Vielfältige Faktoren gefährden Echte Mehlbeere
Sorbus aria ist Baum des Jahres 2024 (Teil 2)

Ihr zähes Holz ist relativ unempfindlich gegen Schneeschurf oder Erdrutsche. Die Mehlbeere leistet eine wichtige Schutzfunktion bei der Aufforstung warmer Kalkschutthänge sowie der Anlage von Lawinenschutzwäldern. Im Bergmischwald der Bayrischen Alpen ist sie mit einem Anteil von bis zu fünf Prozent an Schutzwaldaufforstungen beteiligt (Schütt et al., o.J.).Aufgrund ihres begrenzten Höhenwachstums wird sie gern zur Waldrandgestaltung verwendet und auf zusagenden Standorten in Windschutzpflanzungen einbezogen. Des Weiteren wird Sie wegen folgender Eigenschaften geschätzt: sie verbessert den Wasserhaushalt auf trockenen und flachgründigen Standorten. Ihr leicht zersetzbares Laub trägt zur Bodenverbesserung bei. Für die seit einigen Jahren zunehmenden Wildobstpflanzungen zur Förderung des Naturschutzes wird die Mehlbeere ausdrücklich empfohlen (Robin Wood, 4-2023).
Die Mehlbeere sollte nicht nur wegen ihrer ökologischen Bedeutung erhalten und gefördert werden, sondern sie trägt durch ihre weißen Blüten, roten Früchte, weißen Blattunterseiten, die besonders bei Wind dem Baum ein spielerisches Aussehen geben, und der gelben Herbstfärbung zur Belebung der Umgebung bei – sei es Garten, Park, Straße oder freie Landschaft.
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Gefährdung
Unterschiedliche Einflüsse gefährden die Mehlbeeren und ihre zum Teil
bedrohten Unterarten. Das größte "generelle" Risiko ist mangelnde
Förderung,
denn ohne schützende Maßnahmen sind die Sorbus-Arten nicht zu erhalten.
Bei den spezielleren Gefahren liegen mitunter positive und negative
Auswirkungen dicht beieinander:
- Die Mehlbeere besiedelt häufig gestörte Bereiche. Die Bodendynamik schafft offene Flächen für die Ansiedlung, andererseits können Bergrutsche oder Steinschläge gerade kleine Vorkommen stark dezimieren, eventuell sogar ganz vernichten.
- Offen gehaltene Hochweiden können Mehlbeeren neue Lebensräume erschließen, doch bei der Gehölzbeseitigung werden immer wieder seltene Zwischenarten aus Unkenntnis entfernt.
- Mehlbeeren, aber auch andere Obstgehölze, die in Säumen entlang von Wirtschaftswegen wachsen und dem Kronendruck benachbarter Bäume ausgesetzt sind, versuchen diesem zu entgehen, indem sie sich seitlich zum Licht strecken und damit in die Wege hineinragen. Der nicht auf sich warten lassende Schnitt verhindert das Fruchten der Bäume. Ein Zurückschneiden der Konkurrenzpflanzen hingegen ermöglicht aufrechten Wuchs.
- Die Unterpflanzung lockerer Wälder – zum Beispiel lichter Kiefernwälder, in denen Sorbus gedeiht, blüht und fruchtet – kann innerhalb weniger Jahrzehnte zum Erlöschen der Sorbus-Bestände führen.
- Das Einbringen gebietsfremder Sorbus-Arten kann zu einer genetischen Veränderung der Bestände beitragen (Meyer, Zehm, 2010).
Neben der Gewöhnlichen Mehlbeere kommen in Bayern noch zahlreiche
weitere Mehlbeeren vor, etwa die Sorbus hybrida-Gruppe, in der alle
Hybriden, Aufspaltungsprodukte und hybridogenen Zwischenarten
zusammengefasst sind, die aus der Hauptart Sorbus aucuparia und Sorbus
aria entstanden sind. Sechs fixierte Endemiten dieser Gruppe, die in der
mittleren und nördlichen Fränkischen Alb, in Arealen sehr
unterschiedlicher Größe vertreten sind, sollen hier erwähnt werden, da
es sich durchgängig um gefährdete Gehölze handelt, für deren Erhalt
Deutschland "in besonders hohem Maße verantwortlich" ist (Rote Liste,
2018).
Das größte Areal nimmt die Hersbrucker Mehlbeere (S.
pseudothuringiaca)¹ ein. Die gefährdete Art besiedelt die felsreichen
Hangabschnitte beiderseits der Pegnitz. Innerhalb dieses Gebietes finden
sich am Nordrand der Mittleren Fränkischen Alb auf eng begrenzten
Räumlichkeiten die mit ihr vergesellschafteten stark gefährdete und
extrem seltene Sorbus gauckleri (Gaucklers M.) und die vom Aussterben
bedrohte S. schwarziana (Schwarz' M.). Sie ist offenbar auf einen
kleinen Abschnitt der Oberpfälzer Alb beschränkt, circa 20 Exemplare
sind im Umkreis von Frechetsfeld bekannt. Um Gößweinstein besiedelt die
stark gefährdete S. pulchra (Gößweinsteiner M.) ein eigenes Areal
zusammen mit der extrem seltenen S. franconica (Fränkische M.)². Bei
Forchheim, am westlichen Albtrauf wächst, ebenfalls mit S. franconica
vergesellschaftet, in Waldsäumen um Dolomitfelsen, eng begrenzt die
extrem seltene S. hohenesteri (Hohenesters M.). Am nördlichen Ende der
Fränkischen Alb bei Weißmain findet man die ebenfalls extrem seltene S.
harziana (Harz' M.). Alle Vertreter der Sorbus hybrida-Gruppe besitzen
nur kleine Areale, der Rückgang wird unter anderem durch unangepasste
Bewirtschaftung bedingt: ein Kronenschluss durch stärker schattende
Gehölze verhindert eine ausreichende Naturverjüngung (Meyer et al.,
2005; Rote Liste 2018).
Am Beispiel der vom Aussterben bedrohten S. hohenesteri lässt sich
dies besonders gut beobachten. Diese bei Leutenbach auf wenigen Felsen
vorkommende Mehlbeere wächst streng aufrecht und ist dadurch nicht in
der Lage Beschattung auszuweichen. Durch diese Eigenart sind die Gehölze
weitgehend auf die primären Säume oberhalb von Dolomitfelsen
beschränkt, wo fast alle bekannten fertilen Sträucher wachsen. Bei der
Entdeckung 1992 wurde die Anzahl der Pflanzen auf über 50 geschätzt,
aktuell sind weniger als 20 Exemplare aller Altersstufen im gesamten
Bereich bekannt. Die geringe Populationsgröße verlangt strikte Schonung
bei der Durchforstung und Freistellung der verbliebenen Exemplare, um
einen ausreichenden Fruchtansatz sicherzustellen (Meyer et al., 2005).
In Thüringen lassen sich neben den vier Sorbus-Arten Mehlbeere,
Eberesche, Elsbeere und Speierling Vorkommen der Sorbus latifolia
agg.-Gruppe³ entdecken. Sie sind postglazial aus Hybriden zwischen
Elsbeere und Gewöhnlicher Mehlbeere entstanden. Sieben Endemiten sind
bekannt, die meist nur in geringen Mengen auftreten zum Beispiel Sorbus
parumlobata (Schwachgelappte M.), die mit Einzelfunden im Ilm-Kreis
vorkommt. S. isenacensis (Eisenacher M.) besiedelt mit über 20
Exemplaren die Hörselberge und S. decipiens (Täuschende M.) mit über 40
Individuen den Burgberg Waltershausen.
Im Rahmen der forstlichen Bewirtschaftung der Wälder wurde diesen
Kleinarten bis 1990 nur wenig Beachtung geschenkt. Die wesentlichen
Gründe hierfür waren die Kleinflächigkeit der Vorkommen mit überwiegend
geringer Individuenzahl, die untergeordnete wirtschaftliche Bedeutung
sowie die schwere Erkennbarkeit der Gehölze. Thüringen trägt jedoch eine
besondere Verantwortung für den globalen Erhalt dieser Gruppe. In der
"IUCN4 Red List of Threatened Species" sind die Kleinarten der
Breitblättrigen Mehlbeere als weltweit gefährdete Arten aufgeführt.
Seit 2001 wird S. heilingensis (Heilinger Mehlbeere) planmäßig in die
Arbeit des Referates Ökologischer Waldbau einbezogen. Sie etablierte
sich als kleiner, aber markanter "Stein im Mosaik der Erhaltung
Forstlicher Genressourcen". Im Frühjahr 2003 wurde ein exsitu
Erhaltungsquartier im Revier Dorndorf (Wartburgkreis) angelegt (Kahlert,
et al., 2011).
Forst
"Unproduktives Holzunkraut": diese Formulierung verdeutlicht den
Stellenwert, den Sorbus in der Forstwirtschaft hatte. Trotz guter
Holzqualität wurde sie in vielen Gebieten beim Durchforsten entfernt.
Nur in Gegenden mit einer lebendigen Tradition der Wertholzgewinnung
(Steigerwald, Teile Thüringens) werden Edellaubhölzer freigestellt; bei
den Sorbus-Arten betrifft dies allerdings v.a. Speierling und Elsbeere.
Die Einbeziehung der Waldbesitzer verbunden mit gründlicher
Information zeigen aber, dass diese zu einem größeren Teil bereit sind,
Fördermaßnahmen wie Freistellungen umzusetzen. Ziel der Maßnahmen ist
es, eine Sonderbehandlung endemischer Sorbus-Arten in der
Waldbewirtschaftung zu sichern; dies bezieht das Fällen von
Einzelstämmen durchaus ein (Meyer et al., 2005).
Bayern
In letzter Zeit häufen sich Meldungen aus der Forstpraxis, vor allem
aus sehr trockenen unterfränkischen Wäldern, dass dort, wo Buche, Eiche
und Kiefern besonders an Trockenstress leiden, Sorbus aria noch vital
und grün aussieht. Auch wenn der Bayerischen Landesanstalt für Wald- und
Forstwirtschaft (LWF) dazu momentan noch keine wissenschaftlichen Daten
und Fakten vorliegen, deuten die Aussagen doch darauf hin, dass die
Mehlbeere auf Grund ihrer hohen Trockenheitstoleranz eine wichtige Rolle
im Zukunftswald spielen könnte (Schmechel, 2024).


Drohnensaat auf Kalamitätsflächen in den Bayerischen Kalkalpen
Im steilen Gelände stellen Schadflächen Waldbesitzer vor große
Herausforderungen. Im Projekt B79 "Notfallmischung" werden seit 2020
Saatgutmischungen passender Herkunft von krautigen, strauchartigen und
baumartigen Pionierpflanzen auf Kalamitätsflächen in den bayerischen
Kalkalpen ausgebracht. An Baumarten wählte man S. aucuparia, S. aria,
Betula pendula. Ziel ist, Katastrophenflächen möglichst rasch mit nicht
verdämmend wirkenden schnell wachsenden Pionierpflanzen wieder zu
besiedeln, um Nährstoffverluste zu minimieren und zeitnah ein
waldähnliches Bodenklima zu schaffen. Die Notfallmischung soll eine
schnelle Überschattung herbeiführen und damit Humusabbau und Vergrasung
reduzieren. Die Verwendung von Saatgut bietet gegenüber Pflanzgut viele
Vorteile: Die Wurzeln können sich natürlicher entwickeln, die Sämlinge
passen sich besser an den Standort an und im Vergleich zur Pflanzung ist
das Saatgut einfacher zu handhaben.
Das Saatgut wird mit natürlichen Zusatzstoffen ummantelt, um das
Gewicht zu erhöhen. Die Drohnensaat erfolgte bei der Scharitzkehlalm in
Berchtesgaden. Die Versuchsfläche bestand aus Mineralboden, Humus,
Reisig und Gras. Außer auf den vergrasten Teilflächen keimten auf den
besäten Flächen alle in der Notfallmischung enthaltenden Pflanzenarten
bis auf die Sandbirke.
Hochgerechnet auf einen Hektar belaufen sich die Pflanzenzahlen ein
Jahr nach der Drohnensaat bei den Gehölzen auf 3700 Vogelbeeren, 4100
Mehlbeeren und 5100 Hirschholunder (Laniewski, Göttlein, Mai 2023).
Sachsen
In Sachsen ist die Echte Mehlbeere nicht natürlich beheimatet und
spielt somit im Staatswald nur eine absolut untergeordnete Rolle. Dies
liegt auch an den vielfach unzureichenden standörtlichen und
vegetationsökologischen Verhältnissen der Waldböden (vor allem
Basenarmut). Versuchspflanzungen des Staatsbetriebes Sachsenforst
ergaben demzufolge bisher, dass die Sorbus-Arten (ohne Vogelbeere)
oftmals ausfallen oder nur eine geringe Vitalität und Wuchsleistung
aufweisen (Horn, M., Referent Büro der Geschäftsführung, Pressesprecher,
Öffentlichkeitsarbeit, Sächsisches Staatsministerium für Energie,
Klimaschutz, Umwelt und Landwirtschaft, 20.3.2024).
Seit Inkraftsetzung der Förderrichtlinie Wald und Forstwirtschaft
(FRL WuF) 2020 des Freistaates müssen bei Waldumbau- und
Erstaufforstungsvorhaben an den Grenzen zum Offenland und entlang von
Straßen und Waldwegen klar strukturierte Waldränder mit Waldsträuchern
und Bäumen 2. Ordnung angelegt werden. Dafür sind die lichtliebenden
Sorbus-Arten besonders geeignet. Auch im Rahmen der Neuanlage oder
Wiederherstellung von Hecken, Einzelbäumen oder Alleen wird die
Pflanzung von Sorbus-Arten gefördert (Antwort des Sächsischen
Staatsministeriums für Energie, Klimaschutz, Umwelt und Landwirtschaft
auf eine kleine Landtagsanfrage, 2024).
Thüringen
Aus wirtschaftlicher Sicht spielt die Mehlbeere im Forst eine eher
untergeordnete Rolle, ihrer ökologischen Bedeutung wird aber Rechnung
getragen. Sie tritt vor allem in Waldgesellschaften auf, in denen eine
extensive Bewirtschaftung betrieben wird. Bei Durchforstungen werden
Mehlbeeren und ihre Hybriden gefördert, sodass sie ihre soziale Stellung
verbessern oder beibehalten können. ThüringenForst setzt grundsätzlich
auf Naturverjüngung, weshalb Pflanzungen von Mehlbeeren bisher im Wald
nur im Rahmen von Waldrandgestaltungen (Innen- und Außenrand) eine Rolle
spielen (Martin Balke, ThüringenForst, Zentrale, 2.4.2024).
Verwendung in der Stadt
Der Baum der montanen Lagen und trockenen Hänge hat sich in die
Niederungen des Stadtlebens gewagt, trocken ist es hier auch. Bruns
bescheinigt ihm und den Sorten "stadtklimafeste" Eigenschaften
(online.bruns.de), und nach Untersuchungen in Tharandt (Begasung mit
Schwefeldioxid) wird sie als rauchhart eingestuft (Bärtels, 1991).
In der Straßenbaumliste der deutschen Gartenamtsleiterkonferenz
(GALK) wird die Art selbst als "geeignet mit Einschränkungen" geführt;
in der Broschüre "Zukunftsbäume für die Stadt" Sorbus aria 'Magnifica'
empfohlen, die kleiner als die Art bleibt und eine gleichmäßig
aufgebaute kegelförmige Krone aufweist.



Forschungsprojekt "Stadtgrün 2021"
Der Klimawandel belastet nicht nur die Waldbäume, wie dies 2022 für
die Buche dargelegt wurde, sondern auch die Straßenbäume. Sie leiden
nicht nur unter den ohnehin schwierigen Stadtbedingungen, sondern in
wachsendem Maße unter Trockenstress, Krankheiten und Schädlingen, die
durch die Temperaturerhöhungen vermehrt auftreten. So startete die
Bayerische Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau (LWG) einen
Langzeitversuch, um das Angebot an Stadtbäumen auszuweiten. Baumarten
aus dem (süd-)osteuropäischen, nordamerikanischen und asiatischen Raum
wurden ausgewählt, die aufgrund ihrer Eigenschaften in der Lage sind,
den prognostizierten Klimabedingungen unserer Städte standzuhalten. Im
Herbst 2009/Frühjahr 2010 wurden zunächst 20 Baumarten, insgesamt 460
Bäume gepflanzt. 2015 kamen zehn weitere Baumarten/-sorten mit nochmals
200 Bäumen, darunter Sorbus latifolia 'Henk Vink' hinzu, um ihre Eignung
als stresstolerante, klimafeste Stadtbäume zu erproben.
Die Versuchsbäume wurden an drei klimatisch unterschiedlichen Standorten in Bayern gepflanzt:
- Würzburg gilt mittlerweile als eine der trockensten und heißesten Städte in Deutschland, Hot-Spot, um die Versuchsbaumarten auf Trocken- und Hitzestresstoleranz zu prüfen,
- Hof/Münchberg, mit kontinentalem Klimaeinfluss, Teststandort für Frosttoleranz,
- Kempten, mit gemäßigtem, niederschlagsreichen Voralpenklima.
Die extremen Sommer 2015, 2018–2020 ermöglichen eine vorläufige
Bewertung zur Hitze- und Stresstoleranz der ausgesuchten Bäume. Aufgrund
der Langzeitdaten und der guten Zusammenarbeit mit über 30 Kommunen im
Bayerischen Netzwerk "Klimabäume", in dem die Stadtgärtner ihre eigenen
Praxiserfahrungen mit einbringen, kristallisieren sich inzwischen die
regional besonders geeigneten Baumarten für die klimatisch verschiedenen
Standorte heraus. Die Unterschiede in den einzelnen Empfehlungslisten
zeigen, wie wichtig regional differenzierte Bewertungen sind, die einen
entsprechenden standortgerechten Einsatz verschiedener Baumarten
erlauben.
Das bisherige Fazit für die Praxis ist, dass die südosteuropäischen
Baumarten dank ihrer Herkunft an Hitze und Trockenheit besser angepasst
sind als unsere heimischen Baumarten. Sie können ihre Blatttemperaturen
während anhaltender Hitzeperioden so kontrollieren, dass sie diese vital
überstehen, um nach Beendigung der Hitzewellen in Extremsommern die
Assimilationsverluste durch eine verlängerte Vegetationsperiode
auszugleichen und anders als gängige Stadtbaumarten mit entsprechenden
Reserven in die nächste Vegetationsperiode zu starten (Schönfeld et al.,
2019; Böll et al., 2021).
Der zu den Testbäumen gehörende Sorbus latifolia 'Henk Vink', ein
Baum mit schmal pyramidaler Krone und schnellerem Wachstum als die Art,
wird als pflegeleicht mit gleichmäßiger, sattgrüner Krone beschrieben.
Empfindlich reagiert er auf Streusalz und anhaltende Nässe. In Kempten,
dem Standort mit größter Wasserverfügbarkeit zeigte der Baum eine
schüttere Krone und wuchs am schlechtesten. Im heißen Würzburg hingegen
wies Sorbus beste Zuwachsraten auf und hatte keine Dürre- und
Hitzeprobleme (Eppel, J.; Böll, S., 2021).
Aus den wenigen Rückmeldungen, die ich von Grünflächenämtern erhielt,
lassen sich keine Aussagen ableiten. In Berlin reichen die
Beurteilungen hinsichtlich der Tauglichkeit von "gut geeignet", über
"geeignet mit Einschränkungen" bis "bedingt geeignet", was sowohl für
die reine Art als auch für 'Magnifica' gilt. Genannt wurden die
Anfälligkeit für Schädlingsbefall (Birnbaumprachtkäfer), die
Empfindlichkeit gegenüber Trockenheit bis zum Vertrocknen sowie ihre
mangelnde Eignung auf Sandböden, aber auch die Kurzlebigkeit. Die
Einschätzungen variieren insbesondere hinsichtlich der unterschiedlichen
Standortbedingungen (Bodenverhältnisse, Licht, Umgebung, Leitungen
etc.), Gehölzqualitäten sowie der verschiedenen Substrate und
Pflegemaßnahmen (Wässern). Hier sind noch weitere
Beobachtungen/Erfahrungen notwendig. Der kleine Kronenumfang, der nicht
genügend Schatten wirft, ist ebenfalls ein Grund, S. aria nicht mehr zu
pflanzen.
(Kerstin Ehlebracht, Senatsverwaltung für Mobilität, Verkehr,
Klimaschutz und Umwelt III, C 2–1; 21.3.2024; Dr. Michael Krebs,
Amtsleiter – StraGrün Ltg, 27.3.24).
Auch in Dresden spielen sie eine eher untergeordnete Rolle: 205
Sorbus aria mischen sich unter circa 54.000 Straßenbäume. Die Bäume
werden zwar nicht sonderlich hoch, dafür aber breit. Sollen sie ihren
Habitus entfalten können, benötigen sie viel Platz, den wir im
Straßenraum aber kaum haben. (Steffen Löbel, SGL
Straßenbäume/Rekonstruktion Grünanlagen, 9.4.2024).
München ist die Stadt, die mit Sorbus aria 'Magnifica' bislang gute
Erfahrungen gemacht hat. Dass die Bäume dennoch bisher kaum verwendet
werden, ". . . liegt auch daran, dass sie bei den Planern nicht so
bekannt sind. Ich schätze, dass es in München nicht mehr als hundert
Exemplare gibt, bei einem Gesamtbaumbestand von ca. 800.000 Stück."
(Wilhelm, L., Landeshauptstadt München, Baureferat Gartenbau,
Abteilungsleiter, 26.3.2024).



Fazit
Mit der Mehlbeere wurde ein reizender Baum gewählt. Sein
Pioniercharakter erleichtert ihm das Besiedeln schwieriger Standorte,
doch fortwährend besteht die Gefahr, dass er durch andere Pflanzen oder
ungünstige Situationen wieder verdrängt wird.
Seine Wertschätzung bei Förstern hat sich verbessert, besonders dort, wo es gilt, bedrohte Endemiten zu erhalten.
Hat die Mehlbeere den Weg in die Stadt geschafft? Die vereinzelten
Äußerungen der Stadtverwaltungen waren eher zurückhaltend. Doch das
könnte sich mit dem Pflanzen anderer Sorten ändern. Das Stadtbild, wie
wir es kennen, wird sich erheblich wandeln. Die Kinder unserer Enkel
werden mit einem anderen Spektrum an Straßenbäumen aufwachsen. Sorbus
aria-Sorten werden sich hoffentlich unter diese Zukunftsbäume mischen
und mit ihren weißen Blüten, roten Früchten und der gelben Herbstfärbung
das Stadtbild bereichern.
Erkennungsmerkmale
Familie: Rosaceen
Gattung: Sorbus, ca. 80 Hauptarten
Art: Sorbus aria s.str.
Höchstalter: 120–200 Jahre
Wuchshöhe: 10–15 (20) m, in Felsgebüschen oder nach Stockhieb auch als Strauch
Wachstum: sehr langsam
Stamm: häufig krummschäftig, spannrückig, im oberen
Teil streben ± gleichkräftige Äste nach oben, die mit zunehmendem Alter
zur Seite abspreizen
Rinde/Borke: hell graubraun – grau – grauviolett,
glatte Rinde mit großen rhombischen Lentizellen, diese mit deutlichem
oft bräunlichen Längsspalt. Erst in höherem Alter bildet sich eine
braunschwärzliche Borke mit senkrechten Rissen und tiefen Furchen. Durch
Flechtenbewuchs wirkt Rinde häufig fleckig oder grau (Spohn, 2020)
Krone: oval-pyramidal bis breit rundlich, unregelmäßig
Junge Triebe: Sonnenseite: rotbraun – dunkelbraun,
Schattenseite: olivgrün – olivbraun grau-weiß-filzig behaart, öfters nur
um die Knospen, später kahl, Zweige nehmen kaffeebraune Färbung an,
glänzen, zahlreiche weiße längliche bis ± ovale Lentizellen (Spohn
Knospen: Seitenknospen spitz eiförmig, mit der Spitze dem Zweig zugewendet
Knospenschuppen:
grünlich, rotbraun bis goldgelb, mit deutlich hervortretender
Mittelrippe, Ränder meist braunrot, klebrig und weiß-filzig behaart
(Godet)
Blätter: (Anfang) April, wechselständig, einfach,
6–12 (14) cm lang und 5–9 (11) cm breit, variabel, eiförmig bis
elliptisch, in oder unter der Mitte am breitesten, derb; an
Wassertrieben oft lanzettlich jederseits 9–14 Seitennerven, dicht
beieinander stehend, spitzwinklig vom Hauptnerv abgehend, unterseits
leicht erhaben
Blattrand: ungleichmäßig doppelt
gesägt, Blattzähne mittelgroß, meist so lang oder länger als breit,
außen gebogen und zur Blattspitze zeigend
Blattoberseite: anfangs mit weißen Härchen bedeckt, bald verkahlend, auf den Nerven ± bleibend, glänzend grün bis dunkelgrün
Blattunterseite: bleibt dicht weiß-filzig behaart, Härchen ± anliegend
Blattspitze: stumpf bis spitz
Blattbasis: keilförmig verschmälert, z. T. abgerundet; Düll: nie herzförmig
Blattstiel: 1–2 (3) cm, behaart, derb
Nebenblätter: bis 1 cm, nach Blattentfaltung abfallend
Blüten: (Ende April) Mai–Juni, weiße, 7–12 cm breite
reichblütige Schirmrispen, Einzelblüte: 1–1,5 cm Ø mit 5 Kronblättern,
diese ca. 3 mm lang, rundlich bis breit elliptisch, auf der Oberseite –
gegen den Grund zu – abstehend wollig-filzig behaart
Fruchtblätter: 2 (- 4), nur im unteren Teil verwachsen
Staubblätter: 20–25, weit aus der Blüte herausragend, Antheren gelblich,
Fruchtknoten: halbunterständig, Griffel meist 2, frei, unten wollig behaart
Kelchblätter:
5, ungezähnt, hellgrün, weiß-filzig behaart, nicht verkahlend, 2,5–3
mm, nach dem Abblühen bleibend, aufrecht oder sich zusammenneigend
Blütenstiel: weiß-filzig behaart
Früchte: Sept.–Okt., Apfelfrucht
Rundlich bis
eiförmig, i. d. R. länger als breit, 1–1,5 cm, orange bis scharlachrot,
tief karminrot, mit zahlreichen kleinen Lentizellen, Fruchtwände ledrig,
derb, Fruchtfleisch enthält keine Steinzellen
Samen: 2–4, rot- bis dunkelbraun, dreieckig-oval, an einem Ende ± zugespitzt, ca. 6 mm lang
Keimpflanze: Keimung: Frost erforderlich, 2 Keimblätter, 0,6–1,5 cm lang, oval, sattgrün
Wurzeln: Oberdorfer (1979), Amann (1980) und Schütt
sprechen von einem tiefgehenden, kräftigen Wurzelwerk. Kutschera (2002)
beobachtete, dass auf steinigen Böden, wo die Mehlbeere häufig wächst,
die Polwurzel nicht tief eindringen kann und sich bereits bei
Jungpflanzen nach der Seite umbiegt. Die geringere Tiefendurchwurzelung
wird durch die Bildung kräftiger Seitenwurzeln ausgeglichen, die reich
verzweigt, sich weit ausbreiten.
Literatur: Schneider, 1906; Düll, 1959; Oberdorfer,
1979; Amann, 1980; Godet, 1987; Hegi, 1995; Kutschera, 2002; Meyer,
2005; Coombes, 2012; Spohn, 2020; Schütt, o. J.
Anmerkungen
1 Detaillierte Beschreibungen der Endemiten geben Meyer et al., 2005.
2 Sorbus franconica gehört zum Sorbus latifolia agg.
3 Beschreibung der Endemiten bei: Düll, R. (1961): Die Sorbus-Arten
und ihre Bastarde in Bayern und Thüringen, Berichte der Bayerischen
Botanischen Gesellschaft zur Erforschung der Flora, Bd. 34, S. 11–65.
4 International Union for Conservation of Nature and Natural Resources