Qualität des Lebensraumes. Vögel, Eichhörnchen, Fledermäuse und weitere Tierarten gehören zur Lebensgemeinschaft des Parks. Zudem gedeiht eine große Vielfalt an Gehölzarten im Kannenfeldpark und macht ihn damit zusätzlich zu einem botanischen Juwel, das von interessierten Dendrologen gerne aufgesucht wird.

Das Beispiel des Kannenfeldparks zeigt, wie durch bewusste und gezielte Planung, Gestaltung und Pflege ganz verschiedene Aspekte in ein und derselben Anlage untergebracht werden können. Dazu braucht es eine differenzierte Betrachtung aus verschiedenen Perspektiven. In der gemeinsamen Diskussion von Vertreterinnen und Vertretern der Landschaftsarchitektur, des Naturschutzes und der Grünflächenpflege können wertvolle Potentiale erkannt und genutzt werden, um verschiedenen Zielsetzungen gleichzeitig gerecht zu werden.

Die Gestaltung und Pflege des Kannenfeldparks zeigt beispielhaft das Prinzip, nach welchem die Basler Parkanlagen entwickelt werden, so dass sowohl bezüglich der Gestaltung, der Nutzung und der Biodiversität das Optimum herausgeholt werden kann. Als Hilfsmittel für eine periodische systematische Überprüfung der Anlagen und eine stetige Weiterentwicklung bezüglich der verschiedenen Ansprüche und Ziele nutzt die Stadtgärtnerei Basel das Instrument "Q-Index". Sie hat sich bei der Entwicklung dieses Instrumentes selber engagiert und setzt es seit ein paar Jahren systematisch ein.

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Abb. 2: Kannenfeldpark, Basel: Hohe Nutzungsbedürfnisse stellen vielfältige Anforderungen an die Gestaltung und Pflege städtischer Parkanlagen. Der Q-Index hilft, die richtige Balance zu finden. Foto: Stadtgärtnerei Basel
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Abb. 3: Cécile-Ines-Loos-Anlage in Basel: Durch differenziertes Mähen entstehen sowohl wertvolle Naturräume wie auch nutzbare Rasenflächen auf kleinem Raum. Foto: Stadtgärtnerei Basel

Arbeiten mit dem Q-Index

Heute ist eine Q-Index-Begehung in einer Basler Parkanlage angesagt. Dabei sind je eine Fachperson der Grünplanung, des Grünflächenunterhaltes und des Naturschutzes. Die Erhebung wird angeleitet durch eine projektverantwortliche Person, die durch das Instrument führt und die Resultate der Diskussionen direkt im Tool elektronisch erfasst.

Zuerst wird die Beurteilung auf der Ebene des gesamten Freiraums angegangen. Diese erfolgt nach den drei Nachhaltigkeitsperspektiven und umfasst Indikatoren und Messkriterien zu folgenden Themen:

  • Soziale Qualität: Sicherheit, Angebot und Nutzung, Gestaltung;
  • Ökologische Qualität: Biodiversität, Klimafunktion, Umweltaspekte im Unterhalt;
  • Ökonomische Qualität: Effizienz und Effektivität, Kosten Instandhaltung und Instandsetzung, Kosten Erneuerung und Aufwertung.
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Der Q-Index ist ein Instrument, mit dem Qualitätsziele für Freiräume und Pflegeprofile definiert und deren Erfüllung periodisch überprüft und gesteuert wird. Der Q-Index wurde durch eine Arbeitsgruppe der Vereinigung Schweizerischer Stadtgärtnereien und Gartenbauämter (VSSG) entwickelt. Darin vertreten waren die Grünämter der Städte Basel, Bern, Chur, Grenchen, Winterthur, Zürich sowie die Forschungsgruppe Grünraumentwicklung der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften (ZHAW). Weitere Informationen und Bezugsquelle: www.vssg.ch Weitere Informationen: www.vssg.ch

Zu jedem Indikator werden sowohl der Istzustand wie auch der Sollzustand erfasst. Die Qualität des Parks wird damit nicht an fixen Maximalzielen gemessen, sondern an den spezifischen für die jeweilige Anlage sinnvollen Zielen. Die Resultate der Erhebung zeigen schließlich die Abweichung des Istzustandes von dem an diesem Standort definierten Sollzustand. Daraus lassen sich der Handlungsbedarf und dazu passende Maßnahmen ableiten. Im Park entsteht beim Thema Sicherheit eine Diskussion um die Beleuchtung. Anwohner haben schon ab und zu bemängelt, dass sie sich im Dunkeln unsicher fühlen.

Aus Sicht der Sicherheit und Nutzungsqualität wäre es sinnvoll die Wege zu beleuchten. Auch das vorhandene Kunstobjekt könnte mit einer Nachtbeleuchtung besser in Szene gesetzt werden. Die Naturschutzfachperson hält dagegen an. Gemäß dem Inventar ist hier ein besonders wertvoller Standort für Fledermäuse, die durch das nächtliche Licht gestört würden. Auch ist eine stärkere Nachtnutzung nicht erwünscht, da sie die Tierwelt stören würde. Nach einer kontroversen Diskussion und sorgfältigem Abwägen der Interessen wird entschieden, an diesem Standort bei der Beleuchtung sowohl für den Soll- wie auch für den Istzustand eine tiefe Note zu geben.

Der Park soll nachts dunkel bleiben, Anwohner können ihn problemlos umgehen. Somit wird dem Schutz der Tierwelt hier eine größere Priorität zugeordnet. In einer zentrumsnäheren Anlage könnte dieser Entscheid gerade umgekehrt ausfallen. Wichtig ist, dass die Beurteilungen stets standortspezifisch erfolgen. Denn was am einen Standort stört, kann am einem anderen genau richtig sein. Das Instrument leitet zu dieser differenzierten Betrachtung an.

Überprüfung der Pflegeprofile

Die Grünflächen in der Stadt Basel sind im Grünflächenkataster rund hundert verschiedenen Pflegeprofilen und innerhalb der Profile teilweise zwei bis drei Pflegeklassen zugeteilt. Auf dieser Ebene erfolgt die feine Steuerung der konkreten Pflege vor Ort. Hier lassen sich standortspezifisch verschiedene Qualitäten bezüglich Gestaltung, Nutzung und Biodiversität festlegen. Das Instrument Q-Index bietet auch hier eine Unterstützung, um die Ziele und Qualitäten periodisch zu überprüfen und zu steuern. Die flächenrelevantesten 34 Pflegeprofile sind mit spezifischen Indikatoren und Messgrößen erfasst. Diese beziehen sich auf die Themen Aussehen, Pflanzengesundheit, Unkrautbewuchs, Abgrenzung, Sicherheit und Artenvielfalt. Dabei wird analog der Ebene Freiräume jeweils sowohl der Sollzustand wie auch der Istzustand aufgenommen und der Handlungsbedarf aus den Differenzen abgeleitet.

Auf unserer Begehung wird zum Beispiel festgestellt, dass eine Fläche dem Pflegeprofil Gebrauchsrasen und der Pflegeklasse 1 zugeteilt ist. Die Besichtigung zeigt jedoch einen extensiven Blumenrasen und der Unterhaltsverantwortliche bestätigt, dass diese Fläche nicht gedüngt und nur wenig intensiv gemäht wird, da sie wenig genutzt wird und bisher auch keine anderen Ansprüche angemeldet wurden. Diese Situation löst eine Diskussion zwischen den Vertretern der Gestaltung, des Naturschutzes und des Unterhalts aus.

Die Gesamtgestaltung des Parks sieht hier einen Rasen vor. Analog der angrenzenden Flächen sollte hier eine grüne Rasenfläche das Bild prägen. Aus Sicht des Unterhalts würde dies Mehrarbeit erfordern und bei der geringen Nutzung stellt sich die Frage, ob es diesen wirklich wert ist. Die Vertretung des Naturschutzes plädiert dafür die Fläche zu einer Blumenwiese aufwachsen zu lassen und nur noch zweimal jährlich zu mähen, da dies für die Biodiversität wertvoller wäre. Die verschiedenen Aspekte werden in der Diskussion gegeneinander abgewogen und schließlich wird gemeinsam entschieden, wie die Prioritäten auf dieser Fläche gesetzt werden sollen.

Da der Park für die aktuellen Nutzungsbedürfnisse schon ausreichend intensiv nutzbare Rasenflächen aufweist, willigt auch der Landschaftsarchitekt ein, die Zuteilung dieser Fläche zu korrigieren. Es wird das Profil Blumenrasen zugeteilt und damit der Biodiversität ein höherer Stellenwert zugeordnet. Von einer Blumenwiese wird hingegen abgesehen, da sie das Bild doch wesentlich verändern würde. Zudem ist der Boden aus früherer Bewirtschaftung noch sehr nährstoffreich, so dass daraus kaum eine artenreiche Wiese entstehen würde.

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Abb. 4: Beispiel einer Auswertung aus dem Q-Index auf der Ebene des gesamten Freiraums. Abb. Stadtgärtnerei Basel, Quelle: Quelle: www.vssg.ch

Grünflächen auf verschiedene Ansprüche ausrichten

Eine periodische Überprüfung der Grünflächen aus verschiedenen Fachperspektiven hilft Unklarheiten wie im obenstehenden Beispiel zu erkennen und bereinigen. Die Flächenentwicklung und Bewirtschaftung wird damit gezielt gesteuert und Ansprüche bezüglich Gestaltung, Naturschutz und Unterhalt werden möglichst optimal unter einen Hut gebracht. Das führt zu guten Lösungen mit gezielten Kompromissen, die sowohl der Bevölkerung wie auch der Natur zugutekommen und oft auch unnötige Pflegekosten einsparen.

Der Q-Index kann als Hilfsmittel eingesetzt werden, um diesen Prozess zu strukturieren. Das Instrument ist so programmiert, dass unmittelbar nach der Begehung die Auswertungen und Grafiken zur Verfügung stehen. Die Resultate der Beurteilungen sind dokumentiert und der Handlungsbedarf mit adäquaten Maßnahmen erfasst. Diese Grundlagen lassen sich gut für politische Diskussionen und Finanzanträge einsetzen.

Biodiverses Grün ist gefragt

Bei der Bevölkerung ist ein wachsendes Interesse, Verständnis und auch gebührender Respekt für naturnahe Grünflächen wahrnehmbar. Das Siedlungsgebiet bietet viel Potential, der Natur mehr Platz zu geben. Zum Beispiel mit einheimischen Pflanzen, großkronigen Bäumen und Kleinstrukturen wie Hecken, Laub- und Steinhaufen entstehen sowohl in öffentlichen Parkanlagen wie auch in privaten Gärten wertvolle Lebensräume für die Tierwelt.

Mit differenzierter und oft auch kleinräumiger Planung lassen sich biodiverse Flächen gut in Flächen mit anderen Nutzungsansprüchen integrieren. Zudem ist wertvoll, wenn die verschiedenen Lebensräume im Siedlungsgebiet gut vernetzt sind, damit Tierarten zwischen den verschiedenen Lebensräumen zirkulieren können.

Dipl.-Biologin Yvonne Aellen
Autorin

Leiterin Abteilung Grünflächenunterhalt

Stadtgärtnerei Basel

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