Peter Degen

StadtKulturLandschaft

Bücher Landschaftsplanung

Der Band schließt eine Trilogie ab, die Peter Degen mit "Grundlagen zu einer Theorie des gebauten Ortes" überschrieben hat. Nach vielen Stationen der Forschung und Lehre, die ihn unter anderem an die ETH Zürich und die Peter Behrens School of Arts in Düsseldorf führten, ist Degen nunmehr emeritiert. Das Spektrum seiner Ausbildung und lebenslangen Weiterbildung ist humanistisch groß. Die reich bebilderten Bände sind ihrer sinnlich-anschaulichen Substanz nach eine Ausbeute von Degens zahlreichen Studienreisen und Exkursionen mit Studenten und zugleich eine Bilanz seiner vita activa. Nachdem Degen im ersten Band eine Typengeschichte des Bauens im Hinblick auf die topologische Struktur des Ortes vorgelegt und im zweiten Band Raumgefüge von den Zwischenräumen her bestimmt hatte, um daraus Konzepte für städtebauliche und stadträumliche Interventionen zu entwickeln, widmet er sich im dritten Band dem Verhältnis von Baukultur und Kulturlandschaft (Vgl. zum zweiten Band "Stadt und Grün" 3/2014, S. 57f.). Degens Theorie ist eine des im Raum unbestimmten, nicht gebauten Ortes, der, wenn zur Kulturlandschaft geformt, in eine Gegenüberstellung zum gebauten Ort tritt. Beides, das heißt auch Mensch und Landschaft in einen Dialog zu bringen, ist ein Desiderat Degens, welches heute durch vielfältige Störungen unterbrochen ist.

Sein Ausgangspunkt ist die Wahrnehmung der Landschaft, die je nach Betrachter und Zeitläufen stark schwankt. Daran schließen sich Ordnung und Systematisierung an, was Voraussetzung ihrer Aneignung ist. Hier deuten sich bereits Herrschaftsverhältnisse an. Die Landschaftswahrnehmung und die Landschaftsmalerei sind das Material Degens, um Typologisierungen herauszuarbeiten, die er mit einem Füllhorn an Beispielen illustriert. Degen steigert seine Landschaftsbeschreibungen nicht zu einer abstrakten Idealität, sondern bindet sie an die Fallbeispiele zurück und differenziert sie zur Realität aus, wo sie hingehören. Die Bildformate sind etwas klein geraten, stehen jedoch in einem ausgewogenen Verhältnis zum Text. Das macht die Lektüre angenehm bis genussvoll.

Häufig stößt man auf fast naiv klingende Aussagen wie die, dass das Bauen an die Topografie angepasst sein sollte und nicht umgekehrt. Aber was die "Alten" so selbstverständlich praktiziert haben und was die Abbildungen älterer Kulturlandschaften so selbstverständlich belegen, unterliegt heute zunehmender Amnesie. Degens Trivialitäten muten angesichts immer technischer werdender Planungsvorgänge und Studiengänge schon sensationell an. Er nimmt sich Zeit zur Betrachtung.

Degen stellt Kriterien für die Analyse und Typologisierung von Stadt- und Landschaftsräumen auf, darunter "Relief", "Vegetation", "Himmelsausschnitt" oder jahreszeitlicher Wechsel. Daraus folgt die Klassifikation von Landschaften wie klassisch, romantisch oder "kosmisch" (Wüsten). Den Menschen wohnt ein mit der Evolution variierendes Nischenverhalten inne. Die Einbettung in die Topographie, ob Gebirge, Küste oder Ebene, prägt rückwirkend - und bis in die industrielle Zivilisation hinein - die Menschen.

So anschaulich und lehrreich wie Degen die Typologie belegt, so schnell verfällt er aber auch einem starren, isolationistischen Systematisierungsschema. Eine "Kultur des Zwischenraums" verfehlt er im vorliegenden Band. Aus seiner konservativen Sicht heraus fällt es ihm leicht, die Degradierung der Landschaft durch Zersiedelung, Versiegelung und Umweltverschmutzung zu diagnostizieren. Zum Ausgleich werden uns fiktive Bestiarien, virtuelle und Indoor- Landschaften mit Placebo-Effekt vorgegaukelt. Komplementäre Strukturen von Stadt und Land werden zur Unkenntlichkeit verwischt, schreibt Degen in etwas derber Kritik an Scharouns Nachkriegsplanungen. Aber sollte nicht nach neuen "Zwischenlandschaften" Ausschau gehalten werden? Nicht als Landschaft zwischen den Städten, sondern als verstreute, hybride Elemente, die ihr eigenes "Dazwischen" in sich tragen. Nach Alberti könnte das ein verborgenes Schönes sein.

Zum Glück begibt sich Degen selbst auf solch ungenormte Spuren. In seinen historischen Beispielen konstatiert er einen gesteigerten Reiz von Städten, wenn etwa die Rasterstruktur aus Gründen der Wehrhaftigkeit einer Stadt in einem Oval zusammengefügt wird und wenn auch im Kleinen Platz- und Hofräume von der strikten Orthogonalität abweichen. Auf der größten Abstraktionsebene entwickelt Degen jedoch wieder einen allgemeingültigen - und die Gegenwart bloßstellenden - Maßstab: Die Stadtstrukturen und die der umgebenden kultivierten Landschaft sollten sich ergänzen und zueinander stimmen. Das waren Palladios Prinzipien, die heute noch gelehrt, aber kaum beherzigt werden. Degen: "Die derzeit objektbezogene Architektur ist oft schon mit den Schnittstellen zwischen Haus und Umraum überfordert." Aber Degen verteilt auch Lob, und ausgerechnet für die umstrittene Feuerwache Zaha Hadids in Weil am Rhein. Die Architektin orientierte sich in ihrem ersten gebauten Werk an der Struktur der umliegenden Flurteilung, die wegen der Realerbteilung immer schmaler geworden war.

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Raffaele da Reggio, Fresko in der Villa Lante in Bagnaia, nach 1578. Abbildung: gemeinfrei

Die Landschaftstypologien bezieht Degen zurück auf verschiedene Perioden der Malerei. Von der frühen Renaissance bis ins späte 19. Jahrhundert zeichnet er eine immer genauere topographische Darstellung bis zum Abbild der realen Landschaft nach. So linear laufen jedoch die Prozesse auch in der Kunstgeschichte nicht ab. Das Groteske, Unheimliche und Phantastische hielt sich auch während des sogenannten Naturalismus. Degens übergreifender Ansatz ist jedoch plausibel: Die Menschen schaffen sich erst dann ein Abbild von der Natur als Landschaft, wenn sie in ihr nicht mehr leben und arbeiten.

Aber Mystik und Dialektik sind auch Degen nicht fremd, der sich sowohl in der Aufklärung als auch in der Romantik verortet. Das Sehen ist aus der unendlichen Fülle des Nichts zu begreifen, schreibt er sinngemäß. Seine Bücher wecken die Lust, den Reiserucksack zu packen und Landschaft zu erfahren - als Verlust oder als Gewinn. Als Gewinn für Planer.

Dr. Bernhard Wiens

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