Wie Kommunen mit Generationenspielplätzen umgehen

Die wollen nur nicht spielen

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Senioren Generationenparks
Der Nürnberger Bewegungspark Pegnitztal-West. Foto: Norman Riede

Generationenspielplätze liegen im Trend. Immer mehr Kommunen bauen Bewegungsparcours mit dem Ansinnen, gerade die Älteren an die Geräte zu locken. Denn wer sich bewegt, läuft weniger Gefahr, zu vereinsamen und dement zu werden. Leider verschmähen Senioren die für sie gedachten Bewegungsangebote häufig. Es reicht nicht, ein paar Fitnessgeräte aufzustellen. Das erkennen jetzt auch die Kommunen.

Ein sonniger Herbstnachmittag im Karlsruher Stadtteil Oberreut. In den Grünanlagen "Mittelschmallen" tummeln sich Alte und Junge auf Wegen, Wiesen und Spielplätzen. Nur die acht Fitnessgeräte für Erwachsene, die seit 2008 am Wegrand stehen, beachtet keiner. Massagerollen, Schulter- und Beintrainingsgeräte warten auf Nutzer mit einer Körpergröße ab 150 Zentimeter. Irgendwann rennt ein Kleinkind heran, versucht sich kurz an den zu großen Geräten und verliert schnell das Interesse. Erwachsene trainieren hier nicht - zumindest an diesem Nachmittag.

Karlsruhes erste Fitnessanlage im Freien ist keine Ausnahme. In anderen Städten nutzt ebenfalls kaum ein Erwachsener die immer häufiger bereitgestellten Fitnessgeräte. "Auch in Stuttgart haben wir mehrere von den Dingern rumstehen", sagt Andreas Mündörfer vom Sportamt Stuttgart. "Es reicht nicht, die Geräte nur hinzustellen, man muss sie auch sozial bespielen", weiß der 37-jährige Sportwissenschaftler, der die Initiative "Aktiv älter werden" betreut.

Senioren wollen nicht mit Kindern konkurrieren

Von selbst und alleine trainieren die wenigsten Älteren. Dabei hängt das geistige Wohlbefinden eng mit dem körperlichen zusammen. Kommunen und Kassen bekämpfen intensiv den Bewegungsmangel - bisher nur bei Kindern, nicht bei Senioren. In Europa stehen aber 68 Millionen Kinder 110 Millionen Senioren gegenüber. Der Seniorenanteil steigt, Mündörfer erwartet daher ein "Umdenken" und verweist auf das von Stuttgart initiierte internationale Netzwerk "cities for sports". Das 2011 neugegründete Gremium aus 27 Städten entwickelt gemeinsam Strategien, um nicht nur Kinder, sondern gerade auch Senioren für Bewegung zu begeistern.

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Motorik-Stationen im Bewegungspark Langwasser. Foto: Norman Riede

Ländliche Kommunen verweisen ebenfalls auf den demografischen Wandel und bauen Generationenspielplätze, wo sonst Kinderspielplätze wären. Äußerlich unterscheiden sie sich kaum voneinander. Meist stehen ein paar Fitnessgeräte aus Edelstahl neben einem Klettergerüst. Aber im Gegensatz zum "normalen" Kinderspiel erhält der Generationenspielplatz auf dem Land Zuschüsse der Europäischen Union aus der Initiative "Leader" (abgekürzt für "liaison entre actions de développement de l'économie rurale"). Das Programm, das bis 2013 läuft, fördert generationsübergreifendes Bauen. Der Kontakt und Austausch zwischen Jung und Alt soll die ländliche Region stärken und beleben.

Dabei stört es weder Antragsteller noch Geber der Fördergelder, dass Senioren gerade die Kombination von Fitnessgeräten mit Kinderspiel ablehnen, wie eine Studie der Hochschule Rhein-Main von 2008 belegt. Die Angst, sich vor Kindern bloßzustellen, sei zu hoch. Damit Senioren sich an die Geräte wagen, sei es daher immer "vorteilhaft", wie Professorin Grit Hottenträger nach ihren Beobachtungen und Befragungen feststellt, "dass sie für Kinder uninteressant sind".

Bewegungskultur fehlt noch

Das Angebot an Fitnessgeräten für den Freiraum wächst. Die Hersteller bieten nicht nur Einzelgeräte sondern ganze Fitnessparcours an. Oliver Seitz von "4Fcircle" erklärt: "Wir haben die erste unserer Anlagen 2001 mit dem Garten- und Sportamt in München realisiert und waren seiner Zeit die erste Firma mit einem solchen Ansinnen".

Mittlerweile konkurrieren etwa zehn Hersteller mit ähnlichen Geräten. Vorbild für die ersten Bewegungsparcours waren die in den 70er Jahren beliebten "Trimm-dich-Pfade". In den 90er Jahren flaute das Interesse an der "Trimm-dich-Fit"-Bewegung ab. Viele Sportler trainierten lieber in den neugegründeten Fitnessstudios, die meisten Pfade verwitterten. Heute nennen sie sich Vital- oder Fitness-Parcours. Sie liegen nicht mehr am Waldweg sondern gut erreichbar in der Stadt. Erst als Nürnbergs Bürgermeister Horst Förther 2006 "Seniorenspielplätze" forderte, begannen die Hersteller, speziell Geräte für Senioren zu entwickeln.

Nur spielen wie die Kinder wollen die über 65-Jährigen nicht. Und oft auch keinen Sport treiben. Anders als in Asien, "muss man erst noch eine Bewegungskultur in den öffentlichen Raum bringen" fordert Michael Kolb vom Sportservice Nürnberg. Was die Stadt auch versucht, denn 20 Prozent ihrer Einwohner sind Senioren. Mit fünf bereits gebauten und drei weiteren geplanten "Bewegungsparks für alle Generationen" bietet Nürnberg im deutschen Städtevergleich die meisten Generationenspielplätze.

Nürnberg setzt Ehrenamtliche als Trainer ein

Dennoch, "die ältere Generation, 60 plus, ist in der Tat am schwierigsten zu erreichen", erklärt Karin Behrens vom Seniorenamt Nürnberg. Oft wären die Älteren unsicher, wie sie auf den Geräten trainieren sollten oder befürchteten Schwierigkeiten mit dem Herzschrittmacher. Daher initiierten Sportservice, Seniorenamt und das "Zentrum Aktiver Bürger" gemeinsam eine "Betreuung vor Ort" mit Ehrenamtlichen. Seit Frühjahr 2011 weisen angelernte Freiwillige einmal wöchentlich in die Geräte ein und leiten einfache Übungen an.

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In Pegnitztal-West und Langwasser bieten Infostelen einen Überblick über das Bewegungsangebot. Foto: Norman Riede

Mit wechselndem Erfolg. Am "Generationenspielplatz Eibach" warteten die Ehrenamtlichen wochenlang vergeblich auf Sportinteressierte. Jetzt verweist nur noch ein Plakat mit Telefonnummer auf einen Trainer, der bei Interesse kommt. Aber hier spielen und turnen fast nur Kinder, die brauchen keine Anleitung.

Ganz anders im Stadtteil Langwasser: Jeden Mittwochmorgen beenden lauffreudige Senioren ihre "3000 Schritte extra" am Bewegungspark an der Breslauer Straße. Die weniger Rüstigen warten bereits an den umliegenden Parkbänken auf den ehrenamtlichen Übungsleiter mit der Laufgruppe. In der Gruppe vereint trainieren sie auf dem Geräteparcours. Es kommen viele zum gemeinsamen Sporttreff, "hauptsächlich Hochbetagte, Alleinstehende und arme Menschen, die sich keinen Verein leisten können", erklärt Aline Liebenberg vom "Zentrum Aktiver Bürger". Das kostenfreie Angebot stoße in sozial schwächeren Stadtteilen wie Langwasser auf mehr Interesse als in reicheren Vierteln wie Eibach, schlussfolgert Liebenberg aus der unterschiedlichen Nachfrage.

Stuttgart setzt auf bezahlte Fachtrainer

Stuttgart hingegen möchte keine Ehrenamtlichen, sondern fachlich fundierte Trainer anwerben, "die es nur über entsprechende Entlohnung gibt", sagt Sportwissenschaftler Mündörfer. Er denkt dabei an einen Stundenlohn von 20 bis 30 Euro. Nur Fachtrainer könnten mit den Vorerkrankungen von Älteren richtig umgehen und ein kontinuierliches Angebot leisten.

Mit unterschiedlichen Sportangeboten versuche Stuttgart "die Senioren ab der Rente abzuholen" veranschaulicht Mündörfer. Sie sollen ihre Fitness und Selbständigkeit so lange wie möglich behalten. Die Generationenspielplätze seien bei den über 500 Bewegungsangeboten für Ältere in Stuttgart bisher nur ein Aspekt. Wenn auch ein zunehmend wichtiger.

Senioren trainieren nicht auf dem "Präsentierteller"

Ob Ältere im öffentlichen Raum regelmäßig Sport treiben, hängt aber nicht davon ab, wie viele Bewegungsangebote es gibt und wie sie angeleitet werden. Ehrenamtliche Trainer oder die Kooperation mit Vereinen seien "flankierende Maßnahmen", wie Kolb vom Nürnberger Sportservice anmerkt. Senioren trainieren dann im Freien, wenn sie sich wohlfühlen. Daher ist wichtig, wie ein Bewegungsparcours aussieht, wo er liegt und wie er örtlich eingebunden ist.

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Vom Gerätehersteller entwickelter Bewegungsparcours – der Generationenpark Warburg. Foto: Norman Riede

In Eibach ist der Bewegungsparcours zugleich Kinderspielplatz. Ältere sind hier nicht aktiv, da sie die Schwierigkeit der Geräte nicht einschätzen könnten, wie die Studie von Hottenträger ermittelt. Aber als "vielleicht sogar bedeutendere Hemmschwelle ist zu sehen, dass Ältere Angst haben, sich zu blamieren, dass sie deswegen vor allem auch in Anwesenheit von Kindern kein Risiko eingehen oder sich unsicher zeigen wollen", lautet das Forschungsergebnis der Professorin für Gartenarchitektur.

An den Bewegungspark in Langwasser grenzen keine Spielplätze, und er verzichtet auf "kindgerechtes" Aussehen. Stattdessen bestimmen Fitness, Bewegung und Motorik den Parcours, der groß genug für längere Trainingseinheiten ist. Über 20 verschiedene Geräte verteilen sich in Grüppchen entlang eines Seitenweges. Zuschauerbänke gibt es keine. Damit liegt die Anlage nicht auf dem "Präsentierteller", aber in übersichtlichem Gelände, damit sich die Sportler sicher fühlen können.

Die Senioren konnten ihre Wünsche einbringen und die Sportgeräte mit auswählen. Der für den Bau verantwortliche Landschaftsarchitekt Norman Riede erläutert, "drei Geräte wurden eigens für dieses Projekt entwickelt". Vorab war für die Planer "die Erprobung aller Geräte am eigenen Leibe" besonders wichtig, hebt Riede hervor, "die Hälfte aller Produkte hat sich dabei als nicht geeignet erwiesen".

Als Generationenpark ist der Bewegungspark in Langwasser ein Erfolg. Hier trainieren Jüngere und Ältere nebeneinander und miteinander. Im Nürnberger Park "Pegnitztal-West" baute Riede mittlerweile einen ähnlichen Bewegungspark. "Ein weiteres Projekt ist für 2012 geplant" offenbart der Nürnberger Planer, dessen ersten Generationenpark das Fachmagazin "Stadt und Raum" mit dem Deutschen Spielraum-Preis auszeichnete.

"Neue Alte" werden aktiver

Stuttgart möchte das Bewegungsangebot für Senioren ebenfalls ausbauen. Nachdem die Stadt in den letzten Jahren den Kindersport intensiv förderte, "steht 2012 und 2013 im Zeichen der Älteren" blickt Mündörfer voraus.

Die Kommunen, zumindest einige, strengen sich an. Parallel dazu werden die Senioren selbst aktiver. Die "neuen Alten" wollen sich mehr bewegen, bevorzugt im Freien. Bis jetzt wehrten sich noch viele Hochbetagte "ein Bein zu heben" und "haben oft noch nie im Leben Sport gemacht", ergänzt Mündörfer. Dabei kann man auch im hohen Alter mit Sport beginnen. Manche starten da erst richtig durch, wie der Inder Fauja Sing, der mit 80 Jahren seinen ersten Marathon lief. Im Herbst 2011 absolvierte er in Toronto nochmals die 42,195 Kilometer - als 100-Jähriger.

Literatur

Hottenträger, Grit: Genderdifferenzierte Untersuchungen zur Freiflächennutzung älterer Menschen, Hochschule Rhein-Main, Geisenheim 2008.

Hottenträger, Grit: Fitness- und Bewegungsparcours im öffentlichen Raum - ein Angebot für Seniorinnen und Senioren? Hochschule Rhein-Main, Geisenheim 2009.

Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg zum Leader-Programm.

Sportservice Nürnberg: Kurzkonzept Bewegungsparks für alle Generationen, Nürnberg 2011.

Autorin

Landschaftsarchitektin, Fachjournalistin

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