Der Weltkongress Gebäudegrün fand Ende Juni in Berlin statt
Treescrapers und Greenroofs
von: Dr. Andrea BrillNeben der Vorstellung von Praxisbeispielen durch Landschaftsarchitekten und -architektinnen haben die Vorträge gezeigt, dass Wissenschaft und Politik, aber auch die Industrie, große Schritte nach vorn gegangen sind. Spannend war zu sehen, wie unterschiedlich die Projekte global ausfallen und welche Schwerpunkte gesetzt werden. Während in Asien die vertikalen Grünflächen auf dem Vormarsch sind, setzen die Deutschen auf den Ausbau von Gründächern und Regenwasserretention. Aber auch die Begrünung von Bestandsflächen spielt eine wachsende Rolle.
Hortitecture, die Symbiose von Architektur und Pflanzen, zeigt sich beispielhaft in einem Projekt von Almut Grüntuch-Ernst, Mitinhaberin des gleichnamigen Architekturbüros in Berlin. Im Rahmen des Umbaus des ehemaligen Frauengefängnisses in Charlottenburg in das Hotel Wilmina wurden alle Dächer begrünt, die steinernen Innenhöfe aufgebrochen und in üppig begrünte Oasen verwandelt. Entstanden sind kaskadenartige Gärten vom Dach bis in die Höfe hinein, mit wiedererweckter grüner Wildheit. Genutzt haben die Planer auch die Licht- und Schatteneffekte der Pflanzen. So wurden Farne zu einer wichtigen Pflanzenkomponente und auch kleinste Flächen wurden begrünt. Ein Highlight bildet eine Efeu-Wand am Ende eines Innenhofes.
Vertikale Begrünung
Ein aufsehenerregendes Projekt stand im Fokus eines weiteren Vortrags, die hängenden Gärten in Budapest, die Péter Dezsényi vorgestellt hat. Auf dem Gelände einer Maschinenfabrik, im Szellkapu-Park in Budapest ist auf einer 2,5 Hektar großen Fläche ein neuer Park angelegt worden, der 2020 eröffnet wurde. Eine vertikale Erweiterung hat der Park mit der Errichtung einer begrünten Mauer erhalten, die sich entlang der Parkgrenze zieht und eine weniger ansehnliche Mall-Wand verkleidet.
Die Mauer hat eine Fläche von 4550 Quadratmeter und eine spektakuläre Höhe von 14–19 Meter. Die Pflanzen befinden sich in speziell angefertigten Kübeln die an einem Rahmengestell aus rostfreiem Edelstahl angebracht sind. Vom Edelstahlrahmen aus erfolgt die Bewässerung, Benebelung und Drainage, als wichtige Komponenten der Pflanzenpflege. Die Wahl bei den Pflanzen fiel auf 14 verschiedene Arten von Kletterpflanzen, die dem trockenen ungarischen Klima – Ungarn liegt im Karpatenbecken, der Pannonischen Tiefebene – trotzen sollen. Eine der Herausforderungen liege, wie Peter Deszenyi betonte, in der langfristigen Pflege und der Anlage, was durch Monitoring und Kontrolle unterstützt werde.
SUG-Stellenmarkt
Paolo Rosso, Mitarbeiter des Architekturbüros Boeri Studio, stellte verschiedene Projekte in Europa vor. Neben der Fassadenbegrünung am Val d'Or in Brüssel erwähnte er in Mailand die bekannten begrünten Zwillingstürme Bosco Verticale, "Senkrechter Wald". Bei der Installation von Bäumen in der Fassade ist eine windfeste Verankerung von großer Bedeutung. Herausforderungen bestehen zudem in der Auswahl der Bäume, der Anlieferung und der Installation der Bäume in zuweilen enormen Höhen. Die Pflege erfolgt über Flying Gardeners, Gärtner, die sich wie Kletterer von den Stockwerken abseilen, um die Pflanzen zu versorgen.
Regenwassermanagement
Ein weiteres zentrales Thema des Kongresses war das Regenwassermanagement, insbesondere die Wasserretention. Tilman Lauber, ehemals TU München, jetzt bei dem Dachspezialisten Bauder beschäftigt, erläuterte unterschiedliche Technologien für das Regenwassermanagement.
Insbesondere in größeren Städten machen sich zwei Probleme bemerkbar: entweder fällt zu wenig Regen und Hitzeperioden dauern zu lange an, oder es fällt in kurzer Zeit eine zu große Menge an Regenwasser, das nicht abfließen kann und sich auf den Oberflächen, wie Straßen und Plätzen, staut.
Die Lösung sieht Lauber in einer wassersensiblen Stadt, das heißt einer Schwammstadt anstatt kanalisierten Stadt. Das bedeutet Speicherung von und langfristige Verdunstung des Wassers. Hier kommt das Gründach ins Spiel, mit dem der Wasserabfluss verzögert und insgesamt reduziert wird. Über die Retentionsdrossel wird das Regenwasser kontrolliert und verzögert abgeleitet und über Rohre zum Speicher geführt.
Wichtig bei diesem System ist das Flachdach, also eine Null-Grad-Schräge. Denn bei den üblichen Steildächern fließt das Wasser ab und sammelt sich an der tiefsten Stelle. An zwei Praxisbeispielen zeigte Lauber, wie Regenwasser gezielt gespeichert und abgeleitet werden kann. In Villingen-Schwenningen zeigte sich bei einer Gründachanlage auf einer Fläche von 780 Quadratmetern und einer zusätzlichen Fläche über einer Tiefgarage von 245 Quadratmetern, dass die von der Kommune geforderte Reduzierung des abgeleiteten Regenwassers erzielt werden konnte. Bei einem weiteren Praxisbeispiel in Südbayern, einer Wohnanlage, konnte er demonstrieren, dass es auch möglich ist, gar kein Wasser mehr in die Kanalisation zu leiten, weil es komplett abgeleitet wurde.
Kommunale Strategien
Um die Gebäudebegrünung voranzubringen ist es von Bedeutung, die Politik mit ins Boot zu holen. Dr. Hanna Bornholdt stellte Kernaspekte der kommunalen grünen Strategie der Stadt Hamburg vor. Diese Strategie wurde vom damaligen Oberbürgermeister Olaf Scholz angestoßen und erfreut sich mittlerweile einiger Erfolge.
Die Gründachstrategie in der Hafenstadt startete 2014 und hat seit sieben Jahren zum Ziel, Gründächer in Hamburg zu implementieren; wichtig seien dabei das Fördern, den Dialog zu führen und ihn wissenschaftlich zu begleiten. Eine Herausforderung in Hamburg ist die zunehmende Verdichtung und Versiegelung durch die wachsende Stadtbevölkerung.
Ein wichtiger Baustein im Entgegenwirken ist die Regenwasserretention und der Ausbau erneuerbarer Energien in der Stadt. Für die Voranbringung der grünen Strategien sei die politische Verankerung besonders wichtig, wie Bornholdt betonte. Dies geschehe in Hamburg unter anderem mit dem Hamburger Klimaplan 2019 und dem Bündnis für das Wohnen 2021. Seit 2015 bestehe außerdem ein Förderprogramm für Dachbegrünung, eine Förderung der Freiraumbegrünung sowie die Kostenübernahme bei Wandbegrünung.
Wichtig sei es zudem, dass die öffentliche Hand als Vorbild wirke. In Hamburg ist ein Beispiel dafür die Dachgartenanlage auf dem Max Planck Institut. Außerdem sollen alle Schulen künftig ein Gründach erhalten und viele Wettbewerbsausschreibungen sind mittlerweile an Gründächer gebunden.
Wichtig ist natürlich auch die Gewinnung der Bevölkerung für die Vorteile des Gebäudegrüns. So startet die Stadt konsequent Informations- und Kommunikationskampagnen, über Exkursionen und Besichtigungen soll die Sensibilisierung der Bevölkerung für das Thema geweckt werden. Der Hamburger Preis für Grünes Bauen soll darüber hinaus Publicity bewirken.
Unter dem Ziel Fördern geht es unter anderem um die Festsetzung von Begrünungsarealen zur Ausweitung von Begrünung in der Stadt. Die Stadt Hamburg hat es sich zum Ziel gesetzt, das Gründach mit Solaranlage verpflichtend zu machen. Zur wissenschaftlichen Begleitung zählen Analysen von Dächern auf Biodiversität über Biomonitoring, Kostenanalyse bei Gründächern und die Untersuchung des Regenwasserrückhalts bei Nullgraddächern (Flachdächern). Hier kooperiert die Stadt Hamburg mit der Hafencityuniversität. Ein Aushängeschild der Stadt ist der Bunker auf dem Heiligengeistfeld, der um fünf Stockwerke aufgestockt wurde und eine begrünte Fläche von 6800 Quadratmetern mit 996 Bäumen schaffte.
Gründächer als Erweiterung von Grünanlagen
Auch die Stadt Berlin setzt auf Verdunstung von Regenwasser und auf ausreichend Freifläche, um dem Klimawandel entgegenzuwirken und die Reduktion von CO2 zu erzielen, wie Dr. Heike Stock von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen in ihrem Vortrag erläuterte.
Die Entsiegelung von Flächen und Regenwassermanagement stehen daher auch in Berlin auf der Agenda. Die zweite grüne Freifläche soll mit Gebäudegrün geschaffen werden. In den vier Jahren von 2016 bis 2020 sind 2000 Gründächer neu errichtet worden. Somit kam es zu einer Zunahme von 165 Hektar an Gründächern. Als neue Parkfläche wäre dies nicht durchsetzbar gewesen. Daher nimmt das Gründach eine immer wichtigere Stellung in der Schaffung von Grünflächen in Städten ein. Errichtet worden sind die Gründächer in Berlin vor allem auf Wohnhäusern, Bürogebäuden und Tiefgaragen.
Ein Beispiel mit großangelegter Dachbegrünung ist die Mall of Berlin. Heike Stock verdeutlichte, dass es ohne strategischen politischen Rahmen nicht weiter gehen würde. So sind öffentliche Aufträge mit entsprechender Auflage hilfreich oder eine Wasserwirtschaftliche Anordnung, die zum Beispiel vorsehen würde, keine Regenwasserableitung mehr in Neubaugebieten zu erlauben. Das allein würde schon die Errichtung von Gründächern vorantreiben.
Im Rahmen des Förderprogramms GrünDach Plus, bei dem Gründächer mit Grünfassaden kombiniert werden, zeigte sie als Fallbeispiele das Stiftungsgebäude Tiergarten oder das Wohnhaus Weberwiese mit Gründach in Friedrichshain.
Auch nach Ansicht von Stock sollte die öffentliche Hand Vorbild sein. Eine zentrale Strategiekomponente ist dabei die Beratung. Wie funktioniert Gebäudegrün, welche Vorteile sind damit verbunden? Eine wichtige Institution ist hierin die seit fünf Jahren bestehende Regenwasseragentur in Berlin. Sie ist eine entscheidende Hilfe in der Stadt, das Regenwassermanagement voranzutreiben und zu verbessern. Außerdem ist der interdisziplinäre Austausch und die Kooperation mit Betrieben, der Immobilienwirtschaft und Universitäten wichtig.