Welche Auswirkungen exotische Arten auf unsere Biodiversität haben
Klimabäume aus ökologischer Sicht
von: Dipl.-Ing. Katrin Kaltofen, Dr. Reinhard WittMittlerweile ist es mit den "Klimabäumen" fast so wie bei der Blühmischungsflut mit einjährigen Exoten. An gefühlt jeder Straßenecke bekommt man erzählt, welche Gehölze sich unter Klimawandelbedingungen besonders gut für die Verwendung im Siedlungsraum eignen. Listen, Broschüren, wissenschaftliche Publikationen und sogar Internetportale zu diesem Thema schießen wie Pilze aus dem Boden. Nahezu alle diese Projekte haben aber eins gemeinsam: Aus ökologischer Sicht sind sie mangelhaft bis nutzlos.
Oder sie sind sogar gefährlich. In der Liste der GALK-Bäume steht zum Beispiel der Götterbaum als empfehlenswert. Er ist inzwischen ein invasiver Neophyt und dringt in immer mehr heimische Lebensräume vor. Auch der Amerikanische Trompetenbaum wäre ein solcher Exot, der genauso wie die Amerikanische Roteiche tierökologisch negative Auswirkungen hat. Gleiches wäre zum Amberbaum zu sagen, der zwar eine Honigbienenweide darstellt, aber die Vielzahl anderer Insekten und sogar Vögel außen vor läßt. Sie können mit seinem Laub, mit Ästen, Rinde oder den Früchten nichts anfangen.
Häufig werden nur exotische Arten oder von der "Grünen Branche" lancierte Arten betrachtet. Zuweilen erhält man den Eindruck das die favorisierten Klimabäume genau mit dem derzeitigen Angebot in den Baumschulen übereinstimmen. Ökologische Aspekte wie etwa der Nutzen für pflanzenfressende Insekten werden - wenn überhaupt - höchstens am Rande erwähnt. Mit etwas Glück fließt noch der Nutzen für Bestäuber in die Empfehlungen ein. Dass durch die Verwendung exotischer Gehölze 90 Prozent der heimischen pflanzenfressenden Insekten ausgesperrt werden, interessiert scheinbar keinen. Besonders bedenklich ist das unter dem Aspekt, dass der Siedlungsraum auf Grund der fortschreitenden Zerstörung wertvoller Naturräume nachgewiesenermaßen immer mehr zum fast einzigen verbliebenen Rückzugsort für seltene und bedrohte Tierarten wird. Das Artensterben wird also immer mehr auch im Siedlungsraum entschieden.
Krankheitsverbreitung durch Exoten
Ebenso wenig spielt der Aspekt eine Rolle, dass durch die Einfuhr und Verbreitung exotischer Gehölze Krankheiten und fremde Pflanzenfresser in unser Ökosystem eingeschleppt werden, auf die unsere heimische Natur nicht eingerichtet ist. Stichworte dazu sind zum Beispiel das Ulmensterben, das Eschentriebsterben oder der Ahorn-Stammkrebs. In den Herkunftsregionen dieser "Schadorganismen" haben sich ihre Wirte angepasst. Eine ostasiatische Eschenart verstirbt nicht am Falschen Weißen Stengelbecherchen. So wurde der Pilz getauft, der das Eschentriebsterben bei unseren heimischen Eschen verursacht, das meist zum Tod der befallenen Eschen führt. Die nordamerikanische Sitka-Fichte kann mit der Sitka-Fichtenlaus leben, wohingegen die heimische Gemeine Fichte keine Abwehrmechanismen gegen diese Art entwickeln konnte. Stichwort: Koevolution. Nur wenn Pflanzenfresser und Pflanzen über Abertausende von Jahren zusammenleben, können sich Anpassungen der Pflanzenfresser und Abwehrschranken der Pflanzen entwickeln. Es ist ein feines Zusammenspiel, das mit Arten aus fremden Florengebieten nicht mehr funktioniert.
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Manipulation des ökologischen Gleichgewichts
Doch das ist noch lange nicht das einzige Problem. In einem intakten Ökosystem existieren "Nützlinge" und "Schädlinge" in einem fein austarierten Gleichgewicht. Pflanzen gehen Lebensgemeinschaften mit Bakterien und Pilzen ein, die förderlich für ihr Gedeihen sind. Pflanzenfresser wiederum fressen Teile von Pflanzen und wandeln damit pflanzliche in tierische Biomasse um. Diese dient dann vielen Fleisch- und Allesfressern als Nahrungsgrundlage. Und das sind bei weitem nicht nur Fuchs, Wolf und Wildschwein. Auch eine Menge anderer Tiere leben von tierischer Biomasse, man denke an Fledermäuse, Igel oder Molch. Viele Insekten jagen andere Insekten für sich selbst oder für ihren Nachwuchs, genauso wie die meisten Singvögel.
Wenn wir aber in dieses Gleichgewicht eingreifen, indem wir fremde Arten einbringen, wissen wir meistens gar nicht so genau, was wir da eigentlich tun. Ob die Honigbiene den Nektar der Blüten verwerten kann, oder das Eichhörnchen die exotische Nuss frisst, nehmen wir vielleicht gerade noch wahr. Aber das ist nur die Spitze des Eisbergs. Was im Boden passiert oder wie hochspezialisierte Pflanzenfresser mit dem fremden "Futter" umgehen, wissen wir schlicht und einfach nicht. Davon ausgehen, dass das alles schon irgendwie funktionieren wird, können wir nicht. Jede Pflanze produziert Abwehrstoffe, die Teil des genannten Gleichgewichts sind. Über Jahrmillionen haben sich Pflanzenfresser daran angepasst, diese Stoffe zu umgehen, und die Pflanzen trotzdem befressen zu können, worauf die Pflanze wiederum reagiert. Das kann man sich vielleicht wie ein ewiges Wettrüsten zwischen Pflanze und Pflanzenfresser vorstellen.
Das Beispiel Robinie
Damit landen wir wieder bei der Koevolution. Und genau diese gab es zwischen exotischen Pflanzen und heimischen Pflanzenfressern nicht. Deshalb tragen wir - egal ob bewusst oder zufällig - mit der Pflanzung exotischer Bäume aktiv zur Reduzierung der Biodiversität bei. Da nur wenige Tiere überhaupt von Exoten leben können, wird massiv Biomasse dem natürlichen Nahrungskreislauf entzogen. Und so führt eines zum anderen: weniger nutzbare Pflanzenmasse ergibt weniger verfügbare Insektenmasse, ergibt weniger Wildbienen, Schmetterlinge, Vögel, Igel, Fledermäuse. . .
Nun könnte man argumentieren, dass es ja nur um ein paar Bäume geht, und bei (scheinbar) besserer Eignung die wenigen Exoten nicht so ins Gewicht fallen, wenn wir gleichzeitig mehr heimische Sträucher pflanzen und Flächen mit heimischen Wildblumen anlegen. Was gegen dieses Argument spricht, ist das hohe Alter, das ein Baum bei richtiger Pflanzung am passenden Standort erreichen kann. Ein heimischer Baum hat ein Riesenpotenzial, ein stabiles Ökosystem über einen langen Zeitraum zu schaffen. Vergleicht man beispielsweise die exotische Robinie, die immerhin schon mehr als 100 Jahre als invasiver Neophyt Teil unseres Ökosystems ist, mit der heimischen Traubeneiche, wird das mehr als deutlich.
Die Robinie nützt circa 60 Tierarten, darunter Honigbienen, einigen nichtspezialisierten Wildbienen und diversen Generalisten unter den Vögeln, auch Eichhörnchen knabbern Robiniensamen. Von der Traubeneiche leben mehr als 1000 (kein Schreibfehler!) Tierarten. Darunter zum Beispiel 48 gefährdete Käferarten der Roten Listen und 30 monophage Großschmetterlinge, aber auch mindestens 255 Pilze. Vergleicht man diese Zahlen, wird ein wenig klarer, was wir anrichten, wenn unsere Wahl auf einen exotischen statt eines heimischen Baums fällt.
Aber auch das ist noch nicht alles. Über die Anpassungsleistung und Wechselwirkungen zwischen Pflanzen, Bakterien und Pilzen haben wir bisher noch nicht einmal ansatzweise nachgedacht. Leider wissen wir zu diesem Thema immer noch viel zu wenig. Fakt ist aber, dass die dabei entstehenden Symbiosen wesentlich zum Gedeihen der Pflanzen beitragen, und die Resistenz gegenüber "Schadorganismen" stärken. Aber auch andere Faktoren spielen eine zunehmend wichtigere Rolle.
Warum nur Spitzahorn, Platanen, Rosskastanien oder Winterlinden?
Zu den häufigsten Baumarten in Berlin gehören Winter-Linde, Spitz-Ahorn, Platane oder Rosskastanien. Platane und Rosskastanie können wir sogleich als für pflanzenfressenden Insekten als ökologisch weitgehend wertlos abhaken, aber was ist mit den heimischen Arten Winter-Linde und Spitz-Ahorn? Da wäre doch futtermäßig einiges zu holen? Tatsächlich generieren diese beiden heimischen Vertreter reichlich Insektenbesatz, würden also gut auf unsere Liste empfehlenswerter heimischer Baumgarten für die Stadt passen, wäre da nicht der Klimawandel. Ausgerechnet diese beiden Arten vertragen weniger Trockenheit als andere heimische Verwandte. Besser wären folgende Arten: Feld-Ahorn zum Beispiel ist ein vorzüglicher Straßenbaum. Er ist wärmeliebend, schattenverträglich, schnittverträglich und bedingt trockenheitsverträglich. Bei extremer Trockenheit bleibt er kleinwüchsiger. Der Burgen-Ahorn ist noch trockenheitsverträglicher, aber nicht so ideal als Straßenbaum. Er ist lichtliebend, schnittverträglich, aber konkurrenzschwach. Gleiches gilt für den Schneeball-Ahorn, der als schnittverträglich gilt und warme Lagen sogar bevorzugt. Schon am Beispiel des Ahorns sieht man, dass es gerade in Bezug auf Straßenbäume keine idealen Lösungen gibt, sondern wir zugunsten der einen oder anderen Seite Kompromisse machen müssen. Aber wir haben ja nicht nur Bäume an Straßen, sondern viel mehr Platz und Wurzelraum im Öffentlichen Grün. Besser sieht es mit Lindenverwandten aus. Silber-Linden zum Beispiel sind vorzügliche Großbäume auch für Trockenlagen, sogar an Straßen. Wenn wir nur einmal die Eignung als trockenheitsverträglicher Straßenbaum betrachten, steht es um die Gattung Sorbus gar nicht so schlecht. Doch genau hier zeigen sich die Mängel der Vergangenheit: In welchen Städten stehen in ausreichender Zahl Großbäume wie Speierling oder Mehlbeere, Mittelbäume wie Schwedische Mehrbeere oder Elsbeere?
Uns geht es vor allem um mehr Aufmerksamkeit für heimische Arten, die in den gegenwärtigen Klimabaumlisten nur eine marginale Rolle spielen. Nicht immer kommen wir alleine mit den heimischen Vertretern zu Recht, sondern ergänzen sie um Verwandte aus benachbarten Florengebieten. Hier wissen wir, dass ihre tierökologische Wertigkeit noch eher gegeben ist, als wenn wir Vertreter aus weit entfernteren Florenregionen in Asien oder Nordamerika akquirieren. Deshalb sollten wir neben heimischen Stiel-, Trauben- und Flaumeichen auch südosteuropäische Zerreichen oder südeuropäische Ungarische Eichen einsetzen.
Optimale Vegetationstechnik wichtig
Grundsätzlich zwingt uns der Klimawandel dazu, besonders sorgfältig über die Verwendung von langlebigen Pflanzen wie Bäumen und Sträuchern nachzudenken. Ob die ausgewählte Art gut an den vorgesehenen Standort passt, entscheidet immer häufiger über das Überleben des Individuums. Besondere Wichtigkeit bekommt so die Verwendung von gebietsheimischen Pflanzen. Diese sind an das vor Ort herrschende Klima besser angepasst. Eine aus dem luftfeuchten norddeutschen Klima stammende Eberesche hat im trocken-heißen Franken schlechtere Überlebenschancen als eine aus regionaler Herkunft.
Aber auch die bautechnische Gestaltung der Pflanzflächen und -plätze gewinnt immer mehr an Bedeutung. Winzige Baumscheiben mit Splittmulch, zu kleine Baumgruben für zu große Bäume, Pflanzflächen ohne Anschluss an Unterboden und Grundwasser (z. B. Tiefgaragendächer etc.) sind dringend zu überdenken. Vielleicht gehört der klassische Straßen- und Parkplatzbaum, der zwischen versiegelten Flächen Umweltbelastungen wie Feinstaub, Strahlungshitze oder Streusalz wegstecken soll, irgendwann sogar ganz der Vergangenheit an. Bäume haben bessere Überlebenschancen, wenn wir grüne Inseln in unseren Städten schaffen und sie dort pflanzen. Je größer, desto besser auch für das gesamte Stadtklima.
Die von uns zusammengestellte Liste von 42 ökologisch vertretbareren Klimabäumen erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Sie soll vielmehr als Inspiration zur vermehrten Verwendung heimischer Baumarten sowie einiger geeigneter Arten aus angrenzenden Florenregionen dienen. Alle diese Arten sind - neben ihrer Tauglichkeit für die Pflanzung in Städten unter den sich klimawandelbedingt verschärfenden Umweltbedingungen - wertvoll für unsere heimischen Tiere. Und zwar nicht nur für Blütenbesucher, sondern insbesondere für die Pflanzenfresser unter ihnen. In diesem Beitrag finden Sie die von uns für ökologisch nützlich befundenen Arten. Mehr dazu ist unter www.naturgartenplaner.de nachzulesen.
Literatur
Louis M. Schoonhoven, Joop J.A. van Loon, Marcel Dicke (2005): Insect-Plant Biology, Oxford University Press.
Reinhard Witt/Katrin Kaltofen: Klimawandel. Fluch oder Chance. Naturgarten Verlag, 2020.