Bestandteile einer nachhaltigen Grünflächengestaltung
von: Dipl.-Ing. Jana SchultzeDie Planung von Grünflächen gestaltet sich zunehmend als immer komplexerer und mehrschichtiger Prozess. Zwei Schlagworte tauchen in diesem Zusammenhang in den Medien und der Politik auf: Nachhaltigkeit und Lebenszykluskosten. Sie stehen für Verantwortungsbewusstsein für zukünftige Generationen und für Vernunft, haben aber scheinbar wenig mit Ästhetik, Formensprache und Kreativität gemein. Im nachfolgenden soll kurz umrissen werden, was sich im Groben hinter diesen Worten verbirgt und wie sie gewinnbringend statt hemmend für eine sinnvolle Grünflächengestaltung genutzt werden können.
Nachhaltigkeit in der Gestaltung?
Medien, Politik und Werbung überschütten uns täglich mit neuer Nachhaltigkeit - sei es in Form eines Planungsprozesses, eines neuen Autos oder eines Schokoriegels. Heutzutage muss scheinbar alles nachhaltig sein, damit es sich mit gutem Gewissen kaufen und verkaufen lässt. Was aber genau hinter dem Begriff steckt, kann kaum noch definiert werden. Ein Grund, weshalb sich nun auch in der Grünen Branche ein Arbeitskreis der Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau (FLL) zum Thema "Nachhaltigkeit von Freianlagen" zusammengeschlossen hat und im nächsten Jahr in Anlehnung an das Bewertungssystem Nachhaltiges Bauen (BNB) für nachhaltige Außenanlagen auf Bundesliegenschaften ein neues Bewertungssystem für Freianlagen veröffentlichen wird. Die Komplexität des Begriffes "Nachhaltigkeit" soll an dieser Stelle aber nicht vertieft werden.Ganz schlicht und bewusst naiv gesagt, bedeutet das Wort "Nachhalten" in seiner ursprünglichen Form nichts anderes als "längere Zeit andauern oder bleiben". Auf die Grünflächengestaltung übertragen heißt das, dass Flächen geschaffen werden, die über lange Zeit bestehen. Das sollte an sich eine Selbstverständlichkeit sein. Der heutige Planungsprozess von Grünflächen endet jedoch in vielen Fällen bei der Fertigstellungspflege und das, obwohl das Planungsziel oft in einem Zeitabschnitt deutlich hinter der Fertigstellungspflege liegt. Um dieses Planungsziel erreichen zu können, ist eine fachgerechte und auskömmliche Pflege erforderlich, deren Umfang wiederum am stärksten in der Planungsphase beeinflusst wird. Wird diese Pflege bei der Planung nicht berücksichtigt, so kann auch das Planungsziel nicht erreicht werden. Was häufig der gängigen Praxis der Grünflächengestaltung entspricht.
In diesem Sinne bedeutet eine nachhaltige Planung von Grünanlagen, dass die Planung der Pflege über die Fertigstellungspflege hinaus in den Entwurf mit einfließt und somit Grünflächen geschaffen werden, die nicht nur das Entwurfsziel erreichen, sondern auch langfristig erhalten bleiben. Die Lebenszykluskosten zu berücksichtigen ist dafür unverzichtbar.
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Was umfasst die Lebenszykluskosten?
Der Lebenszyklus eines Materials ist unterteilt in verschiedene Lebensphasen. Am Anfang steht immer die Erstellung des Materials beziehungsweise sein Einbau in die Freianlage. Daran anschließend erfolgt die Fertigstellungspflege. Bei vegetativen Materialien folgt eine Entwicklungspflege, in welcher ein funktionsfähiger Zustand erzielt werden soll. Die längste der Lebensphasen ist die Erhaltungsphase. Sie entspricht der Lebensdauer des Materials abzüglich der Zeit der Fertigstellungs- und Entwicklungspflege. In dieser Phase finden auch Instandsetzungsmaßnahmen statt, um das Material wieder in den ursprünglichen Zustand rückzuführen. Der Lebenszyklus endet mit dem Rückbau. In jeder Lebensphase werden spezifische Tätigkeiten durchgeführt, welche Kosten verursachen. Die Gesamtheit der Kosten sind die Lebenszykluskosten eines Materials.Der Lebenszyklus von Freianlagen ist ähnlich. Nur haben Freianlagen kein natürliches Ende der Lebensdauer. Der vollständige Rückbau einer Freianlage ist zumeist durch Umwidmung oder Neuplanung bedingt. Somit hat eine Freianlage kein Lebenszyklusende, sondern nur einen individuellen Betrachtungszeitraum von Lebenszykluskosten gegeben durch den Planer.
Der Lebenszyklus von Freianlagen ist geprägt von den in der Anlage verbauten Materialien. Sie weisen alle einen eigenen Rhythmus und eine eigene Lebensdauer auf, die die Lebenszykluskosten der gesamten Anlage unterschiedlich prägen.
GreenCycle
Um die komplexen Lebenszykluskosten von Freianlagen leicht verständlich darstellen und auswerten zu können, hat die d.b.g. Datenbankgesellschaft mbH Falkensee in Zusammenarbeit mit der Fachstelle für Grünflächenmanagement der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaft (ZHAW) in Wädenswil und der Firma nateco in einem mehrjährigen Forschungsprojekt das Programm GreenCycle entwickelt. Dabei handelt es sich um ein Datenbankprogramm, mit dem die Lebenszykluskosten einzelner Materialien bis hin zu komplexen Grünanlagen dargestellt, bewertet und verglichen werden können.Im Programm werden die Objekte, zum Beispiel Parkanlagen und Plätze, in ihre einzelnen Materialien (Profile) unterteilt, welche wiederum mittels Schemata strukturiert und gegliedert werden. Die einzelnen Profile sind mit Tätigkeiten der verschiedenen Lebensphasen hinterlegt. Pro Tätigkeit sind die Häufigkeit der Durchgänge, die benötigte Arbeitszeit, die entstehenden Betriebsmittelkosten sowie die Materialkosten erfasst. Daraus ergeben sich die Lebenszykluskosten. Diese können pro Kostengruppe, Tätigkeit, Lebensphase oder als Gesamtkosten pro Jahr auf Ebene der einzelnen Materialien bis hin zu mehreren Objekten ausgewertet werden.
Beeinflussung von Lebenszykluskosten
In der Ökonomie ist man stets bestrebt, exakte Zahlen zu erhalten, auf die man sich centgenau jederzeit berufen kann. Bei den Baukosten ist man es mittlerweile gewohnt, dass die Kostenschätzung stark von der Kostenfeststellung nach Fertigstellung abweicht. Und das, obwohl es sich im Vergleich zum Unterhalt, um eine sehr kurze Zeitspanne handelt. Bei den Lebenszykluskosten jedoch ist man oft auf eine feste Zahl fixiert. Dabei sollte einem jeden, der mit Lebenszykluskosten arbeitet, bewusst sein, dass es sich dabei nur um Tendenzen und Spannen handeln kann. Lebenszykluskosten werden von zahlreichen Faktoren beeinflusst, die zwar kalkulierbar sein können aber auch unvorhersehbar.Zum Beispiel können die Lebenszykluskosten für eine intensive Staudenpflanzung in Service-Level 2 zwischen 16 und 20 Euro/Quadratmetern schwanken, je nachdem, ob die Flächen sehr kleinteilig und zerstückelt sind, im Schatten, in der Sonne oder auf einer Böschung liegen oder ob es sich um eine große, zusammenhängende Fläche handelt.
Je länger man seine Flächen jedoch beobachtet und die hinterlegten Werte immer wieder der realen Datenerfassung anpasst, desto genauer werden die Auswertungen zum Schluss auch an die realen Kosten heranreichen. In Pilotprojekten in der Schweiz, wie zum Beispiel in den Stadtgärtnereien von Basel oder Winterthur, konnte nach einer fünfjährigen Pilotphase mit GreenCycle eine Kostengenauigkeit für die städtischen Grünflächen von fünf Prozent Abweichung erzielt werden.
Vorteil oder Belastung für die Grünflächengestaltung?
Anhand der neun Leistungsphasen der Honorare für Architekten- und Ingenieurleistungen (HOAI) sollen im Folgenden die Vorteile der Lebenszykluskostenberechnung für die Grünflächengestaltung erläutert werden. Als Beispielgrünanlage dient der Koppenplatz in Berlin-Mitte.Leistungsphase 1: Bestandsanalyse
Der Koppenplatz wurde 1990/1991 neu gestaltet und wird in die Berliner Aufwandsklasse II, gleichbedeutend mit Service-Level 2 eingestuft. Er besteht hauptsächlich aus einer wassergebundenen Wegedecke, einer zentralen Gebrauchsrasenflächen, kleineren Rosenbeeten, einer rahmenden Strauchfläche und vorgelagerten Buchsbaumhecken. Einzelbäume, Solitärsträucher und Bänke vervollständigen den Platz.Bei einer ersten Bestandsanalyse mit GreenCycle wird ermittelt, dass für eine fachgerechte Wartung und Pflege der auf dem Platz vorhandenen Materialien durchschnittlich 4,20 Euro/Quadratmeter aufgewendet werden müssten. Berlin stellt für die Pflege der Flächen in der Aufwandsklasse II jedoch nur 2,20 Euro/Quadratmeter jährlich zur Verfügung. Das bedeutet, dass die Anlage fast doppelt so viele Ressourcen zur Instandhaltung benötigt, als vorhanden sind. Dieses Defizit ist auf der Fläche durch die schlecht geschnittenen Hecken und Strauchflächen, den zertrampelten Rasenflächen und den fast im Unkraut verschwundenen Beeten erkennbar.
Zudem kommt auf die Stadt in den kommenden 15 Jahren ein Instandsetzungsvolumen von rund 47.000 Euro zu, ungeachtet des bereits vorhandenen Rückstaus von nicht durchgeführten Instandsetzungsmaßnahmen.
Fazit der Lebenszykluskostenberechnung ist somit, dass die vorhandenen Materialien auf dem Platz nicht mit den zur Verfügung stehenden Ressourcen gepflegt und erhalten werden können. Ein zunehmender Pflege- und Instandsetzungsstau ist absehbar.
Der Bauherr steht nun vor der Entscheidung, die Flächen weiter verwahrlosen und verfallen zu lassen, den Platz neu zu gestalten mit der Prämisse, dass die fachgerechte Pflege den vorhandenen Ressourcen entsprechen, oder mehr Geld für eine auskömmliche Pflege in den Platz zu investieren. Entscheidet er sich für eine Umgestaltung des Platzes, so kennt er den Kostenrahmen für die Pflege und die größten Kosten- und Problemstellen im Bestand. Diese Informationen sollten in die Vorplanung oder Wettbewerbsphase einfließen.
Leistungsphase 2: Vorplanung oder Wettbewerbsphase
In der Vorplanung oder bei Wettbewerben werden zunächst Gestaltungsvarianten und Ideen dargestellt und diskutiert. Im Fokus stehen hauptsächlich Themen wie die Formensprache, Nutzbarkeit und Wunscherfüllung des Bauherrn. Dennoch sollten auch in dieser frühen Phase Lebenszykluskosten gleichrangig mit den Baukosten in die Entscheidung mit einfließen. Bereits die Aufteilung der Flächen, ob groß und zusammenhängend oder kleinteilig und zerstückelt, wirkt sich stark auf die Kosten aus. Im günstigsten Fall erfolgt eine Berechnung der Lebenszykluskosten in der ersten Wettbewerbsphase und wird den Planern mit den entsprechenden Kritikpunkten übergeben. In der zweiten Phase des Wettbewerbs zeigt sich dann, ob die Entwürfe noch flexibel in der Materialwahl sind oder ob die Ausbildung von intensiven und extensiven Flächen möglich ist. Kann der Kostenrahmen der Instandhaltung halbwegs erreicht werden, ohne dabei den Entwurfsgedanken gänzlich zu zerstören? Wichtig ist dabei, dass die Lebenszykluskosten unabhängig und für alle Beiträge mit der gleichen Datenbasis ermittelt werden, um eine fachliche Einschätzung der Tendenzen zu ermöglichen.Leistungsphase 3: Entwurfsplanung
Den wesentlichsten Einfluss auf die Instandhaltungskosten hat die Entwurfsphase. Aus dem Wettbewerb ist ein Entwurf hervorgegangen, welcher zwar noch recht flexibel in den Materialien ist, aber mit einem durchschnittlichen Instandhaltungsbedarf von rund 4,15 Euro/Quadratmeter noch deutlich über den zur Verfügung stehenden Ressourcen für die Instandhaltung liegt. Die Kunst der Grünflächengestaltung und die Verantwortung des Planers liegen nun darin, eine Grünanlage zu entwickeln, die eine Vereinbarung zwischen den Wünschen des Bauherrn und den vorhandenen Ressourcen zur Pflege darstellt.Als konkretes Beispiel sollen die Rosenbeete dienen. Eine erste Berechnung der Instandhaltungskosten ergibt, dass die Rosenbeete mit einem geringen Flächenanteil einen relativ hohen Pflegebedarf aufweisen. Hier sollten Alternativen angedacht werden. Der Wunsch des Bauherrn ist im Wesentlichen ein gepflegtes Beet, die einen ästhetisch ansprechenden Blüheffekt und eine entsprechende Höhenwirkung haben. Alternativ könnten somit Bodendeckende Rosen und extensive Staudenpflanzungen diskutiert werden. Eine erste Gegenüberstellung der Instandhaltungskosten zeigt, dass für Bodendeckerrosen sowie extensive Stauden nur zwei Drittel der Ressourcen benötigen werden wie für Edelrosen - und das bei ähnlicher Raumwirkung. Diese beiden Alternativen entsprechen somit eher den vorhandenen Pflegeressourcen des Koppenplatzes und sollten diskutiert werden.
Ein Ignorieren dieser Differenz zwischen Planung und Instandhaltung, wie es zurzeit oft erfolgt, ist für niemanden hilfreich. In der Konsequenz wird das Planungsziel "Beet mit Edelrosen" mit der vom Betreiber möglichen Instandhaltung nicht erreicht und ein "Beet mit Unkraut und lückiger Bepflanzung" entsteht. Dies ist vom Planer so nicht geplant und nicht "verkauft" worden, vom Bauherrn nicht gewollt und vom Nutzer wird es als negativ wahrgenommen. Weder Planung noch Beete haben Bestand: Beide sind nicht nachhaltig.
Der Vergleich von Entwürfen
Wie im Detail mit den Rosenbeeten dargestellt wurde, können mit GreenCycle auch ganze Freianlagen berechnet und miteinander verglichen werden. Dem Originalentwurf wird nun ein Alternativentwurf gegenübergestellt, der die gleiche Flächenaufteilung besitzt, aber andere Materialien verwendet. Die nachfolgende Tabelle bildet die unterschiedlichen Materialwahlen der Entwürfe ab.Die dargestellten Entwürfe dienen lediglich der Verdeutlichung der Arbeitsweisen und Möglichkeiten von GreenCycle und der hinterlegten Datenbank. Deren gestalterische, ökologische und soziale Wirkung und Bewertung der Entwürfe obliegt den Planern und Bauherren und sollte immer in Zusammenhang mit den Kosten diskutiert werden.
Der Vergleich der Wartungs- und Pflegekosten über einen Zeitraum von 19 Jahren zeigt, dass der Alternativentwurf durch die neuen Materialien nur eineinhalb mal so viele Ressourcen zum Erhalt der Flächen benötigt wie die Wunschvariante. Das bedeutet, dass die Entwurfsvariante nicht nur in der jährlichen Pflege kostengünstiger als der Originalentwurf ist, sondern sich mit 2,73 Euro/Quadratmeter auch an die vorhandenen Pflegeressourcen von 2,20 Euro/Quadratmeter im Jahr annähert.
Werden in die Berechnung zudem auch noch die Instandsetzungskosten mit einbezogen, wird deutlich, dass der Alternativentwurf zudem Materialien verwendet, die dauerhafter sind und weniger Investitionen in den kommenden Jahren benötigen. Mehr als 30.000 Euro für Instandsetzungen könnten mit dem Alternativvorschlag eingespart werden.
Bei den Baukosten zeigt sich wiederum ein ganz anderes Bild. Die Entwurfsvariante ist gegenüber dem Originalentwurf knapp 40000 Euro teurer. Eine Summe, die den Bauherrn natürlich nicht vom Alternativentwurf überzeugen wird.
Bei der Lebenszykluskostenbetrachtung geht es jedoch darum, den Kostenverlauf einer Grünanlage mit allen auf der Fläche entstehenden Kosten zu betrachten. Vergleicht man somit die Summe der Bau-, Wartungs- und Instandsetzungskosten für die Dauer von 15 Jahren, wird deutlich, dass sich die Einsparung der 40.000 Euro im Bau in der Folge nicht lohnt. Aufgrund der hohen Instandhaltungskosten des ersten Entwurfes entstehen nach 15 Jahren Mehrkosten von mehr als 55.000 Euro gegenüber der Alternative. Bereits nach sieben Jahren Inbetriebnahme der Anlage haben sich die Einsparungen im Bau durch die hohen Instandhaltungskosten ausgeglichen. Ab diesem Zeitpunkt ist die Entwurfsvariante ökonomischer als der Originalentwurf in den Gesamtkosten.
Das Beispiel ist nur ein Abriss der Diskussionen und Möglichkeiten, die mit der Betrachtung von Lebenszykluskosten im Entwurfsprozess entstehen können. Über die bereits dargestellten Faktoren können zudem Probleme in der Wartung aufgezeigt werden. Beispielhaft seien dazu Einbauten in Rasenflächen, Mähbreiten von Großflächenmähern oder die Zugänglichkeit zu den Flächen erwähnt. Zudem können unterschiedliche Pflegebereiche in Form von Service-Leveln diskutiert und berechnet werden.