Vom Niedergang einer großen Tradition, Plädoyer für Neuanfang

Zur aktuellen Zersplitterung der Berliner Grünverwaltung

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Öffentliches Grün Grünflächenmanagement
Ehemals attraktiver Sitzplatz mit Staudenpflanzung. Foto: Stephan Strauss

Die Ursprünge des Gärtnerns im Berlin-Potsdamer Raum liegen in den höfischen Gärten der Hohenzollern. Hier waren seit dem 17. Jahrhundert Gärtner in den Anlagen tätig, es entstanden eigene Gärtnereien und es war der Beginn einer großen Tradition der Gartenkunst. Diese Kultur der Gartenkunst ging nicht erst beim allseits bekannten späteren Gartendirektor Peter Joseph Lenné über die eigentlichen Gärten des Hofes hinaus. Getreu dem preußischen Motto von "Schönheit und Nützlichkeit zugleich" entstanden zahlreiche Anlagen; die die umgebende Landschaft einbezogen aber auch selbst hinaus wirkten. Schon ab 1666 wurde das erworbene gärtnerische Wissen über Bücher einem größeren Kreis zur Verfügung gestellt. Entscheidend war die Gründung einer ersten eigenen Landesbaumschule, denn noch im 17. Jahrhundert mussten die Bäume für die vier- beziehungsweise sechsreihige Bepflanzung der Straße Unter den Linden mühsam aus den Niederlanden herangeschafft werden. Dem Gartendirektor Lenné gelang es 1824 neben der Baumschule, nach dem Vorbild von Schinkels Bauschule, der Bauakademie, eine Ausbildungsstätte für Gärtner zu schaffen, die Gärtnerlehranstalt in Potsdam-Wildpark und im heutigen Berlin-Charlottenburg. Da wurde Obstbau, Küchengärtnerei, Gehölzanbau, Feldmessen und Gestaltung gelehrt. Es war die weltweit erste derartige Ausbildungsstätte. Bis dato hatten Gärtner ihre Ausbildung in einer Gärtnerei und wie Handwerker auf Lehr- und Wanderjahren erworben.

Mit dem starken, insbesondere vor- und industriell geprägten Wachstum Berlins seit dem frühen 19. Jahrhundert wurde auch eine Definition der öffentlichen Räume notwendig. In der Residenzstadt hatte jeder auf kurzem Wege die Enge der Stadt hinter sich lassen können. Nun wurden die Wege ins "Freie" zu lang und Lenné reagierte auf das Wachstum der Stadt mit seinem 1840 gezeichneten Plan der Schmuck- und Grenzzüge.

Da entstanden die ersten öffentlichen Freiräume in der Stadt, also nicht nur Bauquartiere, sondern Parks, Alleen, Stadtplätze. Aus dem Jagdgebiet Tiergarten wurde ein gestalteter Park. Die bewusst geplanten Lücken in der Bebauung der Mietskasernenstadt in den heutigen Stadtteilen Kreuzberg/Friedrichshain/ Prenzlauer Berg/Wedding begründeten die noch heute bedeutsamen Stadtplätze.

Alle diese neuen öffentlichen Flächen mussten nun auch gärtnerisch unterhalten werden. Dafür konnte der Schüler und Nachfolger Lennés, Gustav Meyer, 1870 in Berlin das erste kommunale Gartenamt gründen. Eine Institution, die seitdem weltweit hundertfach kopiert wurde. Die ersten dafür berufenen Gartendirektoren Gustav Meyer, Hermann Mächtig und Erwin Barth waren im humboldtschen Sinne universell gebildet und zeichneten ähnlich wie Schinkel, Persius und Hoffmann in ihrem Metier zahlreiche Entwürfe für öffentliche Anlagen, aber auch für andere Auftraggeber.

Mit dem Wachsen der Stadt kamen Grünanlagen und Gartenämter hinzu. Eigene Baumschulen, eigene Gärtnereien, eine Vielzahl von Mitarbeitern und die Ausbildung von Lehrlingen gehörten bald zum Standard der Gartenämter des 1920 zusammengefassten Groß-Berlin.

Der hohe Standard dieser Fachrichtung in Berlin führte 1928/29 zur Begründung der weltweit ersten Hochschulausbildung für Garten- und Landschaftsarchitekten hier in der Stadt. Die Freude darüber währte nicht lange. In der Zeit des Nationalsozialismus ging die Entwicklung der fachlichen Grundlagen weiter, wie zum Beispiel Karl Foerster mit der Etablierung von Stauden in öffentlichen Anlagen. Jetzt wurden aber auch zum "arischen Menschen" die pflanzensoziologischen Erkenntnisse der Zeit zur Bestimmung "Deutscher Pflanzen und Gehölze" missbraucht. Darin fortschreitend machte Hermann Göring 1936 den Naturschutz zur Reichssache inklusive Gesetz.

Die damals eingeführte Höherstellung des Naturschutzes wirkt nach. Heute gibt es auf Bundesebene das Bundesnaturschutzgesetz, während aber die Erholungsbedürfnisse des Menschen oder kulturelle Werte wie Gartendenkmale, wenn überhaupt, nur einen weitaus geringeren Schutz in Landesgesetzen finden.

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Eingetragenes Baudenkmal: Verkaufspavillon, ehemals mit WC-Anlage und Telefonzelle. Foto: Stephan Strauss
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Formal geschützte Grünanlage in denkmalgeschützter Gesamtanlage im Landschaftsschutzgebiet. Foto: Stephan Strauss

Nach dem 2. Weltkrieg lag das Grün brach, was übrig war, wurde 1946/47 vielfach verheizt oder noch Jahre mit Gemüse bepflanzt. Der Berliner Landschaftsarchitekt Reinhold Lingner leitete mit dem Hauptamt für Grünplanung aber auch im Planungskollektiv Scharoun organisatorisch, konzeptionell und entwurflich das Metier. Da entstand unter anderem auch sein Plan für die Anordnung der Trümmerschuttberge auf den Rändern des Barnims als Akzentuierung der Stadtlandschaft statt einer Ablagerung unten im Urstromtal.

In beiden Teilen der Stadt ging es dann um den Wiederaufbau der Organisationsstruktur des Grüns und seiner Ressourcen. Dr. Helmut Lichey und Gottfried Funeck im Osten, Norbert Schindler und Erhard Mahler im Westen waren die Protagonisten. Alle gelernte Gärtner, die sich unablässig um Wiederaufbau und Weiterentwicklung bemühten. Das "Betuliche" ist dem Gärtner eigen, denn er kann seine Geschöpfe zu mindestens in der Entwicklungsphase nie aus den Augen lassen.

Die beiden Ordinarien der nach dem Krieg getrennten Landschaftsarchitekten-Hochschulausbildungen an der Technischen Universität und der Humboldt Universität, Hermann Mattern + Rheinhold Lingner sprachen 1960/61 über Sektorengrenzen hinweg über die Begründung des Peter- Joseph- Lenné- Preises. Dieses Förderpreisverfahren für junge Landschaftsarchitekten sollte ein demokratisches Gegengewicht zum Wiepking Preis werden. Wiepking war Protagonist der Fachrichtung Landschaftsarchitektur im dritten Reich und nahm nach dem Krieg im Westen Deutschlands schon wieder eine führende Rolle unter anderem als Hochschullehrer in Hannover ein. Das sehr erfolgreiche Lenné-Förderpreisverfahren, vergleichbar mit dem Schinkelpreis, wird bis heute durchgeführt, (s. a. Stadt+Grün 06/2018, S. 8). Erst auf nachdrückliche Intervention der Berliner Landschaftsarchitektin und Gartendenkmalpflegerin Katrin Lesser, benannte dann auch die Deutsche-Gartenbau-Gesellschaft ihren Wiepking-Preis in den 90er-Jahren um.

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Sitzplätze. Foto: Stephan Strauss
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Denkmalgeschützte Mauer mit Toranlage. Foto: Stephan Strauss

1960 entstand im Institut für Denkmalpflege im Osten der Stadt unter Leitung von Hugo Namslauer die erste Institution der Gartendenkmalpflege in Deutschland, Westberlin zog Anfang der 70er-Jahre mit Dr. Wiegand und Dr. von Krosigk in der Senatsverwaltung für Bauen und Wohnen nach.

Ost-Berlin hat 1960 wieder ein eigenes Stadtgartenamt mit Satzung und Direktor gegründet, nachdem Anfang der 50er-Jahre dasselbe zerschlagen worden war, verbunden mit einem nachfolgenden deutlichen Niedergang der Freiflächenkultur. In West-Berlin ressortierte die Aufgabe durchgehend als Abteilung in den jeweiligen Senatsverwaltungen.

1989 große Freude allerseits, der Anschluss des Osten an den Westen nach § 23 GG folgte. Für die Ostkollegen der öffentlichen Verwaltung folgte die Ernüchterung. Keine Vereinigung der beiden separaten Grünverwaltungen und der Gartendenkmalpflege Berlins. Die Verwaltung West blieb wie sie war, und die Ostkollegen fanden sich marginal am Rand der Personalhierarchie auf zumeist dreistelligen Stellenzeichen wieder. Die Denkmalpflege Ost einschließlich der Gartendenkmalpflege zog da lieber fast geschlossen ins Land Brandenburg. Das soll das große persönliche Engagement des damaligen Leiters der Grünabteilung Erhard Mahler, um einen fairen menschlichen Umgang mit den Kollegen aus dem Ostteil nicht vergessen machen.

Bis 1995 gewöhnen sich alle zwangsläufig an die neue Zeit, überall herrscht fachlich Aufbruchstimmung. Dann beginnt ab 1995 eine beispiellose Zerstörung der bis dato einheitlich und gemeinsam agierenden Fachrichtungen Planung und Unterhaltung des Öffentlichen Grüns, der Landschaftsplanung und des Naturschutzes. Das Abgeordnetenhaus beschließt ein inzwischen mehr als 20 Jahre währendes Spardiktat und folgt einer von B90/Die Grünen propagierten Idee zur "bürgernahen Grünverwaltung" in den Bezirksämtern, infolgedessen der zentralen Grünabteilung III bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umweltschutz (SENSTADTUM) im Rahmen der Aufgabenabschichtung in die Bezirke die fachliche Leitung(Fachaufsicht) und die Finanzhoheit über das Grün in den Bezirken entzogen wird.

Am Ende wird der letzte Leiter und Fachmann, der alle Belange Berliner Grüns zusammenfassenden Abteilung III bei SENSTADTUM, Erhard Mahler im Jahr 2000 abgewickelt. Dann haben in der Folge drei Abteilungsleiter das Grün in ihren Abteilungen "Stadtentwicklung und Freiraumplanung" mitgemacht, allesamt mehr oder weniger gutwillig aber des Metiers Grün weitgehend unkundige Architekten und/oder Stadtplaner. Auch eine in der Position nachfolgende Landschaftsplanerin rührte nicht an der Situation.

Heute haben wir

  • Planung und Unterhaltung des Öffentlichen Grüns
  • Naturschutz
  • Landschaftsplanung
  • Gartendenkmalpflege

zum Teil in unterschiedlichen Senatsverwaltungen; in den Bezirksämtern spaltet sich das oft durch bezirklich erdachte Strukturen noch weiter auf. Eine Stimme und ein Gesicht für das Grün Berlins, wie bei Lenné, Meyer, Barth, Schindler, Lichey, Funeck und Mahler gibt es nicht mehr. Hat jemand irgendwann mal ein Statement von den genannten Verantwortlichen der letzten 18 Jahre zur kritischen Unterhaltungssituation im Berliner Grün in den überregionalen Tageszeitungen oder gar in der rbb-Abendschau gesehen?

Wenn die Gewässerunterhaltung von SENSTADTUM die Panke naturnah in einem Planfeststellungsverfahren umbauen will, dann pfeift sie auf die kulturellen Bedürfnisse des Denkmalschutzes, Landschaftsplanung und Naturschutz denken an den Juchtenkäfer und nicht an die Liegewiesen der Menschen im Gartendenkmal Schlosspark Schönhausen. "Jeder kann sich doch um seine fachlichen Belange kümmern, wir kümmern uns nur um die Panke" war die Antwort der Wasserbauer in der Anhörung zum Planfeststellungsverfahren.

Da die Gartenamtsfunktion mit Fachaufsicht über das Handeln der Bezirke im Grün in Folge der genannten Vorschläge aufgegeben wurde, lehnt sich SENSTADTUM/SENUVK seit Jahren zurück und sagt: Wir sind nicht zuständig und verweist auf die Bezirksämter. Die marginalisierten Grünbereiche der Straßen-und Grünflächenämter haben angesichts der Nöte der Bezirksämter keine Stimme. Diese, den Berlinern allgegenwärtige Situation, ist in der Realität die organisierte Verantwortungslosigkeit.

Dies alles ist ein Plädoyer, die 1936 begonnene Differenzierung und Spaltung des Berliner Grüns zu beenden und es wieder organisatorisch und gleichberechtigt zusammenzufassen. Nur so ist eine einheitliche und ausgleichende Planung und Lenkung und auch laufende Unterhaltung zum Wohle der Berliner zu erreichen. Zweck ist nicht eine Umstrukturierung nach altem Vorbild, sondern das besser organisierte Zusammenwirken der Fachbereiche. Es geht um das Leben der Menschen in der Stadt und nicht um Einzelaspekte.

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Die Erwartungshaltung der Nutzer des öffentlichen Grüns ist hoch. Eine gepflegte Anlage - die „Gärten der Welt” in Berlin-Marzahn. Foto: Mechthild Klett

Fehlende Finanzierung für Unterhaltung und Pflege von Grünflächen

Unterhaltung und Pflege von Grünflächen müssen nicht nur organisiert, sondern auch finanziert werden! Bis etwa Mitte der 1990er-Jahre gab es folgende Verfahrensweise bei der Bereitstellung von Personal- und Sachmitteln durch den Senat für die Unterhaltung und Pflege der Grünflächen in den Bezirksämtern:

Die Grün-Abt. III von SENSTADTUM berechnete den Bedarf der Bezirksämter in vier Pflegeklassen und die Senatsverwaltung für Finanzen(SENFIN) stellte die berechneten Mittel den Bezirken zweckgebunden zur Verfügung. Abt III hatte aber die Fachaufsicht über die Gartenämter. Doch das schien so manchem zu zentralistisch-bürokratisch. Wie schon erwähnt, sollte nach der Idee von B90/Die Grünen zukünftig über das Grün und die Mittel "bürgernah" im Bezirk entschieden werden. Also keine annähernd gleiche Qualität in den sozial und stadträumlich stark unterschiedlichen Bezirken sichernde Fachaufsicht durch die Hauptverwaltung (SENSTADTUM) mehr. Nach dem Motto "Harke halten kann jeder" waren von da ab Entscheidungen häufig in den Händen von Laien oder zufällig Gewählten. Den Amtsleitern blieb wenig Spielraum für ihre Belange. Gleichzeitig begann die Umstrukturierung der Gartenämter zuerst in sogenannte Leistungs- und Verantwortungszentren (LUVs), dann die personelle und intellektuelle Ausdünnung durch Zusammenlegung der Bezirke und dann die Zusammenlegung mit den Tiefbauämtern zu den heutigen "Straßen- und Grünflächenämtern". Schon der Begriff zeigt die Nachrangigkeit des Grüns in dieser Konstruktion.

In den Folgejahren kümmerte man sich allgemein nicht mehr um Qualität, das Sparen stand im Vordergrund, die Verursacher der Schieflage der bezirklichen Grünverwaltungen hatten mehr die Naturfunktion des öffentlichen Grüns im Blick als denn menschliche Erholung, Kultur und Ästhetik.

In dieser Epoche gab es viele Jahre, in denen SENSTADTUM bemaß, SENFIN strich die Hälfte und der Rest ging im Rahmen der Globalsumme (Landesmittel zur Finanzierung der Bezirksämter) in die Bezirksämter. Hier wurde dann "bürgernah" entschieden und das Geld oft zu großen Teilen in bezirkliche Finanzlöcher gesteckt - nach dem Motto "Grün wächst ja auch so". Etwa 20 bis 30 Prozent des bei SENSTADTUM berechneten Mittelbedarfs kam in dieser Zeit in den Grünflächen an. Das Bezirksamt Pankow hat so zum Beispiel von 2010 bis 2015 jährlich etwa eine Million Euro "bürgernah" abgezweigt. Die Folge, devastierte Grünflächen, keine Baumpflanzung außer im Rahmen von Ausgleich und Ersatz, kein Strauch, keine Staude und keine einzige Sommerblume im ganzen Großbezirk mit 400.000 Menschen.

Die Tätigkeit der gelernten Gärtner der Bezirksämter reduzierte sich durch parallele Personaleinsparungen zwangsläufig auf die Beseitigung von Vandalismus, Dreck, Laub und Hundekot und die Absicherung der Verkehrssicherungspflicht. In dieser Zeit reduzierte SENFIN folgerichtig auch die Eingruppierung von Gärtnern, logisch, denn die machten ja jetzt keine höherwertige Tätigkeit mehr. Was das mit der Stimmung und Zufriedenheit der gelernten und leidenschaftlichen Gärtner machte, stellt man sich besser nicht vor. Die Überalterung wurde auf Grund der seit Mitte der 90er-Jahre ausbleibenden Neueinstellungen zum nächsten Problem in den Revieren, bei den körperlich oft anstrengenden Tätigkeiten. Das Problem besteht bis heute.

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Unfallpotenzial. Foto: Stephan Strauss
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Denkmalgeschützte Pergola, seit den 90er Jahren ohne jede Pflege. Foto: Stephan Strauss
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Rosenbeet im märkischen Sand ohne den ursprünglichen Sprenger, Berlin. Foto: Stephan Strauss
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Relikt, die defekten Spielgeräte wurden demontiert. Foto: Stephan Strauss

Als der Vorstand der Architektenkammer, dem ich seinerzeit als Vizepräsident angehörte, bei Gesprächen mit den politischen Parteien diese Probleme vor der Wahl 2016 ansprach, votierten die Verursacher für die Rückkehr zur zweckgebundenen Zuwendung, andere wollten abwarten oder sahen Möglichkeiten erst nach auskömmlicher Finanzierung der Bezirksämter.

Doch nach mehr als 20 Jahren ändert sich 2018 gerade etwas: Drei Pflegeklassen als Basis und zu mindestens bei der hochwertigsten kontrolliert die Hauptverwaltung, heute Senatsverwaltung Umwelt, Verkehr und Klima die ordnungsgemäße Mittelverwendung in den Bezirksämtern. Damit können in dieser Kategorie nicht mehr Wahlversprechen, das Sozialamt und das Schulklo mitfinanziert werden.

Doch immer misslicher wurde für den Senat das Problem, das die Bezirksämter ohne Senat über die Mittelverwendung entschieden. Da dachte sich die Politik Sonderprogramme aus, die bei SENSTADTUM angeordnet wurden. Damit hatte diese wieder die Kontrolle über die Mittelverwendung und nicht die Bezirksämter. Derzeit werden jährlich mehr als zehn Millionen Euro fachbezogen über die Stadt verteilt (wie etwa Bäume, Trinkbrunnen, Stadtplätze). Dies gleicht einer Kampagnenwirtschaft statt planmäßiger Pflege und Unterhaltung und trotzdem, die absolute Anzahl der Straßenbäume Berlins sinkt weiter.

Doch es gab und gibt auch noch andere Wege. Wenn das Bezirksamt die Mittel aus der Globalsumme lieber in den Kiezspielplatz statt in die Säuberung eines Touristenhighlights steckte, musste aus Sicht des Senats eine Lösung gefunden werden. Anstatt die bezirklichen Grünflächenämter ausreichend auszustatten, beauftragte man hier die landeseigene Grün Berlin zu personellen und finanziellen Bedingungen, von denen bezirkliche Mitarbeiter nur träumen konnten. Die Grün Berlin pflegt als Auftraggeber inzwischen nicht nur Britzer Garten und IGA Marzahn/Gärten der Welt, sondern zahlreiche touristische Highlights und sowjetische Ehrenmäler. Doch auch deren Kapazität reicht nicht für die ganze Stadt. Also schuf man die nächste Variante ohne Abschaffung des "bürgernahen Finanzierungsmodells":

Seit etwa einem Jahr säubert die landeseigene Berliner Stadtreinigung (BSR) Grünflächen von Schmutz und Dreck. Auch hier zu Stundenlöhnen, von denen gelernte Gärtner in den Bezirksämtern nur träumen können. Anstatt die Grünflächenunterhaltung besser auszustatten, arbeiten daher nun viel teurere und dazu noch des Grüns völlig unkundige Straßenreiniger in den Grünflächen.

Die freischaffenden Landschaftsarchitekten klatschten ab Mitte der 90er-Jahre in Ihre Hände. Wenn die Verwaltung sich immer weiter reduziert, dann kommt die Arbeit bei uns an - so war in Teilen die Erwartung. Doch immer neue Sparrunden reduzierten Mitarbeiter und Geld der Verwaltung und damit auch die Aufträge an Freischaffende Landschaftsarchitekten. Nach mehr als 20 Jahren des Sparens gibt es heute bei SENUVK fast keine entwurfserfahrenen Mitarbeiter mehr. Doch wie kann man so bei Aufträgen an den freien Berufsstand über Planungen, in Jurys und bei der BPU-Prüfung entscheiden? Dem Landschaftsarchitekten ist hier der Partner auf Augenhöhe abhanden gekommen, es mangelt am sachkundigen Auftraggeber und potenten Partner in der öffentlichen Verwaltung, was Auswirkungen auf Qualität und sachgerechte Mittelverwendung hat.

Keine meiner Äußerungen über Verwaltungsmitarbeiter; Gärtner oder Landeseigene Gesellschaften richtet sich gegen die dort engagiert Tätigen! Der derzeitige Zustand ist seit 2000 politisch so gesteuert worden.

Das Bundesnaturschutzgesetz fordert in § 1 - die biologische Vielfalt - die Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushaltes aber auch die Vielfalt, Eigenart und Schönheit sowie den Erholungswert von Natur und Landschaft zu schützen. Das gelingt nur sehr ungenügend in den derzeitigen Strukturen. Die dargestellte Entwicklung wirkt sich nicht nur auf den Zustand des öffentlichen Grüns aus, sie beeinflusst den Umgang des Publikums im Sinne einer Verwahrlosung. Die hier vorgebrachten Positionen zur Kulturgeschichte und zur Organisation der Berliner Grünverwaltung sowie zur Finanzierung sollten insbesondere für die Politik Anregung zum Nachdenken und zur Veränderung der Strukturen sein.


Anmerkung

Ich danke dem letzten Direktor des Ostberliner Stadtgartenamtes, Dr. Hans-Georg Büchner für gute Gespräche zum Thema.

Der Text basiert auf einem am 03.03.2018 gehaltenen Vortrag auf dem 14.Kolloquium der Herrmann- Henselmann- Stiftung: "100 Jahre Gross-Berlin 2020 - Die Grünfrage".

Dipl.-Ing. Stephan Strauss
Autor

Garten-und Landschaftsarchitekt BDLA, Gartendenkmalpfleger

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