Vielfältige Faktoren gefährden Echte Mehlbeere

Sorbus aria ist Baum des Jahres 2024 (Teil 2)

Sorbus aria verfügt über ein gutes Stockausschlagvermögen, ein tiefgreifendes Wurzelwerk sowie eine ausgezeichnete Fähigkeit Wurzelschosse zu bilden, und zwar nicht nur an der Stammbasis, sondern im gesamten Bereich des Wurzeltellers, wodurch eine gute Bodenfestigung erzielt wird (Hegi, 1995).
Gehölze
1 Seit 100 Jahren im Dienste der Stadt, 1924 gepflanzte Mehlbeere in der Schottstraße in Lichtenberg (Berlin, 2.5.2024). Der daneben verbliebene Baumstumpf gehört zu einer ebenfalls lOO-jährigen Mehlbeere, die im April gefällt werden musste. Foto: Renate Scheer

Ihr zähes Holz ist relativ unempfindlich gegen Schneeschurf oder Erdrutsche. Die Mehlbeere leistet eine wichtige Schutzfunktion bei der Aufforstung warmer Kalkschutthänge sowie der Anlage von Lawinenschutzwäldern. Im Bergmischwald der Bayrischen Alpen ist sie mit einem Anteil von bis zu fünf Prozent an Schutzwaldaufforstungen beteiligt (Schütt et al., o.J.).Aufgrund ihres begrenzten Höhenwachstums wird sie gern zur Waldrandgestaltung verwendet und auf zusagenden Standorten in Windschutzpflanzungen einbezogen. Des Weiteren wird Sie wegen folgender Eigenschaften geschätzt: sie verbessert den Wasserhaushalt auf trockenen und flachgründigen Standorten. Ihr leicht zersetzbares Laub trägt zur Bodenverbesserung bei. Für die seit einigen Jahren zunehmenden Wildobstpflanzungen zur Förderung des Naturschutzes wird die Mehlbeere ausdrücklich empfohlen (Robin Wood, 4-2023).

Die Mehlbeere sollte nicht nur wegen ihrer ökologischen Bedeutung erhalten und gefördert werden, sondern sie trägt durch ihre weißen Blüten, roten Früchte, weißen Blattunterseiten, die besonders bei Wind dem Baum ein spielerisches Aussehen geben, und der gelben Herbstfärbung zur Belebung der Umgebung bei – sei es Garten, Park, Straße oder freie Landschaft.

SUG-Stellenmarkt

Relevante Stellenangebote
Gärtner (m/w/d) für die Baumkontrolle, Freising  ansehen
Alle Stellenangebote ansehen
Gehölze
2 Ruhiger Standort am Bekassinenweg, die Straße ist mit Sorbus aria und Corylus colurna bepflanzt (Berlin-Heiligensee, 30.4.2024). Foto: Renate Scheer
Gehölze
3 Mehrstämmiger Sorbus aria (Berlin-Frohnau, Gollanczstr., 30.4.2024). Foto: Renate Scheer

Gefährdung

Unterschiedliche Einflüsse gefährden die Mehlbeeren und ihre zum Teil
bedrohten Unterarten. Das größte "generelle" Risiko ist mangelnde
Förderung,

denn ohne schützende Maßnahmen sind die Sorbus-Arten nicht zu erhalten.

Bei den spezielleren Gefahren liegen mitunter positive und negative

Auswirkungen dicht beieinander:

  • Die Mehlbeere besiedelt häufig gestörte Bereiche. Die Bodendynamik schafft offene Flächen für die Ansiedlung, andererseits können Bergrutsche oder Steinschläge gerade kleine Vorkommen stark dezimieren, eventuell sogar ganz vernichten.
  • Offen gehaltene Hochweiden können Mehlbeeren neue Lebensräume erschließen, doch bei der Gehölzbeseitigung werden immer wieder seltene Zwischenarten aus Unkenntnis entfernt.
  • Mehlbeeren, aber auch andere Obstgehölze, die in Säumen entlang von Wirtschaftswegen wachsen und dem Kronendruck benachbarter Bäume ausgesetzt sind, versuchen diesem zu entgehen, indem sie sich seitlich zum Licht strecken und damit in die Wege hineinragen. Der nicht auf sich warten lassende Schnitt verhindert das Fruchten der Bäume. Ein Zurückschneiden der Konkurrenzpflanzen hingegen ermöglicht aufrechten Wuchs.
  • Die Unterpflanzung lockerer Wälder – zum Beispiel lichter Kiefernwälder, in denen Sorbus gedeiht, blüht und fruchtet – kann innerhalb weniger Jahrzehnte zum Erlöschen der Sorbus-Bestände führen.
  • Das Einbringen gebietsfremder Sorbus-Arten kann zu einer genetischen Veränderung der Bestände beitragen (Meyer, Zehm, 2010).

Neben der Gewöhnlichen Mehlbeere kommen in Bayern noch zahlreiche

weitere Mehlbeeren vor, etwa die Sorbus hybrida-Gruppe, in der alle

Hybriden, Aufspaltungsprodukte und hybridogenen Zwischenarten

zusammengefasst sind, die aus der Hauptart Sorbus aucuparia und Sorbus

aria entstanden sind. Sechs fixierte Endemiten dieser Gruppe, die in der

mittleren und nördlichen Fränkischen Alb, in Arealen sehr

unterschiedlicher Größe vertreten sind, sollen hier erwähnt werden, da

es sich durchgängig um gefährdete Gehölze handelt, für deren Erhalt

Deutschland "in besonders hohem Maße verantwortlich" ist (Rote Liste,

2018).

Das größte Areal nimmt die Hersbrucker Mehlbeere (S.

pseudothuringiaca)¹ ein. Die gefährdete Art besiedelt die felsreichen

Hangabschnitte beiderseits der Pegnitz. Innerhalb dieses Gebietes finden

sich am Nordrand der Mittleren Fränkischen Alb auf eng begrenzten

Räumlichkeiten die mit ihr vergesellschafteten stark gefährdete und

extrem seltene Sorbus gauckleri (Gaucklers M.) und die vom Aussterben

bedrohte S. schwarziana (Schwarz' M.). Sie ist offenbar auf einen

kleinen Abschnitt der Oberpfälzer Alb beschränkt, circa 20 Exemplare

sind im Umkreis von Frechetsfeld bekannt. Um Gößweinstein besiedelt die

stark gefährdete S. pulchra (Gößweinsteiner M.) ein eigenes Areal

zusammen mit der extrem seltenen S. franconica (Fränkische M.)². Bei

Forchheim, am westlichen Albtrauf wächst, ebenfalls mit S. franconica

vergesellschaftet, in Waldsäumen um Dolomitfelsen, eng begrenzt die

extrem seltene S. hohenesteri (Hohenesters M.). Am nördlichen Ende der

Fränkischen Alb bei Weißmain findet man die ebenfalls extrem seltene S.

harziana (Harz' M.). Alle Vertreter der Sorbus hybrida-Gruppe besitzen

nur kleine Areale, der Rückgang wird unter anderem durch unangepasste

Bewirtschaftung bedingt: ein Kronenschluss durch stärker schattende

Gehölze verhindert eine ausreichende Naturverjüngung (Meyer et al.,

2005; Rote Liste 2018).

Am Beispiel der vom Aussterben bedrohten S. hohenesteri lässt sich

dies besonders gut beobachten. Diese bei Leutenbach auf wenigen Felsen

vorkommende Mehlbeere wächst streng aufrecht und ist dadurch nicht in

der Lage Beschattung auszuweichen. Durch diese Eigenart sind die Gehölze

weitgehend auf die primären Säume oberhalb von Dolomitfelsen

beschränkt, wo fast alle bekannten fertilen Sträucher wachsen. Bei der

Entdeckung 1992 wurde die Anzahl der Pflanzen auf über 50 geschätzt,

aktuell sind weniger als 20 Exemplare aller Altersstufen im gesamten

Bereich bekannt. Die geringe Populationsgröße verlangt strikte Schonung

bei der Durchforstung und Freistellung der verbliebenen Exemplare, um

einen ausreichenden Fruchtansatz sicherzustellen (Meyer et al., 2005).

In Thüringen lassen sich neben den vier Sorbus-Arten Mehlbeere,

Eberesche, Elsbeere und Speierling Vorkommen der Sorbus latifolia

agg.-Gruppe³ entdecken. Sie sind postglazial aus Hybriden zwischen

Elsbeere und Gewöhnlicher Mehlbeere entstanden. Sieben Endemiten sind

bekannt, die meist nur in geringen Mengen auftreten zum Beispiel Sorbus

parumlobata (Schwachgelappte M.), die mit Einzelfunden im Ilm-Kreis

vorkommt. S. isenacensis (Eisenacher M.) besiedelt mit über 20

Exemplaren die Hörselberge und S. decipiens (Täuschende M.) mit über 40

Individuen den Burgberg Waltershausen.

Im Rahmen der forstlichen Bewirtschaftung der Wälder wurde diesen

Kleinarten bis 1990 nur wenig Beachtung geschenkt. Die wesentlichen

Gründe hierfür waren die Kleinflächigkeit der Vorkommen mit überwiegend

geringer Individuenzahl, die untergeordnete wirtschaftliche Bedeutung

sowie die schwere Erkennbarkeit der Gehölze. Thüringen trägt jedoch eine

besondere Verantwortung für den globalen Erhalt dieser Gruppe. In der

"IUCN4 Red List of Threatened Species" sind die Kleinarten der

Breitblättrigen Mehlbeere als weltweit gefährdete Arten aufgeführt.

Seit 2001 wird S. heilingensis (Heilinger Mehlbeere) planmäßig in die

Arbeit des Referates Ökologischer Waldbau einbezogen. Sie etablierte

sich als kleiner, aber markanter "Stein im Mosaik der Erhaltung

Forstlicher Genressourcen". Im Frühjahr 2003 wurde ein exsitu

Erhaltungsquartier im Revier Dorndorf (Wartburgkreis) angelegt (Kahlert,

et al., 2011).

Forst

"Unproduktives Holzunkraut": diese Formulierung verdeutlicht den

Stellenwert, den Sorbus in der Forstwirtschaft hatte. Trotz guter

Holzqualität wurde sie in vielen Gebieten beim Durchforsten entfernt.

Nur in Gegenden mit einer lebendigen Tradition der Wertholzgewinnung

(Steigerwald, Teile Thüringens) werden Edellaubhölzer freigestellt; bei

den Sorbus-Arten betrifft dies allerdings v.a. Speierling und Elsbeere.

Die Einbeziehung der Waldbesitzer verbunden mit gründlicher

Information zeigen aber, dass diese zu einem größeren Teil bereit sind,

Fördermaßnahmen wie Freistellungen umzusetzen. Ziel der Maßnahmen ist

es, eine Sonderbehandlung endemischer Sorbus-Arten in der

Waldbewirtschaftung zu sichern; dies bezieht das Fällen von

Einzelstämmen durchaus ein (Meyer et al., 2005).

Bayern

In letzter Zeit häufen sich Meldungen aus der Forstpraxis, vor allem

aus sehr trockenen unterfränkischen Wäldern, dass dort, wo Buche, Eiche

und Kiefern besonders an Trockenstress leiden, Sorbus aria noch vital

und grün aussieht. Auch wenn der Bayerischen Landesanstalt für Wald- und

Forstwirtschaft (LWF) dazu momentan noch keine wissenschaftlichen Daten

und Fakten vorliegen, deuten die Aussagen doch darauf hin, dass die

Mehlbeere auf Grund ihrer hohen Trockenheitstoleranz eine wichtige Rolle

im Zukunftswald spielen könnte (Schmechel, 2024).

Gehölze
4 Gefällter Baum mit kräftigem Stockausschlag (Berlin-Frohnau, Ariadnestr., 30.4.2024). Foto: Renate Scheer
Gehölze
5 Alter Stamm mit aufgerissener "lebendiger" Borke und Austrieb (Hattenheimer Str., 30.4.2024). Foto: Renate Scheer

Drohnensaat auf Kalamitätsflächen in den Bayerischen Kalkalpen

Im steilen Gelände stellen Schadflächen Waldbesitzer vor große

Herausforderungen. Im Projekt B79 "Notfallmischung" werden seit 2020

Saatgutmischungen passender Herkunft von krautigen, strauchartigen und

baumartigen Pionierpflanzen auf Kalamitätsflächen in den bayerischen

Kalkalpen ausgebracht. An Baumarten wählte man S. aucuparia, S. aria,

Betula pendula. Ziel ist, Katastrophenflächen möglichst rasch mit nicht

verdämmend wirkenden schnell wachsenden Pionierpflanzen wieder zu

besiedeln, um Nährstoffverluste zu minimieren und zeitnah ein

waldähnliches Bodenklima zu schaffen. Die Notfallmischung soll eine

schnelle Überschattung herbeiführen und damit Humusabbau und Vergrasung

reduzieren. Die Verwendung von Saatgut bietet gegenüber Pflanzgut viele

Vorteile: Die Wurzeln können sich natürlicher entwickeln, die Sämlinge

passen sich besser an den Standort an und im Vergleich zur Pflanzung ist

das Saatgut einfacher zu handhaben.

Das Saatgut wird mit natürlichen Zusatzstoffen ummantelt, um das

Gewicht zu erhöhen. Die Drohnensaat erfolgte bei der Scharitzkehlalm in

Berchtesgaden. Die Versuchsfläche bestand aus Mineralboden, Humus,

Reisig und Gras. Außer auf den vergrasten Teilflächen keimten auf den

besäten Flächen alle in der Notfallmischung enthaltenden Pflanzenarten

bis auf die Sandbirke.

Hochgerechnet auf einen Hektar belaufen sich die Pflanzenzahlen ein

Jahr nach der Drohnensaat bei den Gehölzen auf 3700 Vogelbeeren, 4100

Mehlbeeren und 5100 Hirschholunder (Laniewski, Göttlein, Mai 2023).

Sachsen

In Sachsen ist die Echte Mehlbeere nicht natürlich beheimatet und

spielt somit im Staatswald nur eine absolut untergeordnete Rolle. Dies

liegt auch an den vielfach unzureichenden standörtlichen und

vegetationsökologischen Verhältnissen der Waldböden (vor allem

Basenarmut). Versuchspflanzungen des Staatsbetriebes Sachsenforst

ergaben demzufolge bisher, dass die Sorbus-Arten (ohne Vogelbeere)

oftmals ausfallen oder nur eine geringe Vitalität und Wuchsleistung

aufweisen (Horn, M., Referent Büro der Geschäftsführung, Pressesprecher,

Öffentlichkeitsarbeit, Sächsisches Staatsministerium für Energie,

Klimaschutz, Umwelt und Landwirtschaft, 20.3.2024).

Seit Inkraftsetzung der Förderrichtlinie Wald und Forstwirtschaft

(FRL WuF) 2020 des Freistaates müssen bei Waldumbau- und

Erstaufforstungsvorhaben an den Grenzen zum Offenland und entlang von

Straßen und Waldwegen klar strukturierte Waldränder mit Waldsträuchern

und Bäumen 2. Ordnung angelegt werden. Dafür sind die lichtliebenden

Sorbus-Arten besonders geeignet. Auch im Rahmen der Neuanlage oder

Wiederherstellung von Hecken, Einzelbäumen oder Alleen wird die

Pflanzung von Sorbus-Arten gefördert (Antwort des Sächsischen

Staatsministeriums für Energie, Klimaschutz, Umwelt und Landwirtschaft

auf eine kleine Landtagsanfrage, 2024).

Thüringen

Aus wirtschaftlicher Sicht spielt die Mehlbeere im Forst eine eher

untergeordnete Rolle, ihrer ökologischen Bedeutung wird aber Rechnung

getragen. Sie tritt vor allem in Waldgesellschaften auf, in denen eine

extensive Bewirtschaftung betrieben wird. Bei Durchforstungen werden

Mehlbeeren und ihre Hybriden gefördert, sodass sie ihre soziale Stellung

verbessern oder beibehalten können. ThüringenForst setzt grundsätzlich

auf Naturverjüngung, weshalb Pflanzungen von Mehlbeeren bisher im Wald

nur im Rahmen von Waldrandgestaltungen (Innen- und Außenrand) eine Rolle

spielen (Martin Balke, ThüringenForst, Zentrale, 2.4.2024).

Verwendung in der Stadt

Der Baum der montanen Lagen und trockenen Hänge hat sich in die

Niederungen des Stadtlebens gewagt, trocken ist es hier auch. Bruns

bescheinigt ihm und den Sorten "stadtklimafeste" Eigenschaften

(online.bruns.de), und nach Untersuchungen in Tharandt (Begasung mit

Schwefeldioxid) wird sie als rauchhart eingestuft (Bärtels, 1991).

In der Straßenbaumliste der deutschen Gartenamtsleiterkonferenz

(GALK) wird die Art selbst als "geeignet mit Einschränkungen" geführt;

in der Broschüre "Zukunftsbäume für die Stadt" Sorbus aria 'Magnifica'

empfohlen, die kleiner als die Art bleibt und eine gleichmäßig

aufgebaute kegelförmige Krone aufweist.

Gehölze
6 Blütensträuße inmitten grüner Blätter (Berlin-Frohnau, Hattenheimer Str., 30.4.2024). Foto: Renate Scheer
Gehölze
7 Vom Winde bewegt: weiße Blüten, weiße Blattunterseiten werben um Aufmerksamkeit (Berlin-Karow, Teichbergstr./Matestr., (2.5.2024). Foto: Renate Scheer
Gehölze
8 Die Blüten mit den weit herausragenden Staubfäden und den gelblichen Staubbeuteln (Berlin-Karow, Nähe Achillesstr., (2.5.2024). Foto: Renate Scheer

Forschungsprojekt "Stadtgrün 2021"

Der Klimawandel belastet nicht nur die Waldbäume, wie dies 2022 für

die Buche dargelegt wurde, sondern auch die Straßenbäume. Sie leiden

nicht nur unter den ohnehin schwierigen Stadtbedingungen, sondern in

wachsendem Maße unter Trockenstress, Krankheiten und Schädlingen, die

durch die Temperaturerhöhungen vermehrt auftreten. So startete die

Bayerische Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau (LWG) einen

Langzeitversuch, um das Angebot an Stadtbäumen auszuweiten. Baumarten

aus dem (süd-)osteuropäischen, nordamerikanischen und asiatischen Raum

wurden ausgewählt, die aufgrund ihrer Eigenschaften in der Lage sind,

den prognostizierten Klimabedingungen unserer Städte standzuhalten. Im

Herbst 2009/Frühjahr 2010 wurden zunächst 20 Baumarten, insgesamt 460

Bäume gepflanzt. 2015 kamen zehn weitere Baumarten/-sorten mit nochmals

200 Bäumen, darunter Sorbus latifolia 'Henk Vink' hinzu, um ihre Eignung

als stresstolerante, klimafeste Stadtbäume zu erproben.

Die Versuchsbäume wurden an drei klimatisch unterschiedlichen Standorten in Bayern gepflanzt:

  • Würzburg gilt mittlerweile als eine der trockensten und heißesten Städte in Deutschland, Hot-Spot, um die Versuchsbaumarten auf Trocken- und Hitzestresstoleranz zu prüfen,
  • Hof/Münchberg, mit kontinentalem Klimaeinfluss, Teststandort für Frosttoleranz,
  • Kempten, mit gemäßigtem, niederschlagsreichen Voralpenklima.

Die extremen Sommer 2015, 2018–2020 ermöglichen eine vorläufige

Bewertung zur Hitze- und Stresstoleranz der ausgesuchten Bäume. Aufgrund

der Langzeitdaten und der guten Zusammenarbeit mit über 30 Kommunen im

Bayerischen Netzwerk "Klimabäume", in dem die Stadtgärtner ihre eigenen

Praxiserfahrungen mit einbringen, kristallisieren sich inzwischen die

regional besonders geeigneten Baumarten für die klimatisch verschiedenen

Standorte heraus. Die Unterschiede in den einzelnen Empfehlungslisten

zeigen, wie wichtig regional differenzierte Bewertungen sind, die einen

entsprechenden standortgerechten Einsatz verschiedener Baumarten

erlauben.

Das bisherige Fazit für die Praxis ist, dass die südosteuropäischen

Baumarten dank ihrer Herkunft an Hitze und Trockenheit besser angepasst

sind als unsere heimischen Baumarten. Sie können ihre Blatttemperaturen

während anhaltender Hitzeperioden so kontrollieren, dass sie diese vital

überstehen, um nach Beendigung der Hitzewellen in Extremsommern die

Assimilationsverluste durch eine verlängerte Vegetationsperiode

auszugleichen und anders als gängige Stadtbaumarten mit entsprechenden

Reserven in die nächste Vegetationsperiode zu starten (Schönfeld et al.,

2019; Böll et al., 2021).

Der zu den Testbäumen gehörende Sorbus latifolia 'Henk Vink', ein

Baum mit schmal pyramidaler Krone und schnellerem Wachstum als die Art,

wird als pflegeleicht mit gleichmäßiger, sattgrüner Krone beschrieben.

Empfindlich reagiert er auf Streusalz und anhaltende Nässe. In Kempten,

dem Standort mit größter Wasserverfügbarkeit zeigte der Baum eine

schüttere Krone und wuchs am schlechtesten. Im heißen Würzburg hingegen

wies Sorbus beste Zuwachsraten auf und hatte keine Dürre- und

Hitzeprobleme (Eppel, J.; Böll, S., 2021).

Aus den wenigen Rückmeldungen, die ich von Grünflächenämtern erhielt,

lassen sich keine Aussagen ableiten. In Berlin reichen die

Beurteilungen hinsichtlich der Tauglichkeit von "gut geeignet", über

"geeignet mit Einschränkungen" bis "bedingt geeignet", was sowohl für

die reine Art als auch für 'Magnifica' gilt. Genannt wurden die

Anfälligkeit für Schädlingsbefall (Birnbaumprachtkäfer), die

Empfindlichkeit gegenüber Trockenheit bis zum Vertrocknen sowie ihre

mangelnde Eignung auf Sandböden, aber auch die Kurzlebigkeit. Die

Einschätzungen variieren insbesondere hinsichtlich der unterschiedlichen

Standortbedingungen (Bodenverhältnisse, Licht, Umgebung, Leitungen

etc.), Gehölzqualitäten sowie der verschiedenen Substrate und

Pflegemaßnahmen (Wässern). Hier sind noch weitere

Beobachtungen/Erfahrungen notwendig. Der kleine Kronenumfang, der nicht

genügend Schatten wirft, ist ebenfalls ein Grund, S. aria nicht mehr zu

pflanzen.

(Kerstin Ehlebracht, Senatsverwaltung für Mobilität, Verkehr,

Klimaschutz und Umwelt III, C 2–1; 21.3.2024; Dr. Michael Krebs,

Amtsleiter – StraGrün Ltg, 27.3.24).

Auch in Dresden spielen sie eine eher untergeordnete Rolle: 205

Sorbus aria mischen sich unter circa 54.000 Straßenbäume. Die Bäume

werden zwar nicht sonderlich hoch, dafür aber breit. Sollen sie ihren

Habitus entfalten können, benötigen sie viel Platz, den wir im

Straßenraum aber kaum haben. (Steffen Löbel, SGL

Straßenbäume/Rekonstruktion Grünanlagen, 9.4.2024).

München ist die Stadt, die mit Sorbus aria 'Magnifica' bislang gute

Erfahrungen gemacht hat. Dass die Bäume dennoch bisher kaum verwendet

werden, ". . . liegt auch daran, dass sie bei den Planern nicht so

bekannt sind. Ich schätze, dass es in München nicht mehr als hundert

Exemplare gibt, bei einem Gesamtbaumbestand von ca. 800.000 Stück."

(Wilhelm, L., Landeshauptstadt München, Baureferat Gartenbau,

Abteilungsleiter, 26.3.2024).

Gehölze
9 Teile der Krone sind voll erblüht, andere Bereiche treiben gerade aus. Dieses Phänomen ist häufig zu beobachten (Berlin, Charlottenburg-Nord, Geißlerpfad/Toeplerweg, (1.5.2024). Foto: Renate Scheer
Gehölze
10 Goebelstr., „Langer Jammer“: Jeder vierte Hauseingang wird mit einer Vierergruppe Sorbus betont. Die ursprüngliche Straßenbepflanzung mit Birken ist zum Teil noch erhalten (Berlin, Charlottenburg-Nord, 1.5.2024). Foto: Renate Scheer
Gehölze
11 Sorbus aria mit schön ausgeprägter pyramidaler Krone (Berlin-Frohnau, Gollanczstr., 30.4.2024). Foto: Renate Scheer

Fazit

Mit der Mehlbeere wurde ein reizender Baum gewählt. Sein

Pioniercharakter erleichtert ihm das Besiedeln schwieriger Standorte,

doch fortwährend besteht die Gefahr, dass er durch andere Pflanzen oder

ungünstige Situationen wieder verdrängt wird.

Seine Wertschätzung bei Förstern hat sich verbessert, besonders dort, wo es gilt, bedrohte Endemiten zu erhalten.

Hat die Mehlbeere den Weg in die Stadt geschafft? Die vereinzelten

Äußerungen der Stadtverwaltungen waren eher zurückhaltend. Doch das

könnte sich mit dem Pflanzen anderer Sorten ändern. Das Stadtbild, wie

wir es kennen, wird sich erheblich wandeln. Die Kinder unserer Enkel

werden mit einem anderen Spektrum an Straßenbäumen aufwachsen. Sorbus

aria-Sorten werden sich hoffentlich unter diese Zukunftsbäume mischen

und mit ihren weißen Blüten, roten Früchten und der gelben Herbstfärbung

das Stadtbild bereichern.

Erkennungsmerkmale

Familie: Rosaceen

Gattung: Sorbus, ca. 80 Hauptarten

Art: Sorbus aria s.str.

Höchstalter: 120–200 Jahre

Wuchshöhe: 10–15 (20) m, in Felsgebüschen oder nach Stockhieb auch als Strauch

Wachstum: sehr langsam

Stamm: häufig krummschäftig, spannrückig, im oberen

Teil streben ± gleichkräftige Äste nach oben, die mit zunehmendem Alter

zur Seite abspreizen

Rinde/Borke: hell graubraun – grau – grauviolett,

glatte Rinde mit großen rhombischen Lentizellen, diese mit deutlichem

oft bräunlichen Längsspalt. Erst in höherem Alter bildet sich eine

braunschwärzliche Borke mit senkrechten Rissen und tiefen Furchen. Durch

Flechtenbewuchs wirkt Rinde häufig fleckig oder grau (Spohn, 2020)

Krone: oval-pyramidal bis breit rundlich, unregelmäßig

Junge Triebe: Sonnenseite: rotbraun – dunkelbraun,

Schattenseite: olivgrün – olivbraun grau-weiß-filzig behaart, öfters nur

um die Knospen, später kahl, Zweige nehmen kaffeebraune Färbung an,

glänzen, zahlreiche weiße längliche bis ± ovale Lentizellen (Spohn

Knospen: Seitenknospen spitz eiförmig, mit der Spitze dem Zweig zugewendet
Knospenschuppen:

grünlich, rotbraun bis goldgelb, mit deutlich hervortretender

Mittelrippe, Ränder meist braunrot, klebrig und weiß-filzig behaart

(Godet)

Blätter: (Anfang) April, wechselständig, einfach,

6–12 (14) cm lang und 5–9 (11) cm breit, variabel, eiförmig bis

elliptisch, in oder unter der Mitte am breitesten, derb; an

Wassertrieben oft lanzettlich jederseits 9–14 Seitennerven, dicht

beieinander stehend, spitzwinklig vom Hauptnerv abgehend, unterseits

leicht erhaben
Blattrand: ungleichmäßig doppelt

gesägt, Blattzähne mittelgroß, meist so lang oder länger als breit,

außen gebogen und zur Blattspitze zeigend
Blattoberseite: anfangs mit weißen Härchen bedeckt, bald verkahlend, auf den Nerven ± bleibend, glänzend grün bis dunkelgrün
Blattunterseite: bleibt dicht weiß-filzig behaart, Härchen ± anliegend
Blattspitze: stumpf bis spitz
Blattbasis: keilförmig verschmälert, z. T. abgerundet; Düll: nie herzförmig
Blattstiel: 1–2 (3) cm, behaart, derb
Nebenblätter: bis 1 cm, nach Blattentfaltung abfallend

Blüten: (Ende April) Mai–Juni, weiße, 7–12 cm breite

reichblütige Schirmrispen, Einzelblüte: 1–1,5 cm Ø mit 5 Kronblättern,

diese ca. 3 mm lang, rundlich bis breit elliptisch, auf der Oberseite –

gegen den Grund zu – abstehend wollig-filzig behaart
Fruchtblätter: 2 (- 4), nur im unteren Teil verwachsen
Staubblätter: 20–25, weit aus der Blüte herausragend, Antheren gelblich,
Fruchtknoten: halbunterständig, Griffel meist 2, frei, unten wollig behaart
Kelchblätter:

5, ungezähnt, hellgrün, weiß-filzig behaart, nicht verkahlend, 2,5–3

mm, nach dem Abblühen bleibend, aufrecht oder sich zusammenneigend
Blütenstiel: weiß-filzig behaart

Früchte: Sept.–Okt., Apfelfrucht
Rundlich bis

eiförmig, i. d. R. länger als breit, 1–1,5 cm, orange bis scharlachrot,

tief karminrot, mit zahlreichen kleinen Lentizellen, Fruchtwände ledrig,

derb, Fruchtfleisch enthält keine Steinzellen

Samen: 2–4, rot- bis dunkelbraun, dreieckig-oval, an einem Ende ± zugespitzt, ca. 6 mm lang

Keimpflanze: Keimung: Frost erforderlich, 2 Keimblätter, 0,6–1,5 cm lang, oval, sattgrün

Wurzeln: Oberdorfer (1979), Amann (1980) und Schütt

sprechen von einem tiefgehenden, kräftigen Wurzelwerk. Kutschera (2002)

beobachtete, dass auf steinigen Böden, wo die Mehlbeere häufig wächst,

die Polwurzel nicht tief eindringen kann und sich bereits bei

Jungpflanzen nach der Seite umbiegt. Die geringere Tiefendurchwurzelung

wird durch die Bildung kräftiger Seitenwurzeln ausgeglichen, die reich

verzweigt, sich weit ausbreiten.

Literatur: Schneider, 1906; Düll, 1959; Oberdorfer,

1979; Amann, 1980; Godet, 1987; Hegi, 1995; Kutschera, 2002; Meyer,

2005; Coombes, 2012; Spohn, 2020; Schütt, o. J.

Anmerkungen

1 Detaillierte Beschreibungen der Endemiten geben Meyer et al., 2005.

2 Sorbus franconica gehört zum Sorbus latifolia agg.

3 Beschreibung der Endemiten bei: Düll, R. (1961): Die Sorbus-Arten

und ihre Bastarde in Bayern und Thüringen, Berichte der Bayerischen

Botanischen Gesellschaft zur Erforschung der Flora, Bd. 34, S. 11–65.

4 International Union for Conservation of Nature and Natural Resources

Ausgewählte Unternehmen
LLVZ - Leistungs- und Lieferverzeichnis

Die Anbieterprofile sind ein Angebot von llvz.de

Redaktions-Newsletter

Aktuelle grüne Nachrichten direkt aus der Redaktion.

Jetzt bestellen